Protocol of the Session on March 6, 2003

Der zweite für uns wichtige Punkt sind gemeinsame Überlegungen, wie wir die Kommunen von pflichtigen Aufgaben entlasten können. Wenn wir dies nicht tun, müssen wir gemäß dem Konnexitätsprinzip den Kommunen das Geld für deren Erfüllung geben, unabhängig davon, wie sich die Steuereinnahmen entwickeln. Wenn wir das tun wollen, sagen Sie es bitte.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU - Zuruf der Abgeordneten Kaiser-Nicht [PDS])

- Aber wir müssen uns damit befassen. Frau Kaiser-Nicht, wir können uns an dieser Frage nicht vorbeimogeln. Sie können sich die Welt nicht so malen, wie Sie sie haben wollen; das hat schon einmal in die Irre geführt. Sie ist, wie sie ist. Wir müssen uns damit befassen, dass Aufgaben reduziert werden müssen, weil wir sie nicht mehr bezahlen können.

(Zuruf von der PDS: Fangen Sie bei sich selber an!)

- Ich bin ja gerade dabei. Vielleicht können Sie mir noch ein paar zielführende Hinweise geben. Herr Bisky hat ja anschließend noch einen Vorschlag auf Lager, wenn ich es richtig sehe.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU - Zuruf von der PDS)

Jetzt geht es um die Frage, wie wir die Verstetigung der Steuereinnahmen sichern können. Es gibt jetzt eine Finanzkommission auf Bundesebene, die sich mit dieser Frage befasst. Ursprünglich wollte sie ihren Bericht bis Ende März vorlegen; dieser Termin wird mit Sicherheit nicht eingehalten werden. Jetzt fragt sich, wann er vorgelegt werden wird: Im Mai? Im Sommer? Das wissen wir nicht.

Aber eine Sache ist doch vollkommen klar. Sie sprechen immer wieder das Finanzausgleichsgesetz an. Damit bekommen wir keinen Pfennig mehr, Herr Domres. Mit dem Finanzausgleichsgesetz ist ein gesetzlicher Mechanismus zu schaffen, der uns in die Lage versetzt, den Kommunen Planungssicherheit zu geben,

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Richtig!)

und aufgrund dessen klar ist, nach welcher Systematik das Geld auf Dauer verteilt wird.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Genau deswegen ist es so wichtig!)

- Es ist ja prima, dass wir in diesem Punkt übereinstimmen. Dann schimpfen Sie doch nicht! Seien Sie doch froh, dass wir einer Meinung sind!

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Wo ist das Geld gewesen?)

- Das will ich Ihnen doch gerade erklären, Frau Enkelmann. Nun hören Sie doch einmal zu, wenn Sie sich das nicht selber überlegt haben. Ich dachte, Sie wären selber auf die Idee gekommen, dass man das FAG nicht beschließen kann, solange die Ergebnisse der Finanzkommission, von der ich gerade gesprochen habe, nicht vorliegen, es sei denn, wir machen ein davon unabhängiges FAG.

(Zuruf der Abgeordneten Dr. Enkelmann [PDS])

- Ich kann Ihnen morgen den Entwurf eines FAG zuleiten. Aber um darüber beschließen zu können, muss man wissen, was reinkommt.

(Zuruf der Abgeordneten Dr. Enkelmann [PDS])

Außerdem wussten wir nicht, ob Sie mit Ihrer Destruktionspolitik in Bezug auf die Kommunalreform Erfolg haben würden. Wir haben zwar gehofft, dass dies nicht der Fall sein würde, aber erst jetzt wissen wir es. Jetzt haben wir eine gesicherte Basis, von der wir bei der Diskussion über den Finanzausgleich ausgehen können.

(Widerspruch bei der PDS)

Um den Kommunen Planungssicherheit geben zu können, fehlt noch die Antwort auf die Frage, wie viel Geld für die Kommunen zur Verfügung steht. Wenn sie vorliegt, können wir dieses Gesetz beschließen.

Zu einem anderen Punkt: Hören Sie bitte auf, das Märchen zu verbreiten, unsere Kommunen würden schlechter behandelt als andere. Wenn Sie einmal den Benchmarking-Report von Herrn Seitz lesen - Sie können auch andere Statistiken heranziehen; dann müssen Sie nur selber rechnen -,

(Zuruf von der PDS: Ach Mensch!)

dann werden Sie feststellen, dass die Zuweisungen pro Kopf bzw. pro Einwohner in den Kommunen Brandenburgs mit denen anderer Kommunen vergleichbar sind. Das wird auch anhand dessen klar, was Herr Kollege Schippel hier deutlich gesagt hat. Darauf hat Herr Vietze gleich erwidert: Wollen Sie mehr Verschuldung?

In den Kommunen Brandenburgs beträgt die Verschuldung pro Kopf 705 Euro, während sie in Mecklenburg-Vorpommern, das diesbezüglich vergleichbar ist, 1 319 Euro beträgt.

(Zuruf von der SPD: Unglaublich!)

Eine solche Verschuldung wollen wir nicht. Ich leite daraus

Folgendes ab; nach den Gesetzen der Logik gilt der Satz: Tertium non datur; ein Drittes gibt es nicht. Das heißt in diesem Zusammenhang: Wenn die Finanzausstattung ausreichend war, resultiert daraus eine geringe Verschuldung. Aus einer nicht ausreichenden Finanzausstattung ergibt sich eine höhere Verschuldung. Unter diesen Gesichtspunkten ist die Aussage von Kollegen Schippel außerordentlich wichtig: Wir haben die Kommunen bisher richtig ausgestattet. Sie können sich nicht entsinnen, dass wir, solange ich hier Innnenminister bin, über das GFG gesprochen hätten und ich nicht dafür gesorgt hätte, dass die Gemeinden mit über 20 000 Einwohnern mehr bekommen, weil wir bei ihnen Schwierigkeiten konzediert haben.

