Protocol of the Session on May 22, 2003

Deshalb fordern Kirchen und Wohlfahrtsverbände auch für Brandenburg seit langem die Einrichtung einer solchen Kommission, um die Situation zu entspannen und zu entkrampfen. Das würde zum einen natürlich die Betroffenen, zum anderen aber auch die Behörden in den Kreisen und kreisfreien Städten entlasten. Zum Dritten könnten Wohlfahrtsverbände und Kirchen ihre humanitäre Kompetenz, die ihnen sonst auch zugestanden wird, in solchen Fragen in eine Beraterfunktion einbringen. Es würde vor allen Dingen das Bild Brandenburgs in Deutschland und europaweit verbessern. Lesen Sie mal eine überregionale Zeitung in Deutschland! Brandenburg kommt darin selten vor, allerdings immer dann, wenn solche Fälle auftreten, die nicht notwendig wären.

Es hat seitens des Innenministers schon einmal Gespräche mit Herrn Schippel und mir gegeben. Da hatte ich den Eindruck, Sie seien der Sache gegenüber gar nicht abgeneigt. Später sagten Sie: Wir warten mal das Zuwanderungsgesetz ab. - Diesbezüglich habe ich gerade die gegenwärtige Situation beschrieben, Sie ist Ihnen ja bekannt. Insofern erschließt sich mir nicht ganz, warum sich der Koalitionspartner da immer noch sperrt.

Die SPD-Fraktion hält die Einrichtung einer Härtefallkommission jedenfalls mehrheitlich für notwendig. Wir können diesem Antrag aber nicht zustimmen, solange wir den Koalitionspartner nicht mit im Boot haben. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke dem Abgeordneten Kuhnert. - Ich gebe der Fraktion der DVU das Wort, Herrn Abgeordneten Claus.

Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Wenn ich den Antrag der PDS-Fraktion richtig verstehe, läuft er abermals darauf hinaus, eine Härtefallkommission zur Vermeidung von Härten im Ausländerrecht zu installieren. Der unbefangene, aber interessierte Leser des PDS-Antrages fragt sich da unwillkürlich:

(Zuruf von der PDS: Sie nicht, was? - Weitere Zurufe von der PDS)

Was ist eine Kommission? Was ist ein Härtefall? Was soll eine Kommission für Härtefälle? Warum nur für Ausländer?

Die Frage nach der Kommission lässt sich recht einfach und kurz beantworten:

(Zuruf des Abgeordneten Vietze [PDS])

Nach den Erfahrungen der Bürgerinnen und Bürger, insbesondere in der letzten Zeit, ist eine Kommission ein demokratisch kaum legitimiertes und personell wenig durchschaubar besetztes Gremium, das in einem noch weniger durchschaubaren Verfahrens- und Entscheidungsprozess mit viel Wirbel in der Öffentlichkeit noch viel weniger bewirkt oder bewegt.

Die Frage, was ein Härtefall ist, lässt sich dann schon nicht mehr so kurz beantworten: Im juristischen Sinne gibt es - juristische Kenner, Herr Sarrach, Herr Klein und Herr Homeyer, wissen das - gewöhnliche Härten, unzumutbare Härten, besondere Härten und außergewöhnliche Härten.

Die Bürgerinnen und Bürger interessiert der juristische Kram aber nicht sehr. Für sie gibt es nur zwei Arten von Härten, und zwar die grausame Härte und die weniger grausame Härte. Dabei sind - die Erfahrungen der letzten Zeit zeigen das auch grausame Härten solche, die dem Bürger das Leben einseitig erheblich erschweren, und weniger grausame Härten solche, bei denen der Bürger zumindest hofft, dass irgendwann und irgendwie doch etwas für ihn dabei herausspringt. Das Prinzip Hoffnung ist ja immerhin auch etwas.

Grausame Härten im obigen Sinn gibt es inzwischen genug in unserem Land. Hier einige Beispiele: demnächst wohl 5 Millionen Arbeitslose, wohl über 40 000 Firmenpleiten in diesem Jahr, ständig steigende Steuern, ständig steigende Beiträge zu Renten- und Krankenversicherung, teurer werdende öffentliche Verkehrsmittel, wegfallende Ansprüche auf Kita-Plätze, mangelnde Ausbildungsqualifikationen, Schul- und Bildungsmiserse und dergleichen mehr.

