Protocol of the Session on November 12, 2003

(Beifall bei der DVU)

Ich danke dem Abgeordneten Nonninger und gebe das Wort noch einmal der Fraktion der CDU, dem Abgeordneten Dr. Ehler. Bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Nonninger, ich vermeide ansonsten billige Polemik gegen die DVU, aber ich muss einmal deutlich sagen: Eine Fraktion, die in Anspruch nimmt, das Land Brandenburg und seine Bürger verteidigen zu wollen, sollte sich einmal daran erinnern, dass der Europaausschuss des Landtags Brandenburg eine denkwürdige Fahrt nach Brüssel unternommen hat, während der Ihr Kollege einen eine Woche dauernden Kampf gegen den Tiefschlaf geführt hat, der zu einer „Sternstunde“ des brandenburgischen Parlamentarismus wurde, als wir in dem Gespräch mit der EU-Kommissarin Frau Schreyer unterbrochen wurden, weil er so laut schnarchte.

Ich habe immer vermieden, es hier im Parlament zu sagen, muss es aber ganz deutlich hervorheben: Dass hier auf einer Ebene, bei der es darum geht, solche Themen vorzubringen, populistisch etwas in Anspruch genommen und in der Realität der brandenburgische Landtag in dieser Weise vorgeführt wird,

(Nonninger [DVU]: Ich sprach von Fakten!)

muss einmal deutlich erwähnt werden, damit nicht der Eindruck entsteht, dass sozusagen der weiße Ritter durch Brandenburg reitet und die armen Brandenburger verteidigt. - Das vielleicht zum Anfang.

(Beifall bei der CDU - Nonninger [DVU]: Sie erzählen jetzt Quatsch! Ich habe Fakten und Zahlen vorgetragen, die ich Ihnen auch zeigen kann! Das sind Statistiken!)

Die EU-Osterweiterung ist ohne Frage - das haben wir in den vorigen Beiträgen gehört - eine historische Chance. Ich glaube, es ist noch für die Generation unserer Eltern fast nicht vorstellbar, dass 50 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg die Chance besteht, ein gemeinsames europäisches Haus zu errichten. Gerade an der Grenze zweier Länder, deren Auseinandersetzung über einen von Deutschland ausgegangenen Konflikt im Grunde genommen den Beginn des Zweiten Weltkrieges markiert hat, gilt es mit Befürchtungen, die sicherlich in der Bevölkerung vorhanden sind, sorgsam umzugehen. Dennoch haben wir einiges von den Chancen und volkswirtschaftlichen Fragen gehört.

Mein Debattenbeitrag soll sich auf eine Sache beziehen, die mir sehr wichtig erscheint, nämlich auf die Frage der strukturellen und strategischen Überlegungen. Ich glaube, es war eines der wichtigen Ereignisse der ersten Reise unseres Europaausschusses, dass damals Angestellte und Beamte des Landes Brandenburg erstmals in Brüssel waren und sich alle Beteiligten zum ersten Mal sahen. Auf unsere Frage nach ihrem weiteren strukturellen Einsatz wurde mehr oder weniger mit Achselzucken reagiert. Wir mussten in den letzten fünf Jahren feststellen - das bewerte ich als außerordentlich positiv -, dass es der Landesregierung gelungen ist, endlich die strukturelle Maßnahme zu ergreifen, unsere guten Leute nach Brüssel zu schicken und sich zu bemühen, sie in den Verwaltungen entsprechend einzusetzen, also sozusagen einen strategischen Ansatz in Brüssel zu finden.

Des Weiteren gehört zu den Dingen, die man ansprechen muss, die Frage, inwieweit die neuen Bundesländer nicht doch noch mit einer Kraftanstrengung versuchen müssten, der gemeinsamen Landesvertretung trotz der mehr oder weniger aus finanziellen und verwaltungsrechtlichen Gründen gescheiterten Zusammenlegung in Brüssel ein gemeinsames Haus zu geben; denn das macht betreffs der Frage, wie wir uns darstellen, sehr viel aus.

Worum geht es bei solchen Dinge? - Das mögen sozusagen formale Fragen oder Detailfragen sein, aber ich glaube, der Ministerpräsident hat in einem kürzlich erschienenen Interview zu Recht gesagt, dass zum Beispiel die Frage der Strukturförderung - Ziel-1-Region, Ziel-2-Region, Fading-out -, die auch heute angesprochen worden ist, also die Frage, in welchem Maß wir und die Anpassung der Lebensbedingungen an den europäischen Standard noch gefördert werden, natürlich sehr viel damit zu tun hat, wie wir unsere Interessen vertreten. Seine Äußerung, dass dieses Thema die westdeutschen Ministerpräsidenten im Grunde genommen nicht sonderlich interessiert hat, zeigt uns natürlich, wie nachhaltig wir unsere eigenen Interessen vertreten müssen. Wir müssen uns in Zukunft sehr wohl auch überlegen, wie wir unsere strategischen Mittel einsetzen können.

