Niemand übersieht die gelungenen Ansiedlungen. Niemand übersieht Schwarzheide, Schwedt, Potsdam, Teltow. Die Überlegungen der Regierung hinsichtlich wissensbasierter Produktion, der Rolle von Wissenschaft und Technologie, hinsichtlich eines modernen Brandenburgs kann ich unterstützen. Aber Ihre praktische Politik sieht ganz anders aus. Das liegt nicht an Ihrer Imagephilosophie.
„Wir müssen es schaffen, zu einem motivierenden Positivbild der Schulen zu kommen.... Das ist eine gesellschaftliche Aufgabe für Lehrer, Eltern und Erziehende.“
Da sage ich: Wir müssen zu einer qualitativ verbesserten Bildung und Erziehung kommen. Dann verbessert sich allmählich auch das Bild der Schule. Wir könnten das nachhaltig tun, wenn bei einer Wiederholung der PISA-Studie dann wirklich bessere Ergebnisse kämen.
Das gilt sinngemäß auch für andere Politikbereiche. Alle Kosmetik, alle Imagepflege, alle Positivbilder allein stellen nur Werbeeffekte dar, nicht wirkliche Veränderungen. Eine andere Philosophie ist nötig für dieses Land.
Den Tatsachen ins Auge blicken, die Ursachen für Erfolge und Niederlagen analysieren, daraus die richtigen praktischen politischen Schlussfolgerungen für die Politik ziehen und realisieren und dann erst - falls es auch nötig ist - Imagepflege betreiben.
Es ist wie mit der Maut. Man bekommt sie hin oder man bekommt sie nicht hin. Da hilft keine Imagepflege.
Es ist wie mit der Bundesanstalt für Arbeit. Sie hilft ganz praktisch bei der Vermittlung von Arbeitsplätzen und kann sich ihre skandalös teuren PR-Aufträge sparen oder sie hilft nicht.
Dazu, den Tatsachen ins Auge zu schauen, gehört auch, die Reihenfolge zu ändern. Erst die Wirklichkeit positiv gestalten! Dann spart man die Kosten für die Imagepflege. Oder man gibt die Mittel dafür aus und behält dennoch ein schlechtes Image. Die Landespolitik gehört wieder vom Kopf auf die Füße gestellt. Wir bringen unsere Alternativvorschläge dazu ein.
Ich hatte das Wichtigste zu den Großprojekten schon gesagt. Darüber haben Sie immer gelacht und große, höhnische, ja auch arrogante Töne waren zu hören. Jetzt sage ich leise: Man kann Fehler machen. Aber kommen Sie nicht immer mit dem dummen Spruch: „Sie haben keine Konzepte.“ - Sie sind öffentlich. Sie können sie nachlesen. Sie stehen im Internet. Jeder Mensch kann sich davon überzeugen.
Weder die blühenden Landschaften noch die Chefsache Ost waren mit wirksamen politischen Ansätzen verbunden. Damit sollte Brandenburg endlich beginnen, Herr Ministerpräsident.
Nein, der Aufbau Ost als Nachbau West ist gescheitert. Das haben die Menschen erlebt. Unsere Chancen liegen in der Nutzung der wirklichen Potenziale des Ostens und nicht in einer Wirtschaftspolitik vorbei an den Menschen auf der grünen Wiese.
Bei dem, was den Haushaltsvorstellungen für 2004 zugrunde liegen könnte, ist von einem politischen Ansatz, Herr Ministerpräsident, von einem neuen politischen Ansatz wirklich nichts zu lesen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Brandenburger Adler, der sich Anfang der 90er Jahre so stolz in die Lüfte schwang, befindet sich im Sinkflug und droht abzustürzen, wenn es keinen Auftrieb gibt. Hauptursache dafür ist unübersehbar ein Politikversagen sowohl aufseiten der Landesregierung als auch aufseiten des Landtages. Exemplarisch dafür steht die Chipfabrik.
Brandenburg ist nicht an einem wirtschaftlich sinnvollen Projekt gescheitert. Nicht weil es fehl schlug, sind dem Land 1 300 Arbeitsplätze entgangen. Diese Chance hat es nie gegeben. Darum habe ich im Parlament gegen die Notoperation einer Landesbeteiligung in Höhe von 38 Millionen Euro gestimmt, weil der Patient längst tot war. Hätten wir auch nur annähernd die im SPD-geführten Wirtschaftsressort der Bundesregierung vorhandenen Kompetenzen im CDU-geführten Wirtschaftsressort in Brandenburg besessen, wären uns an dieser Stelle nicht nur etwa 100 Millionen Euro verschwendete Fördergelder erspart geblieben, sondern auch der beispiellose Ausverkauf von wertvollen IHP-Patenten.
Welche Lehre müssen wir hieraus ziehen? Erstens: Regierung und Opposition müssen sich künftig davor hüten, bei großen Investitionsvorhaben die Augen vor Realität und Marktlogik zu verschließen.
Zweitens: Öffentliche Gelder dürfen grundsätzlich nicht in privatwirtschaftliche Projekte fließen, die keinen Investor haben. Scheininvestoren sind Fördermittel zu versagen.
Drittens: Das Parlament darf bei öffentlichen Förderprojekten seine vornehmste Aufgabe, nämlich die wirksame Kontrolle der Regierung, niemals aufgeben. Nur so kann es Schaden vom Land abwenden.
Ein Satz hat mich heute Morgen nachdenklich gestimmt: Die negative Wahrnehmung entspreche nicht der Wirklichkeit. - Sie entspricht den Tatsachen und vor allem der ganz konkreten Lebenssituation der Menschen im Land, die gekennzeichnet ist durch die höchste Steigerung der Arbeitslosenzahlen, die Besorgnis erregende Zunahme von Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit, die Zahl der Sozialhilfeempfänger und die damit einhergehende Kinder- und Altersarmut.
