Protocol of the Session on December 16, 2004

Eine zweite Bemerkung: Über die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird seit sehr langer Zeit geredet. Das wird auch noch eine Weile andauern. Die Kommunikationsland

schaft befindet sich in einem tiefen Umbruch. Vor diesem Hintergrund müssen die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bestimmt, auch neu bestimmt werden.

Natürlich kann man auch darüber reden, ob die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks reduziert werden sollen. Möglicherweise bringt eine solche Reduzierung auch Entlastung bei den Gebühren. Ich wehre mich nur dagegen, das Pferd von hinten aufzuzäumen, also den Gebührenzustrom zu drosseln und damit Aufgabenreduzierungen zu erzwingen oder gar politisch vorzugeben. Es steht zu befürchten, dass auf diesem Wege ein wichtiger Platz in der veränderten Kommunikationslandschaft letztlich unbesetzt bleibt und die unter Kostendruck gesetzte Behörde öffentlich-rechtlicher Rundfunk zugleich in eine Konkurrenzsituation mit den privaten Unternehmen getrieben wird. Diese Konkurrenz können die Öffentlich-Rechtlichen nicht bestehen.

Deshalb zwei Schlussfolgerungen: Medienpolitik muss konstruktiv werden und sich dieser Aufgabenstellung widmen und schließlich muss ein solcher konstruktiver Ansatz die Autonomie der Sendeanstalten achten und produktiv machen. Wir vertrauen auf die Kraft der Sender selbst und lehnen politischen Dirigismus ab. Wir meinen nicht, dass Politikerinnen und Politiker Reformen bei der vierten Gewalt vorgeben sollten.

Deswegen, meine Damen und Herren, sind wir auch strikt dagegen, die Kommission zur Erfassung des Finanzbedarfs der öffentlich-rechtlichen Anstalten - die KEF - auszuhebeln und politisch in die Diskussion um die Festsetzung der Höhe der Gebühren einzugreifen. Genau das aber haben die Ministerpräsidenten getan. Ich halte das für eine gefährliche Tendenz. Es gilt nämlich, die Sendeanstalten vor dem Zugriff der Ministerpräsidenten zu schützen. Dafür gibt es wichtige Gründe:

Erstens verstößt die Entscheidung der Ministerpräsidenten gegen die Prinzipien der Staats- und Parteiferne.

Zweitens läuft die Rundfunkgebühr durch das Vorgehen der Ministerpräsidenten Gefahr, ihren Charakter als autonomes Finanzierungsinstrument zu verlieren und faktisch zur staatlichen Beihilfe zu werden. Dies wiederum wäre im nationalen wie im EU-Rahmen rechtlich höchst bedenklich und könnte eine Gefährdung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland heraufbeschwören.

Meine Damen und Herren! Gebührenerhöhungen sind immer unbeliebt. Argumente dagegen finden sich zuhauf. Nach gründlicher Analyse empfehle ich meiner Fraktion dennoch die Zustimmung zu diesem Rundfunkänderungsstaatsvertrag verbunden mit der Forderung, endlich mit der medienpolitischen Debatte zu beginnen und zugleich mit der Reform der öffentlich-rechtlichen Anstalten, die ihre eigene Zukunft gefährden, wenn sie zu lange warten. Möglicherweise ist das auch die letzte Chance für eine durchdachte und substanzielle Reform. Die aber brauchen die Anstalten dringend. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der PDS)

Danke, Herr Prof. Bisky. - Wir setzen mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Es spricht der Abgeordnete Birthler.

(Bochow [SPD]: Jungfernrede!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kein Landtag, kein Parlament beschäftigt sich gern mit Staatsverträgen, denn es liegt in der Natur der Sache, dass die Parlamentarier keine Veränderungen vornehmen, sondern nur Ja oder Nein sagen können. Die Möglichkeiten, eine Alternative zu diesem Staatsvertrag zu finden, sind sehr begrenzt; denn im Falle, dass ihn nur eines der 16 Länder ablehnt, käme es zu keiner Gebührenerhöhung, was für unsere Rundfunkanstalten katastrophal wäre.

