Protocol of the Session on December 15, 2005

Ich will noch ein paar Worte zu dem Antrag der Linkspartei.PDS sagen.

Unter Punkt 1 fordern Sie Bundeszuschüsse für die gesetzliche Krankenversicherung. Es ist dem System völlig fremd, dass sonst beitragsfinanzierte Leistungen durch Bundeszuschüsse kompensiert oder ergänzt werden. Ich warne ausdrücklich vor solchen Forderungen. Wenn das Gesundheitssystem von der Kassenlage des Bundes abhängig gemacht wird, wird es noch viel schwieriger, Stabilität in dem System zu gewährleisten. Stehen weniger Einnahmen zur Verfügung, werden Leistungen der Krankenversicherung immer Sparmaßnahmen des Bundes zum Opfer fallen. Das kann meiner Auffassung nach nicht die Lösung sein. Blicken Sie nach Großbritannien! Ein entsprechendes Modell wurde dort eingeführt. Es hat zu Folgen geführt, die wir alle kennen.

Unter Punkt 3 des Antrags geht es um den Beitrag der Pharmaindustrie. Sie wissen, dass das Sparpaket des Bundes zur Stabilisierung der Arzneimittelausgaben vorgestern auf den Weg gebracht worden ist. Die Arzneimittelhersteller müssen den Krankenkassen für zwei Jahre stabile Preise garantieren; ursprünglich waren drei Jahre geplant. Die Krankenkassen werden dadurch in den nächsten beiden Jahren um rund 2 Milliarden Euro entlastet.

Zu Punkt 4: Als zuständige Aufsichtsbehörde - das habe ich vorhin schon ausgeführt - hat mein Haus die Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenkassen zu detaillierten Stellungnahmen aufgefordert, um mehr Transparenz in die Leistungsvergütung der einzelnen Arztgruppen zu bringen. Ich habe es in der heutigen Aktuellen Stunde bereits gesagt: Beide Seiten wollen ihr Regelwerk überprüfen und auch zukünftig eine ordentliche Honorarverteilung sichern. Wir werden dieses Vorhaben sehr eng begleiten. Aber ein aufsichtsrechtliches Eingreifen, wie von Ihnen gefordert, ist nur dann möglich, wenn sich herausstellt, dass die vereinbarten Regelungen rechtswidrig sind. Könnten wir keine Rechtswidrigkeit nachweisen, würden wir uns auf ein Feld mit dünnem Eis begeben, wenn wir dort etwas durchsetzen wollten. Deshalb kann ich nur sagen: Finger weg von dem Antrag der Linkspartei.PDS!

Ich wünsche mir, dass dem Antrag der Koalitionsfraktionen zugestimmt wird, weil mit ihm unser Bemühen sowohl im Land als auch auf Bundesebene unterstützt wird, eine sichere ärztliche Versorgung unserer Patientinnen und Patienten, aber auch eine ordnungsgemäße Vergütung unserer Ärztinnen und Ärzte zu erreichen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank, Frau Ministerin. - Die Fraktion der Linkspartei.PDS hat für die Drucksache 4/2263 namentliche Abstimmung beantragt. Wir beginnen mit dem Namensaufruf. Bitte schön.

(Namentliche Abstimmung)

Gibt es Abgeordnete im Plenarsaal, die keine Gelegenheit hatten, ihr Votum abzugeben?

(Die Abgeordneten Frau Richstein und Senftleben [CDU] geben ihr Votum ab.)

Ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung des Antrags in der Drucksache 4/2263 bekannt: 26 Abgeordnete haben für diese Drucksache gestimmt, 46 dagegen. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

(Abstimmungslisten siehe Anlage S. 1660)

Wir kommen zur zweiten Abstimmung innerhalb dieses Tagesordnungspunktes. Es geht um den Antrag in Drucksache 4/2274 „Zukunft der ambulanten ärztlichen Versorgung im Land Brandenburg“, eingereicht von den Fraktionen der SPD und der CDU. Wer diesem Antrag die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Diesem Antrag ist einstimmig entsprochen worden.

