Protocol of the Session on November 6, 2003

Im Umkehrschluss müsste es uns sehr zu denken geben, wenn die Zahl der Volksinitiativen und Volksbegehren zunähme. Das stellte dann ein echtes Problem dar. Das gilt aber nicht für die Möglichkeiten der Eintragung in Unterschriftenlisten.

Gegenwärtig haben wir zu konstatieren, dass sich die Bürger leider zu wenig für politische Probleme interessieren,

(Zurufe von der PDS)

siehe die Wahlbeteiligung bei den Kommunalwahlen. Damit wird deutlich, dass sich der PDS-Antrag mit einem Randproblem beschäftigt.

Vielmehr haben alle Parteien in diesem Landtag die Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, dass Politikverdrossenheit nicht weiter um sich greift.

(Zuruf von der PDS: Vor allem die SPD!)

Unter diesem Aspekt springen Sie, meine Damen und Herren von der PDS-Fraktion, zu kurz.

Interessant ist auch ein Blick in das Volksabstimmungsgesetz. In § 15 Abs. 3 dieses Gesetzes heißt es, dass die Abstimmungsbehörden verpflichtet sind, die ihnen rechtzeitig zugegangenen ordnungsgemäßen Eintragungslisten innerhalb der Eintragungsfrist öffentlich auszulegen und dabei die Eintragungsberechtigung der sich eintragenden Personen zu prüfen. Daran sehen wir, dass die Abstimmungsbehörden bei der Schaffung von Eintragungsmöglichkeiten kreativ sein können. Niemand hindert sie daran, etwas weiter zu fassen, als es gegenwärtig der Fall ist. Das Land wird aber den Teufel tun, die Ämter und Gemeinden zu bevormunden.

Wir stellen fest: Die PDS-Fraktion rennt mit ihrem Antrag offene Türen ein. Die Türen stehen also längst offen. Ihr Antrag, verehrte Kolleginnen und Kollegen der PDS-Fraktion, ist überflüssig wie ein Kropf. Deshalb lehnen wir ihn ab. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Klein. Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, möchte ich hier bei uns Gäste aus dem Boizenburger Land begrüßen. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Das Wort geht jetzt an die Fraktion der DVU. Bitte schön, Herr Abgeordneter Schuldt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir

müssen die Bürgerinnen und Bürger wieder an die Wahlurne bringen. Die kommunale Abstimmungspraxis ist natürlich wichtig bei der Ausführung des Volksabstimmungsgesetzes. Das Plebiszit ist ein fortschrittliches Instrument der Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger an der Landesgesetzgebung und muss selbstverständlich auch unterstützt werden.

Die von der PDS-Fraktion hier dargestellte Thematik erscheint mir jedoch reichlich an den Haaren herbeigezogen. Die PDSFraktion führt nicht aus, ob und inwieweit die in der Begründung beschriebenen Hürden für mobilitätsbeeinträchtigte Eintragungsberechtigte bislang zu den beschriebenen Problemen geführt haben sollen, wie sie es hier andeuten möchte.

Selbstverständlich muss im Vordergrund die Gewährleistung des Rechts der Bürgerinnen und Bürger, sich an Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden zu beteiligen, in jeder Hinsicht unterstützt werden. Dem wird natürlich vornehmlich gerecht, dass auch die Auslegung der Eintragungslisten bei eingeleiteten Volksbegehren und die Prüfung der Eintragungsberechtigung als Maßnahme der Vorbereitung im Sinne des § 3 des Volksabstimmungsgesetzes möglichst dezentral und für jeden Bürger erreichbar vorgenommen werden kann. Dabei ist auf Menschen mit Behinderung besondere Rücksicht zu nehmen und in jeder Hinsicht zu gewährleisten, dass sie genau wie jeder andere Bürger von der Möglichkeit der Teilnahme an dem jeweiligen Plebiszit Gebrauch machen können.

Dass in Anlehnung an die Praxis der Durchführung von Wahlen den Abstimmungsbehörden empfohlen werden kann, auch in Ortsteilen und in amtsangehörigen Gemeinden geeignete Räumlichkeiten zeitweilig als Amtsraum zur Auslegung der Eintragungslisten und der Prüfung der Eintragungsberechtigung zu widmen sowie Bürger zeitweilig ins Ehrenamt zur Erfüllung dieser Aufgaben zu berufen, ist natürlich wünschenswert. Die PDS-Fraktion sollte sich, bevor sie irgendwelche Rechtsanträge stellt, aber zumindest die Mühe machen, ins Gesetz zu schauen. In § 3 Abs. 1 Satz 1 des Volksabstimmungsgesetzes - das hat die PDS-Fraktion noch richtig abgelesen