(Zuruf des Abgeordneten Sarrach [PDS])

Alle hiervon Betroffenen könnten sich nach dem PDS-Strickmuster hinstellen und verlangen: Gleichbehandlung! Wir wollen auch eine Härtefallkommission! - Aber das geht gar nicht so einfach, meine Damen und Herren. Die gesamte PDS hat gar nicht genug Mitglieder, um all diese Kommissionen zu besetzen. So viele solcher grausamen Härten gibt es hier.

(Beifall bei der DVU)

Wir könnten dann gleich die halbe Landesverfassung aufheben - Wahlen weg, Landesregierung weg, Landtag weg, Kreistage weg

(Zuruf des Abgeordneten Vietze [PDS])

und stattdessen bestimmen: Das ganze Land Brandenburg ist ein grausamer Härtefall, Herr Vietze; es wird durch Härtefallkommissionen regiert. Hierfür gilt das Prinzip der organisierten Verantwortungslosigkeit.

Eines ist ja zuzugeben, meine Damen und Herren von der PDS-Fraktion: Im Ausländerrecht haben wir dringenden Reformbedarf. Reformen sind hier wie in den anderen erwähnten Bereichen, insbesondere beim Bund, über Jahre verschleppt worden. Im Rahmen unserer Möglichkeiten müssen wir versu

chen, die sich daraus ergebenden negativen Folgen in allen Bereichen möglichst gering zu halten.

Soweit sich im Ausländerrecht durch den Schlendrian der letzten Jahre „Härten“ ergeben, sind unsere Möglichkeiten nicht ausgeschöpft. Hier kann eine Rechtsverordnung erlassen werden, die dann durch die Ausländerbehörden Anwendung findet.

Unsere DVU-Fraktion hat daher schon vor geraumer Zeit den Entwurf einer Rechtsverordnung im Plenum eingebracht. Dieser wurde leider abgelehnt. Nur deswegen stehen wir noch immer vor diesem Problem. Aber, meine Damen und Herren von der CDU, Sie können unseren Antrag ja aufgreifen und Ihren Namen darüber schreiben. Dann wird er hier sicherlich angenommen. Das Ergebnis wäre, dass wir im Lande Brandenburg keine Härtefallkommission brauchten. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an die CDU-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Petke.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Trotz des eben gehörten „grenzwertigen“ Vortrags möchte ich versuchen, mich dem durchaus ernsten Thema zu nähern.

Frau Kollegin Wolff, Sie sagen, wer in seinem Heimatland bedroht sei, werde abgeschoben.

(Zurufe von der PDS)

- So begannen Sie Ihren Beitrag! - Nennen Sie mir bitte einen Fall, in dem im Land Brandenburg jemand abgeschoben worden ist, dem in seinem Heimatland Verfolgung oder Gefahr für Leben und Gesundheit droht! - Die Verfolgung im Heimatland ist nach der gegenwärtigen gesetzlichen Regelung und auch nach Gerichtsurteilen ein ganz klares Abschiebehindernis. Von daher bitte ich Sie, dass Sie das Thema, das Sie immer wieder auf die Tagesordnung setzen - das ist ja eine Konstante bei Ihnen -, hier fair und rechtlich sauber behandeln.

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Nein. - Gelegentlich kann man den Eindruck haben, dass Sie vor dem Hintergrund schwerer menschlicher Schicksale den Versuch unternehmen, der CDU und insbesondere unserem Innenminister Jörg Schönbohm, dem Innenminister Brandenburgs, hier den schwarzen Peter zuzuschieben,

(Zurufe von der PDS)

und zwar, wenn ich mir die Presse der vergangenen Monate und Jahre anschaue, einen schwarzen Peter auch in der Richtung, dass er - bezüglich Rechtsextremismus - auf dem rechten

Auge blind und im Übrigen jemand sei, der dann, wenn es um den Umgang mit Ausländerinnen und Ausländern gehe, eine ganz besondere Härte an den Tag lege.

(Zurufe von der PDS)

Ich möchte daran erinnern, dass das Ausländerrecht bundesgesetzlich geregelt ist. Ich glaube, es ist auch gut so, dass der Bundestag für Gesamtdeutschland eine rechtliche Grundlage geschaffen hat.

