Ich stelle die Empfehlung des Präsidiums, den Gesetzentwurf in der Drucksache 4/2069 an den Ausschuss für Infrastruktur und Raumordnung zu überweisen, zur Abstimmung.
Wer diesem Ansinnen folgen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Stimmenthaltungen? - Gegenstimmen? - Bei einigen Gegenstimmen ist dieser Überweisungsantrag angenommen und der Gesetzentwurf kann weiter beraten werden.
Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung. Herr Minister Szymanski spricht zu uns.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf betrifft die Änderung des Staatsvertrages über die gemeinsame Landesplanung BerlinBrandenburg. Konkret geht es um die Änderung der so genannten Planerhaltungsvorschrift in Artikel 9 des Landesplanungsvertrages. Diese Vorschrift befasst sich mit den Folgen von Fehlern, die bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen unterlaufen können.
Sinn und Zweck der Planerhaltung ist es, die in meist aufwendigen Verfahren aufgestellten Pläne nicht an jedem Fehler scheitern zu lassen. Die Rechtsprechung des Bundesverwal
tungsgerichts hat deshalb den so genannten Grundsatz der Planerhaltung entwickelt, wonach bestimmte Fehler unbeachtlich sind und gerade nicht zur Unwirksamkeit eines Planes führen sollen. Entsprechende Regelungen gibt es längst in anderen Rechtsbereichen wie im Fachplanungsrecht und im Baurecht.
Mit der Novellierung des Raumordnungsgesetzes im Jahre 1998 hat der Bundesgesetzgeber die Planerhaltung auch im Raumordnungsrecht eingeführt, nämlich in § 10. Auch für Raumordnungspläne sollte eine höhere Rechtssicherheit und -beständigkeit erreicht werden. Die Länder Berlin und Brandenburg haben die Bundesrahmenrichtlinie Planerhaltungsvorschrift dann im Jahr 2001 mit der Regelung in Artikel 9 des Landesplanungsvertrages umgesetzt.
Nun hat das OVG Brandenburg im Urteil vom 10.02.2005 zum Landesentwicklungsplan Flughafenstandortentwicklung diese Bestimmung im Landesplanungsvertrag so ausgelegt, dass für die Planerhaltung im ursprünglichen Sinne kaum mehr ein sinnvoller Anwendungsbereich verblieben wäre. Das Gericht hat den LEP FS für unwirksam erklärt, weil es davon ausgeht, dass ein Fehler, sofern er nur als offensichtlich zu qualifizieren ist, ausreicht, um den Plan daran scheitern zu lassen, und zwar auch dann, wenn sich der Fehler gar nicht auf das Ergebnis des Planungsprozesses ausgewirkt hat. Mit anderen Worten: Auch Fehler zum Beispiel bei der Zusammenstellung von Abwägungsmaterial, die für die Sachentscheidung ohne Bedeutung sind, hätten zur Unwirksamkeit der gesamten Planung geführt.
Ein solches Ergebnis haben aber weder der Gesetzgeber noch die Rechtsprechung gewollt; denn es liefe dem Grundsatz der Planerhaltung gerade zuwider. Deshalb soll die hier vorgelegte Neufassung des Artikels 9 des Landesplanungsvertrages klarstellen, dass Abwägungsmängel nur beachtlich sind, wenn sie offensichtlich und für das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Erst wenn sich ein Fehler bei der Abwägung auf die planerische Entscheidung auswirkt, wenn also Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Plangeber ohne den Fehler zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, ist der Plan unwirksam.
Da das Bundesverwaltungsgericht noch nicht entschieden hat, ob die Neuregelung für den LEP FS wie für alle bereits in Kraft getretenen Pläne rückwirkend gelten soll, ist die Änderung der Planerhaltungsvorschrift dringlich. Für den Fall, dass das Bundesverwaltungsgericht in den Klageverfahren zum Flughafen Schönefeld auch über die Landesplanung entscheidet, kann die Neuregelung der Planerhaltung in diesem Verfahren nur berücksichtigt werden, wenn diese zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bereits in Kraft getreten ist.
Wir als Landesregierungen von Berlin und Brandenburg haben also diese Aufgabe in einem sehr engen Zeitrahmen, aber mit der gebotenen Sorgfalt und Gründlichkeit, insbesondere mit der entsprechenden Prüfung der juristischen Fragen, jetzt auf den Tisch gelegt und bitten um die Beratung des Gesetzentwurfs. - Herzlichen Dank.
Herzlichen Dank, Herr Minister. - Jetzt spricht Frau Abgeordnete Tack für die Fraktion der Linkspartei.PDS.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! So moderate Worte, wie sie der Minister gerade zur Begründung des Gesetzentwurfs verwendet hat, fallen mir zu diesem Vorgang nicht ein, denn es handelt sich sozusagen um das Skandalunternehmen der Landesregierung seit vielen - nämlich 15 - Jahren, das immer wieder von verfehlten Planungs- und Privatisierungsentscheidungen gekennzeichnet war.
Herr Dr. Klocksin hat mich gebeten, zu dem Thema nicht so viel zu sagen; meist höre ich auf seine Bitten.
