(Klein [SPD]: Gilt Herr Schönbohm nicht als Redner der CDU-Fraktion? - Ministerpräsident Platzeck: Nein.)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Sommer letzten Jahres erreichten uns die ersten massiven Hilferufe der Kommunen. Es war offenbar kein ausschließlich ostdeutsches oder Brandenburger Problem; denn zeitgleich rief der Oberbürgermeister von München, Ude, SPD, den Notstand aus. In Frankfurt, Rostock, Sindelfingen und Leipzig brachen die Stadtkassen zusammen. Bei den öffentlichen Finanzen gab es unglaubliche Probleme. Die Gründe: Massiver Rückgang der Einnahmen aus der Körperschaftsteuer - das Aufkommen aus der Körperschaftsteuer sank auf nahezu null -, die Einnahmen aus der Gewerbesteuer brachen zum Teil um 30 bis 50 % zusammen, die Finanznot wurde durch die Konsumzurückhaltung der Verbraucher noch verschärft.
Dieser Trend zeigte seine Wirkung natürlich auch in unserem Land, in Brandenburg. Die Einnahmen unserer Kommunen aus der Gewerbesteuer gingen unerwartet dramatisch, nämlich um fast 25 %, zurück, was bei einem ohnehin sehr geringen Aufkommen, einem sehr geringen Ausgangsniveau, sehr bedenklich ist. Die Brandenburger Städte und Gemeinden nahmen im Jahre 2001 noch lediglich 92 Euro je Einwohner aus der Gewerbesteuer ein, was nur etwa einem Drittel der Einnahmen aus der Gewerbesteuer der alten Bundesländer entspricht. Ursache dieser Relation ist in der nach wie vor bestehenden Strukturschwäche der neuen Länder zu sehen. Es gibt weniger Betriebe. Die bestehenden Betriebe erzielen geringe Erträge und zahlen dementsprechend wenig Steuern.
Der Einbruch bei der Gewerbesteuer konnte nicht durch Einnahmen aus anderen Steuerarten ausgeglichen werden, denn auch bei ihnen gab es Einbrüche, insbesondere bei der Mehrwertsteuer. Wir haben dramatische Rückgänge bei der Mehrwertsteuer, da sich das Konsumverhalten verändert hat; es wird weniger konsumiert.
Der Städte- und Gemeindebund stellte zu Beginn des Jahres fest, dass die brandenburgischen Gemeinden nur noch die Hälfte der im Jahre 1992 getätigten Investitionen leisten können. Aber auch das Land, Frau Osten, hat mit dramatischen Einnahmeausfällen zu kämpfen; denn seine Steuereinnahmen sind um etwa 12 % eingebrochen. Land und Kommunen sitzen in einem Boot.
Die Kassen des Landes sind ebenfalls leer; es geht dem Land ebenfalls finanziell schlecht. Die Steuereinnahmen sinken, gleichzeitig steigen die Kosten; denn - wie es in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist - wenn die Arbeitslosigkeit steigt, steigen zum Beispiel auch die Sozialhilfeaufwendungen. Darunter leiden die Kommunen, aber auch das Land. Sie können dem Nachtragshaushalt entnehmen, dass wir dafür mehr ausgeben.
Als Land tragen wir die Verantwortung für die Finanzausstattung der Gemeinden. Die Zuweisungen an die Kommunen werden mit dem Nachtragshaushalt in diesem Jahr um 140 Millionen Euro sinken. Dazu muss deutlich gesagt werden: Das ist kein willkürlicher Griff in die Kassen der Kommunen, sondern die Kommunen werden exakt mit ihrem Anteil an den Steuereinnahmen und auch an den Steuerausfällen beteiligt - also praktisch geteiltes Leid. Die Verbundquote ändert sich nicht. Die Ursache dieser Finanznöte liegt in der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Die Finanznöte treffen alle, auch den Bund. Auch dort zeichnet sich das Problem der steigenden Verschuldung wie bei Ländern und Kommunen ab. Entscheidungen für die Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Lage können wir im Landtag nicht treffen. Sie werden von Bundestag und Bundesrat getroffen.