Ich schließe damit Tagesordnungspunkt 5 und rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Die soziale Situation von Familien und Kindern verbessern - Anrechnung von Kindergeld korrigieren

Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS

Drucksache 4/2264

Ich gebe der Abgeordneten Kaiser von der Fraktion der Linkspartei.PDS das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Entgegen allen Versprechungen und vielleicht auch Hoffnungen hat sich die materielle Situation von Kindern mit und durch Hartz IV nicht verbessert. In den bisherigen Sozialhilferegelsatz wurden damals auch noch einmalige Leistungen eingerechnet. Das hat dazu geführt, dass Kinder unter sieben Jahren etwa 10 % mehr erhalten als in der Sozialhilfe, Kinder zwischen sieben und 13 Jahren etwa 5 % weniger und Kinder über 14 Jahre ebenfalls etwa 10 % weniger.

Mit Hartz IV ist die Gesamtzahl der Kinder, die in Deutschland auf diesem Niveau leben, um ein Drittel, nämlich auf 1,5 Millionen gestiegen. Im Jahre 2004 gab es in Brandenburg 102 000 Familien, in denen die Bezugsperson erwerbslos war und die weniger als 900 Euro im Monat zur Verfügung hatten. Diese Zahl stammt aus den Daten und Analysen „Familien in Brandenburg“.

Wir Mitglieder der Fraktion der Linkspartei.PDS gehen nicht allein davon aus, dass die Grundsicherung für Kinder eben nicht so ausgestaltet ist, dass Armut wirksam verhindert wird. Kinder als Armutsrisiko - das Problem geht ja viel weiter. Auch Frau Ministerin Ziegler verwies vor wenigen Wochen darauf, dass kinderlose Paare im Land finanziell besser dastehen. Ihnen standen 2003 durchschnittlich 34 000 Euro im Jahr zur Verfügung, 900 Euro mehr als Paaren mit Kindern.

Wir reden heute über die brandenburgischen Kinder in 187 680 Bedarfsgemeinschaften nach Hartz IV. Dabei können wir von einer Zahl von etwa 60 000 Kindern ausgehen; die Sozialgeldstatistik umfasst ja nicht nur Kinder. Für diese wäre also eine Verbesserung ihrer Situation möglich - etwa 60 000 Kinder im Lande; ich betone das -, wenn die Leistungen nach dem Bundeskindergeldgesetz nicht in vollem Umfang auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende oder der Sozialhilfe angerechnet werden.

Untersuchungen zur Sozialhilfe belegen zudem, dass diese seit den 80er Jahren nicht mehr mit dem realen Anstieg der Lebenshaltungskosten Schritt gehalten hat.

Ich zitiere einen Text aus den „Nachrichten des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes“ aus diesem Jahr, der davon ausgeht, dass die Kinderarmutsquote in Ostdeutschland bei 23,7 % liegt. Dort wird ausgeführt:

„Es ist verheerend für ein Gemeinwesen, wenn ein Drittel der Kinder vom normalen gesellschaftlichen Leben aus

geschlossen ist. Für Kinder, die von Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe leben müssen, ist vieles tabu, was für andere selbstverständlich ist: Musikunterricht, Turnen im Sportverein, Zoobesuch oder Computerkurs.“

Nicht einmal Nachhilfeunterricht sei bezahlbar.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband fordert unter anderem:

„Die Regelsätze von Sozialhilfe, Sozialgeld und Arbeitslosengeld II müssen um 19 % erhöht werden, damit wenigstens annähernd von Bedarfsdeckung gesprochen werden kann. Zudem müssen wieder einmalige Leistungen für Ausgaben wie beispielsweise zur Einschulung gewährt werden. Schulranzen, Schultüte, Turnbeutel, Turnkleidung, Federmappe und Schreibhefte addieren sich schnell zu 180 Euro. Wie soll dies bei einem Kinderregelsatz von 207 Euro im Monat bestritten werden?“

Meine Damen und Herren, von einer armutsfesten Grundsicherung sind wir also noch weit entfernt, ebenfalls von einer armutsfesten Kindergrundsicherung.