Das Kernstück dieses Staatsvertrages, der bis Ende 2008 gilt, ist in der Tat die Erhöhung der Rundfunkgebühren um 88 Cent. In der öffentlichen Diskussion hat man aber manchmal den Eindruck, es gehe um eine Gebührensenkung um 88 Cent und nicht um eine Gebührenerhöhung. Ich denke, angesichts der allgemeinen Belastungen der Menschen und der wirtschaftlichen Situation sind diese 88 Cent ein vertretbarer Kompromiss. Es kann auch nicht so sein, dass der Automatismus einsetzt, dass die KEF einen Vorschlag unterbreitet, dieser in einen Staatsvertrag einfließt und die Landesparlamente zustimmen sollen. Das wäre genauso, als würde der Landtag bei den Haushaltsberatungen nicht mehr selbst beraten, sondern lediglich die Vorstellungen der Ministerien übernehmen und in den Haushaltsplan schreiben.

(Beifall des Abgeordneten von Arnim [CDU])

Die Ministerien würden sich freuen - das Parlament jedoch nicht.

Insofern, denke ich, ist hier ein guter Kompromiss gefunden worden. Natürlich ist die Erhöhung, die geringer ausgefallen ist als erwartet, eine hohe Belastung und eine große Herausforderung für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Hier sind alle Beteiligten - die Politik an vorderster Stelle, aber auch die Rundfunk- und Verwaltungsräte - gefordert, die Geschäftsführungen der Anstalten zu unterstützen und dafür zu sorgen, dass nicht weiterhin kostenträchtige Aufgaben auf die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten übertragen werden. Ich denke dabei nicht zuletzt an die Arbeitnehmervertreter und die Tarifpartner, die, bevor sie über Gehaltserhöhungen bzw. die Sicherung der Ruhestandsprivilegien nachdenken, einen Blick in andere gesellschaftliche Bereiche werfen sollten.

Ich empfehle die Überweisung an den Hauptausschuss.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten von Arnim [CDU])

Danke, Herr Birthler. - Für die DVU-Fraktion spricht der Abgeordnete Schuldt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der freien Marktwirtschaft sollte der Bürger selbst darüber entscheiden können, welche Produkte er kauft und vor allem, wofür er zahlen muss. Er hat bereits jetzt keine Lust, für den - entschuldigen Sie, bitte! - Mist, den er im Fernseher sieht, auch noch zu bezahlen.

(Beifall bei der DVU)

Im Grunde genommen geht es heute nur noch darum, eine Entscheidung der Länderregierungen abzunicken, damit die GEZ bei den Menschen in unserem Land zukünftig noch besser abkassieren kann.

Aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 1994 wurde die Festsetzung der Rundfunkgebühren neu geregelt und beschlossen, dass die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten, die KEF, unter Berücksichtigung der Programmautonomie die Anmeldung des Finanzbedarfs festzustellen hat. Dieser Gebührenvorschlag soll dann die Grundlage der Entscheidung der Landesregierungen und der Länderparlamente sein.

Die Kommission hat diesmal eine Erhöhung von 1,09 Euro empfohlen. Mit der heutigen Vorlage werden uns nun 0,88 Euro pro Monat Mehrkosten vorgeschlagen. Eine 0 vor dem Komma sieht doch eigentlich besser aus als eine 1. Aber wahrscheinlich ging es eher darum, die vom Bundesverfassungsgericht festgestellte Notwendigkeit aufzugreifen, von der KEFEmpfehlung abzuweichen, weil bereits in der bestehenden Gebühr eine unangemessene Belastung des Gebührenzahlers zu sehen ist, die nicht sozial verträglich ist. - Nachzulesen auf Seite 27 der Drucksache.

