Protocol of the Session on March 6, 2003

Meine Damen und Herren, was wir nicht unter Rahmenbedingungen verstehen, ist, für jede Person bzw. jede Personengruppe ein umfassendes Betreuungsangebot vorzuhalten. Wir verstehen darunter nicht, dass Kommunen für alle und jedermann in gleicher Weise und undifferenziert Einrichtungen, Angebote und Möglichkeiten zur Verfügung stellen.

(Zuruf des Abgeordneten Vietze [PDS])

Denjenigen, die aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage sind, aus eigener Kraft eine menschenwürdige Lebenssituation zu erreichen und zu gestalten, muss in erster Linie die Sorge der Kommunen und des Staates gelten.

Um das zu gewährleisten, ist die derzeitige Finanzsituation gerade noch ausreichend. Die Frage ist, ob man in der jetzigen Situation etwas anderes versprechen kann oder darf. Wir werden das nicht tun. Wir können angesichts des Seitz-Gutachtens dies ist bereits erwähnt worden -, das in seinen grundsätzlichen Aussagen von niemandem bestritten wird, nur dazu auffordern, die darin aufgezeigten Reserven zu erschließen. Das bedeutet auf kommunaler Ebene einen Überhang von ca. 1 700 Bediensteten. Das bedeutet aber auch, etwa 400 bis 500 Millionen Euro Mehrausgaben auf dieser Ebene langfristig abzubauen.

Diese beiden Eckdaten sind es, bei denen unsere Kommunen über dem Durchschnitt vergleichbarer Bundesländer liegen. Doch wir wollen uns als Gesetzgeber nicht aus der Verantwortung stehlen.

(Zuruf von der PDS: Das machen Sie aber!)

Dazu gehört, dass wir als Land die kommunale Ebene von Aufgaben, Standards und unnötigen Verwaltungsvorschriften entlasten. Wenn wir das tun, erhöht sich automatisch der Ermessensspielraum für die kommunale Ebene. Die Verantwortung für die Nutzung dieses Ermessensspielraumes liegt dann allerdings auch bei der kommunalen Ebene.

Solche Entscheidungen können nur leistungsfähige und starke Gemeinden treffen. Um solche Gemeinden im Land Brandenburg in allen Regionen auf Dauer herauszubilden, haben wir

gestern sechs Gesetze zur landesweiten Gebietsreform beschlossen.

(Klein [SPD]: Genau!)

Auf diese Weise machen Sozial- und Christdemokraten, machen die Koalitionsfraktionen Brandenburg zukunftsfähig.

(Beifall bei SPD und CDU - Unmutsäußerungen bei der PDS - Vietze [PDS]: Steige hoch, du roter Adler!)

Wenn Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der PDS, tatsächlich etwas an der Zukunftsfähigkeit des Landes läge, dann hätten Sie diesen Gesetzen gestern Ihre Zustimmung nicht versagt. Sicherlich wäre die Lebenssituation vieler Brandenburger angenehmer, wenn wir ein reiches Land wären und für jede soziale Einrichtung, für alle kommunalen Bedürfnisse beliebig viel Geld zur Verfügung hätten.

(Zurufe von der PDS)

Weil das nicht so ist, müssen wir eben mit jedem Pfennig sparen.

Nun will ich Ihnen ein Beispiel nennen. In meinem Heimatort mit 10 000 Einwohnern können nach Aussage des Bürgermeisters durch die Gemeindegebietsreform eine bzw. eineinhalbe Verwaltungskraft eingespart werden, und zwar deshalb, weil nicht mehr 13 Haushaltspläne, 13 Satzungen, 13 Geschäftsordnungen oder 13 Protokolle veröffentlicht werden müssen.

(Zuruf von der PDS)

Wenn ich das einmal auf das Land hochrechne - wenn Vergleiche auch hinken -, könnten wir mit diesem Verwaltungshaushalt 250 Jugendsozialarbeiter mehr einstellen. Hier liegen die Reserven, deren Ausschöpfung Sie sich verschließen.

