Protocol of the Session on November 12, 2003

(Zuruf der Abgeordneten Osten [PDS])

Meine Damen und Herren! Wie Sie wissen, will die Europäische Kommission am 18. Februar 2004 ihren dritten Kohäsionsbericht sowie eine Woche zuvor die finanzielle Vorschau auf die Jahre 2007 bis 2013 vorlegen. Für uns ist dabei gerade die Ausgestaltung der europäischen Strukturpolitik nach dem Ende der jetzigen Förderperiode im Jahr 2006 von besonderer Bedeutung.

Bei strikter Anwendung der bisher geltenden Kriterien wird Brandenburg nach der EU-Erweiterung um wirtschaftlich är

mere Mitgliedsstaaten nach den bisher vorliegenden Berechnungen aus der höchsten Förderstufe voraussichtlich herausfallen - nicht, weil wir uns wirtschaftlich so entwickelt hätten, sondern nur, weil inzwischen noch ärmere Regionen zur Europäischen Union gehören. Die positiven Effekte der EU-Förderung für die Region würden konterkariert und es würde eine Sandwichsituation entstehen: auf der einen Seite im Westen die wirtschaftlich besser gestellten Bundesländer und auf der anderen Seite im Osten die mittel- und osteuropäischen Staaten, die eine Höchstförderung bekommen.

Wir dringen daher vehement darauf, dass die Förderung seitens der Europäischen Union im bisherigen Umfang erhalten bleibt. Es kann nicht sein, dass die notwendigen Kosten der EU-Erweiterung letztlich von jenen Regionen getragen werden, die bisher zu den am wenigsten entwickelten in der Europäischen Union zählten

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

und die nur wegen des statistischen Effekts nicht mehr dazugehören. Wir setzen alles daran, den Verantwortlichen im Europäischen Parlament, in der Europäischen Kommission, aber auch bei der Bundesregierung und in anderen Bundesländern zu verdeutlichen, dass wir in Brandenburg dringend eine weitere finanzielle Unterstützung der Europäischen Union brauchen, ja darauf angewiesen sind. An die Adresse der Entscheidungsträger in Berlin und auch in Brüssel sage ich ganz klar: Die Investitionen in die ostdeutschen Länder sind Investitionen für Deutschland und Investitionen für Europa. Sie helfen, dass wir hier schneller auf einen sich selbst tragenden wirtschaftlichen Wachstumspfad einschwenken können, der uns letztlich von externen Hilfen unabhängig macht.

Vor diesem Hintergrund sehe ich auch die von der Bundesregierung vorgeschlagene Deckelung der künftigen EU-Ausgaben bei einem Prozent des jeweiligen Bruttonationaleinkommens als nicht hilfreich an. Dies würde uns letztlich in einen Verteilungskampf mit den neuen EU-Staaten bringen und den wollen wir auf keinen Fall.

Das Land Brandenburg hat sich energisch und, wie ich denke, auch mit Erfolg auf den Beitritt seines Nachbarlandes Polen sowie auf die EU-Erweiterung vorbereitet. Damit das in dem Bewusstsein der Brandenburger und Brandenburgerinnen verankert wird, hat sich im Land unter Federführung des Europaministeriums eine vielfältige europapolitische Öffentlichkeitsarbeit entwickelt. Es ist wichtig, die Menschen gerade während des Prozesses der Erweiterung zu begleiten und ihre Ängste und Bedürfnisse aufzunehmen. Nur wenn uns das gelingt, wird die EU-Erweiterung ein Erfolg sein.

Daher ist es nur folgerichtig, dass wir den historischen Moment der europäischen Wiedervereinigung dort feiern, wo er am augenscheinlichsten ist. Mit der Stadtbrücke über die Oder, die Frankfurt (Oder) und Slubice verbindet, verfügt unsere Region über ein symbolisches Wahrzeichen. Es steht für die bisherige Trennung, aber auch für die künftig enge Verbindung zwischen Deutschland und Polen, zwischen der bisherigen EU und einem neuen Mitgliedsland. Darum wird das Kernstück ein Volksfest im Rahmen der Erweiterung der Europäischen Union am Abend des 30. April 2004 sein. Sie sind alle eingeladen, meine Damen und Herren, zu diesem Fest der Regionen am Vorabend der Erweiterung der Europäischen Union und ich hoffe, Sie werden zahlreich erscheinen.

Natürlich müssen wir auf dem Weg dorthin noch einige Schwierigkeiten beiseite räumen. Es ist zwar heute nicht explizit angesprochen worden, aber insbesondere haben wir noch immer ein Problem mit dem Nadelöhr „Grenzübergänge“. Aktuell möchte ich den Grenzübergang Guben/Gubinek ansprechen, bei dem wir aufgrund des hohen LKW-Aufkommens und der Situation auf der B 112 gezwungen waren, eine Tonnagenbegrenzung einzuführen. Das hat zu Diskussionen zwischen Polen und Deutschland, zwischen Polen und Brandenburg in diesem Bereich geführt, sodass wir neue Kompromisse eingehen müssen. Es ist aber nicht zutreffend, dass jetzt schon feststünde, wie gestern durch die Medien verbreitet wurde, dass die Tonnagenbegrenzung zum 18. Februar aufgehoben wird. Wir sind derzeit bemüht - heute findet ein Treffen zwischen der Bundesregierung, Vertretern des Landes Brandenburg und der polnischen Regierung statt -, eine Lösung zu finden, die allen Menschen dient.

