Protocol of the Session on August 28, 2003

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Kaiser-Nicht, Ihre mündliche Anfrage ist, wie Sie selbst gesagt haben, gleich lautend mit der Kritik des Landesbeauftragten für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht in seinem Tätigkeitsbericht 2002.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Was ja nicht schlimm ist!)

Wir haben mit unserer Stellungnahme, die Ihnen vorliegt, auf diesen Bericht des LDA ausführlich geantwortet und auf die Gründe im Einzelnen hingewiesen. Insoweit verweise ich darauf.

Die Einführung der Bearbeitungsfrist würde dem politischen Ziel der Reduzierung von Normen und Standards zuwiderlaufen und wir wollen diese Normen und Standards doch reduzieren. Hinzu kommt, dass es nach der Einführung des Gesetzes in den ersten beiden Jahren Beschwerden über zu lange Bearbeitungszeiten gab. Aktuell gibt es darauf keine Hinweise.

Wir müssen auch davon ausgehen, dass die Einführung der Bearbeitungsfrist, für die es nach unserer Auffassung im Übrigen keine praktische Regelungsnotwendigkeit gibt, für die Kommunen eine zusätzliche Belastung bedeutete.

Wenn Sie aus dem Bericht ableiteten, wir wollten das Recht auf Akteneinsicht aushöhlen, dann ist das falsch. Das können Sie aus dem Bericht nicht ableiten.

Deshalb haben wir die Bearbeitungsfrist bei der Änderung des Akteneinsichtsgesetzes und bei dem Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Entlastung der Kommunen von pflichtigen Aufgaben nicht eingearbeitet. Das ist dem Landtag zugeleitet worden. Es besteht die Möglichkeit, das Anliegen der Einführung einer Bearbeitungsfrist mit ihren Vor- und Nachteilen im Ausschuss unter Anhörung von Experten abzuwägen und dann zu einer gemeinsamen Beurteilung zu kommen. Ich freue mich, wenn wir im Rahmen dieser Diskussion erörtern können, welche Lösung für die Kommunen und welche für die Bürger die richtige ist.

Es gibt noch Klärungsbedarf. Bitte sehr.

Herr Minister, Sie sprechen jetzt von zusätzlichen Kosten, die den Kommunen durch die Anwendung des Akteneinsichtsgesetzes entstehen. Auf der Grundlage welcher Analyse - ich kenne keine, deswegen frage ich - können Sie zu dieser Aussage kommen, dass das Akteneinsichtsgesetz, das für die Bürgerinnen und Bürger Transparenz schaffen soll, das Mitbestimmung und Mitwirkung ermöglichen soll, überzogene Kosten für die Kommunen verursacht?

Meine zweite Frage: Es ist geplant, mit dem nächsten kommunalen Entlastungsgesetz das Akteneinsichtsgesetz noch einmal zu ändern. Vielleicht können Sie hier noch etwas zu Ihren Intentionen sagen.

Ich stelle die Nachfragen deshalb, weil mir Ihre Darstellung zu der Debatte - auch im Ausschuss - und zu Ihrer Antwort auf den Bericht des Datenschutzbeauftragten so nicht in Erinnerung ist. Meiner Meinung nach haben Sie in der Stellungnahme lediglich darauf verwiesen, dass Sie den Gesetzgebungsauftrag an die Koalitionsfraktionen zurückgeben, und haben keine Gründe genannt, warum Sie dem Auftrag des Parlaments nicht folgen.

Sie werden später noch eine Anfrage über die Finanzsituation in Strausberg stellen. Ich schlage vor, dass Sie sich einmal mit dem Bürgermeister und Dezernenten der Stadt Strausberg zusammensetzen und fragen, was es in allen Bereichen bedeuten würde, bestimmte Aufgaben in vorgegebenen Fristen zu erledi

gen. Dann müssten die Damen und Herren, die dort arbeiten - ich gehe davon aus, dass die Stellenausstattung dort nicht über der Norm liegt -, die Normarbeit weglegen und die anderen Aufgaben vorziehen, um die Frist einzuhalten. Wenn das gesetzlich normiert wird und das einen absoluten Vorrang hat, dann haben andere Dinge einen Nachrang. Daraus können Sie erkennen: Wenn der Gesetzgeber diese Vorgabe macht, müssen für eine nicht vorhersehbare Zahl von möglichen Fällen Arbeitskräfte vorgehalten werden, damit sie diese Vorgabe einhalten können, und andere Aufgaben müssen nachrangig erledigt werden.