Dazu gehört das Twinning-Programm. Ja, es ist wichtig, ist verdienstvoll. Einzelne haben damit sozusagen auch Ehre für das Land Brandenburg eingelegt. Man muss aber in die Überlegungen einbeziehen, dass wir diejenigen sind, die bezüglich der ESF-Fonds beraten. Es sind die Spanier, Franzosen und Österreicher, die über die EFRE-Fonds beraten, das heißt, in den Bereichen tätig sind, an denen wir großes wirtschaftliches Interesse haben und in denen in Zukunft darüber entschieden wird, wer die Aufträge in Polen bekommt. Wir müssen klar erkennen, dass es nicht um allgemeines Verwaltungshandeln,

sondern unsere ganz konkreten Interessen geht, wie wir unsere, zugegeben schmalen, aber wichtigen Ressourcen in solchen Fragen einsetzen.

Insofern, denke ich, haben die letzten Wochen und Monate sozusagen jenseits der Krisenszenarien eine gewisse Ernüchterung bzw. Versachlichung der Diskussion um die Osterweiterung eingeleitet. Ich glaube, es gilt jetzt, zunächst einmal strategische Ziele zu formulieren. Eines davon ist die Verkehrspolitik. Der Ministerpräsident war auf die Sandwich-Problematik eingegangen: Werden wir ein reines Transfer- und Durchreiseland oder bleiben die Struktureffekte, die durch die Osterweiterung ohne Zweifel für die deutsche Wirtschaft zu erwarten sind, auch wirklich in Brandenburg hängen?

Das heißt, bezüglich der Themen Marktöffnung für unsere Unternehmen, Verkehrs- und Strukturpolitik und auch bezüglich ganz konkreter Projekte - ich sage das jenseits aller parteipolitischen Polemik - lautet die Frage: Sind wir in der Lage, unsere Interessen durchzusetzen, wenn es um die Frage geht, ob die europäische Eisenbahnagentur nach Brandenburg oder nach Lille kommt? Das hat überhaupt nichts mit der Zuordnung von parteipolitischen Interessen zu tun, sondern wir müssen schlicht zur Kenntnis nehmen: Die europäische Flugsicherungsagentur ist nicht nach Ostdeutschland, sondern nach Köln gekommen. Nun können wir darüber nachdenken, wie viele Arbeitsplätze wohl in diesem Sektor gesichert worden sind, und auch darüber, dass die Schienenfahrzeugindustrie die letzte verbliebene industrielle Basis der neuen Bundesländer ist. In Anbetracht dessen wird man sich, glaube ich, in Zukunft um solche Dinge mehr Gedanken machen müssen, als wir es in der Vergangenheit parteiübergreifend - getan haben.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der PDS)

Insofern - damit will ich zum Ende kommen - glaube ich, dass in den vergangenen fünf Jahren wichtige Dinge eingeleitet worden sind, und ich bin sehr dankbar, dass sich Europaministerin Richstein und auch der Ministerpräsident in der Debatte um die Strukturanpassungsmaßnahmen und das Fading-out mit entsprechenden Einlassungen geäußert haben. Aber es gilt, unsere Interessen nachdrücklich wahrzunehmen. Wir müssen strategische Ziele definieren, müssen sie gemeinsam und über Parteigrenzen hinweg definieren. Wir müssen uns auch darüber im Klaren sein, dass die Bundesrepublik keine einheitliche Haltung hat, sondern es den viel beschworenen Wettbewerbsföderalismus natürlich auch schon in diesem Bereich gibt. Wir müssen nicht in Pessimismus verfallen und Krisenszenarien zeichnen. Es wird uns jedoch auch nichts nützen, sozusagen ausschließlich in Sonntagsreden ein positives Bild zu vermitteln, sondern wir müssen nachdrücklich für die Wahrung unserer Interessen sorgen. - Vielen Dank.

(Beifall bei CDU, SPD und PDS)

Ich danke dem Abgeordneten Dr. Ehler und gebe das Wort der Fraktion der PDS, der Abgeordneten Stobrawa.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ob Vorabend, helllichter Tag oder historischer Moment, wie es im

Antrag der SPD-Fraktion zu lesen ist - ich glaube, das, was die Bürgerinnen und Bürger vor allem interessiert, ist die Antwort auf die Frage: Was kommt, wenn am 1. Mai der Beitritt sozusagen vollzogen ist?

