Protocol of the Session on March 3, 2004

Besser könnte auch ich Ihr Versagen nicht beschreiben. Auf Ihre fundamentale Einsicht folgen Worte und Worte und Worte und Lächeln und Lächeln.

Meine Damen und Herren, lassen Sie Taten folgen! Ändern Sie die Hochschulpolitik! Herr Niekisch, hören Sie auf, sich die Welt schönzureden! Beseitigen Sie den Mangel an den Hochschulen! Werfen Sie Humboldt nicht weg! Geben Sie den Hochschulen die Chance, auf Innovationskurs zu bleiben! Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke dem Abgeordneten Trunschke und gebe das Wort der Fraktion der SPD.

Erlauben Sie mir noch einen Hinweis: Herr Abgeordneter Petke, wenn Sie das Handy benutzen, gehen Sie bitte hinaus.

Bitte schön, Frau Abgeordnete Müller.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich war doch etwas erstaunt, als ich das von der CDU-Fraktion für die Aktuelle Stunde vorgeschlagene Thema auf der Tagesordnung fand, erstaunt deshalb, weil ich bisher davon ausging, dass es bereits ein tagespolitisches Dauerthema für uns ist und keine Vorlage für Sonntagsreden sein darf. Nicht umsonst haben wir uns im Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kultur auf Antrag der SPD-Mitglieder darauf verständigt, uns regelmäßig mit den Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu beraten.

Dessen ungeachtet ist es natürlich immer nützlich, unsere ehr

geizigen Ziele öffentlich zu thematisieren. Eines unserer ehrgeizigsten Ziele ist: Hochschulen auf Innovationskurs. Schließlich geht es ja nicht um die bloße Wiederholung von Worthülsen, sondern, wie im zweiten Satz ausgewiesen, um die Frage: Wo stehen wir, und wie erreichen wir das hoch gesteckte Ziel? Diese Frage haben alle meine Vorredner schon aufgeworfen. Das ist wirklich die Kernfrage, der wir uns zu stellen haben.

Die Position der CDU-Fraktion, vorgetragen von Herrn Dr. Niekisch, habe ich vernommen. Sie ist sehr deutlich geworden. Er ist des Lobes voll für das in unserem Land Erreichte. Man kann auch stolz auf das Erreichte sein, trotz der schwierigen Situation. Im Übrigen sei für alles Unzulängliche die Bundesregierung verantwortlich. Der Wahlkampf lässt grüßen, das muss man sagen. Ansonsten danke ich Herrn Niekisch sehr für die vielen erbaulichen Zitate, die er in seine heutige Rede eingestreut hat.

(Zuruf von der CDU: Haben wir schon Bundestagswahl?)

Die Position der PDS-Fraktion, vorgetragen von Herrn Trunschke, und auch die Vorschläge, die er unterbreitet hat, wollen wir uns dann vornehmen, wenn die Wahlen im Herbst vorüber sind, und dann wollen wir sie auf ihre Umsetzbarkeit hin überprüfen.

(Beifall bei der PDS - Frau Dr. Enkelmann [PDS]: War das jetzt ein Angebot! - Weitere Zurufe von der PDS)

Zurück zu der Frage: Wo stehen wir? - Es gibt eine aktuelle Liste der weltweit 500 besten Universitäten...

(Anhaltende Unruhe - Glocke des Präsidenten)

- Ich habe 15 Minuten Zeit. Wenn Sie sich beruhigt haben, rede ich weiter. - Es gibt eine aktuelle Liste der weltweit 500 besten Universitäten, veröffentlicht von der renommierten Shanghai Jiao Tong University. Die auf zwei Jahre angelegte Studie berücksichtigte die Anzahl der Nobelpreisträger und berühmten Forscher, die Zahl der in internationalen Fachzeitschriften veröffentlichten Artikel sowie die wissenschaftliche Leistung dieser Bildungseinrichtungen. Alle genannten Kriterien wurden gleich gewichtet. Jetzt dürfen Sie raten, ob sich eine brandenburgische Hochschule unter den Weltrekordlern befindet. Leider nicht.

Darüber hinaus hat dieselbe Universität nach den gleichen Kriterien ausschließlich europäische Hochschulen untersucht und eine Rangfolge von 1 bis 100 aufgestellt. - Wieder Fehlanzeige. Das ist bedauerlich; denn ich kann Ihnen versichern, dass Wissenschaftler, aber auch Studenten und potenzielle Studenten das Ranking der Shanghai Jiao Tong University aufmerksam analysieren und ihre künftigen Wirkungsstätten danach auswählen. Das ist umso bedauerlicher, weil gerade der asiatische - und speziell der chinesische - Wirtschaftsraum seit Jahren das größte Wachstum verzeichnet und bereits mittelfristig in seiner Bedeutung für die deutsche Wirtschaft der amerikanischen den Rang abgelaufen haben wird. Aber dürfen wir das etwa den Hochschulen anlasten? - Ich meine, nein. Dazu ist ja auch schon einiges gesagt worden.