Herr Kollege Kuhnert, ich hoffe, dass das Zuwanderungsgesetz keine unendliche Geschichte wird. Ich glaube schon, dass es unter den beiden Volksparteien, insbesondere was Regelungen zur Integration und auch solche zum Arbeitsmarkt und zur Zuwanderung angeht, eine Gemeinsamkeit gibt, die wir dann auch im Deutschen Bundestag und im Bundesrat realisieren können. Das hängt ein Stück weit aber auch davon ab, wie man aufeinander zugeht. Wenn die Bundesregierung dasselbe Gesetz noch einmal einbringt, darf sie sich nicht wundern, wenn die CDU/CSU dann zunächst einmal auf Ablehnung plädiert.

(Zurufe von der PDS)

Ich habe noch ein paar Minuten Redezeit und werde darauf noch zu sprechen kommen.

Herr Kollege Kuhnert, Sie haben eine Situation geschildert, die durchaus nachdenklich macht. Sie sind auf die Argumente eingegangen, die gegen eine Härtefallkommission sprechen. Das sind zum Teil natürlich auch meine Argumente. Andererseits habe ich mich während Ihres Vortrags gefragt, ob es allein darum geht, wie das Land Brandenburg im Ausland dasteht. Ich meine, es muss darum gehen, wie schwere menschliche Schicksale möglicherweise gemildert werden, wie wir im Rechtsstaat mit Menschen umgehen.

Was ich trotz aller Argumente, die Sie vorgebracht haben, in Ihren Ausführungen vermisst habe, ist eine Antwort auf die Frage, was wir mit einer Härtefallkommission tatsächlich erreichen können, ob eine solche Kommission nur etwas ist, was an die Wand gemalt wird, was bei vielen betroffenen Menschen, wie Sie selbst geschildert haben, Hoffnungen weckt, welche in der Praxis aber nicht erfüllt werden können. Ich habe recherchiert: In Mecklenburg-Vorpommern, wo es eine solche Kommission gibt, sind im letzten Jahr ganze zwei Anträge positiv beschieden worden.

(Zurufe von der PDS)

Von daher glaube ich nicht an den Erfolg einer solchen Kommission.

In Brandenburg sind die Landkreise und die kreisfreien Städte für die Umsetzung des Ausländerrechts zuständig. Wenn es darum geht, in bestimmten Fällen eine Einigung zu erzielen, dann wird sich meiner Meinung nach niemand einer Diskussion darüber verweigern, sondern wird bereit sein, Regelungen zu finden, die angesichts des schweren menschlichen Schicksals möglicherweise ein wenig Abmilderung verschaffen.

Von daher lehnen wir den Antrag nicht etwa mit der Begründung ab, dass wir für einen überaus harten Umgang mit abzuschiebenden Ausländerinnen und Ausländern sind, sondern mit

der Begründung, dass wir angesichts der Grundlage der Rechtsordnung und der tatsächlichen Situation keinen Vorteil für die betroffenen Menschen für den Fall erkennen können, dass eine solche Kommission eingesetzt wird.

Was wir wollen und befürworten, ist eine Härtefallregelung in einem Zuwanderungsgesetz, insbesondere eine Regelung für mehr Integration, auch eine Regelung für den Fall, dass gegen Integrationserfordernisse wie das Erlernen der deutschen Sprache verstoßen wird. Dies befürworten wir, aber den vorliegenden Antrag der PDS werden wir ablehnen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Damit sind wir bei der Landesregierung. Herr Innenminister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die PDS fordert die Entwicklung wirksamer Regelungen zur Vermeidung von Härtefällen in ausländerrechtlichen Angelegenheiten. Sie sprechen damit ein Thema an - das ist auch bei den Diskussionsbeiträgen deutlich geworden -, das für jeden, der insoweit Verantwortung trägt, in besonderer Weise belastend ist. Als Innenminister steht man sehr oft vor der schwierigen Situation, gezwungen zu sein, Dinge zu vollziehen, die rechtlich endgültig abgeschlossen sind. Ich möchte mich bei Ihnen, Herr Kollege Kuhnert, ausdrücklich dafür bedanken, dass Sie den Sachverhalt sehr fair dargestellt haben, wenngleich zwischen uns insoweit auch noch ein Dissens besteht, auf den ich gleich eingehen werde.