Eine grundsätzliche Bemerkung scheint mir in diesem Zusammenhang angebracht zu sein. Dabei kann ich nahtlos an Ihre Ausführungen, Herr Dr. Ehler, anschließen. Was wir als Bundesland erreichen können, hängt maßgeblich von äußeren Bedingungen ab. Deswegen ist es so wichtig, den Anspruch auf sozial gerechte Veränderung und auf größere Handlungsspielräume sowohl gegenüber dem Bund als auch gegenüber der Europäischen Union mit allem Nachdruck zur Geltung zu bringen. Genau das, meine sehr verehrten Damen und Herren, vermisst meine Fraktion im gegenwärtigen Regierungshandeln bis ins Detail.

Im Einzelnen möchte ich auch mit Blick auf die Weiterführung der Arbeit auf europapolitischem Gebiet vor allem sechs Punkte nennen.

Erstens: Brandenburg muss - in Berlin wie in Brüssel - seine Stimme für ein soziales, demokratisches und friedliebendes Europa deutlich vernehmbar erheben. Dazu gehört vor allem das Ringen um eine Europäische Verfassung, die die Basis für ein vertrauensvolles Zusammenwirken von kleinen und großen, von alten und neuen Mitgliedstaaten auf gleichberechtigter Grundlage sein kann.

Zweitens: Zur Erfüllung der zentralen Zielstellungen der EU Stärkung der regionalen Wirtschaftskraft, Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit und Zusammenwachsen von neuen und alten Mitgliedsländern zu einer Gemeinschaft von Gleichberechtigten - sind ausreichende finanzielle Mittel notwendig. Dafür muss Brandenburg hörbarer streiten. Die Höhe des künftigen EU-Haushalts ist deshalb für unser Land ganz entscheidend. Deswegen stellt meine Fraktion heute Nachmittag einen Antrag, der die Bundesregierung veranlassen soll, ihre Haltung zu überdenken.

Ihr Entschließungsantrag macht allerdings deutlich, dass die Koalition nicht gewillt ist, Schröders obskure Pläne zur Begrenzung des Umfangs des EU-Haushalts anzugreifen. Würde die EU sich Schröders Plänen anschließen, wäre das sowohl für die neuen als auch für die alten Länder besonders bezüglich der Heranführung strukturschwacher Gebiete katastrophal. Das gilt besonders für Brandenburg.

Drittens: Brandenburg muss des Weiteren für eine EU-Strukturfondsförderung streiten, die sich in annähernd gleicher Höhe wie in den Jahren 2000 bis 2006 bewegt. Immerhin waren es 3 Milliarden Euro. Unser Land braucht auch in den Jahren 2007 bis 2013 in großem Umfang europäische Hilfe, um die immer noch bestehenden Entwicklungsrückstände aufzuholen. Dies ist wichtig, da die Bundesregierung bisher keine sichtbare Bereitschaft zur Kompensation ausfallender EU-Mittel zeigte.

Viertens: Brandenburg muss seine Politik stärker auf die deutsch-polnische Grenzregion ausrichten. Die PDS wird sich für einen Aktionsschwerpunkt „Grenzregion“ einsetzen, der als gemeinsame Aufgabe der Länder Berlin und Brandenburg sowie der Woiwodschaften Lebuser Land und Westpommern konzipiert und umgesetzt wird. Von der gemeinsamen Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik über die Regionalplanung und die Planung der Verkehrswege bis hin zum großen Bereich der

Bildung müssen gemeinsame Ansätze die Grundlage politischer Entscheidungen der Partnerregionen bilden.

Fünftens muss überlegt werden, wo Europapolitik als Querschnittsaufgabe künftig anzusiedeln ist. Die Kombination mit der Justiz war ja wohl bisher eher eine in der Person des Justizministers begründete Entscheidung. Angesichts der Verflechtung von Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik wäre eine Zuordnung zu diesem Ressort oder direkt zum Ministerpräsidenten die bessere Variante, um Politik aus einem Guss formulieren zu können.

Sechstens: Der Landtag und seine Ausschüsse müssen sich in stärkerem Maße im Vorfeld mit europapolitischen Fragen, die im Bundesrat oder in Brüssel zur Abstimmung stehen, beschäftigen.