Kindergeld ist der zentrale Bestandteil der Familienförderung. Ob das richtig ist oder nicht, ob nicht besser in Strukturen der Betreuung und Unterstützung, in Kitas und Schulen investiert werden sollte, darüber kann man ja streiten. Jedenfalls profitieren aber Kinder in ALG-II-Bedarfsgemeinschaften nicht vom Kindergeld. Es wird auf die Unterstützungsleistung, das Sozialgeld, angerechnet. Alle anderen Familien, auch die mit hohem Einkommen, auch, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir hier im Hause, die wir Kinder haben, profitieren vom Kindergeld uneingeschränkt. Das können, das wollen die Mitglieder meiner Fraktion nicht akzeptieren.

Besonders offenkundig ist das Problem immer dann geworden, wenn in der Vergangenheit das Kindergeld erhöht wurde: 20 DM für alle - aber nicht für die Kinder der Sozialhilfeempfänger. Von diesem Prinzip ist nur einmal ganz bewusst und politisch gewollt abgewichen worden - wir haben das damals ausdrücklich begrüßt: - Das war bei der Kindergelderhöhung im Jahre 2000. Wir halten diese Abweichung für richtig; sie sollte nicht die Ausnahme, sondern die Regel sein, und zwar vor allem deshalb, weil es das erwähnte Zurückbleiben der Regelsätze hinter den Lebenshaltungskosten gibt.

Die von uns heute vorgeschlagene Verbesserung ist durchaus moderat. Sie würde zu einem Niveau führen, wie wir es jetzt für über 15-jährige Kinder als Sozialgeld im Westen haben. Eine Ost-West-Angleichung ist ja nun ohnehin in Aussicht gestellt. Es ist im Übrigen auch nicht schlüssig zu begründen, warum die Leistungen für Kinder nach deren Alter differieren sollten. Das ist ja beim Kindergeld auch nicht so.

Wir meinen, es ist wirklich an der Zeit und es stünde einem Land, das für Kinderfreundlichkeit stehen will, gut zu Gesicht, wenn seine Regierung dafür eintreten würde, dass Kinder eben kein Armutsrisiko für Familien darstellen und zumindest die Tendenz zur Verschlechterung der materiellen Situation der Schwächsten in der Gesellschaft umgekehrt würde.

Ich möchte Sie an dieser Stelle noch einmal daran erinnern, dass wir von der Fraktion der Linkspartei.PDS verschiedene Wege gesucht haben, um die Situation von Kindern in den Fa

milien, die von Arbeitslosengeld II leben, zu verbessern: über die Erhöhung der Bedarfssätze, über die Einführung von Einmal-Beihilfen. Sie haben diese Vorschläge alle abgelehnt – aus verschiedenen Gründen. Ich bitte Sie, den heute vorliegenden Vorschlag zu befürworten. - Vielen Dank.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Herzlichen Dank, Frau Kaiser. - Für die Koalitionsfraktionen spricht Frau Abgeordnete Dr. Schröder.

Während Frau Dr. Schröder nach vorn kommt, begrüße ich ganz herzlich die Schüler der 10. Klasse aus der Oberschule Elstal. Seien Sie herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, Frau Kollegin Kaiser, wir müssen uns politisch stärker dem Thema Armut zuwenden - sowohl der Alters- als auch der Kinderarmut - und auch der sozialen Situation von Familien mit Kindern. Jedoch warne ich vor dem Trugschluss, dass allein die finanzielle Situation automatisch die soziale Situation von Familien verbessert. Gerade die jüngsten Fälle von Vernachlässigung und Verwahrlosung von Kindern sprechen hier eine andere Sprache.

Tatsächlich müssen wir auch - da haben Sie Recht - darüber diskutieren, ob Kindergeld das Mittel zur Förderung von Familien und Kindern ist oder ob wir nicht tatsächlich viel mehr in Strukturen investieren müssen.