Ich habe gemeinsam mit den Finanzdezernenten der kreisfreien Städte über die Problematik der Kommunalfinanzierung gesprochen. Bei den kreisfreien Städten besteht nach wie vor ein strukturelles Defizit. Das ist mir bekannt, das ist den kreisfreien Städten bekannt. Wir müssen sehen, wie wir damit umgehen. Ich denke, dass wir es gemeinsam schaffen werden.

Nun geht es um folgenden Punkt: Wir haben kurzfristig und nicht vorhersehbar Mindereinnahmen in Höhe von 630 Millionen Euro. Da wir eine Verbundquote von 25 % haben, könnte man sagen: In Ordnung, dann zahlen sie das in zwei Jahren zurück. - Das wäre ja theoretisch möglich. Aber praktisch gesehen müssten wir jetzt die Nettokreditaufnahme erhöhen; danach könnten die Kommunen und die Landkreise diese Summe nicht aufbringen. Darum halte ich es für wichtig, dass wir uns zu Folgendem entschlossen haben; ich will noch einmal die Zahlen nennen.

Nach der Steuerschätzung von November 2002 haben die Kommunen 740 Millionen Euro eigene Einnahmen. Sie bekommen eine Zuweisung von 1,8 Milliarden Euro. Damit haben sie insgesamt rund 2,54 Milliarden Euro zur Verfügung. Sie haben pflichtige Aufgaben im Gegenwert von 2,5 Milliarden Euro zu erbringen. Dies zeigt, dass wir an der Grenze sind; die Kommunen müssen auch die Möglichkeit haben, freiwillige Aufgaben zu erfüllen. Darum gibt es keinen anderen Weg, als die Kommunen von pflichtigen Aufgaben zu entlasten. Genau um diese Frage geht es. Das ist der Einstieg zum Umstieg in bestimmten Bereichen. Wenn wir das nicht machen, dann geraten wir in die Schwierigkeit, sagen zu müssen, wir können die Kommunen in Zukunft daran nicht mehr beteiligen. Dann käme es zu folgender Entwicklung: Wir sagten in Brandenburg, das Land könne sich verschulden, während die Entwicklung in den Kommunen abzuwarten bleibe. Was wollen wir denn nun machen?

Wir haben in diesem Entwurf vorgesehen, zum einen das Kindertagesstättengesetz zu verändern - das ist gestern bereits erörtert worden -, zum anderen das Schulgesetz, das Weiterbildungsgesetz sowie Fachgesetze zu ändern.

(Zuruf der Abgeordneten Osten [PDS])

- Frau Osten, ich würde es sehr begrüßen, wenn Sie sich bei der Erarbeitung all dieser Gesetzesvorhaben in den Fachausschüssen mit diesen Fragen auseinander setzten und dort auch einmal sagten, ob Sie dafür sind oder nicht. Dann wird abgerechnet. Es bringt gar nichts, wenn Sie nur fordern. Sie müssen hier einmal bekennen, dass wir Dinge in Brandenburg verändern müssen. Wenn Sie das nicht machen, werden wir darauf zurückkommen.

Ich will jetzt gar nicht alles vorlesen, was wir ändern wollen. Dann wollen wir doch einmal sehen.

(Frau Osten [PDS]: Das haben wir doch nicht mal in der Hand!)

- Das bekommen Sie doch. Ich wollte es aber nicht vorlesen. Ich mache doch keine Lesestunde; dafür müsste ich ja Honorar nehmen. Wo kämen wir denn da hin!

Wir wollen eine Vielzahl von Vorschlägen machen.

(Zuruf von der PDS: Das ist eine Missachtung des Hau- ses!)

- Das wird erst im Kabinett beschlossen; anschließend werden Sie das bekommen.

Ich appelliere nur an Sie, sich dieser Aufgabe nicht zu entziehen. Herr Domres, wenn Sie sich dieser Aufgabe entziehen, dann haben Sie das Recht verwirkt, hier noch einmal zu sagen, es gehe den Kommunen schlecht. Wir müssen es besser machen; dazu müssen wir die Kommunen von einigen ihrer Aufgaben entlasten.

(Beifall bei CDU und SPD - Zurufe von der PDS)

- Ich will Ihnen als Sozialisten auch noch etwas anderes sagen: Es ist nicht sozial, Schulden zu machen, weil man zu feige ist, Entscheidungen heute zu treffen. Das ist der Kernpunkt der Politik.

(Beifall bei der CDU)

Sie können doch nicht immer Schulden zulasten der nachwachsenden Generation machen! Ich möchte dieser Generation nicht sagen, dass sie, obwohl sie schon die Renten zusätzlich bezahlen müssen, auch noch die Schulden zusätzlich bezahlen sollen, weil wir nicht in der Lage sind, jetzt unsere Aufgaben zu erledigen. Darum geht es; daher müssen wir erklären, dass wir diese Maßnahmen ergreifen werden.

(Vereinzelt Beifall bei CDU und SPD)

Wo waren Sie eigentlich gestern, als wir über die Kommunalreform debattierten? Kollege Schippel hat dazu auch schon einige Punkte genannt. Das ist doch ein Einstieg in den Umstieg. Warum entziehen Sie sich dem? Ich kann Ihnen sagen, warum Sie sich dem entziehen: weil Sie meinen, dass Sie mit dieser populistischen Nummer weiterkommen.

(Zuruf des Abgeordneten Freese [SPD])

Aber das wird 2004 und im September auch geklärt.

Ich will noch einen letzten Punkt anführen.

(Zuruf der Abgeordneten Dr. Enkelmann [PDS])