Herr Minister, ich habe eine Nachfrage. Die Bundesregierung bzw. Bundesparteien haben erwogen - Frau Abgeordnete Hesselbarth hat bereits danach gefragt; Sie haben allerdings nicht darauf geantwortet, daher frage ich noch einmal -, dass Firmen, die keine Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen, mit einer Geldstrafe belegt werden sollen. Ist das nicht der falsche Weg? Sollte nicht vielmehr dafür geworben werden, auf freiwilliger Basis Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen?
Das habe ich gerade getan. In der Tat ist es so, dass wir - wie ich bereits vorhin gesagt habe - damit rechnen müssen, in diesem Jahr 1 000 bis 1 500 Jugendliche nicht unterbringen zu können. Wenn wir diese Zahlen haben, können wir doch nicht dahergehen und sagen, wir lassen alles wie gehabt. Dann können wir doch nicht so tun, als könnten wir über Jahre hinweg 1 000 bis 1 500 Jugendliche durch die Schulen bringen - durch die 10. bis 13. Klasse - und anschließend sagen: April, April, das war es jetzt.
Wenn die Situation so ist, wie sie ist, müssen wir öffentlich organisieren - mit öffentlichem Geld, aber auch mit privatem Geld, weil das öffentliche Geld dazu nicht reicht; über die Verantwortung der Wirtschaft habe ich bereits gesprochen -, dass danach noch eine Berufsausbildung kommt. Anders wird das nicht funktionieren. In vielen Berufen wird mit öffentlichen Mitteln ausgebildet. Das gilt für alle Heilberufe, zum Beispiel für den der pharmazeutisch-technischen Assistentin.
Es ist ganz klar, dass hier ein Weg gegangen werden muss. Ich sehe die Ausbildungsabgabe durchaus als eine Möglichkeit, hier zu helfen. In Brandenburg gibt es 70 000 Unternehmen. Von diesen 70 000 Unternehmen könnten 35 000 ausbilden. Aber gerade einmal ein Viertel aller Unternehmen bildet überhaupt aus. Vor diesem Hintergrund halte ich es für in Ordnung, wenn die anderen drei Viertel einen Obolus leisten, wenn wir die Ausbildung organisieren. Ich sehe nichts Schlimmes darin. Ich erinnere daran, dass die IHK geplant hatte, einen Fonds für
die Ausbildung aufzulegen, diesen Plan aber gerade in der vergangenen Woche mit der Begründung wieder aufgegeben hat, dass die Betriebe dann doch lieber eine Abgabe in Kauf nehmen.
Wenn es keine Freiwilligkeit in diesem Bereich gibt, wird also notfalls eine Ausbildungsabgabe zu erheben sein. Mit aller Deutlichkeit möchte ich jedoch sagen, dass das die Ultima Ratio ist. Es ist nicht die beste Lösung. Die beste Lösung ist nach wie vor die duale Ausbildung und nicht die Abgabe, weil wir damit nur Geld mit einem hohen bürokratischen Aufwand einsammeln würden. Wir würden damit nicht duale Ausbildung organisieren, die in den Betrieben stattfindet, sondern wir wären wiederum nur in der Lage, über die OSZ bzw. die Bildungsträger eine Ausbildung „zweiter Wahl“ anzubieten.
Herr Minister, da ich Ihre Meinung teile, dass betriebliche Ausbildung Vorrang haben muss, möchte ich zwei Nachfragen stellen.
Erstens: Können Sie die Information bestätigen, dass die geltene Förderrichtlinie öffentliche Förderung für betriebliche Ausbildung nur dann ermöglicht, wenn in dem betreffenden Betrieb erstmals, also völlig neu, ausgebildet wird?
Zweitens: Können Sie sich angesichts der von Ihnen geschilderten dramatischen Situation vorstellen, diese Bedingung dahin gehend zu ändern, dass inbesondere kleine Betriebe vor Ort, bei denen es sich oftmals um Familienbetriebe handelt, die ausbildungswillig sind und die auch die Möglichkeit haben, auszubilden, die aufgrund ihrer Kapitalschwäche dies aber nicht tun können, in diesem Jahr dennoch mit öffentlichen Mitteln gefördert werden können?