Die Not der Kommunen wird dadurch verschärft, dass ihnen Pflichtaufgaben übertragen werden, ohne ihnen auch die für deren Erfüllung notwendigen finanziellen Ausstattungen - und zwar in Gänze - zu übertragen. Ein Beispiel ist die Grundsicherung, die ab 1. Januar wirksam wird. Die Landkreise leiden massiv unter diesen zusätzlichen Belastungen.
Alle Steuerexperten gehen davon aus, dass die Steuereinnahmen in absehbarer Zeit nicht steigen werden. Gleichzeitig wurde zutreffend festgestellt, dass Brandenburg in den vergangenen Jahren über seine Verhältnisse gelebt hat. Ich behaupte, das trifft auf Deutschland insgesamt zu. Wer sich die Neuverschuldung des Bundes anschaut, stellt fest, dass dies eine eigene Sprache spricht.
Wir müssen deshalb dafür sorgen, dass die Gemeinden von pflichtigen Aufgaben entlastet werden. Gemeinden und Land müssen sich auf ihre ureigenen Kernaufgaben und die Zukunftsvorsorge konzentrieren. Darauf kommt es uns an. Wir stellen uns dieser Aufgabe. Die entsprechenden Gesetzesinitiativen sind in Arbeit. Mein Kollege Petke wird dazu nachher noch sprechen.
Ich möchte noch einmal auf das zurückkommen, was Herr Domres von der PDS heute und was Herr Christoffers vorgestern gesagt haben. Sie wollen den Landeshaushalt - das hat auch direkte Auswirkungen auf die Kommunen - insgesamt nicht in einer Wahlperiode ins Gleichgewicht bringen, sondern sich dafür mehr Zeit lassen.
werden, erdrücken uns und die nachfolgenden Generationen. Dieser Weg ist falsch. Wir müssen rasch handeln und können uns - das ist eine Binsenweisheit - nur das leisten, was wir auch bezahlen können.
Wir müssen konstatieren, dass der Staat überfordert wurde und man über die eigenen Verhältnisse gelebt hat.
- Wenn Sie der Meinung sind, dass alles so weitergehen könne, offenbaren Sie ein altes, überkommenes Denken.
Auch die Kommunen müssen zur Konsolidierung beitragen. Da ist in den letzten Jahren unter großen Anstrengungen viel geschehen, aber es ist noch einiges zu leisten. Die Kommunen müssen ihre Verwaltungseinheiten modernisieren und die hohen Personalkosten mittelfristig reduzieren. Der BenchmarkingReport von Prof. Seitz benennt hier klare Größen. So liegen insbesondere die Ausgaben für Personal und der laufende Sachaufwand wesentlich über den entsprechenden Ausgaben der Kommunen der westdeutschen Länder. Allein aus diesen Bereichen resultieren Mehrausgaben in Höhe von über 500 Millionen Euro.
Insgesamt beschreibt Seitz für die Kommunen ein Einsparpotenzial von - im Durchschnitt - 400 bis 500 Millionen Euro. Im Durchschnitt wohl gemerkt; denn die Wirklichkeit kann in Einzelfällen anders aussehen. Einige Kommunen haben mehr getan, bei anderen steht dies noch aus. Die Kommunen müssen ihr Einsparpotenzial aktivieren, um ihre Investitionskraft zu stärken. Dafür muss das Land die notwendige Unterstützung geben, zum Beispiel, indem die Pflichtaufgaben der Kommunen verringert werden, damit sie mehr eigene Handlungsspielräume gewinnen.
Meine Damen und Herren, betrachten Sie bitte die vor uns stehenden Aufgaben nicht nur als Last, sondern auch als Chance. Aufgaben reduzieren, Verwaltung abbauen heißt auch weniger Bürokratie, heißt auch weniger Vorschriften, heißt auch weniger Bevormundung der Bürger. Das setzt auch eigene Kreativität frei; denn die Bürokratie macht uns kaputt.
