Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die so genannte Gemeindegebietsreform erinnert an die Zeiten der territorialen Aufteilung nach Kolonialherrenart im Nahen Osten - mit dem Lineal an der Landkarte.
Dem gilt es entgegenzutreten. Deswegen unterstützt die DVUFraktion diese Volksinitiative grundlegend. Es muss in den Fällen, in denen sich noch freiwillige, leitliniengerechte Entscheidungsalternativen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger ergeben können, der Vollzug der Zwangsgesetze ausgesetzt werden.
Das trifft insbesondere auf die Gebiete Oberhavel, Prignitz, Märkisch-Oderland und Spreewald zu. Andere Neugliederungsfälle sind hingegen entscheidungsreif, zum Beispiel die Gemeinden im Amt Spree-Neiße betreffend. Hier ist das Gesetz der Regierung schlichtweg abzulehnen. Es gibt keinen Grund für eine Aussetzung. Dasselbe gilt für Fahrland. Im Fall Emster-Havel und Groß Kreutz, woher ich komme, hat im Übrigen die DVU-Fraktion hier im Plenum schon die Aussetzung beantragt.
Es entsteht in vielen Fällen der zwangsweisen Zusammenschließung von Gemeinden der Eindruck, dass es dabei letztlich nur noch darum geht, dass Sie, Herr Minister Schönbohm, sich auf die Brust klopfen können mit den Worten: Seht, ich habe doch Recht, ich sitze am längeren Hebel. - Eine Reform zum Zwecke einer Stärkung des Egos des Innenministers tragen wir als DVU-Fraktion nicht mit.
Vorschläge der Bürgerinnen und Bürger kamen selbst dann nicht zum Zuge, wenn sie sich im Rahmen der Leitlinien der Landesregierung bewegten. In anderen Fällen konnten Alternativen für freiwillige Zusammenschlüsse offenbar vor Ort und unter den Gemeinden nicht diskutiert werden. Es fehlte den Gemeinden hierfür eine erkennbare Sinnhaftigkeit. Meine Damen und Herren, vor dem Ausschuss für Inneres erklärten Vertreter von Gemeinden mehrfach, Vertreter des Ministeriums des Innern hätten vor Gemeindevertretern, Bürgerinnen und Bürgern sinngemäß erklärt: Wir machen sowieso, was wir wollen.
Gemäß der Überzeugung der DVU-Fraktion ist diese Vorgehensweise weder mit der Demokratie noch mit dem Prinzip der Bürgerfreundlichkeit, dem Subsidiaritätsprinzip oder dem Verfassungsgrundsatz der kommunalen Selbstbestimmung zu vereinbaren. An dieser Stelle ziehen wir Ihnen klar die zweite Grenze, Herr Minister Schönbohm.
Bei alledem sei festzustellen, dass die DVU-Fraktion sich nicht - wie es die offenbar auf Wählerstimmen schielende PDS-Frak
tion tut - total verweigert. Effektivere Gemeindestrukturen, kürzere Entscheidungswege usw. usf. machen durchaus Sinn. Allerdings will meine Fraktion, dass die Reform im Zusammenwirken mit den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern erfolgt. Wir sind deshalb der Überzeugung, dass dem Bürgerwillen in den Gemeinden im Rahmen des Vernünftigen in jedem Fall Rechnung zu tragen ist. Wir als Volksvertreter sind der Ansicht, dass Fragen, welche die Rechtssphäre der Bürger unmittelbar betreffen, auch vom Bürger unmittelbar selbst entschieden werden müssen.
Schon im August letzten Jahres sagte mein Kollege Michael Claus in Bezug auf die Konzeption der Landesregierung Drucksache 3/4781 -, dass die DVU-Fraktion nicht generell gegen eine Gemeindegebietsreform ist. Alle unsere Änderungsanträge zu den Gesetzen der Landesregierung - Drucksache 3/4880 ff. - wie auch die Volksinitiative, nach § 76 unserer Verfassung legitimiert, wurden jedoch von Ihnen ignoriert.
Mittlerweile ist zudem eine Flut von Verfassungsbeschwerden der Gemeinden anhängig. Es geht heute also nur noch um Schadensbegrenzung.
Es hätte an sich auch von den Abgeordneten der Koalitionsfraktionen schon wegen der Fülle von Verfassungsbeschwerden bemerkt werden müssen, dass an ihrem Vorgehen etwas faul ist und dass die Demokratie in Brandenburg Schaden nehmen könnte.
Das ist für die DVU-Fraktion nicht hinnehmbar. Wir werden uns deshalb der Empfehlung des Hauptausschusses nicht anschließen. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Ich danke dem Abgeordneten Schuldt. - Ich gebe das Wort der Fraktion der CDU, Herrn Abgeordneten Petke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eingangs an den Kollegen Sarrach gerichtet: Sie müssen sich schon entscheiden, welche Rolle Sie hier geben wollen - die des fachkundigen Juristen oder die des Populisten.