(Zuruf der Abgeordneten Kaiser-Nicht [PDS])

- Dazu, Frau Kaiser-Nicht, gibt es auch eine Diskussion mit dem Städte- und Gemeindetag, der sich mit dieser Frage auseinander setzt. Darum können wir das doch wirklich sine ira et studio, also ganz entspannt, im Ausschuss erörtern. Dort hören wir die Fachleute an und dann kommen wir zu einem gemeinsamen Ergebnis. Wenn wir zu keinem gemeinsamen Ergebnis kommen, werden wir feststellen, warum wir uns in diesen Bereichen unterscheiden, und dann muss politisch entschieden werden. In der Tat muss das der Landtag mit Mehrheit entscheiden. Im Ausschuss kann man das, meine ich, im Einzelnen sehr ausführlich besprechen.

Danke sehr. - Die Frage 1727 (Klare und transparente Berech- nung der Haushaltsmittel für Auslandsplattformen) wird von der Abgeordneten Dr. Schröder gestellt. Bitte sehr.

Nach einem aktuellen Urteil des Europäischen Gerichtshofes müssen Haushaltszuschüsse für öffentliche Aufgaben, die außerhalb von kommunalen Behörden oder Landesbehörden von Dritten erbracht werden, klar definiert und strikt von privatwirtschaftlichen Aktivitäten getrennt werden. Nach den vom Europäischen Gerichtshof formulierten Grundsätzen müssen daher nunmehr auch die Zuschüsse für Auslandsplattformen sauber und transparent berechnet werden, was gegenwärtig nicht der Fall ist.

Ich frage die Landesregierung: Wie werden die genannten EUKriterien vonseiten der Landesregierung im Hinblick auf die Tätigkeit und Finanzierung der Auslandsplattformen des Landes Brandenburg angewendet?

Herr Minister Junghanns, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Abgeordnete Schröder, der Europäische Gerichtshof hat sich in mehreren Entscheidungen mit der Frage befasst, wann eine finanzielle staatliche Maßnahme keine Beihilfe ist. Er hat unter anderem auch zu der Frage Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen eine staatliche Leistung keine Beihilfe ist, wenn der Empfänger der Leistung im Gegenzug eine öffentliche Aufgabe erfüllt. Ich gehe davon aus, dass das insbesondere auch Gegenstand der Anfrage ist. Die vom EuGH

auf der Grundlage des EG-Vertrages und seinen Entscheidungen für eine Beihilfe vorausgesetzten Merkmale lassen sich jedoch nicht auf die Auslandsplattformen anwenden. In seinen Entscheidungen hat sich der EuGH gerade mit Leistungen an unabhängige Wirtschaftsunternehmen auseinander gesetzt.

Die Leiter der Auslandsplattformen sind freiberuflich auf Honorarbasis tätig. Sie repräsentierten mit ihrer Arbeit das Land Brandenburg und das Ministerium für Wirtschaft im Ausland. Die Leiter der Auslandsplattformen haben eine besondere Vertrauensstellung inne, die über definierbare Anforderungen an die Befähigung und Qualifikation hinausgehen, und wegen der Natur der von ihnen erbrachten Dienste müssen sie dem Land zugerechnet werden. Ihre Besetzung, sehr geehrte Frau Abgeordnete, erfolgt deshalb im Rahmen der Personalpolitik der Landesregierung. Es entstehen umfassende Weisungsbefugnisse des Wirtschaftsministers und das Haushaltsrecht wird angewendet. Insofern meine ich, dass Ihre Kritik hier nicht greifen kann.

Schließlich möchte ich in diesem Zusammenhang noch einmal darauf verweisen, dass ich in der Beantwortung einer Kleinen Anfrage, die Sie gestellt haben, auf diesen Zusammenhang schon einmal hinweisen durfte. - Danke schön.

Es gibt noch Klärungsbedarf. Bitte sehr.