Zunächst einmal ist es so, dass wir nicht nur in den Fällen fördern, in denen ein Betrieb erstmals ausbildet, sondern dass wir dies auch dann tun, wenn junge Menschen, insbesondere Mädchen und junge Frauen, in neuen Berufen ausgebildet werden.
Außerdem gibt es für die Fälle, in denen sich kleine Betriebe nicht in der Lage sehen, selbst auszubilden, das umgeänderte Programm „Kapital für Arbeit“. Dieses Programm galt bisher nur für Neueinstellungen; jetzt gilt es auch für Berufsausbildung. Das wurde also geändert. Die 100 000 Euro können bei der KfW deshalb auch in den Fällen aufgenommen werden, in denen ein Auszubildender eingestellt wird.
Im Übrigen weise ich darauf hin, dass es nach wie vor das von uns mit 3,2 Millionen Euro geförderte Verbundmodell gibt. Danach kann man sich bei den Kammern melden und die Ausbildung läuft dann über die Weiterbildungsträger und die Betriebe. Das wird zwei Jahre lang mit öffentlichen Mitteln gefördert und im dritten Jahr muss der Betrieb den Auszubildenden übernehmen. Ich meine, das ist ein faires Modell.
Mit der langen Reihe der Nachfragen ist jetzt auch die Zeit für die Fragestunde abgelaufen. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 1.
Zwischendurch begrüße ich jetzt junge Gäste aus der Gesamtschule Beelitz. Herzlich willkommen im Landtag Brandenburg!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Vorfeld zu dieser Aktuellen Stunde bin ich wiederholt angesprochen worden mit der Frage, ob es hier und heute nicht andere Themen zu diskutieren gebe, die viel wichtiger seien. Gerade diese Fragestellung ist in meinen Augen bezeichnend und zeigt gleichzeitig die Notwendigkeit auf, gerade über dieses Thema hier zu sprechen.
Zurzeit geschieht etwas, was noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wäre: Die Teilung Europas wird endgültig überwunden. Fast der gesamte Kontinent wird von einem Band gemeinsamer Werte und gemeinsamen Rechts geeint. All dies geschieht im Grunde genommen unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Jedenfalls wird dieser Vorgang in seiner ganzen Dimension viel zu wenig wahrgenommen.
Das ist ein guter Grund, darüber zu reden. Das wird mit Sicherheit uns alle betreffen und unser aller Leben in gewisser Weise verändern.
Die Euroäische Union wird in Kürze um zehn Staaten erweitert. Brandenburg ist aufgrund der bisherigen EU-Schengen-Außengrenze davon unmittelbar betroffen.
In den vergangenen Wochen stimmte die Bevölkerung unserer unmittelbaren Nachbarn Polen und Tschechische Republik der Mitgliedschaft ihrer Länder in der EU zu. Damit ist eine der letzten Hürden für den Beitritt dieser Länder zur EU gefallen.
Mit dem Beitritt dürfen Arbeit, Waren, Dienstleistungen im gesamten Binnenmarkt ungehindert angeboten werden und zirkulieren. Daraus ergeben sich weit reichende Folgen für die Wirtschaft, und zwar sowohl für die der bisherigen als auch für die der künftigen Mitgliedsstaaten.
Nicht zuletzt wegen der schwierigen konjunkturellen Lage, die wir derzeit alle spüren, wurden Übergangsvorschriften vereinbart. Hiernach gelten die bisherigen nationalen Regelungen für einen bestimmten Zeitraum weiter, wenn ansonsten schwerwiegende wirtschaftliche Folgen zu befürchten sind. Diese Restriktionen dürfen mindestens zwei, höchstens jedoch sieben Jahre nach dem Beitritt der neuen Mitgliedsländer bestehen bleiben. Für Brandenburg bedeutet dies, dass die Freizügigkeit von polnischen Arbeitnehmern insbesondere im Baugewerbe höchstwahrscheinlich für eine gewisse Zeit eingeschränkt werden wird.
Meine Damen und Herren, das waren die kurzen Auführungen für die Pessimisten, also für diejenigen, die durch die Osterweiterung der Europäischen Union erhebliche Nachteile befürchten. Lassen Sie mich nun zu der Passage für die Optimisten kommen, zu denen ich auch mich zähle.
