Protocol of the Session on September 24, 2003

Herr Minister, einen Moment bitte! - Wir haben heute besondere Gäste unter uns, die den Kontakt zum Parlament suchen: Es

sind Wirtschaftsjunioren, die sich heute früh bereits ein wenig haben unterrichten lassen, wie vielfältig und wie manchmal schwer erkennbar parlamentarische Arbeit stattfindet. Ich freue mich, dass Sie bei uns sind, weil nur auf diese Weise klare Bilder von politischer Arbeit im Parlament entstehen können. Herzlichen Dank, dass Sie da sind!

(Allgemeiner Beifall)

Herr Minister Reiche, Sie haben erneut das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Frau Hartfelder, ich bin ein bisschen enttäuscht über diese öffentliche und ungerechtfertigte Kritik. Zudem wissen Sie als langjährige Abgeordnete, denke ich, besser als viele andere, dass für die Jugendämter der Landrat zuständig ist.

Gemäß § 72 Sozialgesetzbuch VIII gilt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Träger der öffentlichen Jugendhilfe das Fachkräftegebot, das heißt die Verpflichtung, hauptberuflich nur Personen zu beschäftigen, die sich für die jeweilige Aufgabe nach ihrer Persönlichkeit eignen und eine entsprechende Ausbildung erhalten haben oder aufgrund besonderer Erfahrungen in der Sozialarbeit in der Lage sind, die Aufgabe zu erfüllen.

Die Zuständigkeit für die Einhaltung des Fachkräftegebots bezüglich der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der örtlichen Träger der Jugendhilfe liegt in den Jugendämtern. Zuständig sind also übergeordnet die Landräte und die Oberbürgermeister. Insofern sollten Sie, Frau Abgeordnete, mir gegenüber an diese öffentliche, fast ein bisschen diffamierende Fragestellung dann auch „Butter bei die Fische“ tun, konkret: Mann und Maus nennen; dann bin ich gern bereit, die Landräte darauf anzusprechen.

(Zuruf von der SPD: Das kann doch wohl nicht wahr sein!)

Für Eingriffe des MBJS als oberste Landesjugendbehörde in die Personalhoheit der Kommunen gibt es keine rechtliche Grundlage.

(Unruhe im Saal)

Der Einschätzung, dass die Qualifikation der Mitarbeiter der Jugendämter nicht den Erfordernissen entspricht, stimme ich in dieser Form ausdrücklich nicht zu. Übrigens wehren wir uns als Abgeordnete doch ständig dagegen, dass wegen einiger, die möglicherweise ihre Arbeit nicht so gut tun, die Gesamtheit in Misskredit gebracht wird; ich habe bei dieser Frage ein wenig die Sorge, dass das geschehen könnte.

Die letzte zu den Beschäftigten in der Jugendhilfe vorliegende Bundesstatistik mit Stichtag 31.12.1998 weist für das Land Brandenburg 910 Beschäftigte in den Jugendämtern aus, von denen zum damaligen Zeitpunkt 417 über eine einschlägige sozialpädagogische und 276 über eine einschlägige Verwaltungsausbildung verfügten. Hinzu kamen 60 Beschäftigte mit Befähigung zum Lehramt und 30 Beschäftigte mit sonstigem Hochschulabschluss.

Wir können angesichts dieser Zahlen gewiss davon ausgehen, dass schon 1998 - also vor mehr als fünf Jahren - über 80 % der

Beschäftigten in den Jugendämtern über die erforderliche Grundqualifikation verfügten, und ich bin sicher, dass sich gerade wegen der Wertschätzung, die auch die Landräte und Oberbürgermeister dieser Aufgabe widmen, der Qualifikationsstand seitdem erheblich verbessert hat.