Seien Sie einfach ehrlich beim Thema Gemeindegebietsreform! Entweder setzen Sie auf Populismus oder Sie setzen wirklich auf das, an dem wir uns orientieren: auf die fachliche Bewertung der vorliegenden Volksinitiative. Ich bin sehr froh darüber, dass hier noch ein Mitglied des Innenausschusses zu der von Ihnen geschilderten Wahrnehmung, die offensichtlich nur Ihre Wahrnehmung ist, Stellung nehmen kann. Dagegen kann ich nichts sagen. Aber ich habe eine andere Wahrnehmung hinsichtlich der Anhörung. Wir haben uns, wie wir das im Innenauschuss, dem Ausschuss, der für diese Dinge zuständig ist, wie Kollege Klein sagte, in bewährter Tradition immer getan haben,
über viele Stunden hinweg damit beschäftigt. Wir haben uns mit den Argumenten der Volksinitiative auseinander gesetzt. Von daher möchte ich ausdrücklich Ihre Unterstellungen bezüglich der Arbeit der Mehrheit des Innenausschusses zurückweisen.
Lieber Kollege Petke, können Sie mit mir darin übereinstimmen, dass es die CDU im Gegensatz zur PDS ist, die ihre Position zu einer Gemeindegebietsreform im Land Brandenburg vor der Landtagswahl 1999 und im Laufe dieser Wahlperiode grundsätzlich populistisch revidiert hat?
Nein! Ich kann mit Ihnen darin übereinstimmen, dass wir auseinander gehende Positionen bei der Gemeindegebietsreform haben.
- Frau Kollegin Osten, wer in welchen Reihen sich an bestimmte Sachen nicht mehr erinnern kann bzw. nicht erinnern will, auf diese Frage, meine ich, sollten wir nicht näher eingehen,
Lassen Sie mich zurück zum Thema kommen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Die Behauptung, dass wir in dem Verfahren im Landtag nichts an den sechs Entwürfen der Landesregierung geändert hätten, ist schlichtweg unzutreffend. Ich erinnere an Änderungen in den Landkreisen Potsdam-Mittelmark, Teltow-Fläming und Oder-Spree. Von daher ist diese Behauptung, die ja immer wieder von den Initiatoren der Volksinitiative aufgestellt wird, unzutreffend.
Wir haben nach den Leitlinien entschieden. Das hat dem einen oder anderen sicherlich nicht gepasst. Aber hier haben wir im Wege des ganzen Verfahrens von Anbeginn - der Vorstellung der Leitlinien durch den Innenminister bis zur Verabschiedung der Gesetze - mit offenen Karten gespielt, ein hohes Maß an Transparenz gewahrt und niemanden zu täuschen versucht. Von daher bin ich auch froh darüber. Herr Kollege Sarrach, aus Ih
ren Worten sprach die Hoffnung: Wann entscheidet das Landesverfassungsgericht endlich einmal gegen die Gemeindereform?
Unsere Entscheidungen sind bestätigt worden. Wir nehmen das Verfassungsgericht ernst und haben auch entsprechende Hinweise in dem Verfahren sehr ernst genommen. Ich habe die Hoffnung, dass das auch so bleibt. Aber das Gericht ist natürlich unabhängig. Es hat seine Maßstäbe, die es auch bei diesen Entscheidungen fortentwickeln wird.
Ich möchte insbesondere auf einen Punkt der Volksinitiative hinweisen. Da geht es um die Amtsordnung und um die sechs in Rede stehenden Gesetze. Dort heißt es:
„Der Landtag schafft die gesetzlichen Grundlagen, dass Gemeinden, die sich unter dem Druck der Leitlinien seit Beginn dieser Legislaturperiode des Landtages ‘freiwillig’ zusammengeschlossen und aufgelöst haben, bis zum 30.06.2004 durch ein vereinfachtes Verfahren haushaltsneutral ihre Eigenständigkeit zurückerlangen können.“
Da stellt sich dann schon die Frage, wie die Initiatoren der Volksinitiative mit der Freiwilligkeit umgehen.
Der Vorwurf, der sich an uns richtet, dass wir in den Fällen, in denen wir gesetzlich entschieden haben, an der einen oder anderen Stelle auch gegen das Ergebnis des Bürgerentscheides entschieden haben, kommt hier zurück. Es wird nicht akzeptiert, dass vor Ort freiwillig entsprechend der Leitlinien entschieden wurde. Insbesondere wird auch nicht akzeptiert, dass sich in Brandenburg über die Hälfte der Gemeinden freiwillig gemäß der Leitlinien verändert haben.
Ich bin froh, dass wir weiterhin auf einem guten Weg sind. Wir haben bezüglich der Volksinitiative ein geregeltes demokratisches Verfahren. Wir haben mit Blick auf die Kommunalwahlen die Bereitschaft der Handelnden vor Ort, entsprechend sensibel und voller Verantwortung tätig zu sein; übrigens auch von denen, die gegen die Gemeindereform gestimmt haben. Auch diese beteiligen sich an der Aufstellung der Wahlkreise, stehen auf den Listen. Ich finde es bemerkenswert, dass im Land der gemeinsame Wille überwiegt, für die Bürgerinnen und Bürger etwas zu gestalten. Meine Hoffnung wäre, dass die PDS auch irgendwann einmal merkt, dass sie in dieser Frage die Kämpfe von gestern nicht gewinnen kann. - Danke schön.
Ich danke dem Abgeordneten Petke und gebe das Wort an die Landesregierung. Herr Minister Schönbohm, bitte.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung begrüßt die Beschlussempfehlung des Haupt