Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Zwölfte Rundfunkänderungsstaatsvertrag, der der Umsetzung des sogenannten EU-Beihilfekompromisses dient, ist von zentraler Bedeutung bei der grundlegenden Reform des Rundfunkrechts und hat die medienpolitische Debatte des letzten Jahres maßgeblich geprägt. Im Kern geht es in diesem Staatsvertrag um die Konkretisierung des Auftrags für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die EU hatte die derzeitige Finanzierung und Beauftragung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten kritisiert.
Die Aufgabe für Deutschland liegt nunmehr darin, den Auftrag der Anstalten im Bereich der Telemedien wie auch des Rundfunks hinreichend präzise und klar zu fassen, insbesondere eine konkrete Definition des Programmauftrags für digitale Angebote und einen Nachweis über den gesellschaftlichen Nutzen gebührenfinanzierter Auftritte im Internet vorzunehmen.
Es geht in dem Rundfunkänderungsstaatsvertrag also um die Frage, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk in einem digitalisierten Medienumfeld leisten soll und darf. Er ist damit entscheidend für die Zukunftsfähigkeit des Öffentlich-Rechtlichen in der multimedialen Landschaft. Gerade wegen dieser grundsätzlichen Bedeutung ist der Staatsvertrag öffentlich stark debattiert und auch kritisiert worden. Sowohl die Anhörung aller Marktbeteiligten als auch die mediale Resonanz auf den Staatsvertragsentwurf haben gezeigt, dass man der vielschichtigen Interessenlage nur schwer gerecht werden kann.
Unabhängig von den jeweiligen Koalitionen oder Kollisionen verschiedener Interessengruppen sind die Gesetzgeber an ein höchst kompliziertes rechtliches Rahmenwerk gebunden. Einerseits haben die Länder die von der EU-Kommission konkretisierten Vorgaben im Hinblick auf eine klare Fassung und Begrenzung des Auftrags der Rundfunkanstalten zu beachten; andererseits ist den verfassungsrechtlichen Anforderungen Rechnung zu tragen.
Nach dem geltenden Rundfunkstaatsvertrag darf der öffentlich-rechtliche Rundfunk Telemedien anbieten, wenn sie einen programmbezogenen Inhalt aufweisen. Das war der EU-Kommission nicht hinreichend konkret. Der Staatsvertrag regelt nun, dass ausgestrahlte Sendungen, mit konkreten Ausnahmen, für sieben Tage zum Abruf in Mediatheken anzubieten sind, und unterteilt die Telemedien in Angebote, die direkt durch den Staatsvertragsgeber beauftragt werden, und solche Angebote, die zu ihrer Zulässigkeit einen Drei-Stufen-Test durchlaufen müssen. Die Auftragsnorm wird ergänzt durch eine sogenannte Negativliste, also der Angebotsformen, die in öffentlich-rechtlichen Telemedien nicht erlaubt sind.
Meine Damen und Herren, nicht an die Stelle, sondern zu der bisherigen Funktion des Suchens tritt das Internet als Plattform bzw. Verbreitungsweg von Angebotspaketen, von nutzerspezifischen Angeboten, wobei die klassischen elektronischen Medien hier nur noch ein Teil umfangreicher Angebote sein werden. In Gestalt des digitalen Wohnzimmers wird heute schon demonstrierbar, dass sich beispielsweise das klassische Rundfunknutzungsverhalten nicht ändern muss, um das Internet als Verbreitungsweg zur ersten Eingangsstufe jedweder digitalen Mediennutzung zu machen.
Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk kommt es in dieser Perspektive darauf an, als vollgültiges Angebot überhaupt wahrgenommen zu werden. Dies ergibt sich - jenseits eines möglichen Wettbewerbs mit Anbietern, die keinen klassischen Rundfunk betreiben - bereits aus seiner Stellung im dualen Rundfunksystem. Die Rundfunkordnung in Deutschland beruht nach wie vor auf dem Grundsatz, dass es privaten und privatwirtschaftlichen Rundfunk nur geben darf, sofern der Bestand und die Entwicklungsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gewährleistet sind.
