Protocol of the Session on November 9, 2005

(Beifall bei SPD und CDU)

Herzlichen Dank. Mit dem Beitrag der Linkspartei.PDS-Fraktion, vorgetragen durch Frau Abgeordnete Tack, setzen wir die Debatte fort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! EU-Recht ist in Landesrecht zu überführen, so auch in Umsetzung der EURichtlinie 2001/19. Das ist bisher nicht erfolgt. Daher ist bereits an dieser Stelle die Frage zu stellen, wer auf Bundesebene die Zeit verschlafen hat, denn die Bundesrepublik Deutschland ist durch den EU-Gerichtshof in einem Vertragsverletzungsverfahren angeklagt. Wenn wir uns hierbei beeilen und diesen Gesetzentwurf alsbald verabschieden - dies sollte meines Erachtens bis zum Jahresende erfolgen -, dann fällt Brandenburg aus diesem Strafverfahren heraus. Das ist es wert, dass wir uns gemeinsam anstrengen.

In vielen Punkten schließe ich mich der moderaten Rede an, die der Minister gerade gehalten hat. Dennoch gibt es mindestens zwei Konfliktpunkte, die wir in Abstimmung mit der Brandenburgischen Architektenkammer und mit dem Städteund Gemeindebund herausgefunden haben, als wir von diesem Gesetz Kenntnis nahmen. Auf sie wollen wir aufmerksam machen; im Hinblick auf sie sehen wir Veränderungs- und Korrekturbedarf. Diese Punkte werden auch Gegenstand der durchzuführenden Anhörung sein, in der man auf sie noch einmal eingehen kann.

Erstens hat die EU-Richtlinie entscheidenden Einfluss auf die Eintragungsvoraussetzungen und die Befähigungen, die zur Führung der Berufsbezeichnung in den vier Fachrichtungen Architektur, Innenarchitektur, Landschaftsarchitektur und Stadtplanung erforderlich sind. Dabei - das ist der Knackpunkt - soll in der Fachrichtung Architektur von einem mindestens vierjährigen Studium und einer anschließenden zweijährigen Berufspraxis ausgegangen werden. Das ist unserer Meinung nach in Ordnung. Die anderen drei Fachrichtungen - darauf bezieht sich der Widerspruch, den wir anmelden - sollen ihren Abschluss nach drei Jahren erwerben können; außerdem soll bei ihnen auf die Berufserfahrung als Eintragungsvoraussetzung verzichtet werden. Auf diese Weise soll der Umstellung der Hochschulausbildung bis 2010 Rechnung getragen werden; auf die Bachelor- und Masterstudiengänge in diesen Fachrichtungen hat der Minister hingewiesen.

Die Bauministerkonferenz hat diesem differenzierten Vorgehen zugestimmt. Anders sehen es die Architektenkammer und die dazugehörigen Berufsverbände; dies entspricht auch meiner Meinung. Sie und wir sagen: Die Festschreibung der drei Jahre Mindeststudienzeit ist ein Fehler. Unseres Erachtens sollte für alle vier Berufe eine Mindestausbildungszeit von vier Jahren gesetzlich geregelt werden, um somit einen hohen Verbraucherschutz zu sichern, denn darum geht es in erster Linie, wenn wir Leistungen von Architekten, Stadtplanern, Landschaftsplanern und Innenarchitekten in Anspruch nehmen. Daneben geht es um eine zuverlässige Qualitätssicherung, die auf diese Art und Weise gewährleistet werden kann. Sie alle haben möglicherweise solche Leistungen schon in Anspruch genommen. So unterliegen demzufolge auch Landschaftsarchitekten und andere Fachkollegen den gleichen Ansprüchen an Qualität und Verantwortung, wie sie für die Hochbauarchitekten angewendet werden.

Die mit dem Gesetzentwurf beabsichtigte Differenzierung zwischen Architekten mit vier Jahren Ausbildung und Innenarchitekten, Stadtplanern und Landschaftsarchitekten mit nur drei Jahren Mindestausbildung führt unseres Erachtens zu einer

nicht gerechtfertigten Abqualifizierung der zuletzt genannten Fachplaner. Dies ist bei zunehmender Komplexität von gestalterischen, technischen, funktionalen, organisatorischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Anforderungen und den wachsenden Herausforderungen im gemeinsam zu gestaltenden Prozess des Stadtumbaus nicht zu verantworten. Hierbei werden alle Partner, alle vier Berufsgruppen, gleichberechtigt und mit höchster Qualität gebraucht.