(Vietze [PDS]: Herr Schippel, da sind Sie ja gerade beim Streichen! - Weitere Zurufe von der PDS)

Meine Damen und Herren von der PDS, Ihr Fraktionsvorsitzender hat nachher noch Gelegenheit, darauf einzugehen.

(Vietze [PDS]: Das stimmt, aber wir nicht!)

Meine Damen und Herren von der PDS, bereits meine Großmutter sagte: Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert!

(Beifall bei SPD und CDU)

Tatsächlich ist es jedoch so - Herr Vietze hat das gestern in den buntesten Farben geschildert -, dass wir dieses Geld und diesen Reichtum nicht haben. Was wir haben - darauf können wir alle gemeinsam - PDS, CDU, SPD - stolz sein -,

(Klein [SPD]: Aber in anderer Reihenfolge!)

sind die am zweitwenigsten verschuldeten Kommunen in der

Bundesrepublik. - Ich belasse es bei dieser Reihenfolge, Herr Klein. In derselben Reihenfolge sollten wir die Kosten, die dadurch auflaufen, auch gemeinsam tragen. Also tragen PDS und CDU das mit, was wir in der vergangenen Zeit gemeinsam getan haben.

(Vietze [PDS]: Das ist aber keine Logik! Weil wir jetzt Westen sind, müssen wir schnell die kommunalen Schul- den erhöhen!)

Meine Damen und Herren, das eben Gesagte darf über eines nicht hinwegtäuschen: Wir werden und müssen dafür Sorge tragen, dass die Kommunen die Mittel haben, die zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben notwendig sind.

(Frau Stobrawa [PDS]: Das werden wir kontrollieren!)

Es darf nicht weniger, es wird aber auch nicht mehr möglich sein. Die Gewährleistung der Chancengleichheit, die Gewährleistung gesetzlicher Pflichten ist möglich. Nur dieses Mögliche wird in den nächsten Jahren die Lebenssituation der Brandenburgerinnen und Brandenburger bestimmen, um die Zukunftsfähigkeit dieses Landes zu erhalten.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke dem Abgeordneten Schippel und gebe das Wort an die Fraktion der DVU. Frau Abgeordnete Hesselbarth, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die finanzielle Lage des Landes, vor allem die der Kommunen, ist katastrophal. Das können Sie auch nicht mit Ihrer lautstarken Rede wegwischen, Herr Schippel.

Die absehbare Entwicklung der Haupteinnahmen und -ausgaben zwingt dazu, die Haushaltskonsolidierung fortzuführen. Die kreisfreien Städte und Landkreise haben im Jahr 2001, also bereits im sechsten bzw. vierten Jahr in Folge, mehr ausgegeben als eingenommen. Die von den kreisfreien Städten geplanten Einnahmen blieben aus und nehmen weiter ab. Die Ausgabenkürzungen haben die Entwicklung nicht ausgleichen können. Vielmehr wird sich die Finanzlage, maßgeblich beeinflusst durch wachsende Leistungen für die soziale Sicherung, nach den derzeit absehbaren finanziellen Gegebenheiten noch verschärfen.

Keine der vier kreisfreien Städte verfügte im Jahr 2001 über einen freien Finanzspielraum. Die Differenz zwischen Ausgaben und Einnahmen erhöhte sich seit 1996 auf jährlich 1,2 Milliarden Euro. Es ist fraglich, ob es den kreisfreien Städten gelingen wird, aus eigener Kraft den Schuldenabbau fortzusetzen und ihre Haushalte nachhaltig zu konsolidieren. Ähnlich sieht es bei den Landkreisen aus.

Dies, meine Damen und Herren, möchte ich als freies Zitat aus dem Kommunalbericht 2002 des Landesrechnungshofes meinen weiteren Ausführungen voranstellen.

