Protocol of the Session on November 24, 2004

(Beifall bei der SPD)

Das beginnt beim Planungsrecht. Das ist in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren zu diskutieren bzw. schon einzuleiten. Wir wissen, dass es langwierige Verfahren sind. Das hört beim Geld, das heißt bei der Finanzierung von Projekten noch lange nicht auf. Es sollte jetzt daran gegangen werden. Der Zeitplan reicht bis etwa 2010; das hört sich großzügig an. Wir wissen jedoch, wie lange wir an einigen Standorten für die Entwicklung des einen oder anderen gebraucht haben. Darum fordern wir die Landesregierung auf, sich dafür stark zu machen, dass vor Ort Arbeitsgruppen entstehen, damit wir das Know- how, das wir uns an Standorten mit großen Konversionsprojekten im Lande aneigneten - zum Beispiel im Ruppiner Land oder in Teltow- Fläming - , in die Regionen des Landes exportieren können, die jetzt betroffen sind. Wir brauchen uns nichts vorzumachen. Wir haben aufgrund unserer Erfahrung in der Konversion jetzt schon einen Exportschlager par excellence, der sogar bis in andere Bundesländer hineinwirkt.

Diese Anschlussplanung muss jetzt beginnen. Ich erwarte, dass die Landesregierung, die Bürgermeister, die Landräte, aber auch die MdLs hier aktiv werden. Wir sollten dafür sorgen, dass den Beschäftigten vor Ort mit allem in unserer Macht Stehenden geholfen wird.

(Zuruf von der PDS)

Die Bundeswehr sichert zu, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen ihrer Zivilbeschäftigten geben wird. Ein

sozialverträglicher Abbau des Personals ist deutlich signalisiert.

Zu der Diskussion gehört auch Ehrlichkeit, nämlich anzuerkennen, dass die Kassen in Land und Bund leer sind, dass also nicht mit großen Zusatzprogrammen aufgewartet werden kann, die Geld bringen und somit entsprechende Programme - wie sie die PDS fordert - auslösen können.

An dieser Stelle möchte ich daran erinnern, dass es schon im Jahr 1993 eine Regelung gab, wonach den Ländern 2 % der Umsatzsteuer mehr zur Verfügung gestellt wurden, um zum Beispiel Konversionsprojekte zu fahren. Es gibt nach wie vor Geld dafür. Wir sollten jetzt zusehen, dass wir die Kräfte im Land dort bündeln, wo es notwendig ist, wo wir die Chance sehen, Unternehmen anzusiedeln, wo wir die Chance sehen, an den Stellen, an denen das Militär und die zivile Nutzung wegbrechen, neue Jobs zu schaffen. Dabei sind alle gefragt und sollten wir uns alle einbringen.

Ich glaube, dass wir mit einem speziellen Programm - wie es mitunter gefordert wird - lediglich den Effekt erreichen, dass wieder eine Menge Luft mit großen Schippen über den Maschendrahtzaun geschaufelt wird. Mehr wird dabei nicht herauskommen. Wichtig ist, dass jetzt Konzepte vor Ort gefunden werden, in die wir uns alle einbringen, dass wir Visionen entwickeln, Perspektiven erschließen und alle daran mitwirken. - Ich danke zunächst.

(Beifall bei der SPD)

Für die PDS- Fraktion erhält der Abgeordnete Gehrcke das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So, wie die Aktuelle Stunde hier zustande gekommen ist, stelle ich mir die Zusammenarbeit zwischen der PDS- Opposition und der großen Regierungspartei vor: Wir unterbreiten einen konkreten Vorschlag zur Diskussion über ein für das Land interessantes Thema - und flugs beantragt die SPD- Fraktion dazu eine Aktuelle Stunde. Das heißt, die Ideen kommen von der PDS und die SPD handelt auf dieser Ebene. Das ist mir angenehm. So können wir unsere Zusammenarbeit ausbauen.

(Beifall bei der PDS - Schulze [SPD]: Träumen Sie weiter!)

