Wir setzen die Debatte mit dem Redebeitrag der PDS-Fraktion fort. Es spricht der Abgeordnete Heinze.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Position der Fraktion der PDS zur Entwicklung unseres Landes und die Erwartungen an die Landesregierung hat Frau Dr. Enkelmann in der Aussprache zur Regierungserklärung am 27. Oktober letzten Jahres und gestern hier an diesem Platz deutlich gemacht, auch wenn das von einigen nicht gern gehört worden ist.
Das Minimum an Hoffnung, mit dem Haushalt 2005/2006 würde die Regierung Zukunftssignale setzen und wenigstens selbst gesteckte Ziele für die Entwicklung Brandenburgs verwirklichen oder zumindest sachlich, kontrovers, aber zielorientiert diskutieren, hat sich nicht erfüllt. Die herangereiften Probleme der Landesentwicklung, insbesondere unter dem Aspekt der Demographie, sind komplex. Sie sind so komplex, dass es die Lösung nicht gibt. Das ist sicherlich nicht zu bestreiten und auch nicht zu vereinfachen. Insofern ist diese Aktuelle Stunde nicht das geeignete Instrument, um das Thema „Wie weiter im Land Brandenburg?“ nur halbwegs umfassend zu erörtern.
Wenn die DVU-Fraktion den Antrag stellt, über die Zukunft des Landes zu debattieren, dann habe ich vor dem geistigen Hintergrund dieser Partei zuerst zwei Bemerkungen anzubringen.
Zuerst ein Hinweis auf die Geschichte des Landes: Immer dann, wenn in Brandenburg-Preußen die Tugenden Toleranz
und Weltoffenheit die weit weniger vorteilhaften Seiten des Preußentums dominierten, wenn das Land mustergültig Flüchtlinge aus aller Herren Länder integrierte, ging es gut voran.
Zweitens muss ich immer daran denken, wie viele Chancen für dieses Land vertan werden - Chancen für das Image, die Tourismuswirtschaft und den Export -, wenn Ihre Brüder im Geiste aufmarschieren, wenn ausländerfeindliche Parolen tönen und Ressentiments geschürt werden.
Wer in diesem Land lebt, wer Politik betreibt - ganz gleich, ob als Landes- oder als Kommunalpolitiker - wer Entwicklungen beobachtet, weiß um die strukturellen Disparitäten und kennt das extrem ungleichmäßig verlaufende Wachstum. Er muss sich mit den Schrumpfungsprozessen in den berlinfernen Räumen nicht erst seit heute auseinander setzen.
Der Ministerpräsident hat seine Vorstellungen von neuen Entwicklungsansätzen dargelegt und in der Sache ein neues Leitbild für Brandenburg - das einer Metropolenregion - kreiert. Das hat nicht gerade einen Sturm der Begeisterung ausgelöst. Das Wort von der „Entsiedelung“ der Randregionen ist nicht in Wittenberge, sondern eben hier geprägt worden.
In der Folge ist ein gehöriges Pensum an Erklärungsarbeit geleistet worden; die Regierung hat Fleißarbeit leisten müssen. Wir nehmen zur Kenntnis, dass nunmehr Leitlinien für die Neuausrichtung der Wirtschaftsförderpolitik sowie die Vorstellungen des Landesentwicklungsplans Zentrale Orte - LEP ZOS - vorliegen. Das ermöglicht eine Aussprache, die von Kommunalpolitikern - ich erinnere an den Landkreistag und den Städteund Gemeindebund -, von der Wirtschaft und letztlich von den Bürgern schon seit einigen Wochen dringlich angemahnt wird.
Viele Chancen für diese Aussprache sind damit vertan worden. Gerade Funktionalitäten und Nahbereiche hätten, wie angekündigt, in den regionalen Planungsgemeinschaften, in den Kreisen, mit den politischen Verantwortungsträgern besprochen werden müssen. Das ist leider nicht geschehen.
Maßstab der Bewertung neuer Arbeitsrichtungen der Landesentwicklung kann nur das Verfassungsgebot nach Artikel 44 der brandenburgischen Landesverfassung sein. Ich zitiere:
„Das Land gewährleistet eine Strukturförderung der Regionen mit dem Ziel, in allen Landesteilen gleichwertige Lebens- und Arbeitsbedingungen zu schaffen und zu erhalten.“
Das zupackende Land des Ministerpräsidenten ist eine Diskussion wert. Die PDS wird sich am Dialog beteiligen. Zugleich fordert die Fraktion - ich wiederhole das gestern hier Gesagte -, eine Enquetekommission, die sich mit der Zukunft der Region Brandenburg-Berlin und dem notwendigen politischen Handeln befassen muss, ist ins Leben zu rufen.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nach dem Redebeitrag von Frau Hesselbarth und angesichts des Wortlautes des Antrags muss man darüber nachdenken, ob es hier um Demographie oder um Demagogie geht.
Nach dem Diskurs der vergangenen Wochen und Monate ist allen Beteiligten klar, dass eine solche Entwicklung von niemanden beabsichtigt ist; es soll auch keinen „Grünen Armutsgürtel“ geben. Ich verweise auf einschlägige Publikationen, die wir alle im Landtag in den letzten Wochen und Monaten erhalten haben: die Zeitschrift „InterEsse“, die seit dem III. Quartal 2004 mehrere Aufsätze zu dem Thema gebracht hat; die Kleine Anfrage 4/358 von Anfang Januar über Perspektiven junger Brandenburger; eine aktuelle Veröffentlichung von mir in „Brandenburg kommunal“, die LRS-Information und den zweiten Demographiebericht der Landesregierung.