Ein weiteres Hochschulranking, das das bertelsmannnahe Zentrum für Hochschulentwicklung - kurz: CHE - zusammen mit der Wochenzeitschrift „Stern“ im vergangenen Jahr erstellt hat, kommt zu folgendem Ergebnis:

Die wissenschaftliche Reputation der Brandenburger Hochschulen ist in den letzten Jahren gestiegen und auch im Urteil der Studierenden werden unsere Hochschulen überwiegend positiv bewertet. Dennoch steht unmissverständlich als klare Aussage, dass sich die ostdeutschen Hochschulen vor allem bei der Studentenbetreuung auf das katastrophale Westniveau hin bewegen. Wörtlich heißt es in der CHE-Studie zum Ländervergleich:

„Zusammenfassend kann man feststellen, dass sich die Studiensituation in den neuen Ländern an die der alten Länder anpasst. Die Studienzeiten verlängern sich und die Studierendenurteile verschlechtern sich.“

Das hat natürlich etwas mit Hochschulfinanzierung zu tun; denn mehr Professoren kosten eben mehr Geld. Eine gute materielle Ausstattung der Hochschulen mit neuer Informationstechnologie und modernen Laboren führt nicht automatisch zum guten und schnellen Studienerfolg. Kleine Seminargruppen und der intensive persönliche Kontakt zwischen Hochschullehrern und den Studierenden scheinen mir der Schlüssel zum Erfolg zu sein.

Ebenfalls nicht zufrieden sein können wir mit dem Grad der Internationalisierung unserer Hochschulen. Ausnahmen bilden die Viadrina mit den vielen polnischen Studierenden und die BTU Cottbus, an der erfreulich viele ausländische Studenten eingeschrieben sind. An manchen Fachhochschulen jedoch sinkt der Anteil der ausländischen Studierenden auf weniger als 2 %. Vielfach reduzieren sich die Auslandskontakte auf gelegentliche Symposien oder Studienfahrten.

Leider finde ich auch in keiner brandenburgischen Studienordnung das obligatorische Auslandssemester. Voraussetzungen dafür sind Seminare und Vorlesungen in anderen Sprachen oder internationale Studiengänge. Hier haben wir noch erheblichen Nachholbedarf. Zwar lassen sich Fremdsprachen und interkulturelle Kompetenz auf vielfältige Weise vermitteln, wirklich gefestigt werden diese Fähigkeiten jedoch nur durch Auslandsaufenthalte, bei denen die Studierenden in den Hochschulbetrieb des entsprechenden Landes integriert werden. Das bietet eine sichere Grundlage für künftige wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen.

Aus den bisher aufgelisteten Mängeln müssen wir politische Konsequenzen ziehen und unsere Hochschulen auf dem Weg zur weiteren Internationalisierung zielgenau unterstützen.

Das deutsche Hochschuldiplom ist ein alter Zopf, der international längst abgeschnitten wurde. Es besteht somit für uns die zwingende Notwendigkeit, die Modularisierung der Studienfächer konsequent umzusetzen und die neuen Bachelor- und Masterabschlüsse, wie sie der Bologna-Prozess vorsieht, endlich für alle Studiengänge einzuführen.

Wie schwer sich manche Fachbereiche mit der Modernisierung ihrer Studienordnung tun, zeigt die Reform der Lehrerbildung, die wir unter einem späteren Tagesordnungspunkt noch zu behandeln haben. Obwohl das Hochschulrahmengesetz die Bachelor- und Masterstudiengänge bereits als Regelangebot vorsieht, bedarf es in Brandenburg im Gegensatz zu Berlin wieder einer Erprobungsklausel, um bei der Lehrerausbildung diese Abschlüsse einzuführen. Ich meine - dieser Hinweis muss erlaubt sein -, unser Wissenschaftsministerium hätte die Hochschulen in den vergangenen Jahren noch viel nachdrücklicher

beraten und verpflichten müssen, ihre Studiengänge im Sinne von Bologna zu reformieren. Schließlich haben sich die Kultusminister verpflichtet, bis 2010 vergleichbare Studienabschlüsse innerhalb Europas zu schaffen, wobei der problemlose Studienortwechsel nicht nur möglich, sondern erwünscht ist.