Wenn wir schon auf diese Art und Weise eine gewollte oder nicht gewollte Kooperation miteinander pflegen, wäre es auch interessant, sich mit den tatsächlichen Inhalten auseinander zu setzen, Kollege Baaske. Die große Schippe Luft, die - wie Sie meinten - von uns über den Maschendrahtzaun geschmissen wird, sehe ich eher in Ihrer Argumentation.

Nicht zu bemängeln ist die zahlenmäßige Reduzierung der Bundeswehr. Aus Sicht der PDS geht sie sogar nicht weit genug. Wir haben eine Reduzierung auf eine 100 000- Personen- Armee - bestehend aus Zeit- und Berufssoldaten - vorgeschlagen, die ausschließlich zur Landesverteidigung und nicht für Auslandseinsätze verwendet werden soll.

(Schippel [SPD]: Welcher Staat?)

Das würde auch das Problem der Wehrpflicht lösen, die immer noch ein Zwangsdienst ist. Eine Reduzierung auf 100 000 Personen als Berufs- und Zeitsoldaten würde natürlich eine viel weiter gehende Schließung von Standorten und Garnisonen erfordern. Das muss man deutlich hinzufügen.

Es ist eine Illusion zu glauben, dass Abrüstung kein Geld kostet. Abrüstung kostet Geld und Geld für Abrüstung muss aufgebracht werden. Damit müssen wir uns auseinander setzen. Über das Problem muss man diskutieren, weil dieser Schritt zur Verringerung der Stärke der Bundeswehr nicht der letzte gewesen sein wird. Deswegen muss man jetzt Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Probleme nicht bei den betroffenen Kommunen allein verbleiben.

(Beifall bei der PDS)

Das heißt, bei einem planmäßigen Abzug der Bundeswehr - Verteidigungsminister Struck sagt, die Bundeswehr sei kein Wirtschaftsförderinstrument, was eine sehr eingeschränkte Sichtweise ist; denn sie hat natürlich etwas mit Wirtschaft und Wirtschaftskraft zu tun - , bei der Schließung von Garnisonen ist es notwendig, im Vorwege in Zusammenarbeit von Kommunen, Land und Bund Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Kommunen nicht weiter finanziell und wirtschaftlich ausbluten. Das kann man längerfristig planen, und zwar nicht als Geheimkommando, sondern als Gemeinschaftsaufgabe. Das wäre verantwortliche Politik. Genau vor dieser Politik drückt sich der Verteidigungsminister.

(Beifall bei der PDS)

Deswegen ist es notwendig - dies ist keine Idee der PDS - , ein Bundeskonversionsprogramm aufzulegen und ein Bundeskonversionsgesetz zu verabschieden. Dies wurde in den 90er Jahren vom Land Niedersachsen beantragt, als das Land Niedersachsen noch unter sozialdemokratischer Regentschaft stand. Insbesondere jetzt ist es notwendig, ein solches Gesetz aufzulegen, um den Reduzierungsprozess der Bundeswehr auch politisch, kulturell und wirtschaftlich zu begleiten.

Es gibt Punkte, bei denen unsere Auffassungen auseinander gehen und auch nicht zusammengehen werden. Was der Verteidigungsminister tut, hat eine ganz einfache Logik: Das Geld reicht nicht mehr für Personal und Aufrüstung. Deswegen entscheidet sich die Bundeswehr für Aufrüstung und Umrüstung. Es ist Unsinn zu behaupten, dass das, was abläuft, irgendetwas mit Abrüstung zu tun habe und den deutschen Friedenswillen unterstriche.

(Beifall bei der PDS)

Wir haben einen Verteidigungsminister - diesbezüglich gruselt es mich regelrecht - , noch dazu einen sozialdemokratischen, der die deutsche Freiheit am Hindukusch verteidigen will, der aus der Bundeswehr, die immer stolz darauf war, eine Nicht- Einsatzarmee zu sein, eine Einsatzarmee gemacht hat.

Wenn man sich die Schließung der Standorte in Brandenburg anschaut, ist es interessant zu wissen, dass so etwas reduziert bzw. gestrichen werden soll wie die Sportförderkompanie in Potsdam - diesbezüglich sind wir gegenteiliger Auffassung - und gleichzeitig überall dort, wo es um Auslandseinsätze geht, zugelegt wird. Das betrifft das Einsatzkommando in

Geltow und insbesondere die Garnison in Wittstock. Die Garnison in Wittstock soll eingerichtet werden, weil man das Bombodrom will. Ohne Bombodrom gibt es keine Garnison.