Wir als DVU-Fraktion sehen allerdings - da muss ich wieder einmal polemisch werden - angesichts der Programmqualität der Öffentlich-Rechtlichen, insbesondere des Rotfunks BerlinBrandenburg,

(Gehrcke [PDS]: Ihr wollt den Braunfunk!)

die Erhebung jeder Gebühr von den Bürgerinnen und Bürgern als soziale Zumutung an.

Von wenigen Ausnahmen abgesehen unterscheiden sich die öffentlich-rechtlichen Sender im Hinblick auf das kulturelle wie auch auf das sonstige intellektuelle Niveau praktisch nicht mehr von den Privaten, die sich schließlich allein von den Werbeeinnahmen finanzieren müssen.

(Beifall bei der DVU - Zuruf des Abgeordneten Vietze [PDS])

Es gibt zugegebenermaßen, Herr Vietze, noch einige öffentlich-rechtliche Sender in Deutschland, die zumindest einen gehobenen Anspruch an sich selbst stellen. Als Beispiel wären da die Telekolleg-Sendungen des Bayerischen Rundfunks zu nennen. Betrachte ich allerdings den SPD-PDS-Sender RBB,

(Gelächter bei der PDS)

so ist das dort vermittelte geistig-moralische Niveau zwar der politischen Gesinnung seiner Urheber angemessen, nicht aber dem Anspruch halbwegs gebildeter Bürgerinnen und Bürger unseres Landes.

(Beifall bei der DVU)

Dass bei dem vorliegenden Rundfunkänderungsstaatsvertrag der wesentliche Akzent auf dem Abkassieren der Bürger liegt, zeigt sich schon an der Beschaffung von Leseradressen von Programmzeitschriften. Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder setzen sich seit Jahren dafür ein, dass auch

beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk das Prinzip der Datenvermeidung und Datensparsamkeit berücksichtigt wird. Das wird hier in skandalöser Form missachtet. Über den Staatsvertrag soll nun die Beschaffung und Verarbeitung von Daten aus dem kommerziellen Adresshandel legitimiert werden. Die berechtigte Kritik der Datenschutzbeauftragten zielt indes darauf ab, dass öffentlich-rechtliche Institutionen personenbezogene Daten nur verarbeiten dürfen, wenn dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Der kommerzielle Adresshandel hat bei den öffentlich-rechtlichen Institutionen nichts zu suchen.

Weil wir gegen das Abkassieren der Zuschauer sind, protestieren wir auch dezidiert gegen die Invollzugsetzung der Gebührenerhebung für internetfähige Computer ab 01.01.2007, Herr Appel. Wie vereinbart sich das mit einer modernen Informationsgesellschaft, wenn die Informationswege auch noch gebührenrechtlich sanktioniert werden? Insgesamt gilt da für uns das Gleiche wie beim letzten Rundfunkänderungsstaatsvertrag: Selbstverständlich lehnen wir so etwas ab. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der DVU)

Wir sind damit am Ende der Debatte. Das Präsidium empfiehlt... Entschuldigung, Herr Niekisch, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass Sie über das Wahlergebnis vom 19. September nicht hinwegsehen und uns reden lassen.

(Heiterkeit bei der PDS)

Wir beschäftigen uns heute

(Zuruf des Abgeordneten Vietze [PDS])

mit dem Gesetz zum Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag. Ich möchte gern in Erinnerung rufen, was dazu gehört: der Rundfunkstaatsvertrag selbst, der ARD-Staatsvertrag, der ZDF-Staatsvertrag, der Deutschlandradio-Staatsvertrag, der Rundfunkgebühren-Staatsvertrag, der Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag, der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, der Mediendienste-Staatsvertrag und die Abmachungen mit der Europäischen Union.