Wir erwarten vom Wissenschaftsministerium einen Bericht zum Stand der Umsetzung des Bologna-Prozesses an Brandenburger Hochschulen und einen Maßnahmenkatalog für den weiteren Reformprozess. Dabei gehen wir davon aus, dass die konkreten Festlegungen der europäischen Bildungsminister vom September 2003 einfließen - einen entsprechenden Antrag werden wir im Wissenschaftsausschuss einbringen -; denn bereits im Jahr 2005 werden von den nunmehr 40 Mitgliedstaaten detaillierte Berichte erwartet.

Um im internationalen Maßstab Schritt halten zu können, muss man an den Stellschrauben der leistungsorientierten Mittelvergabe und Zielvereinbarung tatkräftig nachjustieren. Das darf kein Lippenbekenntnis bleiben, sondern muss sich auch im Haushalt widerspiegeln. Insofern stimme ich meinen Vorrednern zu. Ich bin sicher, unsere Hochschulen werden schon aus gesundem Eigeninteresse mitziehen und sich dem europäischen Wettbewerb stellen. Ich bin da sehr zuversichtlich und möchte an dieser Stelle die großen Anstrengungen unserer Fachhochschulen und Universitäten hervorheben. Sie haben bisher mit knappen Mitteln viel erreicht. Das zeigt, dass sie sich ihrer großen Verantwortung bewusst sind.

Gestatten Sie mir noch einige Anmerkungen zu der Feststellung „Hochschulen auf Innovationskurs“. Ich freue mich, dass auch unser Koalitionspartner das Thema Innovation entdeckt hat, zwar noch in etwas allgemeiner Form, aber immerhin. Innovation heißt unter anderem Erneuerung, Verwirklichung neuer Gedanken in Form von neuen Verfahrenstechniken, von neuen Maschinen, neuen Produkten oder Organisationsformen. Innovation erfordert deshalb eine komplexe Betrachtung der Prozessabläufe, beginnend mit der Grundlagenforschung über die angewandte Forschung, die Industrieforschung bis hin zur Umsetzung in der Praxis und Erschließung neuer Märkte.

Man darf die Brandenburger Hochschulen daher nicht isoliert betrachten, sondern muss das Zusammenwirken von Wissenschaft und Wirtschaft analysieren. Wir müssen uns die Frage stellen, welchen Beitrag unsere Hochschulen leisten können, um mitzuhelfen, der ausgewiesenen Innovationsschwäche der Brandenburger Wirtschaft entgegenzuwirken.

In einer Studie der Bertelsmann-Stiftung, in der die Bundesländer im Standortwettbewerb verglichen werden, wird festgestellt, dass Brandenburg im Zeitraum von 1999 bis 2001 zum wachstumsschwächsten Bundesland abgefallen ist. Auch im Aktivitätsbereich belegt Brandenburg in dieser Periode den vorletzten Platz. Ein wesentlicher Grund für diesen Wachstumseinbruch wird in der Innovationsschwäche der Wirtschaft gesehen. Dieser Studie zufolge hat Brandenburg die niedrigsten Ausgaben für Forschung und Entwicklung pro Einwohner im Vergleich aller Bundesländer. Das korrespondiert mit dem extrem niedrigen Punktwert bei Patentanmeldungen. Auch bei den Hochschulausgaben belegt Brandenburg im Ländervergleich den letzten Platz.

Trotz alledem liefern unsere Hochschulen zum Teil exzellente Ergebnisse. Das bezieht sich auf die Einwerbung von Drittmit

teln, auf die im Wettbewerb mit anderen Hochschulen geförderten Sonderforschungsbereiche, die wissenschaftlichen Preise von Hochschullehrern und Nachwuchswissenschaftlern, um nur einige Beispiele zu nennen. Wir müssen jedoch fragen, wie die Ergebnisse in unserer Wirtschaft wirksam werden können. Mit dieser Frage hat sich auch der Landeshochschulrat befasst. In einer Studie aus dem vergangenen Jahr hat er Empfehlungen ausgesprochen, um die Leistungsfähigkeit unserer Hochschulen zu erhöhen und den Wissens- und Technologietransfer in die Wirtschaft zu verbessern. Ich möchte einige wenige herausgreifen:

Er empfiehlt zum Beispiel die Kooperation von Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Wirtschaft und Land im Rahmen des Landesinnovationskonzeptes und verstärkte wechselseitige Abstimmung von Wissenschafts- und Wirtschaftspolitik; die Bildung von Clustern als Basis für eine Vernetzung vor allem mit den kleinen und mittelständischen Unternehmen, in denen die Hochschulen als Kompetenzzentren eine Schlüsselrolle übernehmen sollen; die koordinierte Zusammenarbeit von Brandenburger und Berliner Hochschulen und Forschungseinrichtungen und die Erhöhung der Finanzsumme im Modell der Mittelverteilung für Struktur- und Innovationsziele.