An dieser Stelle ergänze ich Folgendes: Die Bundesarchitektenkammer hat im Juni dieses Jahres einen Beschluss im gleichen Sinne gefasst, der die Grundsatzposition der Architektenkammern der Länder zur Eintragungsfähigkeit im Rahmen des Bologna-Prozesses, also eine Mindestausbildung von vier Jahren für alle vier Berufsgruppen, beinhaltet.

Ich benenne einen zweiten Konflikt- oder möglicherweise Ergänzungspunkt: Aufseiten der öffentlichen Auftraggeber besteht die Auffassung, dass alle Architekten bzw. Gesellschaften eine ausreichende Berufshaftpflichtversicherung für alle gleichberechtigt nachzuweisen haben. Deren Mindesthöhe sollte im Gesetz geregelt werden. Das kann man vielleicht noch ergänzen; auch dies sollte ein Gegenstand der Anhörung sein.

Abschließend formuliere ich die Erwartung der Linkspartei.PDS-Fraktion, dass der Gesetzentwurf mit der Gesetzesnovelle der Berliner Kollegen kompatibel gestaltet worden ist, um somit eine gemeinsame Basis für eine mögliche Fusion der beiden Kammern - der Architektenkammer Berlins und der Brandenburgs - zu schaffen, um hier eine gleichberechtigte gesetzliche Voraussetzung zu haben. Ich meine hiermit ausdrücklich nicht die Fusion von Ingenieurkammer und Architektenkammer. - Schönen Dank.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Es spricht der Abgeordnete Günther.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Neuauflage des Architektengesetzes enthält in der Tat eine ganze Reihe von Änderungen im Detail. Wie schon gesagt wurde, geht es um die notwendige Umsetzung von EU-Richtlinien, um die Anpassung an das Musterarchitektengesetz, um die Realisierung von Beschlüssen der Bauministerkonferenz und um den Vollzug von Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Ohne jetzt in die Einzelheiten zu gehen, kann man sagen, dass es bei den vorgeschlagenen Neuerungen feststellbare Grundrichtungen gibt.

Zunächst einmal soll die freie Berufsausübung von Architekten, Innenarchitekten, Stadt- und Landschaftsplanern bundesund europaweit gesichert werden. Dazu sind selbstverständlich einheitliche rechtliche Rahmen und Regelungen zur gegenseitigen Anerkennung von Ausbildungen und Abschlüssen erforderlich. Ich halte es gerade für Architektinnen und Architekten für wichtig, im Zeitalter einer vernetzten Welt ohne große Hürden Aufträge bundes- und europaweit ausführen zu können. Auch meine Vorredner haben darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, hierfür einen gemeinsamen, einheitlichen gesetzlichen

Rahmen zwischen Berlin und Brandenburg sowie im ganzen Bundesgebiet zu schaffen. Dem kann man sich nur anschließen.

Wenn man den Gesetzentwurf und die Begründung dazu durchliest, dann fragt man sich, woraus sich eigentlich die Notwendigkeit einer eigenen landesgesetzlichen Regelung ergibt, denn der Drang zur Vereinheitlichung und die Notwendigkeit dazu liegen doch wirklich auf der Hand; sie sind sinnvoll und nachvollziehbar.

Auf jeden Fall aber sollen Architekten und die Architektenkammer zukünftig mehr Verantwortung bekommen. Die Bauämter werden im Gegenzug von immer mehr Aufgaben entlastet. Dies betrifft schon die Rohbauabnahme, die nicht mehr durch die Behörde erfolgt; das korrespondiert mit dem gerade in den Ausschussberatungen des Landtages befindlichen Wegfall der Bauschlussabnahme und findet jetzt seine Fortsetzung in der beabsichtigten Übertragung der Zuständigkeit für die Kontrolle der fachlichen Qualifikation von erstmalig im Land Brandenburg tätig werdenden Architekten auf die Kammern. Das entlastet den Staat von Aufgaben. Vor allem stärkt es die Selbstverwaltung des Berufszweiges. Aus meiner Sicht ist dies von der Grundrichtung her ausdrücklich zu unterstützen; es ist praktischer und sinnvoller Bürokratieabbau. Wir haben bereits gehört, dass eine ganze Verordnung außer Kraft treten wird, sofern das Gesetz in der vorliegenden Form angenommen werden wird, und dies sogar ersatzlos, sodass es keine neue Verordnung geben wird.