Das Bundesverfassungsgericht hat dies in seinem Rundfunkurteil vom September 2007 erneut bestätigt und dabei sogar noch betont, wie breitgefächert dabei das Angebot des ÖffentlichRechtlichen an neuen Formaten sein muss. In diesem Verfahren ging es zwar um den verfassungswidrigen Eingriff der Bundesländer in die Rundfunkfinanzierung. Das Bundesverfassungsgericht hat aber mit dem Urteil über den Streitfall hinaus Grundsätze formuliert, wonach die Entwicklungsfreiheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gerade im multimedialen Umfeld bei Sicherung der Programmautonomie zu gewährleisten ist. Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk dürfen also im publizistischen Wettbewerb keine Nachteile gegenüber privaten und privatwirtschaftlichen Wettbewerbern entstehen.
Meine Damen und Herren, ich möchte mich heute noch nicht großartig mit dem Inhalt des Vertrages auseinandersetzen. Meine Fraktion wird dazu eine Anhörung im Hauptausschuss beantragen, da es nach unserer Ansicht durchaus Detailfragen gibt, die dem eben Genannten noch nicht Rechnung tragen und darüber hinausgehende Folgen haben, die unserer Meinung nach diskutiert werden sollten.
Für die Zukunftsfähigkeit des Öffentlich-Rechtlichen ist es von wesentlicher Bedeutung, dass auch er die Chance bekommt, ein attraktives Angebot im Internet zu unterbreiten, um auch den veränderten Nutzungsbedürfnissen insbesondere der jüngeren Generation Rechnung tragen zu können und um weiterhin gesamtgesellschaftlich akzeptiert zu bleiben. Die Rundfunkanstalten können ihre öffentliche Aufgabe nur dann wirksam erfüllen und auch die Gebührenpflicht nur dann rechtfertigen, wenn sie für alle Teile der Bevölkerung interessante Angebote vorhalten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Vorredner haben darauf hingewiesen, dass der eigentliche Schwerpunkt des Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrages die Konkretisierung des Auftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für seine Rundfunkprogramme und Telemedienangebote sowie Verfahrensvorschriften für neue und veränderte Telemedien sind.
Ich muss auf die Einzelheiten, die sich auf die EU beziehen, nicht eingehen. Aber ich meine, es muss noch einmal deutlich gemacht werden, dass vor dem Hintergrund dieser unterschiedlichen Interessen - auf der einen Seite die EU, auf der anderen Seite in Deutschland die deutschen Länder, aber eben auch die Länder untereinander - dieser Staatsvertrag wie so oft einen Kompromiss darstellt.
Zum politischen Hintergrund muss aber noch gesagt werden, dass es die privaten Rundfunk- und Telekommunikationsanbieter waren, die bei der EU geklagt haben. Ich meine, es ist deutlich, dass die privaten Rundfunkbetreiber hinsichtlich ihrer Programmqualität dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht das Wasser reichen können und deshalb versucht haben, über die Finanzierung diesen einzuschränken. Das ist ihnen nicht gelungen.
Vor diesem Hintergrund ist, meine ich, dieser Staatsvertrag ein guter Kompromiss, auch wenn ich die zusätzlichen bürokratischen Hürden - die Sieben-Tage-Frist und den Drei-Stufen-Test bedaure. Allerdings wird mit dem vorliegenden Staatsvertrag der Streit mit der EU beendet, und er schafft Klarheit in Bezug auf Programmauftrag, auf Verbreitung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Deshalb bitte ich um Überweisung an den Hauptausschuss.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nun bringen die öffentlich-rechtlichen Rundfunksender auch noch den Amtsschimmel der EU-Kommission zum Wiehern.
Ein wesentlicher Punkt des Rundfunkänderungsstaatsvertrages ist die Regelung, wonach ein Drei-Stufen-Test für den Telemedienbestand bis zum 31. August 2010 abzuschließen ist.
Wie kam es aber nun dazu? Der Verband privater Rundfunkund Telemedien hatte sich 2002 mit Erfolg bei der Europäischen Kommission darüber beschwert, dass ARD und ZDF kostenlos und damit wettbewerbswidrig Inhalte im Internet anbieten. Die EU-Kommission zwingt uns nun zu einer detaillierten Festlegung für den Inhalt von Telemedien-Online-Angeboten.