Herr Minister, Ihre Antworten sind mir immer zu unkonkret. Deswegen noch einmal die Frage: Können Sie zum Beispiel anhand der Auslandsplattform in Dubai konkret machen, wie hier die Haushaltszuschüsse für öffentliche Aufgaben klar von privatwirtschaftlichen Aktivitäten getrennt werden? Denn schließlich handeln, wie Sie selber sagen, die Personen dort als Freiberufler. Wie üben Sie denn hier konkret die Kontrolle über die Verwendung öffentlicher Gelder aus, die Sie dem Parlament nicht zugestehen, indem Sie immer wieder darauf verweisen, dass die betreffenden Vertragsgestaltungen geheim sind?

Frau Schröder, wir nehmen die Kontrolle über die Mittelverwendung über den Nachweis der Mittelverwendung wahr. Durch die Vertragsgestaltung mit den Auslandsplattformen, auch mit dieser, ist der Einsatz der Mittel abrechenbar und für uns kontrollierbar. Die Prüfungen, wie Sie sie anheim stellen, und eine eventuelle Verantwortungslosigkeit im Umgang damit finden deshalb nicht statt.

Das Modell, wie es bei der Schaffung der Auslandsplattformen gewählt worden ist, im Spannungsfeld von öffentlichen Aufträgen und freiberuflicher Tätigkeit, ist in den Vertragskonzepten gewichtet, so wie sie gestaltet sind. Ich gehe gern konkreten Hinweisen nach, aber ich verweigere mich pauschalen Unterstellungen, die letztlich das gewählte Modell infrage stellen. Dafür müsste man dann differenzierte Ansatzpunkte finden. Dazu kann ich - das werden Sie verstehen - erst Stellung nehmen, wenn wir uns zu solchen Themen einmal verständigen. Deshalb bitte ich zu entschuldigen, dass aus Ihrer Sicht der Eindruck entsteht, ich würde ungenau antworten. Das ist überhaupt nicht mein Anliegen. Aber der verantwortliche Umgang

mit diesen Vertragswerken gebietet mir ein solches Vorgehen. Danke schön.

Ich danke auch. - Wir sind damit am Ende der Fragestunde.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 1 und rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Aktuelle Stunde

Thema: Lösen die aktuellen Vorschläge der Bundesregierung und der Landesregierung für eine Reform der Gemeindefinanzierung die finanziellen Probleme der Brandenburger Kommunen?

Antrag der Fraktion der PDS

Zunächst erhält die beantragende Fraktion das Wort. Herr Domres, bitte.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute beschäftigt sich der Landtag auf Antrag der PDS im Rahmen einer Aktuellen Stunde zum zweiten Mal innerhalb eines halben Jahres mit den Gemeindefinanzen. Das geschieht vor dem Hintergrund, dass die Städte und Gemeinden, die Ämter und die Kreise immer weniger wissen, wie sie mit der katastrophalen Finanzsituation fertig werden sollen.

Groß waren die Erwartungen an eine Gemeindefinanzreform auf Bundesebene. Noch größer waren die Versprechen, die Rot-Grün mit der Gemeindefinanzreform verbunden hat. Erinnern möchte ich an den SPD-Parteitag am 01.06.2003, auf dem die Agenda 2010 und die damit verbundenen Veränderungen ja fast als revolutionäre Errungenschaften gefeiert wurden. Erinnern Sie sich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD? Die Einnahmen der Kommunen sollten durch die Modernisierung der Gewerbesteuer verstetigt und mit der Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe sollten Entlastungen geschaffen werden, so der Kanzler damals.

Von alledem sind wir weit entfernt. 10 Milliarden Euro beträgt die Finanzierungslücke aller Kommunen der Bundesrepublik allein im Jahr 2003. Die von der Bundesregierung angekündigten Entlastungen würden 2004 ca. 4,5 Milliarden Euro und 2005 ca. 5 Milliarden Euro betragen. Die Finanzierungslücke wird also selbst dann nicht geschlossen, wenn alle Entlastungen eintreten würden. Hinzu kommt, dass die avisierten Entlastungen in keiner Weise gesichert sind.

Angekündigt wurde eine Reform. Herausgekommen ist nicht einmal ein Reförmchen. Vernichtend ist die Kritik aller kommunalen Spitzenverbände. Statt einer Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung wird durch das Reformpaket eine Schwächung befürchtet. Selbst die brandenburgische Finanzministerin teilt mit, dass die Auswirkungen der Reformpolitik des Bundes noch nicht qualifizierbar sind.