Deshalb will ich in aller gebotenen Kürze nur sagen: Es ist sozusagen der Punkt auf dem i, wenn Sie nun noch - kurz vor Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht - den ganzen Hickhack zu heilen und das mittels Behebung der Abwägungsmängel und rückwirkender Geltendmachung zu toppen versuchen.
Ich will kurz daran erinnern: Es gab einen Landesentwicklungsplan, der „Standortsicherung Flughafen Schönefeld“ hieß. Dies ist schon lange her.
Nachdem mehrere Gemeinden geklagt hatten, gab es - im Jahre 2001 - das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) , nach dem der Landesentwicklungsplan für den engeren Verflechtungsraum in Fragen Flughafenplanung für nichtig erklärt wurde.
Dann gab es einen neuen Landesentwicklungsplan, der „Flughafenstandortentwicklung“ hieß. - Dies nur, um die Chronologie zur Kenntnis zu geben.
Mit dem Urteil vom Februar dieses Jahres - auf das sich der Minister gerade bezogen hat -, wurde dieser Plan für unwirksam erklärt, weil die Abwägung, die zur Aufstellung dieses Ziels geführt hat, fehlerhaft gewesen sei. Hier ging es vor allem um die ungenügende Sicherung des Immissions- und des Freiraumschutzes sowie um Lärmschutzbelange.
Nun hat die Landesregierung in ihrer Weisheit innerhalb der gemeinsamen Landesplanung mit Berlin ein ergänzendes Verfahren durchgeführt, um die vom Gericht beanstandeten Fehler zu beheben. Der Plan ist nun öffentlich ausgelegt bzw. die Auslegung ist abgeschlossen. Jedenfalls können sich die Kommunen dazu positionieren. Und nun, um den Punkt aufs i zu setzen, wird das Ganze mit einem Gesetzentwurf bzw. einem Gesetz belegt, das dazu dienen soll, die Abwägungsmängel mit einem ergänzenden Verfahren zu beheben. Dazu also dient dieser Gesetzentwurf: Das Ganze soll rückwirkend geltend gemacht werden.
Da fragen sich viele Leute aus den Kreisen, Herr Minister: Geschieht so eine Behebung der Abwägungsmängel und rückwirkende Geltendmachung auch bei den Regionalplänen, die schon lange darauf warten, Rechtmäßigkeit zu erfahren? Oder geht es bei diesem Gesetzentwurf nur um die Flughafenplanung, um vor dem Bundesverwaltungsgericht sozusagen deutlich zu machen: Wir haben alles getan, dass der Planfeststellungsbeschluss zum Großflughafen nun seine Rechtmäßigkeit erfährt?
Ich will nicht vor dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig orakeln, ob das alles ausgereicht hat, ob jetzt alles in trockenen Tüchern ist. Ich kann nur feststellen: Es ist eine mächtige Flickschusterei und ich gehe davon aus, dass der Planfeststellungsbeschluss ob der verfahrenen Kiste um die Planungsgrundlagen mit erheblichen Auflagen belegt wird. Ich will daran erinnern: Die PDS hat immer, mit jedem neuen Urteil, gefordert, die Landesregierung möge endlich juristisch einwandfreie Planungsgrundlagen für den Flughafen erstellen. Stattdessen haben Sie sich von einem Urteil zum anderen treiben lassen und jetzt ist gerade noch ein bisschen Zeit bis zur Verhandlung im Februar in Leipzig. Wir werden sehen, ob es ausgereicht hat.
Wir gehen mit dem Gesetzentwurf in die Anhörung oder was immer wir damit machen. Jedenfalls werden wir es im Ausschuss behandeln und uns dazu austauschen.
Herzlichen Dank, Frau Abgeordnete. - Es spricht jetzt der Abgeordnete Dr. Klocksin für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich herzlich für die Gelegenheit, ein paar Worte zu sagen. Nach dem, was der Minister so kompakt und informativ dargestellt hat, hatte ich gehofft, sagen zu dürfen: „Das wars, ich stimme der Überweisung zu!“, und es geht weiter. Frau Tack, Sie geben meiner schmalen textlichen Vorbereitung regelrecht Nahrung; ich bedanke mich auch hierfür.
Nun ist es in der Tat so, dass das Verfahren, das wir hier anstreben, für die Rechtsbeständigkeit der Raumordnungspläne große Bedeutung hat, wobei der Fall Schönefeld im Hintergrund steht. Ich halte es auch für richtig, darauf hinzuweisen, dass diese Historie bereits sehr lang ist. Ihre chronologischen Kenntnisse sind in der Tat eine Bereicherung, insbesondere dann, wenn man sich nur zum Teil oder hin und wieder damit befasst. Aber vielleicht wird uns dadurch klar, dass man imstande ist, aus Fehlern zu lernen - wenn ich dies auch für meine unmittelbare Nachbarschaft so erwähnen darf.