Ich kann mit Freude sagen - wenn ich Herrn Baaske richtig verstanden habe, was man bei ihm nie weiß - , dass die SPDFraktion zumindest in Punkt 1 unseres Vorschlages mit uns übereinstimmt: dass der Landtag - nicht nur die Landesregierung - das Nein zum Bombodrom noch einmal bekräftigt. Das ist notwendig, weil Peter Struck mit seiner Entscheidung, in Wittstock die Garnison zu bauen, das Ja der Bundesregierung zum Bombodrom noch einmal bekräftigt hat. Dann soll man hier dazu auch seine eigene Auffassung einbringen.

Wir wollen nicht, dass bei uns in Brandenburg militärisch das geübt wird, was in anderen Teilen der Welt blutige Wirklichkeit ist. Das wäre Friedenspolitik, wenn man diesen Begriff schon benutzt. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Für die CDU- Fraktion spricht Herr Abgeordneter Karney.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Weitere 105 Standorte will das Verteidigungsministerium bis zum Jahr 2010 schließen. Das heißt im Klartext: Arbeitsplatzverlust, Kaufkraftverlust sowie sinkende Steuereinnahmen. Manche befürchten zu Recht auch Steuerverschwendung. Falsche Weichenstellungen darf es deshalb nicht geben.

Es ist also richtig, dass wir die Auswirkungen dieser Entscheidung in einem strukturschwachen Land wie Brandenburg heute debattieren. Schließlich geht es nicht nur um Soldaten, sondern auch um Bäcker, Fleischer, Lehrer und viele andere mehr. Das Land Brandenburg wird nach dem Willen der Bundesregierung mit drei Standortschließungen und drei Standortreduzierungen betroffen sein.

„Noch einmal Gück gehabt“, sagen die einen, oder „Da sind wir mit einem blauen Auge davongekommen“, die anderen. Andere wollen und können diese Entscheidung nicht akzeptieren und haben sich an den Verteidigungsminister gewandt. In Doberlug- Kirchhain wollen alle für eine sichere Zukunft des Instandsetzungswerks kämpfen. Ich verstehe die vorgetragenen Argumente der Lausitzer, gilt doch die Bundeswehr in solchen Regionen als ein geschätzter Wirtschaftsfaktor.

Es ist gut und ich bin froh darüber, dass wir in unserem Land den Wirtschaftsfaktor Bundeswehr endlich schätzen lernen. Das war leider nicht immer so. Sollte sich bei der intensiven Prüfung der angedachten Verlegung der Fallschirmjäger zeigen, dass diese Einzelentscheidung den Steuerzahler teuer zu stehen kommt, sollte die Bundesregierung die Argumente der Lausitzer nicht einfach vom Tisch wischen.

Mit der Schließung der Standorte wird die Anzahl der zivilen und der militärischen Dienstposten in unserem Land von 12 200 auf künftig 9 700 sinken. Brandenburg an der Havel trifft es dabei heftig; Doberlug- Kirchhain, Strausberg, Potsdam und Frankfurt (Oder) sind ebenso von Arbeitsplatzverlusten betroffen. Die Liste der Gemeinden lässt sich mit Beeskow, Brück, Oranienburg und Prenzlau fortsetzen.

Niemand von uns bestreitet die Notwendigkeit von Strukturveränderungen. Mit der Änderung der Bedrohungslage in Deutschland seit Anfang der 90er Jahre ergeben sich zwangsläufig Änderungsnotwendigkeiten. Aber in strukturschwachen Gebieten mit hoher Arbeitslosigkeit bringt diese Entscheidung Unverständnis, Zweifel und Zorn mit sich. Da wird dann ganz schnell der Ruf nach Hilfe laut. Das ist verständlich. Die PDS springt bekannterweise mit einem Antrag, den wir heute Nachmittag noch behandeln werden, auf diesen Zug auf. Konversions- , Sonder- und Strukturprogramme lassen sich schnell einmal einfordern,

(Zurufe von der PDS)

schwieriger wird es mit konkreten Lösungen.

