Protocol of the Session on March 3, 2005

(Beifall bei der DVU - Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Gu- cken Sie sich Ihren Antrag noch einmal an! Dem kann man nicht zustimmen!)

Ich muss Sie, Herr Ministerpräsident, daran erinnern, dass Sie unser schönes Brandenburg mit Ihrer Politik in wirtschaftlicher, sozialer und demographischer Hinsicht in die Katastrophe führen.

(Beifall bei der DVU)

Unser Land Brandenburg muss ganz einfach als Ganzes betrachtet werden. Das ist als Regierungschef Ihre verdammte Pflicht.

(Beifall bei der DVU)

Der im Zusammenhang mit dem Amt des Ministerpräsidenten oftmals strapazierte Begriff Landesvater wäre, auf Ihre Person bezogen, eine direkte Verhöhnung der Bürgerinnen und Bürger Brandenburgs. Wenn nämlich ein Vater von zehn Kindern acht der Kinder stark vernachlässigt und nur zwei von ihnen besonders fördert, dann beschäftigt sich das Jugendamt mit ihm. Auf Ihr Amt bezogen, Herr Ministerpräsident,

(Zuruf des Abgeordneten Schulze [SPD])

beschäftigt sich vor allem die DVU-Fraktion als wahre Vertreterin unserer Menschen mit Ihnen.

(Widerspruch und Lachen bei der PDS - Beifall bei der DVU)

Nun täuschen Sie, Herr Ministerpräsident, erneut unsere Menschen, indem Sie neuerdings nicht mehr vom Speckgürtel sprechen; nein, Sie verpacken Ihr Leitbild in dem Begriff Muskelpaket und weisen darauf hin, dass ein funktionierender Körper weitere Muskeln braucht. Nun muss man aber keines

wegs Medizin studiert oder eine besondere Schule besucht haben, um zu wissen, dass Muskeln ohne Beanspruchung mit der Zeit total verkümmern,

(Schulze [SPD]: Sind Sie selber auf die Idee gekommen oder hat Ihnen das jemand aufgeschrieben?)

es sei denn, man fragt einen der vielen Schüler unseres Landes, die bei PISA ganz unten gelandet sind. Solche Schüler würden Ihnen vielleicht Recht geben.

Die Abgeordneten der DVU-Fraktion werden immer wieder fragen, weshalb unsere Forderung nach monatlich 500 Euro Kindergeld bis zum Ende der Berufsausbildung - natürlich ohne Anrechnung als Einkommen bei Hartz IV - nicht erfüllt wird. Sie werden sich auch die Frage gefallen lassen müssen, wie Sie die Millionen im märkischen Sand versickerten Euros wieder ausgraben wollen.

Sie von der Regierungsbank wollen nicht erklären - vielleicht können Sie es auch nicht -, wie die Menschen in der Prignitz, in der Uckermark, in der Lausitz, im Elbe-Elster-Land usw. ohne weiteren Ausbau der Infrastruktur klarkommen sollen. Sie fordern Mobilität von den Bürgern, während laut Aussage Ihres Ministers Szymanski jetzt sogar Landesstraßen der Natur überlassen werden sollen. Pferdevermietung wäre eine neue Branche. Aber wer bezahlt den Reitunterricht? Die Wege zum Einkauf, zum Arzt oder zur Schule werden immer weiter.

Herr Ministerpräsident, Sie versprechen, dass die Förderung der Bildung das Einzige sei, was für die Randgebiete zu tun sei. Sie erklären das mit den dann besseren Chancen im Speckgürtel oder Muskelpaket oder wie auch immer. Das bedeutet also wieder Abwanderung der jungen Leute.

Apropos Schulbildung: Ich hätte gern einmal gewusst, wo und wie sie erlangt werden soll. Eine Schule nach der anderen wird geschlossen. Lehrer aus den Randregionen werden in die aus Regierungssicht lohnende Region versetzt. Sind zwei Stunden Fahrt zur und zwei Stunden Fahrt von der Schule, um Ihr Regierungsdeutsch zu verwenden, angemessen oder zumutbar?

Ein krasses Beispiel Ihrer Pro-Bildungspolitik muss ich noch loswerden. Die Gesamtschule in Neu Zittau, wenige Kilometer von Berlin entfernt, ist aus nicht nachvollziehbaren Gründen zum Sterben verurteilt, weil Ihr Staatssekretär Gorholt zwischen Schülern und so genannten Wiederholern unterscheidet. Seiner Auffassung nach sind Wiederholer keine Schüler. Anders ist seine Haltung nicht zu verstehen.