Die Tatsache, dass die Landesregierung Anpassungen vornimmt, um das Verfahren zu bestärken und abzusichern, halte ich für richtig, zwingend und eigentlich selbstverständlich. Wenn wir das gemeinsame Interesse haben, Frau Tack, dass der Flughafen hier einen Platz findet, damit er für die Region Berlin-Brandenburg seine Bedeutung erhalten kann, sollten wir auch Interesse daran haben, dass das Verfahren ordentlich über die Bühne geht.
Damit bin ich bei einem entscheidenden Punkt, der in der öffentlichen Wahrnehmung von Belang ist. Sie haben suggeriert, das Recht solle so gebeugt werden, dass es denn für das weitere Verfahren „hinhaut“. Ich würde das sehr bedauern. Vielleicht tut es gut, noch einmal den betreffenden Teil des Artikels 9 des Landesplanungsvertrages zu hören. Er lautet in der aktuellen Fassung:
„Abwägungsmängel, die weder offensichtlich noch auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind, sind unbeachtlich.“
Das OVG Brandenburg hat, wie beschrieben, wortlautkonform diesen Passus dahin gehend ausgelegt, dass ein Abwägungsfehler, sobald er nur offensichtlich ist, selbst dann beachtlich ist, wenn er auf das Abwägungsergebnis gar nicht von Einfluss war. Sie nicken, Frau Tack, Sie verstehen es.
- Nein, eigentlich nicht. Aber mich verwirrt Ihre Bemerkung hier. Ich sage das in dieser Ausführlichkeit doch nicht, um die anwesenden Damen und Herren zu langweilen, sondern um Ihre Suggestion, hier würde sozusagen etwas durch die Hintertür hereingebracht, um die Rechtsposition der Bürgerinnen und Bürger im Lande zu schwächen, zu zerstören. Darum geht es mir; denn dies kann ich nicht akzeptieren. Deshalb der Text der Neufassung noch hinterher. Ich zitiere den Entwurf:
„Abwägungsmängel sind nur beachtlich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind.“
Das ist eine Klarstellung. Mit dieser Klarstellung wird das Verfahren in der Sache zwar nicht anders sein, aber im konkreten Fall eine große Hilfe erfahren. Ich glaube, das zu erwähnen schadet nicht.
Wir werden die Diskussion wie immer engagiert im Fachausschuss führen. Ich möchte mich namens der SPD-Fraktion für die Überweisung in den Hauptausschuss und den Fachausschuss aussprechen. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Fehler sind nützlich, aber nur, wenn man sie schnell findet“, so der britische Nationalökonom John Maynard Keynes. Ob Keynes bei diesem Ausspruch auch an Raumordnung und Landesplanung gedacht hat, kann offen bleiben. Tatsache ist, dass der Satz auch und gerade für diesen Bereich vollinhaltlich zutrifft. Raumordnung und Landesplanung ist ein fehleranfälliges Geschäft.
Das Raumordnungsgesetz selbst enthält eine Vielzahl von Vorgaben inhaltlicher und formeller Natur, die bei jeder Planung beachtet werden müssen. Das beginnt mit einer hinreichenden Begründung für die Planforderung und schließt vor allem die schwierigen Fragen einer gerechten Abwägung ein.
Fakt ist, dass die Planerhaltungsvorschriften, insbesondere der § 10 Abs. 2 Nr. 2, in der Vergangenheit selbst von eingefleischten Planungsrechtlern unterschiedlich interpretiert und zum Teil am Regelungszweck vorbei angewendet wurden. Schon die unterschiedliche Diktion des § 10 Abs. 2 ROG im Verhältnis zur Formulierung des § 214 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz Baugesetzbuch zeigt, dass die Frage der Beachtlichkeit von Abwägungsmängeln bei Rechtsanwendern Orientierungsprobleme bei der Umsetzung schafft.
Ausgehend von dem planungsrechtlichen Grundsatz des Gegenstromprinzips, also einer notwendigen gegenseitigen Abstimmung der einzelnen Planungsebenen, können vom Bundesgesetzgeber schon vom Sinn und Zweck dieser Normen her keine unterschiedlichen Auslegungen gewollt sein. Deswegen ist es durchaus sinnvoll, wenn das Land Brandenburg zur Fehlerbegrenzung die im § 6 Raumordnungsgesetz enthaltene Kompetenz ausschöpft, um mehr Rechtsklarheit herzustellen. Missverständliche Regelungen zur Planerhaltung führen nicht zur Rechtssicherheit in der Verwaltung, sondern können sich wegen der engen Verknüpfung der Planungsebenen bis hinunter zur Bauleitplanung auch investitionshemmend auswirken.
Das Land Brandenburg braucht ein transparentes und verlässliches Planungsrecht. Gerade dort, wo sich Abwägungsdefizite, Abwägungsausfall und Abwägungsdisproportionalitäten aufgrund der Komplexität der einzubeziehenden Belange allzu schnell einschleichen können, müssen Rechtssicherheit und unkompliziertere Fehlerbeseitigung möglich sein, im Falle der Erheblichkeit von Planungsmängeln jedenfalls in höherem Maße, als dies bislang der Fall war.