Lassen wir den Menschen mehr Freiräume, ob im Baurecht, beim Natur- und Landschaftsschutz oder auf anderen Gebieten! Es muss nicht sein, dass man bei jeder Kleinigkeit einige Formulare mit mehreren Durchschlägen auszufüllen hat.
benötigen. Darauf müssen wir uns konzentrieren. Nicht schwarz malen, sondern anpacken! - Herzlichen Dank.
Ich danke dem Abgeordneten Lunacek. - Nun ist die Landesregierung tatsächlich an der Reihe. Herr Minister Schönbohm, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die PDS beschreibt die Lage der Gemeinden als dramatisch. Sie ist außerordentlich schwierig; wir stehen vor einer großen Herausforderung. Es wird sich zeigen, ob wir dieser Herausforderung gemeinsam gerecht werden können. Es geht dabei - insofern haben Sie Recht, Herr Domres - um die Zukunftsfähigkeit des Landes. Angesichts dessen frage ich mich, ob Sie Ihre Rede mit Frau Osten abgestimmt haben, denn ich habe genau in Erinnerung, was Frau Osten gestern gesagt hat. Wenn Sie ihr zugehört hätten, könnten Sie sich daran erinnern, dass sie gesagt hat: Es ist unbedingt notwendig, die Nettokreditaufnahme zu reduzieren. Wenn diese Aussage richtig ist, dann müssen wir dies auch tun; man kann es aber nicht von den einen verlangen und von den anderen nicht. Hören Sie also bitte auf, das Land in zwei Lager zu spalten: einerseits in das Land und andererseits in die Kommunen. Für uns gehört beides zusammen.
Ich wünsche mir, dass wir in dieser Diskussion sehr deutlich machen: Die Zukunft Brandenburgs hängt davon ab, dass das Land insgesamt gesundet und die Kommunen ihren Teil der notwendigen Veränderungen übernehmen. Vor dieser Aufgabe stehen wir in politischer Hinsicht.
Jetzt geht es darum, wie wir an diese Aufgabe herangehen. Grundsätzlich gibt es nur zwei Möglichkeiten, dies zu tun: Wir können die Einnahmen verbessern und bzw. oder die Ausgaben reduzieren.
Es geht um die Frage, ob wir die Einnahmen berechenbarer machen können. Wir wissen, dass dies, wie Kollege Lunacek sagte, die Ebene des Bundes betrifft, aber das Land Brandenburg wirkt über den Bundesrat im Bund mit. Wir haben die feste Absicht, gemeinsam unsere Möglichkeiten zu nutzen, um im Bundesrat zu übergreifenden Ergebnissen zu kommen, die allen helfen, denn unter dieser Last, vor der wir jetzt stehen, leiden alle, egal ob CDU, SPD, PDS, Grüne oder wer auch immer, beispielsweise parteilose Bürgermeister. Alle stehen vor der gleichen Herausforderung. Darum müssen wir versuchen, diese Aufgabe gemeinsam zu lösen. Das geht nur mit dem Bund und meiner Überzeugung nach weitgehend auch nur parteiübergreifend.
- hören Sie ruhig einmal zu, Herr Vietze -, dass in Bezug auf Betriebe, die fünf Mitarbeiter haben und dann den sechsten und siebenten Mitarbeiter einstellen, über den Kündigungsschutz nachgedacht werden solle. Was ist das Ergebnis? Die Sache wird sofort zwischen der Bundesregierung und den Gewerkschaften diskutiert; ich weiß nicht, wie die PDS dazu steht. Wenn wir nicht gewillt sind, über diese Dinge gemeinsam zu diskutieren und Veränderungen gemeinsam zu schultern, dann werden wir keinen Erfolg haben.
Davon hängt auch ab, was bei den Kommunen geschieht. Was ist in dieser Hinsicht vorgesehen? Arbeitslosen- und Sozialhilfe sollen zusammengefasst werden. Auf Bundesebene gibt es eine gemeinsame Kommission, die sich damit befasst und bisher sehr intensiv getagt hat. Wir hoffen, dass die Ergebnisse vor der Sommerpause vorgelegt werden. Das ist für uns deswegen so wichtig, weil es unmittelbare Auswirkungen auf die kommunalen Haushalte hat.