Wie käme er sonst auf die absurde, Menschen verachtende Idee, die 7. Klassen nicht aufzumachen, weil diese Wiederholer für eine Öffnung der Klassen nicht zählen? Die am ersten Schultag im August anwesenden Kinder mussten ihre Sachen packen und sich sofort auf den Weg nach Woltersdorf machen. Dort sind sie jedoch nicht sonderlich willkommen, sodass ständige Spannungen vorprogrammiert sind. Das Lernen bleibt dabei auf der Strecke. Hier besteht, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sofortiger Handlungsbedarf.

Abschließend sei Ihnen, Herr Ministerpräsident und meine Damen und Herren von der Regierung, eindrücklich ins Stammbuch geschrieben: Überdenken Sie schnellstens Ihre geradezu widersinnigen Entwicklungs-, Förderpläne und -programme,

wenn Sie Brandenburg nicht vollends ruinieren wollen! Sie wissen, meine Damen und Herren: Der Krug geht so lange zu Wasser, bis er bricht.

(Beifall bei der DVU)

Wir sind damit am Ende der Rednerliste für die Aktuelle Stunde angelangt. Ich schließe Tagesordnungspunkt 1 und rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Fragestunde

Drucksache 4/742 Drucksache 4/747 Drucksache 4/674

Es liegt die Dringliche Anfrage 7 (Standort Wusterhausen des Friedrich-Loeffler-Instituts [FLI, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, ehemals Bundesforschungsanstalt für Virus- krankheiten der Tiere] akut von Schließung bedroht) vor, gestellt von der Abgeordneten Wehlan von der PDS-Fraktion.

(Schuldt [DVU]: Herr Präsident, zur Geschäftsordnung!)

Bitte.

In der Anlage 2 zur Geschäftsordnung ist vermerkt:

„Liegen zum selben Fragenkreis bereits Fragen vor,“

- man spricht hier von einer dringlichen Anfrage -

„werden sie ebenfalls vorgezogen und haben Vorrang vor der dringlichen Anfrage.“

Von der Abgeordneten Hesselbarth liegt die Frage 247 zum gleichen Thema vor. Ich bitte, nach der Geschäftsordnung zu verfahren.

(Beifall bei der DVU)

Beziehen Sie sich auf die Anfrage der Abgeordneten Hesselbarth, die sich auch mit der Förderpolitik und den Strukturen im Land Brandenburg beschäftigt?

Genau so ist es, Herr Präsident. Das entspricht genau so, wie ich es vorgelesen habe, der Geschäftsordnung.

Die Frage der Abgeordneten Wehlan bezieht sich aber auf einen ganz anderen Sachverhalt. Sie werden nachher Ihre Frage in Verbindung mit der Anfrage der Abgeordneten Gregor stellen können. Da trifft das zu, was Sie gesagt haben. Jetzt sind

wir bei der Frage der Abgeordneten Wehlan. - Ich bitte Sie, Ihre Frage zu stellen.

(Schuldt [DVU]: Ich habe verstanden, was Sie gesagt ha- ben! - Zurufe: Ja, ja! - Schulze [SPD]: Erst zuhören und dann reden!)

Herr Minister, wie am Freitag bekannt wurde, will das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Kürze endgültig über die Schließung des Friedrich-LoefflerInstituts am Standort Wusterhausen entscheiden. Wie dem örtlichen Personalrat von Staatssekretär Müller bereits mitgeteilt wurde, ist es erklärtes Ziel der Bundesregierung, die verschiedenen Bundesforschungsstandorte dieser Einrichtung an einem Standort zu konzentrieren, der Insel Riems heißen soll.

Ich frage die Landesregierung: Was tun Sie in der gegenwärtigen akuten Situation, um dem fachlich nicht begründbaren Schließungswunsch der Bundesregierung nicht nachkommen zu müssen, sondern diesen Bundesforschungsstandort hier zu erhalten?