Die PDS ist bereit, über diese Ansätze weitere Diskussionen im Parlament zu führen. Es ist höchste Zeit; denn der Vorabend der EU-Erweiterung geht am 30. April um 24 Uhr, also in gerade einmal 92 Tagen, zu Ende. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Stobrawa, und gebe jetzt das Wort der Landesregierung. Frau Ministerin Richstein, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über die Erschaffung der Welt heißt es im Alten Testament im Buch Genesis: „Abend ward und Morgen ward: Ein Tag.“ Seit dem ersten Erdentag, der nun quasi ein Erdenvorabend war, wiederholt sich diese Reihenfolge. Wenn wir sagen, wir seien am Vorabend der EU-Osterweiterung, dann beginnt diese nicht morgen; wir sind eigentlich schon mittendrin. Wir sind mittendrin und können selbstbewusst auf eine erfolgreiche Arbeit in Vorbereitung der EU-Osterweiterung zurückblicken.

Lange Zeit haben wir auf diesen historischen Moment hingearbeitet, haben uns für die Schaffung von Rahmenbedingungen eingesetzt, und ich kann sagen, dass unsere Vorbereitungen jetzt Früchte tragen.

Die erste EU-Osterweiterung hat Brandenburg selbst zum Teil der Europäischen Union gemacht, als wir die deutsche Wiedervereinigung vor 13 Jahren feiern durften. Die Erfahrung, sich von einem Tag auf den anderen in einem neuen System zurechtzufinden, hat uns geprägt und angeregt, unseren Nachbarn, die in die Union aufgenommen werden wollen, diesen Schritt zu erleichtern.

Von Anbeginn haben wir uns dafür eingesetzt, dass an der neuen EU-Außengrenze, an unserer östlichen Grenze keine neue Teilung Europas eintritt. Wir haben die Zusammenarbeit mit anderen Völkern, speziell mit Polen, sogar zum Verfassungsauftrag erhoben. In der Praxis heißt das schon allein aufgrund der geographischen Situation einer 250 Kilometer langen Grenze zu Polen grenzüberschreitende Zusammenarbeit.

Grundlage dieser grenzüberschreitenden Zusammenarbeit bilden die tief greifenden Beziehungen zu sechs Woiwodschaften.

Maßgebend für Kontakte und Kooperation auf kommunaler Ebene sind natürlich die bereits erwähnten Euroregionen, in denen nicht nur beachtliche Investitionen getätigt, sondern auch Begegnungen gefördert werden, um die Menschen einander näher zu bringen. Eben dieses Ziel wird auch durch unzählige Kooperationen und Partnerschaften auf kommunaler wie regionaler Ebene, durch Schulprojekte und Vereine, die sich austauschen, geprägt.

Das menschliche Miteinander ist ein wichtiger Aspekt, denn die Europäische Union selbst unterliegt auch dem Wandel der Zeit. Was als Wirtschaftsunion von sechs Staaten, darunter auch Deutschland, begann, ist heute eine Wertegemeinschaft. Diese wird besonders durch den Beitritt von zehn Staaten und den vorliegenden Verfassungsvertragsentwurf deutlich. Gerade die Aufnahme der EU-Grundrechtscharta zeigt, dass die Union auf einer gemeinsamen moralisch-ethischen Basis stehen möchte.

Meine Damen und Herren! Die Europäische Union ist bestrebt, vergleichbare Lebensverhältnisse in allen Mitgliedsstaaten zu erzielen. Daher war und ist es wichtig, alle Staaten auf die neue Situation in Bezug auf die Vergrößerung einzustellen. Hierbei war das Land Brandenburg auf der Ebene der Bundesländer in einigen Bereichen federführend und die dort erarbeiteten Hinweise und Stellungnahmen flossen auch in die Verhandlungsführung der Bundesrepublik in Brüssel ein.

Schließlich wurde im Sommer 2001 das EU-Aktionsprogramm „Grenzlandförderung“ aufgelegt, mit dem zusätzliche Mittel für Verkehrsprojekte, für kleine und mittelständische Unternehmen und für Jugendprojekte in das Land kamen. In Brandenburg selbst haben alle Ressorts unter Federführung des Europaministeriums dazu beigetragen, eine Strategie zur Vorbereitung des Landes Brandenburg auf die EU-Erweiterung zu erarbeiten.

Der erste Bericht dazu ist dem Landtag bereits im Jahr 2001 vorgelegt worden. Es sind darin insbesondere die Chancen, die in der EU-Erweiterung für Brandenburg liegen, sowie deren Nutzbarmachung, die auch mit Unterstützung der Union erfolgen muss, dargelegt worden.