Eine Position der Landesregierung zu sozialen Härten habe ich in der Regierungserklärung vermisst. Welcher Verantwortung stellt sich die Landesregierung in dieser Hinsicht? Diese Frage wurde heute leider nicht beantwortet.
Meine Damen und Herren! Schon Goethe hat bemerkt, dass wir das Vergangene nicht zurückholen können, über die Zukunft aber sind wir eher Meister, wenn wir gut und klug sind. In diesem Sinne unterstütze ich Sie, Herr Ministerpräsident, in Ihrem Anliegen, nach vorn zu schauen. Dazu gehört, die Brü
cken zu einer fruchtlosen Wirtschaftspolitik endlich abzubrechen gemäß Ihrer Einschätzung, dass der Staat kein Ersatzunternehmer ist.
Die Zeit der Großprojekte ist vorbei, ja. Die Trennlinie, um die es heute aber geht, verläuft nicht zwingend zwischen großen und kleinen Projekten. Sie verläuft zwischen wirtschaftlich tragfähigen und wirtschaftlich nicht tragfähigen Konzepten.
Der bloße Verweis auf den Mittelstand reicht hier nicht aus. Auch hier müssen wir schauen, welche Konzepte tragfähig sind und welche nicht. Dies zu erkennen braucht es den unbedingten Willen, Fördermittel unter strengsten Effizienzkriterien auszureichen. Auch darin unterstütze ich Sie, Herr Ministerpräsident.
Fördern und fordern - dieser Grundsatz, der so selbstverständlich für Arbeitslose gilt, muss als Maßstab an jedes Politikfeld angelegt werden, zuallererst an die Wirtschaftsförderung; denn wenn es heißt, alles was Arbeit schafft, ist sozial, dann gilt auch umgekehrt: Alles was Arbeitslosigkeit schafft, ist unsozial.
Die beste Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik kann eben nicht richten, was verfehlte Wirtschaftspolitik in diesem Lande anrichtet. Nur: Mit welchem Pfund können wir noch wuchern? Ich sehe hier vor allem die hohe Selbstständigenquote, eine überdurchschnittliche Gründungsintensität und ein qualifiziertes Arbeitskräfteangebot. Diese Potenziale müssen durch Landespolitik aber auch gezielt begleitet und gefördert werden.
Sorgen wir dafür, dass die Menschen in diesem Lande endlich einer lebenswerten Zukunft entgegensehen können! Das ist die Herausforderung, vor der wir stehen, unsere Aufgabe, für die wir alle hier gewählt worden sind.
Brandenburg ist eben nicht nur Sumpf und Sand. Unsere Landeshymne weist uns den Weg: Steige hoch, du roter Adler. - Geben wir ihm gemeinsam den notwendigen Auftrieb. - Vielen Dank.
Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Dr. Schröder. - Wir sind damit am Ende des Tagesordnungspunktes 7, Regierungserklärung zum Standort Brandenburg. Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.
Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion der DVU. Herr Abgeordneter Schuldt, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Brandenburger Wirtschaft hat es nicht leicht. Erst nachdem das
Kind in den Brunnen gefallen ist, also nach der Chipfabrikpleite, denkt die Regierung daran, endlich ein neues Konzept aufzulegen. Angemahnt haben wir dies, seit wir in diesem Parlament vertreten sind. Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, das Bedrückendste an der wirtschaftlichen Situation in Brandenburg sind nicht die allesamt zu Investitionsruinen verkommenen so genannten Leuchttürme Ihrer verfehlten Wirtschaftsförderung wie Lausitzring, CargoLifter und LEG und jetzt zuletzt die Chipfabrik mit Hunderten von Millionen buchstäblich in den märkischen Sand gesetzen Fördergeldern.
Viel schlimmer, meine Damen und Herren, sind die Auswirkungen Ihrer katastrophalen Wirtschaftspolitik auf die kleinen und mittelständischen Betriebe unseres Landes mit seiner mittelständisch geprägten Wirtschaftsstruktur oder, besser gesagt, auf das, was von diesen Betrieben noch übrig geblieben ist. Lassen Sie mich, bevor ich in die Zahlen des Einzelplans 08 einsteige, zunächst einmal den Stand der Wirtschaftsentwicklung in Brandenburg analysieren:
Die nunmehr seit über drei Jahren andauernde Phase der Stagnation der Brandenburger Wirtschaft endet auch in diesem Jahr wieder mit einem Nullwachstum und auch für das kommende Jahr gehen die Experten der Wirtschaftsforschungsinstitute von keinem wesentlichen Wirtschaftswachstum in Brandenburg aus. Die Pleitewelle in Deutschland und besonders drastisch in Brandenburg steigt unaufhörlich und vernichtet immer mehr Arbeitsplätze. Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform erwartet in diesem Jahr knapp 40 000 Firmenzusammenbrüche und im Jahre 2004 sogar 42 000. Dadurch werden pro Jahr bundesweit zwischen 600 000 und 700 000 Arbeitsplätze verloren gehen, davon Tausende in Brandenburg.
Binnen eines Jahres haben 7 100 Personen zusätzlich ihre Stelle verloren. Die Arbeitslosenquote liegt offiziell bei 17,7 %. Seit der Wende war die November-Arbeitslosigkeit noch nie so hoch. Werden noch diejenigen hinzugerechnet, die sich aus Frust vom Arbeitsmarkt zurückgezogen haben, sieht das Bild noch schlimmer aus. Das Landesarbeitsamt beziffert die so genannte Unterbeschäftigungsquote landesweit auf 24 %.