Die 14 Kreise und vor allem die vier kreisfreien Städte des Landes stecken in finanziellen Schwierigkeiten. Letztere steuern

auf den finanziellen Kollaps zu. Jeder fünfte Euro, der in Frankfurt (Oder), Potsdam, Cottbus oder Brandenburg ausgegeben wird, ist nicht durch Einnahmen gedeckt - insgesamt 238 Millionen Euro. Mitschuld trägt das Innenministerium, Herr Minister Schönbohm, dadurch, dass die defizitären Haushalte dieser Kommunen seit Jahren von der Kommunalaufsicht genehmigt und erteilte Sparauflagen missachtet wurden.

(Schippel [SPD]: So ein Quatsch!)

Die zuständige Rechnungshofdirektorin, Sieglinde Reinhardt, führte dazu wörtlich aus:

„Die Verantwortlichen haben die Augen vor den immer größer werdenden Problemen verschlossen. Jetzt sind die großen Städte mit ihrem Latein am Ende.“

Der Kommunalbericht belegt, dass sich an der schwierigen Situation nichts zum Besseren wenden wird - im Gegenteil. Da vom Land keine Entschuldung zu erwarten ist, muss man die Frage stellen, ob die derzeitigen Strukturen mittelfristig überhaupt überlebensfähig sind. Dies betrifft nicht nur die vier kreisfreien Städte, sondern auch die dünn besiedelten Verwaltungseinheiten wie die Prignitz oder den Spree-Neiße-Kreis, in denen die Personalausgaben weit über dem Durchschnitt liegen.

Gerade in diesen Gegenden, die zunehmend von Entvölkerung betroffen sind, verfallen die Häuser und Straßen inzwischen wieder. Schulen und Kitas werden geschlossen. Die letzten Geschäfte machen mangels Umsatz zu. Das Land verödet zunehmend.

Dass demnächst eine neue Debatte zur Kreisreform, wie von Ihnen, Herr Kollege Fritsch, bereits vor Monaten ins Spiel gebracht, angegangen wird, ist wahrlich kein Geheimnis. Das Dilemma besteht aber darin, dass seit dem letzten Neuzuschnitt der Kreise gerade erst 10 Jahre vergangen sind. Damals ist offenbar, ähnlich wie bei den Gemeinde- und Ämterstrukturen, zu kurz gegriffen worden. In der Zwischenzeit wurden in vielen Kreisstädten Millionen Euro in Verwaltungsbauten gesteckt, welche nach der nächsten Kreisreform wohl zu Bauruinen werden bzw. verfallen.

Die Not gebietet, bereits jetzt über Kreis- und Stadtgrenzen hinweg zusammenzuarbeiten. So entstehen zum Beispiel im Rettungswesen bereits heute größere Einheiten. Vielleicht wächst auch in anderen Bereichen von unten her etwas zusammen, was billiger und praktikabler als die jetzigen Strukturen ist.

An der Notwendigkeit eines Finanzausgleichsgesetzes für das Land Brandenburg sowie einer gesamtdeutschen Lösung zwecks Einnahmeverbesserung der Kommunen ändert das aber alles nichts. Dass die Landesregierung in diese ohnehin verfahrene Situation der Kommunen heute mit ihrer im Nachtragshaushalt enthaltenen Kürzungspauschale von rund 150 Millionen Euro hineinschlägt, verschlimmert die Situation der Kommunen nicht nur, sondern führt auch dazu, dass die Kommunen überhaupt keine Kraft mehr haben werden, ihre Aufgaben zu erfüllen, geschweige denn notwendige interne Reformen als Voraussetzung für Einspareffekte anzugehen. Daher ist Widerstand auf breitester Front gegen die Pläne der Landesregierung nicht nur in diesem Bereich angesagt. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Hesselbarth. - Das Wort geht jetzt an die Landesregierung. Herr Minister Schönbohm, bitte sehr.

(Zurufe von der CDU)