Europa wird größer. Brandenburg rückt von einer Randlage in die Mitte Europas und hat die Chance, zur zentralen Drehscheibe zu werden. Durch die Erweiterung wächst die Europäische Union um nahezu 100 Millionen Menschen zu einem Wirtschaftsraum mit insgesamt 500 Millionen Einwohnern. Dadurch entsteht der weltweit größte einheitliche Markt. Durch den Beitritt wird das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Deutschland um rund 0,5 % wachsen. Die Außengrenze der EU wird nach Osten verschoben. Die Übernahme der EU-Standards durch die neuen Mitgliedsstaaten erleichtert die Bekämpfung von illegaler Migration und organisierter Kriminalität. In einigen Jahren wird die Oder-Neiße-Grenze keine Quelle der Kriminalität mehr sein, und zwar einerseits dadurch, dass sie keine Außengrenze der EU mehr sein wird, aber auch deswegen, weil sich das Wohlstandsgefälle zwischen Deutschland und seinen östlichen Nachbarstaaten durch die Erhöhung des Lebensstandards in diesen Ländern entscheidend verringern wird. Durch die Erhöhung der Umweltstandards in den Beitrittsländern wird die grenzüberschreitende Luft- und Wasserverschmutzung erheblich reduziert werden. Gerade die Zuwanderung von Osteuropäern nach Westeuropa wird zu einer wesentlichen Quelle für Wohlfahrtssteigerungen und Produktivitätszuwächse in Europa werden. Dies ist nicht eine optimistische Annahme meinerseits, sondern entstammt einer Studie des seriösen Ifo-Instituts.
Für unser Land gibt es nunmehr großartige Chancen in allen Bereichen. Sowohl im kulturellen als auch im wissenschaftlichen und insbesondere im wirtschaftlichen Bereich gilt es, Ost und West zu verbinden. Wer könnte das besser als wir Brandenburger, die sozusagen an dem Scharnier nach Osteuropa hin sitzen? Hierfür benötigen wir leistungsfähige Verkehrsachsen, ja, wir müssen zu dem Verkehrsknoten und -zentrum Europas werden.
Mit dem nun prinzipiell feststehenden Beitritt der MOE-Staaten zur EU - Sie wissen, dass in einigen Ländern noch die Ratifikation fehlt - am 1. Mai 2004 ist die Frage an uns verbunden, ob wir die richtige Europapolitik betrieben haben und wo gegebenenfalls Korrekturen angebracht sind. Ich habe nicht die Zeit, hier die Ergebnisse einer tiefer gehenden Analyse im Ein
zelnen auszubreiten, aber eines wird unter uns allen sicherlich unstrittig sein: Die Europapolitik des Landes Brandenburg in den vergangenen Jahren war gut und richtig, und zwar bis zum heutigen Tage. Wie Sie wissen, gibt es aber nichts, was nicht noch verbesserungswürdig wäre. Wir von der Politik müssen uns in verstärktem Umfang um eine bessere verkehrliche Erschließung des grenznahen Raumes, um eine erweiterte grenzüberschreitende Verkehrsinfrastruktur, um aktive, lebendige Euroregionen, um eine stabile Förderung der Grenzregionen und um die intensive Erfüllung der mit den polnischen Woiwodschaften und mit anderen Regionen der östlichen Beitrittsländer abgeschlossenen Unterstützungsverträge kümmern.
Unsere kleinen und mittelständischen Unternehmen müssen „europatauglich“ gemacht werden. Wie Sie wissen, arbeiten die Kammern bereits intensiv daran. Jeder einzelne Bürger sollte sich mit dem Phänomen dieses geeinten Europas beschäftigen, um in Kenntnis der Fakten - nicht etwa in Kenntnis irgendwelcher dubiosen Annahmen - zu einem offensiven Befürworter der europäischen Einigung zu werden.
Man kann das alles auch anders formulieren: Es gibt keinen Grund zur Selbstzufriedenheit, sondern es gibt noch sehr viel zu tun.
Meine Damen und Herren, stellen Sie sich einmal vor, der Beitritt der zehn neuen Mitgliedsstaaten würde am 1. Mai 2004 erfolgen und es gäbe als Rechtsgrundlage nur die Römischen Verträge und die sich daraus ableitenden, uns allen bekannten Verfahrensregelungen. Ich glaube, dass die Erweiterung der EU auf dieser Grundlage nicht gelingen würde. Deswegen waren die Einsetzung des Konvents und die Erarbeitung des europäischen Verfassungsvertrages logisch, folgerichtig und, wie wir inzwischen wissen, erfolgreich. Es bleibt nur zu hoffen, dass der Rat den Verfassungsvertrag möglichst unverändert annimmt und dass dieser Verfassungsvertrag auch die Zustimmung aller nationalen Parlamente findet.