Wir wissen um die Belange der Anwohner im Landkreis SpreeNeiße und werden - das kann ich Ihnen versprechen - eine Lösung suchen, die nur als allerletztes Mittel - ich denke, dass wir vorher einen Kompromiss finden - die Begrenzung der Tonnage wieder rückgängig macht.

Lassen Sie mich zusammenfassen, meine Damen und Herren: Die Landesregierung Brandenburg hat von Anfang an die Chancen, aber auch die Herausforderungen der EU-Erweiterung gesehen und gehandelt. Wir werden von der Erweiterung politisch, wirtschaftlich und kulturell profitieren. Wir müssen aber auch weiterhin daran arbeiten, dass der Prozess des Zusammenwachsens fortgeführt wird und sich vor allen Dingen die Menschen an der Wahrnehmung ihrer neuen Chancen aktiv beteiligen.

Lassen Sie mich mit einem Wort Konrad Adenauers enden, der vor mehr als 40 Jahren sagte:

„Die Einheit Europas war ein Traum weniger. Sie wurde eine Hoffnung für viele und sie ist heute eine Notwendigkeit für alle.“

Vielen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke Ministerin Richstein und gebe das Wort noch einmal der Fraktion der SPD, dem Abgeordneten Dellmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Flüsse sind Grenzen. Grenzen wie Flüsse gilt es zu überwinden. Dazu braucht man Brücken - Brücken nicht nur in infrastrukturellem Sinne, sondern auch in den zwischenmenschlichen Beziehungen, Brücken im Bereich der Wirtschaft. Ich glaube, dass die Grenze zwischen Polen und Deutschland über Jahrzehnte hinweg auch von den damaligen Machthabern ganz bewusst als Grenze angelegt war, damit es möglichst wenig Kontakte zwischen den Menschen und den Regionen gibt. In den letzten Jahren haben wir die Chancen bereits gut genutzt, um weiterzukommen, aber wir haben noch viel aufzuholen. Denn wenn Sie sich die Statistik anschauen, werden Sie feststellen:

Wir haben im Moment zwischen Deutschland und Polen nur etwa 10 bis 15 % der Brücken, die es vor den Zerstörungen 1945 an Oder und Neiße gab.

Eine leistungsfähige Infrastruktur ist die zwingende Voraussetzung, um für Brandenburg die Chancen zu wahren und zu nutzen, die sich aus der EU-Osterweiterung ergeben. Es gibt zwei Bereiche von Infrastruktur. Dazu gehören die transeuropäischen Netze, die primär darauf abstellen, internationale EUweite Verbindungen zu realisieren. Diese sind wichtig. Aber für uns ist vor allen Dingen wichtig, dass die Infrastruktur stimmt, die wir brauchen, um unsere Wirtschaft und unsere Menschen in die Lage zu versetzen, die Potenziale, die sich für uns aus der EU-Osterweiterung ergeben, zu nutzen.

Das letzte Jahr war von den Diskussionen um den Bundesverkehrswegeplan gekennzeichnet. In diesen Diskussionen haben wir als Land Brandenburg viel nachsteuern können. Ich denke an den Eisenbahnbereich. Die Verbindung Berlin - Cottbus Görlitz ist nicht nur eine innerdeutsche Verbindung, sondern vor allen Dingen auch eine Verbindung, die wir brauchen, um den polnischen, den schlesischen Raum einzubeziehen.

Das Gleiche gilt für die Verbindung Berlin - Stettin. Diese ist vernachlässigt worden. In den Diskussionen zum Bundesverkehrswegeplan haben wir deutlich gemacht, dass sie für die Osterweiterung, aber selbstverständlich auch für die regionale Wirtschaft wichtig ist.

Straßengrenzübergänge sind ein weiterer Schwerpunkt. Aber selbst das Wort Grenzübergang macht schon deutlich, welche Probleme wir zum Teil in unserem eigenen Denken haben. Ich glaube, dass wir nach dem 1. Mai, eigentlich heute schon, nicht den Begriff „Grenzübergang“ verwenden sollten, sondern dass der Begriff eine neue Form braucht. Denn allein der Begriff „Grenzübergang“ macht deutlich, dass wir eine Grenze im eigenen Kopf haben. Es muss dazu kommen, dass wir uns auch hinsichtlich der Begrifflichkeiten verändern.