Übrigens hat bereits 1991 im Bundestag auch der jetzige Verteidigungsminister Sonderprogramme bei Standortschließungen eingefordert.

Mit Blick auf die Standortschließungen haben die Experten des Konversionszentrums Bonn in den letzten Tagen allerdings auch vor Endzeitstimmung gewarnt. Es macht in der Tat für den Einzelnen, für den Handwerker oder Mittelständler keinen Unterschied, ob Opel oder Karstadt zumachen oder die Bundeswehr. Es ist die gleiche Situation und deshalb müssen wir uns um diese Frage kümmern.

Mit folgenden Effekten müssen wir bei Standortschließungen und - reduzierungen rechnen: Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt durch Verluste ziviler Arbeitsplätze, Umsatzeinbußen für Handel, Handwerk und Dienstleistungen infolge des Umzugs der Soldaten und ihrer Familien, überdimensionierte und nicht mehr benötigte Infrastruktur - zum Beispiel in den Bereichen ärztliche Versorgung, Wohnungen, Kindereinrichtungen - , Überkapazitäten bei Versorgungseinrichtungen für Strom, Wasser und Abwasser, die nicht ohne weiteres abgebaut werden können und von den Kommunen weiter finanziert werden müssen.

Diese Effekte werden durch die dramatische demographische Entwicklung in unserem Land noch verstärkt: Einbußen bei den Einnahmen der Gemeinden aus Steuern, Gebühren und Schlüsselzuweisungen, Überangebote an Wohnraum, verbunden mit Mietpreisrückgang und fallenden Immobilienwerten, Probleme bei der Nachnutzung der ehemaligen Militärliegenschaften. Es ist sicherlich für die einzelnen Standorte zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht möglich, die Auswirkungen ökonomisch zu quantifizieren, aber die lokale Wirtschaft wird dies zuerst spüren. Deshalb müssen wir zügig an Lösungen für die kommenden Probleme arbeiten.

Ich möchte hier kein Klagelied anstimmen, sondern nur aufzeigen, womit wir in den nächsten Jahren in den betroffenen Gemeinden rechnen müssen und was wir tun müssen. Jede Strukturveränderung bringt auch die Chance für das Neue. Wir müssen als politisch Verantwortliche den Menschen die Unsicherheit nehmen und sie für eine aktive Gestaltung des Neuen gewinnen. Deshalb wird die Koalition die Landesregierung auffordern, Unterstützungsangebote für die von den Standortentscheidungen betroffenen Kommunen zu erarbeiten und zu koordinieren.

Wir haben verschiedene Förderinstrumente wie Maßnahmen der Mittelstandsförderung und der Existenzförderung, der Verkehrspolitik und der Städtebauförderung zur Verfügung, die auch dafür eingesetzt werden können. Gleichzeitig

können wir jetzt die Strukturpolitik so ausgestalten, dass die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen und mehr Wachstum in strukturschwachen Regionen nachhaltig unterstützt wird.

Wir, die CDU- Fraktion, werden nicht zusehen, dass sich Hilflosigkeit über unser Land legt. Ich rufe hiermit alle Betroffenen und Beteiligten zu einer konstruktiven Zusammenarbeit auf. Nur das bringt uns voran. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Für die DVU- Fraktion spricht Herr Abgeordneter Schuldt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich bedeutet eine Schließung von Bundeswehrstandorten immer auch eine Schwächung der örtlichen Wirtschaft. Aufträge für den Mittelstand, die Kaufkraft der Soldaten und Arbeitsplätze fallen weg. Entsprechendes gilt natürlich auch, wenn die Landespolitik die Eröffnung neuer Standorte verhindert. Es fallen regionale Aufträge für den Mittelstand aus, die Kaufkraft der Soldaten fällt aus, neue Arbeitsplätze entstehen nicht.

Wir müssen uns zwei Punkte verdeutlichen. Erstens: In dem SPD- Antrag zur Aktuellen Stunde heißt es, die Standortschließung sei das Ergebnis einer neuen geopolitischen Lage und Konsequenz klarer Friedenspolitik der Bundesregierung.