Das zeigt uns ganz klar auf: Es handelt sich um ein aktuelles Thema, das insbesondere durch den Beitrag des Ministerpräsidenten noch einmal in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt worden ist. Das ist gut und richtig so. Wenn Sie vor zwei Jahren jemanden gefragt hätten, so hätte derjenige Ihnen wenig dazu sagen können. Wir müssen uns aber mit diesem Thema auseinander setzen. Also lautet die klare Antwort: Die Zukunft des Landes Brandenburg liegt in den Städten, Kreisen und Gemeinden dieses Landes, dort, wo Menschen wohnen, arbeiten und Zukunft haben wollen. Sie hängt von uns allen ab, von jedem einzelnen Menschen.
Die DVU begründet hier, Brandenburg erlebe derzeit eine demographische Katastrophe. Auch an dieser Wortwahl erkennt man das Ziel, Menschen zu ängstigen und Zukunftsangst zu schüren. Es handelt sich nicht um eine demographische Katastrophe, sondern um einen Prozess. Diesen Prozess wählen Menschen selbst, und zwar nicht nur unter der Maßgabe einer angeblich oder tatsächlich ungewissen Zukunft. Auch in vielen anderen europäischen Ländern haben wir es mit einem vergleichbaren demographischen Prozess zu tun.
In diesem Zusammenhang die über 45 000 Schwangerschaftsabbrüche der vergangenen Jahre ins Spiel zu bringen und zu insinuieren, man müsse gegen Schwangerschaftsabbrüche vorgehen, bedeutet, in bezeichnender Art und Weise gegen das
Weiterhin wird hier ein fast völliger Zusammenbruch der Wirtschaft und der Infrastruktur im Land insinuiert. Auch das ist wieder weit überzogen und ins Groteske übersteigert; es verkörpert Dämonisierung und Untergangsstimmung. Auch das passt zu der strategischen Herangehensweise der DVU und den ihr geistig verbundenen Kräften, Hoffnungslosigkeit zu schüren, um Menschen diesem demokratischen System und seinen Institutionen abspenstig zu machen.
Es gibt keinen völligen Zusammenbruch bei der Wirtschaftsund Infrastruktur. Wer sehenden Auges durch das Land fährt, sieht, dass sich die Infrastruktur entwickelt. Wir haben Schwierigkeiten; niemand versucht sie wegzudiskutieren. Aber die spannende Frage ist, ob das Glas halb voll oder halb leer ist. Wir gehen davon aus, dass das Glas halb voll ist und dass wir die Zukunft bewältigen können, weil wir sie bewältigen müssen.
Da nützt es nichts, den Menschen Angst zu machen. Wir müssen den Menschen Mut und Hoffnung machen und diejenigen, die anpacken wollen, darin unterstützen.
Die DVU-Fraktion insinuiert, dass diese Aktuelle Stunde Lösungsmöglichkeiten aufzeigen könnte. Darauf hätte man sich einlassen können, darüber hätten wir reden können, aber der Redebeitrag von Frau Hesselbarth hat gezeigt, dass es nicht eine einzige Anregung in Bezug auf solche Lösungsmöglichkeiten gab, keine Antwort auf die Fragen, welche Lösungsmöglichkeiten wir haben und wie wir gemeinsam dieses Land voranbringen können. Vielmehr war der Beitrag voll von Polemik, Angriffen, rückwärts gewandter Betrachtung und Schuldzuweisungen.
Wer nach hinten schaut, kann nicht gleichzeitig nach vorn schauen. Das ist das Problem der DVU-Fraktion. Aus diesem Grunde bedauern wir es ausdrücklich, dass durch den Redebeitrag der DVU-Fraktion ein Stück weit die Chance verstellt worden ist, eine faire, offene und konstruktive Diskussion zu diesen Problemen zu führen. Offensichtlich war auch kein konstruktiver Wille zu einer sachorientierten Debatte vorhanden, was bedauerlich, aber nicht verwunderlich ist. Ich weise nur darauf hin, dass wir zum Beispiel im Rahmen der Gemeindegebietsreform bereits sehr intensiv über diese demographischen Probleme gesprochen haben. Wenn man mit Wachheit und Verstand dabei gewesen wäre, hätte man das auch bei der DVU-Fraktion bemerken können.
Ich möchte mit der Äußerung eines Philosophen abschließen; Konfuzius werden Sie, die Kollegen von der DVU-Fraktion, vielleicht nicht kennen. Er lebte vor zweieinhalbtausend Jahren in China und sagte:
„Lernen ohne nachzudenken ist sinnlos. Nachzudenken, ohne Wissen zu haben oder zu erwerben, führt zu gefährlichen Überlegungen.“
Die Landesregierung hat ihren Verzicht auf einen Redebeitrag erklärt. Damit geht das Wort noch einmal an Frau Hesselbarth.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Beginn dieser Debatte habe ich betont, dass die Strukturpolitik in unserem Land ein wichtiger Faktor unserer politischen Arbeit ist. Das gilt für die Ihre wahrscheinlich nicht, Herr Schulze.
Aus diesem Grunde wird sich die DVU-Fraktion auch immer und immer wieder dieser Problematik annehmen, ganz gleich, ob es der Regierung oder Ihnen passt oder nicht, denn die Menschen in unserem Land werden das mit Sicherheit verstehen.
Herr Heinze, die PDS-Fraktion hat im Januar gerade erst unseren Antrag zur Einsetzung einer Enquetekommission abgelehnt. Was soll der Quatsch jetzt?
(Beifall bei der DVU - Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Gu- cken Sie sich Ihren Antrag noch einmal an! Dem kann man nicht zustimmen!)