Der Achte Änderungsstaatsvertrag, der jetzt vorliegt, trägt die Unterschriften aller deutschen Regierungschefs, von Edmund Stoiber in Bayern über Harald Ringstorff in Mecklenburg-Vorpommern und Matthias Platzeck in Brandenburg bis zu Dieter Althaus in Thüringen. Es ist ein Staatsvertrag, zu dem wir in der Tat nur Ja oder Nein sagen können. Indes können wir natürlich beides begründet tun. Wenn es gewichtige Gründe gibt, kann man das eine wie das andere Votum abgeben. Es gibt keine Alternative zu einem förmlichen Gesetz; wir haben es in ein Landesgesetz umzuwandeln.

Insgesamt sind die Änderungen nicht riesengroß. Es werden keine neuen Organisationseinheiten geschaffen und keine Aufgabenübertragungen vorgenommen. Es entstehen auch keine Kosten. Es gibt aber einen Nutzen, der geltend gemacht wird, nämlich höhere Gebühreneinnahmen. Vor allen Dingen werden

die Kommunen entlastet - das möchte ich hervorheben -; denn zukünftig können die jeweiligen Landesrundfunkanstalten - bei uns der RBB - selbst über Anträge auf Befreiung von der Zahlung der Rundfunkgebühren entscheiden.

Wir entscheiden heute noch nicht über den Gesetzentwurf, sondern über seine Überweisung an den Hauptausschuss; dafür plädiere ich. Ich möchte gern auf einzelne Punkt eingehen: Das Spannendste an dieser Achten Änderung des Staatsvertrages ist der § 8 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages, wonach die monatliche Gebühr von derzeit 16,15 Euro auf 17,03 Euro, also um 88 Cent, erhöht wird. Es war lange umstritten. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat immer wieder umfangreiche Kostensteigerungen geltend gemacht und auf eine steigende Zahl von Gebührenbefreiungen, Forderungsausfällen und Teuerungsraten, die jeder Bürger und jeder Einzelne im Lande spürt, hingewiesen. Deswegen haben wir auch die soziale Komponente in unsere Entscheidung mit einzubeziehen.

Es trifft zu, dass die Ministerpräsidenten und damit die Landesregierungen sowie die verfassungsmäßig beauftragte Kommission zur Erfassung des Finanzbedarfs des öffentlich-rechtlichen Rundfunks von 1,9 Euro ausgegangen sind. In einer Zeit, in der überall die Finanzen knapper werden bzw. die Kosten steigen und die Bürgerinnen und Bürger tatsächlich weniger im Portemonnaie haben, kann man schon einmal die Frage stellen, ob eine Erhöhung überhaupt gerechtfertigt ist. Denn es geht, wie Kollege Birthler gesagt hat, nicht um eine Absenkung der Gebühren, sondern um eine tatsächliche Erhöhung um 88 Cent, was insgesamt 350 bis 400 Millionen Euro für den öffentlichen Rundfunk ausmacht.

An dieser Stelle will ich betonen, dass die CDU-Fraktion zum dualen Systems des Rundfunks und des Fernsehens in Deutschland steht; dazu gibt es keine Alternative. Aber es ist auch richtig, die Perspektive der privaten Rundfunk- und Fernsehanbieter, die über weniger Geld verfügen, einzubeziehen; denn wir müssen schon darauf achten, dass im Konkurrenzkampf eine gerechte Verteilung der Wettbewerbschancen besteht. Die GEZ-Einnahmen steigen mit der geplanten Erhöhung von 6,5 Milliarden Euro auf fast 7 Milliarden Euro. Den privaten Fernseh- und Rundfunkanstalten stehen aus ihren Werbeeinnahmen insgesamt nur 4,1 Milliarden Euro zur Verfügung.

Das Angebot an Programmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist gut. Es gibt über 25 Vollzeitfernsehprogramme, also rund um die Uhr, und über 64 Rundfunkprogramme. Der eine oder andere fragt sich schon manchmal, ob mit der steigenden Anzahl der Programme auch die Qualität zunimmt.