(Vietze [PDS]: Wir haben das Gesetz eingebracht!)

heißt es, dass Ämter und amtsfreie Gemeinden zur Mitwirkung bei der Vorbereitung und Durchführung von Volksbegehren und Volksentscheiden verpflichtet sind und Amtsdirektoren und Bürgermeister von amtsfreien Gemeinden Abstimmungsbehörden sind. Überlesen hat die PDS-Fraktion aber offensichtlich Satz 2 in § 3 Abs. 1, wonach der Landesabstimmungsleiter den Ämtern und amtsfreien Gemeinden im Rahmen der Erfüllung dieser Aufgaben Weisungen erteilen kann. Es handelt sich hiermit um eine Ermessensvorschrift, die einzelfallbezogen durch den Landesabstimmungsleiter entschieden werden kann und muss. Mit diesem Verwaltungsermessen indes korrespondiert natürlich auch die Pflicht der Verwaltung, ihr Ermessen im Rahmen des Volksabstimmungsgesetzes unter teleologischer Auslegung im Sinne einer Förderung der aktiven Teilnahme des Bürgers an der Volksgesetzgebung pflichtgemäß auszuüben.

Aus rein juristischer Sicht ist mithin der Antrag der PDS-Fraktion völlig überflüssig. Schon die Formulierung, die Landesregierung sollte irgendwelche Hinweise geben, ist völlig unprofessionell; denn Verwaltungsermessen werden, wenn überhaupt, entweder durch Verwaltungsvorschriften oder durch Einzelfallentscheidung konkretisiert und inhaltlich gefüllt.

Die PDS-Fraktion äußert sich mit diesem Antrag wieder einmal in höchst populistischer Form. Dazu darf ein Parlament, meine Damen und Herren, nicht missbraucht werden. Dafür sind die linken Hinterhofstammtische zuständig.

Meine Damen und Herren, da der vorliegende Antrag weder schädlich ist noch Nutzen bringt, werden wir uns der Stimme enthalten. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke dem Abgeordneten Schuldt und gebe der Fraktion der CDU das Wort. Herr Abgeordneter Homeyer, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Kollege Wolfgang Klein hat in seinen Ausführungen bereits richtungweisend gesagt, worum es bei diesem Antrag geht.

(Klein [SPD]: Dem stimme ich zu!)

Insofern kann ich mich verhältnismäßig kurz fassen.

Die Begründung des vorliegenden Antrages der PDS-Fraktion zeigt, dass ihr das Volksabstimmungsgesetz durchaus bekannt ist. Hätte sie es noch einmal gelesen, müssten wir uns heute nicht mit diesem Antrag befassen, denn § 3 Abs. 1 Satz 2 des Volksabstimmungsgesetzes legt fest:

„Der Landesabstimmungsleiter kann den Ämtern, amtsfreien Gemeinden, kreisfreien Städten und Landkreisen Weisungen erteilen.“

Meine Damen und Herren, wenn Sie mit der gegenwärtigen Praxis der Durchführung bei den Abstimmungsbehörden unzufrieden sind, so wäre die vom Gesetzgeber vorgesehene richtige Adresse der Landesabstimmungsleiter, also der Landeswahlleiter. Sollten Sie hingegen mit dieser Zuständigkeitsregel oder mit der Person unzufrieden sein, so hätte es hierzu beispielsweise einer Gesetzesnovelle bedurft.

Angesichts der unabhängigen Stellung des Landesabstimmungsleiters sind weder der Landtag noch, wie Sie es begehren, die Landesregierung befugt, sich in dessen originäre Zuständigkeit einzumischen. Nach meinen persönlichen Erfahrungen und meinem Kenntnisstand sind jedoch sowohl der Landesabstimmungsleiter als auch die kommunalen Abstimmungsbehörden bemüht, im Rahmen ihrer Möglichkeiten Sondereintragungszeiten vorzusehen und Sondereintragungsräume bereitzustellen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?

Ja, gern.

Bitte schön, Herr Abgeordneter Sarrach.

Kollege Homeyer, ist Ihnen bekannt, dass es eine Verordnung über das Verfahren zur Durchführung der Volksbegehren gibt, in der in mehreren Paragraphen die Begriffe „Amtsraum“ und „aufsichtsführende Person“ definiert werden?