Ihr Antrag jedoch, der heute hier vorliegt, hat damit nichts zu tun und ist für diese Debatte wahrlich untauglich. Wer über Kindergeld redet, muss auch der rechtlichen Logik dieses Instruments, so wie es jetzt ausgestaltet ist, folgen.

Neben dem Bundeskindergeldgesetz ist vor allem das hierfür grundlegende Einkommensteuerrecht zu beachten. Danach wird Kindergeld in Deutschland zur Steuerfreistellung des elterlichen Einkommens in Höhe des Existenzminimums eines Kindes gezahlt. Das Existenzminimum umfasst auch den Bedarf für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung des Kindes. Soweit das Kindergeld darüber hinausgeht, dient es der Förderung der Familien. Das Prozedere der Steuerfreistellung ist in § 31 Einkommensteuergesetz geregelt sowie im Merkblatt „Kindergeld“ der Familienkasse des Bundesamtes für Finanzen detailliert nachlesbar.

Meine Damen und Herren, deutsches Kindergeld ist also grundsätzlich eine besondere Form von Steuervergütung. Dieses verfassungsgerichtliche Gebot wird durch die Anrechnung von Kindergeld auf Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld nicht verletzt - ich betone ausdrücklich: nicht verletzt -, denn Arbeitslosengeld II ist zum einen steuerfinanziert, zum anderen wird es nicht besteuert.

Eine Bundesratsinitiative des Landes Brandenburg mit dem Ziel, Kindergeld nicht auf Arbeitslosengeld II anzurechnen, ist aus verfassungsrechtlichen Gründen also nicht geboten. Dies bestätigen im Übrigen auch jüngste Gerichtsbeschlüsse zur

Höhe der Grundsicherung. Das Existenzminimum ist gesichert und die Regelleistung nach SGB II übersteigt auch das Kindergeld. Sie wissen, dass das so geregelt ist.

Des Weiteren fordert die Linkspartei.PDS in ihrem Antrag für jedes Kind eines Arbeitslosengeld-II-Empfängers eine staatliche Unterstützung unabhängig vom Alter und ohne Berücksichtigung der Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 276 Euro pro Monat. Sie lehnen sich also an den Westtarif an, der demnächst auch in Ostdeutschland gelten wird. Eine Differenzierung der Regelleistung nicht mehr nach dem Alter des Kindes vorzunehmen halte ich für problematisch, denn Sie wissen, dass auch Unterhaltszahlungen für Kinder nach dem Alter gestaffelt sind. Das macht schon Sinn, weil der Bedarf mit dem Lebensalter des Kindes steigt.

Abgesehen davon würde die staatliche Grundsicherung für eine fünfköpfige arbeitslose Familie, also eine Familie mit drei Kindern, ohne Kosten für Unterkunft und Heizung nach Ihrer Berechnung nach Regelleistung West rund 1 450 Euro betragen. Mit den Unterkunfts- und Heizkosten könnte sie durchschnittlich bei über 2 000 Euro netto liegen. Dies entspräche einem steuerpflichtigen Familienbruttoeinkommen - je nach Höhe der Werbungskosten und der Abzüge - von etwa 3 500 bis 4 000 Euro.

Meine Damen und Herren! Die von der Linkspartei.PDS geforderte staatliche Unterstützung für Kinder Langzeitarbeitsloser würde bewirken, dass sich Arbeit für Eltern mit drei, vier oder fünf Kindern unterhalb eines steuerpflichtigen Einkommens von ca. 1 000 Euro bei einem Kind, 1 300 Euro bei zwei Kindern und 2 000 Euro bei drei und mehr Kindern nicht lohnen würde. Das halte ich auch arbeitsmarktpolitisch für sehr bedenklich. Eine solche Regelung würde die Arbeitslosigkeit nicht nur fördern, sondern geradezu forcieren.

(Zuruf der Abgeordneten Osten [Die Linkspartei.PDS])