Das MBJS hat die Möglichkeit, durch Fortbildungsangebote, durch Beratung und durch Modellprojekte auf die Qualifizierung der Fachkräfte in den Jugendämtern einzuwirken. Ich habe im Ausschuss häufiger darüber berichtet, wie wir das auch mithilfe des Sozialpädagogischen Fortbildungswerkes und anderen tun. Erst in dieser Woche fand dazu eine große Veranstaltung statt - zu der viele Fraktionen ihr Kommen zugesagt hatten, allerdings haben leider nicht alle diese Zusage auch eingehalten -, auf der wir über den Bildungsauftrag von Kindertagesstätten sehr ausführlich gesprochen haben.

Wir unterstützen die Jugendämter in ihrer Ausbildung, in ihrer Aufgabenwahrnehmung angesichts nach der Wende umfangreicher und häufiger Personalwechselsituationen neben einem kontinuierlichen Angebot von Tagungen und Seminaren zur Erreichung einer sozialpädagogischen Grundqualifikation für alle Mitarbeiter auch durch die langfristigen Fortbildungsangebote.

Des Weiteren hat sich das MBJS im Rahmen von Modellprojekten bemüht, kontinuierlich fachlich-inhaltliche Impulse zu geben, die gleichzeitig Praxisberatung und Elemente von Organisationsberatung zum Gegenstand haben. Das waren zum Beispiel für den Bereich des allgemeinen sozialen Dienstes die jeweils mehrjährigen Projekte „Hilfe, Planung als Prozessgestaltung“, „Nichterreichbare Jugendliche“ und das Projekt, das noch läuft, nämlich „Qualitätsentwicklung im Allgemeinen Sozialen Dienst“.

Ich verweise auch auf den 3. Kinder- und Jugendbericht, der ebenfalls Aussagen zum Qualifikationsstand der Fachkräfte in den verschiedenen Aufgabengebieten der Jugendämter enthält.

Insofern, Frau Kollegin Hartfelder, gehe ich davon aus, dass sich diese Ihre Vorwürfe sehr bald und einfach klären lassen. Ich bin da sehr bereit und auch interessiert an einer engen und guten Kooperation. - Vielen Dank.

Herr Minister, es gibt noch Klärungsbedarf. Wir beginnen mit der Fragestellerin. Frau Hartfelder, bitte.

Herr Minister Reiche, können Sie sich vorstellen, dass ich nicht aufgrund einer einzelnen Geschichte hier eine Anfrage stelle? Meine fachliche Frage: Wie erklären Sie sich vor dem Hintergrund Ihrer Darstellung, dass querbeet Jugendrichter, Familienrichter, freie Träger in der Jugendhilfe, Lehrer, aber auch Schulleiter gerade in der Vernetzung der Jugendarbeit Mängel sehen und dass hier auch immer wieder Probleme beschrieben werden?

Frau Kollegin Hartfelder, ich gehe davon aus, dass das nicht nur einen Fall betraf, sondern mehrere. Aber wenn Ihnen wirk

lich an der Aufklärung gelegen wäre, dann hätten Sie mich ja im Ausschuss schon längst einmal darauf ansprechen können. Dann hätten wir das ganz konkret in Bezug auf die Vorwürfe klären können und nicht in dieser allgemeinen Form, wo eine große Gruppe von fast 1 000 Menschen im Land, die sich täglich bemüht, in Misskredit gebracht wird. Sie wissen, wie schnell so etwas geschehen kann. Darum geht es mir. Die Mitarbeiter, die sich an den vielen Stellen in unseren Kreisen und kreisfreien Städten bemühen, haben das nicht verdient.

Was die Jugendrichter angeht: Ich bin immer zum Dialog bereit. Wenn ich Ihnen aber ein Beispiel nennen darf, das mich immer empört: Seit Jahren werden mir die hohen Kita-Baustandards vorgeworfen. Jetzt hat der beste Kindergarten im Land, nämlich die christliche Kita in Woltersdorf, mir ein solches Beispiel genannt. Sie wollten einen Waldkindergarten einrichten und haben nicht das Geld für den Bauwagen. Was haben sie gemacht? Sie haben ein Zelt aufgestellt. Der Landrat des zuständigen Kreises bzw. seine Bauverwaltung hat gesagt, sie müssten für dieses Zelt eine Baugenehmigung beantragen. Das hat ein halbes Jahr gedauert. Dann hat der Landrat...