Im Grunde findet durch diesen Verfassungsvertrag nämlich eine Neugründung der Europäischen Union statt. Vieles von dem, was wir in der Vergangenheit oftmals als problematisch und hemmend dargestellt haben, ist jetzt neu geregelt. Ich will hier nur beispielhaft nennen: die besseren Möglichkeiten einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, der Innen- und Justizpolitik, der Formulierung einer klaren Kompetenzordnung, der Reorganisation der europäischen Institutionen bis hin zur Einführung der Mehrheitsentscheidungen.
Für uns als deutsches Bundesland sind besonders wichtig die Definition und die verfahrensmäßige Sicherung zum Subsidiaritätsprinzip, die Achtung der regionalen und kommunalen Selbstverwaltung - das war übrigens eine der wichtigsten Forderungen der CDU/CSU im Rahmen der Konventsarbeit -, die Klagerechte für die nationalen Parlamente, die Klagerechte für den Ausschuss der Regionen und sogar für einzelne Kammern der regionalen Parlamente; übersetzt in unsere Sprache: das Klagerecht für den Bundesrat. Ich möchte hier abbrechen; der Verfassungsvertrag wird uns in Zukunft noch öfter beschäftigen.
In dieser Aktuellen Stunde die EU-Erweiterung aus der Sicht Brandenburgs zu betrachten ist zwar legitime Aufgabe dieses
Parlaments, die aber eigentlich zu eingegrenzt ist. Dieser Erweiterungsprozess hat eine völlig andere Dimension. Er ist die Voraussetzung für Frieden und politische Stabilität in Europa und das möchte ich immer wieder unterstreichen. Sind so gesehen alle Schwierigkeiten, die mit der EU-Erweiterung verbunden sind, nicht vergleichsweise marginale Probleme? - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr verehrter Kollege Habermann, das Leben ändert sich mit der EU-Osterweiterung vor allen Dingen auch für die Menschen im Land Brandenburg. Das ist eine unumstößliche Tatsache und es ist sicherlich auch wichtig und richtig, dass wir uns hier gemeinsam in die Pflicht nehmen und sagen: Neben den großen Worten, dass wir aufgrund der EU-Außengrenze fast zum Mittelpunkt Europas werden bzw. in die Mitte Europas hineinwachsen, ist es genauso wichtig und richtig, kleine Taten zu vollbringen und viele Antworten auf immer wiederkehrende Fragen der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes zu geben.
Mit Blick auf die bevorstehende Erweiterung der EU würde sich meine Fraktion wünschen, dass die damit zusammenhängenden Fragen, egal, ob es die Infrastruktur oder die Bereitstellung von Wohnungen ist, ob es die deutsch-polnischen Schulprojekte sind, ob es die wirtschaftliche Zusammenarbeit oder der gemeinsame Katastrophenschutz ist, regelmäßig Gegenstand der Diskussion im Parlament und in seinen Ausschüssen und vor allen Dingen auch in der Kooperation mit den Partnerausschüssen in Berlin sind; denn im Zusammenhang mit den Regionen innerhalb eines geeinten Europas sind wir, BerlinBrandenburg und das Lebuser Land, natürlich eine Region.
Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal auf eine Initiative aus unseren Reihen verweisen. Der Initiative von drei Lausitzer Abgeordneten ist es zu verdanken, dass sich der Landtag seit mehr als einem Jahr immer wieder mit einem Thema beschäftigt, das auch Bürgerinnen und Bürger vor Ort, konkret: an der Grenze, beschäftigt. Ich spreche vom Stau an dem Grenzübergang Guben. Ich habe den Eindruck, dass nach langem, langem Zögern vielleicht nun endlich auch die Regierung verstanden hat, dass sich Parlamentarier nicht mit einfachen Antworten oder mit Antworten, die immer wieder Vertröstungen in sich bergen, zufrieden geben. Ich sähe es schon als einen sehr wichtigen Beitrag an, wenn uns das auch an anderen Stellen gelänge.