Die Antwort auf die Dringliche Anfrage 7 gibt Herr Minister Dr. Woidke.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine sehr geehrte Frau Abgeordnete Wehlan, die Auffassung des Landes zur Schließung des Friedrich-LoefflerInstituts in Wusterhausen habe ich letztmalig am 15. Dezember in diesem Haus dargelegt. Ich betone nochmals, dass die Entscheidungskompetenz in der Sache bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft liegt. Zwischen der Landesregierung Brandenburg und dem federführenden Bundesministerium gab es in der Vergangenheit und gibt es in der Gegenwart vielfältige Kontakte zum Erhalt der Außenstelle Wusterhausen. Dabei wurden die fachpolitischen Interessen des Landes an der Fortführung dieser Außenstelle in Wusterhausen vertreten. Ich hoffe auf eine positive Entscheidung des Bundes und ich hoffe, dass ich heute noch mit der Ministerin darüber reden kann, denn heute findet die Agrarministerkonferenz statt. - Danke sehr.

Eine Nachfrage von Frau Wehlan.

Die Entscheidung, diesen Standort zu schließen, ist aus fachlicher Sicht nicht zu begründen. Hinzu kommt, dass die Investitionen des Landes gering ausfallen, wenn ein Bundesforschungsstandort in einer strukturschwachen Region für Arbeit und Einkommen sorgt. Aus dieser Sicht heraus frage ich: Wie bewerten Sie, dass Stimmen aus der Region der Landesregierung zu wenig Engagement in Bezug auf die Erzeugung eines Drucks gegenüber der Bundesregierung vorwerfen, um diesen Bundesforschungsstandort zu sichern?

Diesen Vorwurf kann ich so nicht im Raum stehen lassen, weil wir nicht nur am Standort Wusterhausen, sondern auch in anderen Bereichen sehr stark und sehr konsequent mit dem Bund darüber verhandeln, Bundesforschungseinrichtungen im Land Brandenburg anzusiedeln. Es geht hier - das war auch in der Zeitung zu lesen - um das Institut für Risikoforschung in Neuruppin. Es geht um die Biologische Bundesanstalt auf dem Sago-Gelände in Potsdam. Im Gesamtkontext gesehen ist für uns jeder einzelne Standort wichtig, gerade auch der in Wusterhausen, der durch seine Berlinferne in keiner begünstigten Position liegt.

Ich sage ganz offen: Unser Einfluss beschränkt sich darauf, mit dem Bundesministerium darüber zu reden und um den Erhalt des Standortes zu bitten. In letzter Konsequenz treffen nicht wir die Entscheidung, sondern die Bundesministerin bzw. das Bundeskabinett. Das muss man so deutlich sagen.

Danke. Es gibt eine Nachfrage von Herrn Abgeordneten Görke.

Herr Minister, Sie haben am 16. Dezember - das ist richtig gesagt, dass die Landesregierung die Zielsetzung verfolgt, den Erhalt der Bundesforschungsanstalt für Tiergesundheit zu sichern. Dies haben Sie heute erneut bekräftigt. Ich frage Sie konkret: Welche Maßnahmen haben Sie seit Dezember 2004 gegenüber dem Bund eingeleitet, um den Erhalt dieses Bundesforschungsinstituts an seinem jetzigen Standort zu sichern? Ich frage das vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus dem Land Sachsen-Anhalt, wo die Landesregierung mit Investitionszuschüssen bzw. Infrastrukturmaßnahmen dazu beigetragen hat, dass sich der Bund von den angekündigten Rückzugsplänen einiger Bundesforschungseinrichtungen verabschiedete. Wäre das nicht auch in Brandenburg denkbar?

Herr Abgeordneter Görke, das wäre grundsätzlich denkbar. Uns ist allerdings kein Investitionsbedarf bekannt. Wenn Sie die konkreten Maßnahmen wissen wollen: Wir führen - wie gesagt - permanent Gespräche, nicht nur zum Standort Wusterhausen, sondern auch bezüglich der Ansiedlung an anderen Standorten hier in Brandenburg. Wir müssen uns daher hin und wieder den Hinweis gefallen lassen - das ist aus Sicht des Bundes vielleicht auch verständlich -, dass Brandenburg nicht die Bundesrepublik ist; Bundesforschungsanstalten muss es auch in anderen Bundesländern geben. Sollte es einen Investitionsbedarf geben, wird mein Haus gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium natürlich alles tun, mit Fördermitteln zu helfen. Ich hoffe, heute Abend mit der Ministerin über dieses Thema sprechen zu können.

Vielen Dank, Herr Minister Woidke. - Wir kommen zur Dringlichen Anfrage 8 der Abgeordneten Gregor von der SPD-Fraktion. Es liegt mit der Frage 247 (Kehrtwende in der Struktur- politik zulasten des äußeren Entwicklungsraumes) eine inhaltlich gleich lautende Frage der Abgeordneten Hesselbarth vor.