Herr Minister, ich glaube, wir sind ein wenig weg vom Standard.

Gut, ich wollte an dieser Sache, Herr Präsident, nur deutlich machen: Da wird immer etwas unterstellt; wenn man dann genauer hinschaut, lässt es sich in der Regel nicht halten.

Herr Dombrowski, bitte.

Herr Minister, Sie haben ausgeführt, dass die Landräte die Personalverantwortung haben, die nach dem Fachkräftegebot wahrzunehmen ist. Sie haben völlig Recht. Fakt ist aber auch - damit komme ich zu meiner Frage -, in der Realität ist es oftmals anders gelaufen. Zumindest in einem Fall musste sich Ihre Vorgängerin Angelika Peter damit auseinander setzen, dass ein junger Bauingenieur Jugendamtsleiter wurde; das Ergebnis war eigentlich vorprogrammiert.

Deshalb meine Frage: Halten Sie es nach der jetzigen Situation für geboten, dass nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz die Jugendamtsaufgaben eine kommunale Selbstverwaltungsaufgabe sind? Halten Sie es für verantwortbar, dass auf Fachaufsicht verzichtet werden muss und dass in bestimmten Fällen ein Eingriff durch oberste Behörden nicht möglich ist?

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Das halte ich für möglich und notwendig. Aber die Rechts- und Fachaufsicht, das wissen Sie als ehemaliger kommunaler Bediensteter vermutlich besser als ich, liegt zuerst einmal beim Landrat. Dort muss sie wahrgenommen werden. Wenn es Anlass zur Kritik gibt, muss also zuerst einmal ganz konkret der

Landrat informiert werden. Darum ging es mir. Wenn es dann allgemein Beschwerden gibt, dann sollten wir im Ausschuss darüber reden, wie wir durch eine Verstärkung der Qualifizierungsangebote etwas ändern können. Sie wissen vielleicht, Herr Abgeordneter, dass ich mich gerade gemeinsam mit Berlin bemühe, die beiden Sozialpädagogischen Fortbildungswerke zusammenzutun, um durch effizientes Zusammenarbeiten und durch kluges Sparen mehr Mittel freizubekommen, um die Qualifizierung unserer Jugendamtsmitarbeiter zu gewährleisten. Im konkreten Fall war der Hintergrund übrigens nicht mangelnde Qualifikation, sondern einfach falsche Entscheidung. Wir können gern darüber reden.

Herr Hammer, bitte.

Herr Minister, bei den Jugendämtern kulminieren die Einsparungen, die die Kommunen vorzunehmen haben, und auch die Landeseinsparungen. Können Sie sich vorstellen, dass solche Dinge wie die Kürzung des Landesjugendplans sowohl die Motivation als auch das Qualifikationsniveau nachhaltig beeinflussen?

Die Gefahr besteht zumindest. Die Koalition hatte bei ihrer Bildung ja nicht ohne Grund gesagt, dass sie den Landesjugendplan nicht angreifen will. Dass sie ihr selbst gestecktes Ziel jetzt verlässt, hängt mit der dramatischen Situation im Haushalt zusammen. Wir bemühen uns gerade jetzt in den parlamentarischen Beratungen, noch einmal sehr genau zu prüfen, ob wir nicht auch Möglichkeiten haben, die Kommunen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Jugendhilfebereich weiter so zu unterstützen, dass die positive Entwicklung, die wir gerade auch im Kampf gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit und für Weltoffenheit haben, dabei nicht konterkariert wird.

Frau Faderl, bitte.