Seit Monaten beschäftigen wir uns im Wissenschaftsausschuss mit dem Thema „Praxiswirksamkeit von Forschung“ und laden zu jeder Sitzung Hochschulen und Forschungseinrichtungen ein.

Wir legen großen Wert darauf, dass sich das Wirtschaftsministerium in diesen Diskussionsprozess einbringt. Zwar finanziert das Wirtschaftsministerium die Technologietransferstellen an unseren Hochschulen, doch ein weitergehendes Engagement beim Aufbau von Netzwerken zwischen den Hochschulen und der Brandenburger Wirtschaft kann ich bisher noch nicht erkennen. Welche Hochschulen hat unser Wirtschaftsminister in den letzten Monaten besucht oder sich vor Ort über das Angebot an Forschungskapazitäten informiert? Wie ist es um die Zusammenarbeit von Wissenschaftsministerium und Wirtschaftsministerium bestellt? Diese Fragen muss man hier einmal so aufwerfen. Sie werden natürlich auch in den verschiedenen Ausschüssen diskutiert und beraten.

Am 6. Januar hat der SPD-Parteivorstand die Weimarer Leitlinien „Innovation“ als Teil der Agenda 2010 beschlossen und damit den Mut zu weitreichenden Reformen bewiesen. Unser Ministerpräsident hat die essenzielle Bedeutung von Bildung, Forschung und Innovation als Fundamente für die weitere Entwicklung Brandenburgs längst erkannt. In seiner Regierungserklärung vom Dezember des vergangenen Jahres machte er nochmals deutlich, worauf es ankommt:

„Bildung und Wissenschaft sind die Voraussetzungen für nachhaltigen Erfolg im globalen Wettbewerb und damit die Grundlage für Wohlstand und Beschäftigung in einer Region.“

Weiter sagte er:

„Innovationen entstehen... in einem arbeitsteiligen Prozess, an dem verschiedene Akteure beteiligt sind: Wissenschaftler, Unternehmen, Finanziers und flankierend... auch der Staat, der... Rahmenbedingungen setzen muss.“

Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.

Zum Schluss möchte ich noch auf einen wichtigen Punkt im Innovationsprozess hinweisen. Wir brauchen ein modernes Einwanderungsrecht, das allen hoch Qualifizierten gestattet, mitsamt ihren Familien ins Land zu kommen und sich hier eine wissenschaftliche und/oder wirtschaftliche Existenz aufzubauen. Bisher scheitert ein vernünftiges Einwanderungsrecht immer noch an der verheerenden Blockadepolitik der CDU.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD - Beifall bei der PDS)

Wer wirklich Innovationen will, der darf keine Fremdenängste schüren, sondern muss auch in diesem Punkt Farbe bekennen. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD - Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Müller, und gebe das Wort der Fraktion der DVU. Herr Abgeordneter Nonninger.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor nicht allzu langer Zeit war von Bundesfinanzminister Eichel zu hören:

„Auch muss vor allem in Bildung, in Köpfe, in Fertigkeiten der Hände der nächsten Generation investiert werden; denn das ist deren und unser zukünftiger Reichtum.“

Angesichts der real existierenden Hochschulpolitik unseres Landes müssen die Studierenden, Professoren und Hochschulmitarbeiter Minister Eichels Worte als blanken Hohn empfinden.

Wie schon des Öfteren gesagt: Unsere DVU-Fraktion hält Einschnitte an den Hochschulen für schädlich und für vermeidbar. Vor Verschlechterungen der Bedingungen an den Hochschulen unseres Landes können wir nur eindringlich warnen. Unsere Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen müssen Wissen und Kompetenz vermitteln, die heute und morgen für den gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Fortschritt und für den Umweltschutz nutzbar sind. Der sozialen Ausgrenzung muss vonseiten der Landesregierung die Chance auf Bildung und Ausbildung für jeden entgegengesetzt werden. Brandenburgs Hochschulen müssen noch stärker als bisher mit der Wirtschaft zusammenarbeiten und sich an den Bedürfnissen der Gesellschaft orientieren. Nur ein geringer Teil der Absolventen wird irgendwann eine wissenschaftliche Laufbahn einschlagen. Das Studium muss sie deshalb auch auf die Selbstständigkeit und auf Berufe in der Industrie und im Dienstleistungsbereich vorbereiten.