Die rot-grüne Bundesregierung war schon 1998 mit dem Ver

sprechen angetreten, das Gemeindefinanzsystem auf den Prüfstand zu stellen und die Finanzkraft der Kommunen zu stärken. Nur auf Druck wurde am 23. Mai 2002 von der Bundesregierung eine Kommission für die Reform des Gemeindefinanzsystems unter Leitung von zwei Bundesministern eingesetzt. Jetzt muss man konstatieren: Außer Spesen nichts gewesen.

(Beifall bei der PDS)

Problematisch war schon der Kommissionsauftrag. Allein die Vorgabe des Bundesfinanzministers, keine Aufkommens- und Lastenverschiebungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen zuzulassen, war nicht dazu angetan, die Probleme der Kommunalfinanzen zu mildern, geschweige denn zu beseitigen. Das so genannte Konnexitätsprinzip sollte in der Kommission ebenfalls außen vor gelassen werden. Diese Prinzip sieht vor, dass mit der Übertragung von Aufgaben vom Bund bzw. Land an die Gemeinden auch die entsprechenden finanziellen Mittel bereitgestellt werden. Eine Gemeindefinanzreform ohne Umverteilung kann es nicht geben, meine Damen und Herren. Es kann doch nicht sein, dass den Kommunen ständig neue Aufgaben übertragen werden, dass sie aber dann mit deren Finanzierung allein gelassen werden. Ich erinnere zum Beispiel an die Einführung der Grundsicherung.

(Beifall bei der PDS)

Die PDS wollte das Konnexitätsprinzip im Grundgesetz verankern. Sie haben das abgelehnt. Offensichtlich ist: Machtinteressen des Landes werden über die Interessen der Menschen in den Kommunen gestellt.

Die jetzt von der Bundesregierung angestrebte Gemeindefinanzreform reduziert sich auf zwei Elemente. Das sind die Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe und die Modernisierung der Gewerbesteuer. Die geplante Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe geht ganz unverhohlen zulasten der Arbeitslosenhilfeempfängerinnen und Arbeitslosenhilfeempfänger. Diese Politik ist sozial nicht gerecht; denn es fehlt nicht am Arbeitswillen dieser Menschen, es fehlt vielmehr an Arbeitsplätzen.

Aber auch für die Kommunen ist die Zusammenlegung ein großes Problem und birgt Risiken in sich. Laut Gesetzentwurf sieht sich der Bund nicht in der Lage, die neue Leistung bis zum 01.07.2004 in der Gesamtheit zu erbringen. Die bis zum 31.12.2006 vorgesehenen Übergangsbestimmungen sind für die Kommunen problematisch. Nach jetzigen Erkenntnissen werden vom Bund nur zwei Drittel der Kosten erstattet. Das heißt also neue Belastungen für die Kommunen. Das ist nicht akzeptabel.

Ich fordere die Landesregierung auf, ihre Zustimmung im Bundesrat von einer vollen Kostenerstattung abhängig zu machen. Kurz gesagt: Wenn keine Kostenerstattung, dann auch keine Zustimmung im Bundesrat.

(Beifall bei der PDS)

Das zweite Element der Reform sollte eine Modernisierung der Gewerbesteuer sein. Die Bundesregierung will das Gewerbesteuermodell der kommunalen Spitzenverbände an einem Knackpunkt beschneiden, nämlich bei der Ausweitung der Bemessungsbasis auf Zins-, Miet- und Pachteinnahmen. Aber gerade von dieser Anrechnung gewinnunabhängiger Komponen

ten versprechen sich die Kommunen die dringend notwendige Verstetigung ihrer Einnahmen. Die PDS unterstützt das Gewerbesteuermodell der kommunalen Spitzenverbände. Mit Taschenspielertricks nach dem Motto: „Gewerbesteuer rauf - Anteile der Kommunen an der Einkommensteuer möglicherweise runter“ wird den Kommunen nicht geholfen. Überhaupt fehlt bei den jetzt bekannten Vorschlägen eine Komponente für strukturschwache Kommunen. Hier werden unter anderem ostdeutsche Kommunen wieder einmal benachteiligt.