Herr Minister, können Sie mir zustimmen, dass das Landesjugendamt als Teil der obersten Landesbehörde sehr engagiert und mit großem Zeitaufwand die Fort- und Weiterbildung und Beratung mit den Mitarbeitern der Jugendämter führt? Wenn das so ist, müssten dann nicht die Landesregierung und wir als Parlament dafür sorgen, dass das Landesjugendamt mit Stellen ausreichend besetzt ist, extern ausschreiben und auch einstellen kann?

Ich kann Ihnen das bestätigen. Im Gegensatz zu manch anderem habe ich Sie auch schon mehrfach dort vor Ort erlebt. Sie haben sich also vor Ort in Bernau kundig gemacht, wie die Qualifizierung der Jugendamtsmitarbeiter im Land durch das Landesjugendamt geschieht. Wir haben im Landesjugendamt, denke ich, zurzeit auch ausreichend Personal. Wenn die Lan

desregierung, Frau Faderl, bestimmte Stellen nicht qualitativ gut besetzen kann, dann gibt es eine Verabredung innerhalb der Landesregierung, dass wir dann auch über die Landesregierung und die eingestellten Mitarbeiter hinaus suchen können. Diese Verabredung ist im Kabinett getroffen und sie gilt.

Danke sehr. - Wir sind bei der Frage 1747 (Krisengespräch zur Chipfabrik mit Vertretern aus Dubai), gestellt vom Abgeordneten Christoffers, der nun Gelegenheit hat, seine Frage zu formulieren.

Nach aktuellen Medienberichten gab es in der letzten Zeit eine Reihe von Gesprächen im Zusammenhang mit dem Projekt Chipfabrik Frankfurt (Oder), darunter auch ein Gespräch mit Vertretern des Emirats Dubai und Vertretern des Wirtschaftsministeriums des Landes Brandenburg.

Ich frage die Landesregierung: Welche Ergebnisse haben diese Gespräche gebracht?

Herr Wirtschaftsminister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Christoffers, vielen Dank für Ihr Interesse. In der Tat, der Vertreter des Emirats Dubai hat bei seinem Besuch in der vergangenen Woche in Berlin naturgemäß, soweit uns das zur Kenntnis gegeben ist, über das Projekt Chipfabrik in Frankfurt (Oder) gesprochen. Die Gespräche sind vertraulich gewesen. Das werden Sie verstehen. Insofern sehe ich mich nicht in der Lage, hier aus diesen Gesprächen Einzelheiten wiederzugeben.

Allerdings füge ich hinzu, dass der durch die Medien verbreitete Eindruck, von Vertretern des Emirats Dubai seien Drohungen ausgesprochen worden, von mir so nicht geteilt wird. Selbstverständlich hat das Emirat Dubai angesichts seines finanziellen Engagements, übrigens wie alle beteiligten Investoren, ein großes Interesse am Erfolg des Projekts. Das hat der Vertreter des Emirats Dubai natürlich nachdrücklich zum Ausdruck gebracht.

Das Wort geht noch einmal an den Fragesteller. Bitte, Herr Christoffers.

Herr Minister, ich habe noch einige Nachfragen. Herr Zarouni hat also nicht damit gedroht, wie es den Presseberichten zu entnehmen war, dass das Engagement des Emirats Dubai zurückgefahren wird?

Meine zweite Frage: Herr Minister, können Sie bestätigen, dass die Zeitleiste zum Zusammentreffen des Bürgschaftsausschusses nach wie vor bis Ende September terminiert ist?

Es ist nicht meine Wahrnehmung gewesen, dass Herr Zarouni in diesem Gespräch solche Drohungen ausgesprochen hat.

Zur zweiten Frage: Es ist richtig, dass es unter den Beteiligten des Bürgschaftsausschusses für Ende September Verabredungen für nächste Schritte im Verfahren gibt.

Frau Dr. Schröder, bitte.