Die Chancen, meine Damen und Herren, liegen klar auf der Hand. Der Wirtschaftsraum wird sich um 70 Millionen Menschen vergrößern. Schon heute ist Polen Brandenburgs zweitgrößter Exportpartner. Die wirtschaftlichen Chancen für Brandenburger Unternehmen liegen auf der Hand. Brandenburg ist nicht nur das Tor zum Osten, Brandenburg ist auch das Tor zum Westen. Brandenburg ist im Grunde genommen die erste Schwelle, die mittel- und osteuropäische Unternehmer überwinden müssen, wenn sie westeuropäische Handels- oder Kooperationspartner finden möchten. Es muss uns gelingen, Brandenburg so investorenfreundlich zu gestalten, dass gerade diese Unternehmer nicht weiter nach Westeuropa gehen, sondern hier in Brandenburg ihre Chance finden.

Die politische Chance für Brandenburg liegt natürlich auch darin, dass es von der Randlage in das Herz Europas rückt, in ein Zentrum eines seit 50 Jahren funktionierenden Sicherheitsgefüges, in dem wir wohl aufgehoben sind. Die menschliche, gesellschaftliche und auch kulturelle Vielfalt Europas wird meines Erachtens noch besser verdeutlicht, wenn 25 Staaten an diesem Kaleidoskop mitwirken.

Meine Damen und Herren, natürlich gibt es bei den Menschen auch Ängste, die wir immer wahrgenommen und auch berücksichtigt haben. So ist beispielsweise auf eine breite Befürchtung hin, dass billige Arbeitskräfte aus Mittel- und Osteuropa den EU-Arbeitsmarkt überschwemmen könnten, gerade auf Druck Deutschlands und Österreichs eine bis zu sieben Jahre währende Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit im EU-Beitrittsvertrag vereinbart worden. Die Beschäftigung polnischer Arbeitskräfte auf dem hiesigen Arbeitsmarkt bedarf also auch nach dem 1. Mai 2004 der Genehmigung. Ebenso wird für Unternehmer im Bausektor, bei der Reinigung von Gebäuden, Inventar und Fahrzeugen sowie bei Innendekorateuren zunächst ebenfalls keine Dienstleistungsfreiheit vorhanden sein.

Im Unterschied dazu - das ist durchaus ein Vorteil - wurde die Niederlassungsfreiheit für Unternehmer aus Mittel- und Osteuropa in der Europäischen Union bereits mit dem Europaabkommen gewährleistet. Ausländische Unternehmen arbeiten in Deutschland unter den gleichen gesetzlichen Vorgaben wie hiesige Unternehmen, sodass auch hierdurch keine Belastung des Arbeitsmarktes entsteht. Im Gegenteil: Ausländische Niederlassungen schaffen in Brandenburg Arbeitsplätze und gerade deswegen sind sie uns willkommen. Brandenburgische Unternehmen sind natürlich weiterhin aufgerufen, auch ihre Chancen des erweiterten Marktes zu nutzen.

Die Landesregierung hat immer für verbesserte Bedingungen, für eine vertiefte Zusammenarbeit auf allen institutionellen und gesellschaftlichen Ebenen gefochten. Ein wesentlicher Impuls hierzu ging von dem gemeinsamen Workshop des Landes Brandenburg und der Woiwodschaften Westpommern und Lebuser Land aus, der am 12. und 13. März 2003 in Frankfurt (Oder) und in Slubice unter dem Motto „Gemeinsam in der Europäischen Union - aus Nachbarn werden Partner“ ausgerichtet wurde. Ich habe mehrfach im Europaausschuss und auch im Landtag über die Erfolge dieses Workshops berichtet. Dass sich seine nachhaltige Ausrichtung bewahrheitet hat, zeigt sich auch darin, dass im November 2003 ein erstes Monitoring zur Umsetzung der Handlungsempfehlungen stattgefunden hat.

In den dritten Bericht mit dem Titel „Von der Vorbereitungsstrategie zur Integrationsstrategie“, der dem Landtag noch im Frühjahr zugeleitet wird, fließen gerade diese Ergebnisse ein. Dabei wird ein Ausblick auf die künftig neue Qualität der Zusammenarbeit gegeben, die sich wirklich von der Nachbarschaft zur Partnerschaft wandelt. In Zukunft wird seitens der mittel- und osteuropäischen Partner nicht mehr die Nachfrage nach bestimmten Erfahrungen Brandenburgs im Mittelpunkt stehen, sondern es wird eine kooperative Ausrichtung, eine Politik unter gleichgestellten Partnern auf gleicher Augenhöhe an diese Stelle treten.

(Zuruf der Abgeordneten Osten [PDS])