Glücklich ist mit diesem Staatsvertrag aber eigentlich keiner. Denn einerseits ist er aus der Perspektive der privaten Fernsehund Radiosender nicht weitreichend genug. Andererseits wirft der dort enthaltene Drei-Stufen-Test für sogenannte Angebote ohne Sendebezug mehr Rechtsfragen auf, als im Einzelfall Klarheit zu schaffen. In diesem Test soll durch die Aufsichtsgremien der einzelnen Rundfunkanstalten geprüft werden, ob das entsprechende Angebot Teil des öffentlich-rechtlichen Auftrags ist, welchen qualitativen Beitrag zum publizistischen Wettbewerb es leistet und wie hoch die damit verbundenen Kosten sind. Zusätzlich sind die Marktauswirkungen sogar durch ein externes Gutachten zu prüfen.
Der Staatsvertrag sattelt hier aber sogar einiges an Bürokratie drauf, nämlich dass nunmehr das gesamte vorhandene Telemedienangebot einen solchen Drei-Stufen-Test durchlaufen und rückwirkend legitimiert werden soll. Betrachtet man das Gesetz und die als Anlage beigefügte Negativliste näher, ist ein bürokratisches Monstrum herausgekommen, das letztlich die Kosten für die Gebührenzahler noch weiter in die Höhe treiben wird.
Hierzu nur noch einige Beispiele: So ist nicht klar, ob das Verbot der „Spielangebote ohne Sendebezug“ werbefrei und pädagogisch motivierte Spiele auf den Seiten einzelner Sendungen betrifft, wenn sie sich nicht auf eine konkrete einzelne Folge der Sendung beziehen.
Auch ist nicht nachvollziehbar, warum Audios und Videos grundsätzlich nur sieben Tage im Netz vorhanden sein dürfen, dann wieder gelöscht werden müssen, obwohl die Gebührenzahler bereits dafür gezahlt haben.
Ich könnte die Liste der Norm-Unklarheiten fortsetzen, aber das würde den Umfang meiner Redezeit sprengen.
Insgesamt liegt das Problem aber nicht bei der EU, es liegt im Vorhandensein gebührenfinanzierter öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten selbst. Gäbe es diese - aus Sicht meiner Fraktion ohne jede sachliche Legitimation - staatlich finanzierten Anstalten nicht, dann gäbe es auch keine Wettbewerbsverzerrung zulasten der privaten Anbieter, und die EU-Kommission würde die Länder nicht zu solchen bürokratischen Narrenstücken zwingen.
Insgesamt halten wir es mit dem Zwölften Staatsvertrag wie mit den anderen Rundfunkänderungsstaatsverträgen in der Vergangenheit - wir lehnen ihn selbstverständlich ab. - Ich bedanke mich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich sehe, der Chef der Staatskanzlei hat wegen des starken Europabezuges des Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrages eine sich zur Europäischen Gemeinschaft bekennende Krawatte an. Das ist durchaus angebracht. Er hat schon darauf hingewiesen, dass eigentlich nur Gebührenerhöhungen, die meistens ärgerlich sind...
(Zuruf des Abgeordneten Baaske [SPD] - Klein [SPD]: Wollen Sie konvertieren, Herr Dr. Niekisch, weil Sie eine rote Krawatte tragen?)
- Nein, das ist eine Farbe der gesteigerten Aufmerksamkeit. Es gibt keine politische Partei, die ein Recht auf dieses Monopol hat.