Die Diskussionen, die wir geführt haben - Frau Richstein sprach die Diskussion um Guben/Gubinek an, aber auch die um Schwedt gehört dazu -, machen deutlich, dass es hier ganz konkrete Probleme gibt. Es ist uns noch nicht gelungen, an jeder Stelle für die deutsche und die polnische Seite wirklich eine Win-Win-Situation zu erzielen. Ich glaube, der Schlüssel zum Erfolg ist, dass wir uns nicht nur ansehen, welche Vorstellungen und Ansätze wir haben, sondern dass es vor allen Dingen gelingt, die polnische Seite partnerschaftlich davon zu überzeugen, den Neubau von Straßen und Brücken über Oder und Neiße als Chance für sich zu ergreifen. Nur so erzielen wir Win-Win-Situationen.

Dazu gehört auch, sich stärker als bisher in die polnische Mentalität hineinzuversetzen. Sie ist etwas anders als die deutsche Mentalität. Wer die Diskussionen in den letzten Wochen und Monaten verfolgt hat, weiß, wie wichtig es ist, auf die ganz konkreten Befindlichkeiten einzugehen. Auch diesbezüglich müssen wir noch viel lernen.

Ich darf das auch noch einmal anhand des Grenzübergangs Schwedt deutlich machen, der in den letzten Jahren gerade für den Wirtschaftsstandort Schwedt eine sehr große Bedeutung hatte. Wir müssen herausfinden, welche Interessen die polnische Seite hat, und dann einen Vorschlag entwickeln, mit dem

wir auf die polnische Seite zugehen. Es geht also nicht darum, immer nur die deutsche Position durchzusetzen, die wir für die beste halten, sondern auch darum, herauszufinden, ob vielleicht die II-B-Situation die bessere ist. Ich glaube, dann gelingt es.

Ein weiterer Aspekt - dabei will ich aufgreifen, was Frau Richstein sagte - sind die persönlichen partnerschaftlichen Kontakte zwischen Kommunen, Vereinen und Menschen. Ich möchte Sie in dem Zusammenhang ganz herzlich bitten, dies auch in den Mittelpunkt Ihrer eigenen Arbeit, auch Ihrer Wahlkreisarbeit, zu stellen.

Frau Richstein, ich werde leider das Angebot, das Sie für den 30. April unterbreitet haben, nicht annehmen können. Das liegt daran, dass meine Heimatgemeinde Wandlitz bereits seit Jahren mit einer kleinen Stadt in der Nähe der polnischen Ostseeküste, mit Trzebiatow, partnerschaftlich verbunden ist. Dort werde ich die Zeit vom 30. April bis zum 1. Mai verbringen.

Dieses Ereignis sollte man begehen. Solche Kontakte zeigen unseren Partnern, dass wir es mit der EU-Osterweiterung ernst meinen und sie annehmen.

Herr von Arnim, ich glaube sagen zu können, wenn man in der Nacht vom 30. April zum 1. Mai in Polen gemeinsam auf die Chancen und die Nutzung dieser Chancen anstößt, dann haben wir auch persönlich unseren Beitrag dazu geleistet, dass die EU-Osterweiterung nicht nur für die Staaten dort, sondern auch für Brandenburg ein Erfolg wird. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke dem Abgeordneten Dellmann. - Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Rednerliste angekommen und ich schließe den Tagesordnungspunkt 2, die Aktuelle Stunde, und rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:

1. Lesung des Gesetzes zu dem Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Land Brandenburg vom 12. November 2003

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 3/6879

Es wurde vereinbart, zu diesem Tagesordnungspunkt keine Debatte zu führen, sodass ich sofort zur Abstimmung über die Überweisungsempfehlung des Präsidiums kommen kann. Das Präsidium empfiehlt Ihnen, die Drucksache 3/6879 an den Hauptausschuss - federführend - und an den Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kultur zu überweisen. Wer dieser Überweisungsempfehlung folgt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Überweisung einstimmig beschlossen.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 3 und rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

1. Lesung des Gesetzes zu dem Staatsvertrag der Länder Berlin und Brandenburg auf dem Gebiet der Landwirtschaft (Landwirtschaftsstaatsvertrag)

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 3/6899

Auch hierzu wurde vereinbart, keine Debatte zu führen, sodass ich zur Abstimmung kommen kann. Das Präsidium empfiehlt Ihnen die Überweisung der Drucksache 3/6899 an den Hauptausschuss - federführend - und an den Ausschuss für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung. Wer dieser Überweisungsempfehlung folgt, den bitte ich um sein Handzeichen. Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Überweisung einstimmig beschlossen.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 4 und unterbreche die Sitzung des Landtages bis 13 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung: 12.10 Uhr)

(Fortsetzung der Sitzung: 13.01 Uhr)

Werte Kolleginnen und Kollegen! Bevor wir beginnen, darf ich junge Gäste aus dem östlichen Teil Brandenburgs, aus der Tuchmacherstadt Forst, begrüßen. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Wir beginnen den Nachmittagsteil mit dem Tagesordnungspunkt 5:

1. Lesung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Investitionsbank des Landes Brandenburg

Gesetzentwurf der Landesregierung