Ich hoffe, dass diese zusätzliche Verantwortung von der Kammer positiv angenommen wird. Solch eine zusätzliche Verantwortung ist immer zum einen eine Lust und zum anderen eine Last. Ich hoffe, dass es als Lust begriffen wird. Für die Kammer ist die Refinanzierung der zusätzlichen Aufgaben, die durch die jeweiligen Gebühren gewährleistet ist, wichtig.

Wenn aber der Staat hier klar, deutlich und auch bewusst seinen Einfluss zurücknimmt, muss er im Sinne des Bauherrn, des Verbraucherschutzes natürlich Maßstäbe an die Qualität der Leistung setzen, das heißt Ausbildungszeiten, Qualifikationen und notwendige Berufspraxis festschreiben. Hier soll zwischen einer mindestens dreijährigen Ausbildungszeit für Innenarchitekten, Stadt- und Landschaftsplaner sowie einer mindestens vierjährigen Ausbildung für Architekten unterschieden werden.

Die im Anschluss von den künftigen Architektinnen und Architekten zu leistenden Anforderungen an die praktische Tätigkeit legt wiederum die Kammer in eigener Verantwortung fest. Hierbei ist in der Tat zu diskutieren - Frau Tack hat darauf hingewiesen -, inwieweit diese Regelung ausreichend ist. Das ist das, was Sie anmahnen: Reicht die dreijährige Ausbildungszeit? Das werden wir in den Ausschussberatungen - wie es unsere Art ist - gut und gründlich prüfen.

Ich weise aber darauf hin, dass sich die Koalition insgesamt darauf festgelegt hat, nicht über EU- und bundesgesetzliche Regelungen hinauszugehen. Insofern wird auch die Frage zu stellen sein, inwiefern es notwendig ist, hier eine höhere Ausbildungszeit als Maßstab anzulegen.

Ich wünsche uns im Fachausschuss eine konstruktive Beratung.

(Beifall bei SPD und CDU)

Während die Abgeordnete Hesselbarth für die DVU-Fraktion ans Rednerpult tritt, begrüße ich Gäste aus Finsterwalde, die Frau Hackenschmidt eingeladen hat. Wenn ich richtig sehe, sind es lauter Polizisten. - Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung möchte den europäischen Musterknaben spielen, Herr Minister. Das zeigt schon die Problemanalyse in vorliegender Drucksache, in der auf das Vertragsverletzungsverfahren hingewiesen wird und Brandenburg - schneller als der EuGH entscheidet - tun soll, was die EU-Kommissare fordern. Ergebnis ist der mit heißer Nadel gestrickte vorliegende Gesetzentwurf.

Es soll der Eindruck erweckt werden, dass die Brandenburger Qualitätsstandards auf höheres Niveau angehoben werden. Dem ist nicht so, meine Damen und Herren. So fehlt es schon an einer konkreten Begründung für die hier vorgenommene Unterscheidung von Architekten mit vierjähriger und in anderen Fachrichtungen mit nur dreijähriger Studienzeit. Die Ausführungen dazu sind widersprüchlich.

Während für die Hochbauarchitekten die Ausbildungsdauer ins Verhältnis zu der übertragenen Verantwortung gestellt wird, wird für die anderen Fachrichtungen darauf verzichtet. Dabei ist deren Verantwortung keineswegs geringer. Allein die Abwägung öffentlicher und privater Belange durch den Stadtplaner erfordert sehr viel Verantwortung und eine besondere Ausbildung. Hingewiesen wird immer auf die Richtlinie 85/384 EWG. Jedoch ist das schon falsch zitiert; denn sie regelt nicht die Mindeststudiendauer insbesondere des Stadtplaners. Im europäischen Kontext gibt es keine allgemeine Definition für diesen Beruf. Es konnte keine einschlägige sektorale Richtlinie erlassen werden. Die Richtlinie 85/384 EWG verlangt keineswegs, dass alle darin erfassten Studiengänge bereits nach drei Jahren Studium zu einem Beruf befähigen. Die gegenseitige Anerkennung einer Ausbildung ist nicht mit der gegenseitigen Anerkennung einer Berufsfähigkeit gleichzusetzen.

Ebenso ist der Bezug auf die seit 1985 geltende Richtlinie völlig willkürlich. Aufgrund der deutschen Architektengesetze ist es in den letzten 20 Jahren zu keinem strittigen Eintragungsfall eines EU-Ausländers gekommen. Eine Änderung ist also nicht geboten. Auch wurde nie bewiesen, dass in einer sechssemestrigen Regelstudienzeit die Fähigkeiten vermittelt werden, die notwendig sind, um den Qualitätsstandard zur Berufsausübung zu erlangen.