Aber zur Sache zurück, meine Damen und Herren. Der Zwölfte Rundfunkänderungsstaatsvertrag hat nicht das Aufmerksamkeitsmerkmal, dass es hier um eine Gebührenerhöhung geht. Das wird der nächste sein, der Dreizehnte Staatsvertrag, der den Versuch unternehmen will, diese gesamten Gebühren auf eine ganz neue Grundlage, die gerechter sein soll für den Einzelnen wie für die Rundfunkanstalten, zu stellen. Hier geht es darum, wie schon angedeutet worden ist, zwischen den privaten Rundfunk-, Fernseh- und vor allem auch Internetanbietern sowie der Europäischen Union einerseits und den öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten andererseits einen Kompromiss zu finden. Das Verdienst dieses Staatsvertrages ist, dass die Beauftragung und vor allen Dingen die Definition des öffentlichrechtlichen Rundfunks sowohl konventionell als auch für die Telemedien, für den modernen Rundfunk neu gefasst worden ist. Ich zitiere einmal daraus, weil es von allgemeinem Interesse ist:
„Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist, durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier, individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben in ihren Angeboten einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Sie sollen hierdurch die internationale Verständigung, die europäische Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bund und Ländern fördern. Ihre Angebote haben der Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung zu dienen. Sie haben Beiträge insbesondere zur Kultur anzubieten. Auch Unterhaltung soll einem öffentlich-rechtlichen Angebotsprofil entsprechen.“
„Der öffentlich-rechtliche Rundfunk kann programmbegleitend Druckwerke mit programmbezogenem Inhalt anbieten.“
Meine Damen und Herren, vergegenwärtigen Sie sich einmal, wie sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk seit den 50er, 60er Jahren entwickelt hat: Wir haben die ARD mit den Zusatzangeboten EinsExtra, EinsPlus und EinsFestival. Dann haben wir die neun Landesrundfunkanstalten mit dem Spartenprogramm BR-alpha mit dem Schwerpunkt Bildung, das ZDF als Vollprogramm, zusätzlich ZDFinfokanal, ZDFkulturkanal und ZDF-Familienkanal und natürlich ARD und ZDF zusammen mit den Vollprogrammen 3sat, arte und den Spartenprogrammen Phönix und Kinderkanal. Dazu kommen die Hörfunkprogramme und die Telemedien. Deswegen halte ich es durchaus für gerechtfertigt, dass mit den privaten Anbietern und vor allen Dingen denjenigen, die im Internet präsent sind, ein Ausgleich gefunden wird, weil unser öffentlich-rechtlicher Rundfunk, der auch mir lieb und teuer ist, trotzdem einen Vorteil durch die Gebührenfinanzierung hat. Es ist wichtig und richtig, dass man das regelt, dass man bestimmte Angebote zeitlich befristet und dass man diesen sogenannten Drei-StufenTest eingeführt hat für bestehende, aber vor allen Dingen für neue und nicht unmittelbar programmbezogene Internetangebote.
Die drei Punkte will ich nennen, weil das wichtig ist. Erstens hat geprüft zu werden, inwieweit das neue Angebot den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft entspricht, in welchem Umfang - zweitens - durch das Angebot in qualitativer Hinsicht publizistischer Wettbewerb unterstützt wird, es also einen Beitrag dazu gibt, und welcher finanzielle Aufwand - drittens - für dieses Angebot erforderlich ist. Das ist wieder wichtig, denn die Gebührenzahler haben ein unglaublich großes Angebot bekommen. Diese Entwicklung habe ich deutlich gemacht, die auch Gebührenerhöhungen nach sich gezogen hat. Deswegen ist es wichtig, dass der Telemedienbereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unter wettbewerbs-, qualitäts-, aber auch finanziellen Gesichtspunkten einer besonderen Kontrolle unterliegt.
Ich weiß, dass vor allen Dingen die Rundfunkräte viel zu tun haben werden. Im letzten Rundfunkrat des RBB ist das schon besprochen worden. Aber das eine kann man eben nicht ohne das andere haben. Die Praxis wird erweisen, ob es ein bürokratisches Monstrum ist oder ob es wirklich dem Wettbewerb, der Qualität und vor allen Dingen auch der Gebührensicherheit und -dämpfung für die Bürgerinnen und Bürger und den Nutzern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dient bzw. ihnen von Nutzen sein kann. In diesem Sinne kann ich die Überweisung nur befürworten. Eine Anhörung dazu kann man selbstverständlich durchführen. Ich finde, es ist ein guter Kompromiss, den die 16 Chefs der Länder, Freistaaten und Stadtstaaten am 18. Dezember 2008 zustande gebracht haben. - Danke schön.
Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Debatte angelangt. Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs in der Drucksache 4/7236 an den Hauptausschuss.
Wer dem Folge leisten möchte, der möge die Hand heben. Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei einigen Gegenstimmen ist der Gesetzentwurf beschlossen.
Es wurde vereinbart, hierzu keine Debatte zu führen. Ich lasse also über den Antrag in Drucksache 4/7262 abstimmen. Wer ihr Folge leisten möchte, der hebe die Hand. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist diese Vorlage einstimmig angenommen. Es gab keine Gegenstimmen oder Enthaltungen.