Ja, mir ist bekannt, dass es das gibt, Herr Kollege Sarrach. Ich bin trotzdem der Meinung, dass Ihr Antrag nicht dazu geeignet ist, einen Regelungsbedarf der Landesregierung zu erzeugen. Wir sind der Überzeugung, dass das, was geregelt ist, und die originären Aufgaben des Abstimmungsleiters bzw. Landeswahlleiters nicht beeinflusst werden sollten. Wir glauben auch, dass der Landeswahlleiter seine Aufgaben bisher gut geregelt hat. Sicherlich finden sich immer wieder Bürger, Herr Sarrach, denen auch diese Zeiten als nicht ausreichend erscheinen; das mag sein.

Doch lassen Sie mich darauf hinweisen, dass die Eintragungsfrist vier Monate beträgt. Sie können doch nicht ernsthaft behaupten, dass es jemanden, der sich am Volksbegehren beteiligen möchte, gibt, dem es nicht möglich ist, innerhalb eines Zeitraumes von vier Monaten sein Votum abzugeben, zumal für die von Ihnen auch angesprochene Gruppe der Mobilitätsbeeinträchtigten die Möglichkeit besteht, einer Person ihres Vertrauens entsprechende Vollmacht zu erteilen.

Mein Damen und Herren, dieser Antrag ist aus den eben genannten Gründen nicht nur vom Inhalt her überflüssig, sondern, wie aufgezeigt, auch an den falschen Adressaten gerichtet. Herr Kollege Sarrach - das muss ich Ihnen attestieren -, da müssen Sie noch etwas üben. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke dem Abgeordneten Homeyer und gebe das Wort an die Landesregierung. Bitte, Herr Minister Schönbohm.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vorbereitung und Durchführung von Volksbegehren obliegt auf der Landesebene ausschließlich dem Landesabstimmungsleiter, der zugleich der Landeswahlleiter ist. Der Landesgesetzgeber hat daher dem Landesabstimmungsleiter und nicht dem Innenministerium, wie häufig angenommen wird, das Recht eingeräumt, den kommunalen Abstimmungsbehörden Weisungen zu erteilen.

Der Antrag der Fraktion der PDS richtet sich daher an den falschen Adressaten. Richtiger Adressat wäre der Landesabstimmungsleiter, der ein von der Exekutive unabhängiges Abstimmungsorgan ist.

Ich möchte des Weiteren darauf hinweisen, dass der Landesabstimmungsleiter im Rahmen seines Rundschreibens zum

Volksbegehren den kommunalen Abstimmungsbehörden erneut empfohlen hat, bei entsprechendem Bedarf - und soweit möglich - zusätzliche Eintragungsstellen bereitzustellen.

Darüber hinaus hat er die Abstimmungsbehörde gebeten, den Bürgerinnen und Bürgern über die gesetzlichen Mindestzeiten hinaus zu weiteren Tageszeiten die Möglichkeit zu eröffnen, ihr Eintragungsrecht auszuüben. Somit ist dem Anliegen der Antragstellerin bereits Rechnung getragen worden.

Bezüglich der mobilitätsbeeinträchtigten Eintragungsberechtigten sei gesondert darauf hingewiesen, dass sie das Recht haben, eine Person ihres Vertrauens mit der Ausübung ihres Eintragungsrechts zu bevollmächtigen.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, danke, Herr Präsident. Ich meine, der Sachverhalt ist einfach und klar.

Im Übrigen hat die bisherige Praxis gezeigt, dass die kommunalen Abstimmungsbehörden im Regelfall bei entsprechendem Bedürfnis und soweit möglich zusätzliche Eintragungsräume und Eintragungszeiten geschaffen haben. Die bestehenden Regelungen haben den Vorzug, dass sie den kommunalen Abstimmungsbehörden bei der Festlegung der Eintragungsstellen und Eintragungszeiten einen Entscheidungsspielraum lassen. Sie können also die Eintragungsstellen und Eintragungszeiten unter Beachtung der gesetzlichen Mindeststandards entsprechend dem tatsächlichen Bedarf, den örtlichen Verhältnissen sowie dem personellen, finanziellen und technischen Leistungsvermögen weitgehend von der Lage abhängig situativ festlegen.

Ergänzend möchte ich feststellen, dass nach den bisherigen Erfahrungswerten keinesfalls davon ausgegangen werden kann, dass zusätzliche Eintragungsmöglichkeiten auch genutzt wurden. Es wird niemand ernsthaft bestreiten können, dass die eintragungsberechtigten Bürgerinnen und Bürger während der viermonatigen Eintragungszeit hinreichend Gelegenheit haben werden, von ihrem Eintragungsrecht Gebrauch zu machen. Daher ist der Antrag überflüssig. Wir sind der Auffassung: Diesen Antrag sollte der Landtag nicht annehmen, sondern ablehnen.