(Beifall bei der DVU)

Der Hinweis auf die Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge und die Einführung des Begriffs des ersten berufsqualifizierenden Abschlusses nach sechs Semestern ist hierfür untauglich. Dies gilt insbesondere für Hochbauarchitekten; denn ein Bachelor reicht für den Eintrag in die Architektenliste nicht aus.

Bei den Fachrichtungen in der Architektenkammer handelt es sich bereits um vorgeschriebene Berufe im Sinne der EU

Richtlinien. Auch ist die Bezeichnung „berufsqualifizierender Abschluss“ ein Übersetzungsfehler; denn in der Richtlinie heißt es „Employment“ und nicht „Profession“; also nur „arbeitsmarktbefähigend“. Damit bedeutet die Bezeichnung „berufsqualifizierender Abschluss“ nur, dass der Abschluss zu irgendeinem Beruf qualifiziert, jedoch nicht notwendigerweise konkret zu einem Stadtplaner oder Landschaftsarchitekten.

Es wurde bislang nie bewiesen, dass in einem technischen Studium der Bachelor nach sechs Semestern die erfolgreichen Qualitätsstandards aufweist. Dies ist auch nicht verwunderlich; denn bislang war für die Erlangung des geschützten Titels „Stadtplaner“ zumindest ein neunsemestriges Regelstudium erforderlich.

Zu dem Hinweis, dass die Änderungen dem Musterarchitektengesetz entsprechen, ist anzumerken, dass der betreffende Bauministerkonferenzbeschluss vom Juni 2005 strittig ist. Zumindest wurde er nicht einstimmig gefasst und so wird er wohl auch nicht in allen Bundesländern gelten.

Dazu kommt, dass das Musterarchitektengesetz förmlich kein Gesetz ist und nicht durch Anhörung oder Beteiligung der entsprechenden Fachleute und Verbände zustande kam.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass durch den vorliegenden Gesetzentwurf die Qualität der Berufsausbildung im Land Brandenburg infrage gestellt und einseitig für Deutschland die Qualitätsstandards gesenkt und nicht erhöht werden. Der vorliegende Gesetzentwurf öffnet letztlich nur die Tür für ausländische Konkurrenten mit insgesamt unterdurchschnittlichem Niveau.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Klocksin [SPD])

Deswegen werden wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Der Abgeordnete Schrey hat für die CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie bereits erwähnt, ist die Umsetzung von EU-Richtlinien und Richtlinien des Bundes der maßgebliche Hintergrund für den vorliegenden Gesetzentwurf. Die Abgeordneten werden darüber in den kommenden Wochen im zuständigen Ausschuss für Infrastruktur und Raumordnung debattieren und ihr Wissen durch Expertenanhörung erweitern und vertiefen.

Dankenswerterweise liegt die Stellungnahme der Brandenburgischen Architektenkammer bereits schriftlich vor. Andere Experten werden noch anzuhören sein. Erst wenn dies geschehen ist, können wir auch fachlich über den Entwurf sprechen.

Gestatten Sie mir dennoch zum jetzigen Zeitpunkt einige Anmerkungen. Wie bereits erwähnt, werden durch das Gesetz Richtlinien umgesetzt, die von der EU oder vom Bund stammen, zum Beispiel Richtlinien des Europäischen Parlaments

und des Europäischen Rates vom 14. Mai 2001. Darin wurde eine vierjährige Mindeststudiendauer der Fachrichtung Architektur und eine dreijährige Mindeststudiendauer für die Fachrichtungen Innenarchitektur, Landschaftsplanung und Stadtplanung festgelegt. Dies scheint der großen Verantwortung der Architekten beim Planen und Ausführen des Baus von Gebäuden gerecht zu werden.

Außerdem bestreiten wir mit dem Gesetz den Bologna-Prozess, wonach bis zum Jahr 2010 die Umstellung der Hochschulausbildung auf Bachelor- und Masterstudiengänge erfolgen soll.

Wir begrüßen diesen grundlegenden Schritt und werden einer Überweisung des Gesetzentwurfs in den Fachausschuss zustimmen. Ich hoffe auf eine anregende Diskussion mit den Kollegen und Experten im Ausschuss. - Danke schön.

(Beifall bei CDU und SPD)

Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der Aussprache angelangt.

Ich stelle die Empfehlung des Präsidiums, den Gesetzentwurf in der Drucksache 4/2069 an den Ausschuss für Infrastruktur und Raumordnung zu überweisen, zur Abstimmung.