Protocol of the Session on November 13, 2002

Lassen Sie mich noch eine Bemerkung zum Thema „Länderfusion” machen; denn wir wollen in Zukunft das alles gemeinsam mit Berlin erleben. Im Vorfeld ist kritisiert worden, dass in der Regierungserklärung keine Jahreszahlen stehen. Heute haben wir gehört, dass es in diesem Jahrzehnt sein soll. Und ich stelle fest: Die Tatsache, dass eine Zahl nicht mehr vorkommt, bedeutet nicht, dass sie nicht mehr existiert. Es gibt eine Ausnahme, das ist die Zahl 18!

Ich mache kein Hehl daraus, dass ich der festen Überzeugung bin - es reicht aber nicht aus, dass ich dieser Überzeugung bin -: Zwei

Unternehmen, die strukturelle Defizite haben und rote Zahlen schreiben, haben gemeinsam immer noch die Chance, wieder schwarze Zahlen zu schreiben. Deshalb wird ja in der Wirtschaft so viel fusioniert. Das macht bis zu einer bestimmten Größenordnung auch Sinn. Dann wird es so unübersichtlich, dass es wieder nicht mehr funktioniert. Aber Berlin und Brandenburg sind nicht so groß, dass sie nach dem Zusammenschluss unübersichtlich werden. Und wenn wir der Überzeugung sind, dass wir gemeinsam die Aufgaben effektiver erledigen können und die Haushalte eine Chance haben, gemeinsam wieder in die schwarzen Zahlen zu kommen, dies aber einzeln vermutlich auf Dauer nicht schaffen, muss die logische Forderung sein: Strebt die Fusion so früh wie möglich an!

Wir können uns ja die Frage stellen: Warum machen wir das nicht zusammen, wenn es dadurch besser, reibungsloser und billiger geht? Aber ich komme auf meine Ausgangsposition zurück: Selbst wenn wir alle davon überzeugt wären, was offenbar noch immer nicht der Fall ist, würde das nicht reichen. Wir kennen auch die Umfragen in der Brandenburger Bevölkerung zu diesem Thema. Was wir erreichen müssen, ist, dass die Bürger uns die Frage stellen: Warum macht ihr das nicht zusammen, wenn es denn billiger ist?

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

An diesem Thema wollen und werden wir weiterarbeiten. Es gibt eine Pro-Berlin-Brandenburg-Initiative, die wir unterstützen. Es darf keine Bewegung nur von oben sein. Es muss schon von der Bevölkerung mitgetragen werden.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich auch noch zwei Bemerkungen zum Haushalt machen. Wir werden einen Haushaltsausgleich nicht hinbekommen, wenn wir uns in die Diskussion, an welcher Stelle wir denn wie viel streichen, einlassen. Ich mache einen pragmatischen, wenn auch etwas rabiaten Vorschlag. Wir setzen gedanklich alle Haushaltsstellen auf null. Dann schauen wir, wo die unverzichtbaren Ausgaben sind, weil gesetzlich bedingt, vertraglich vereinbart - Personalkosten usw. -, und füllen dann langsam die Nullstellen wieder auf. Wenn wir dann die gesetzlichen und verpflichtenden Ausgaben durchgearbeitet haben und feststellen, dass noch Geld vorhanden ist, dann wird das auf die weichen Faktoren, auf die freiwilligen Aufgaben, verteilt. Wenn wir in jedem Einzelfall über Notwendigkeit und Grad von Reduzierungen diskutierten, dann brauchten wir mehr als einen Fünfjahrplan. Das schaffen wir nicht. Wenn wir alles auf null setzen und mit dem Restgeld wieder auffüllen, geht es deutlich schneller. Das bedeutet aber auch, den Mut zu haben,

(Klein [SPD]: Das ist es, mutig müssen wir sein!)

allen Bürgern zu sagen: Der Staat bedient zuallererst nur seine Kernaufgaben. Wenn wir Geld übrig haben, wollen wir das nicht anlegen, sondern es für die freiwilligen Aufgaben ausgeben, die natürlich auch das Klima im Land mitbestimmen und nicht auf null gesetzt werden.

(Zuruf von der PDS: Wie definieren Sie das Wort „freiwil- lige Aufgaben”?)

- Die Definition „freiwillige Aufgaben” diskutiere ich mit Ihnen nicht. Ich kenne Ihre Lesart.

Ich denke, das ist die einzige Chance, um in vertretbarer und absehbarer Zeit einen Haushaltsausgleich hinzubekommen, und davon hängt in der Tat - da komme ich wieder zu der Grundaus

sage aus der Regierungserklärung zurück - die Handlungsfähigkeit der Landespolitik in den nächsten Jahren ab. - Danke.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke dem Abgeordneten Fritsch. - Ich gebe das Wort an die Fraktion der DVU, an die Abgeordnete Hesselbarth.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, warum kommt Ihre Regierungserklärung eigentlich jetzt schon? Sie hätten ruhig noch 22 Monate warten können. Dann hätte sie sich wahrscheinlich sowieso erübrigt.

(Beifall bei der DVU)

Was nutzt diese Regierungserklärung, wenn es nichts Neues gibt? Sie haben kein Geld. Sie sind an den vorhandenen unsoliden und unsozialen Doppelhaushalt gebunden. Das heißt, Sie binden sich auch an ihn. Das haben Sie heute gesagt. Er gibt nichts mehr her, im Gegenteil, neue Schulden müssen aufgenommen werden. Die Politik Ihrer Partei hat es versäumt, in guten Zeiten zu sparen, um für schlechte Zeiten vorzubeugen. Das, Herr Ministerpräsident Platzeck, ist die schonungslose Wahrheit. Auf dem Rücken der Bürger wird diese verfehlte Politik jetzt ausgetragen.

Und nicht zu vergessen: Deutschland hat gewählt und auch Sie als SPD-Mitglied und Landesvater von Brandenburg haben die Pläne der rot-grünen Bundesregierung mitzutragen und auszuführen. Was wollen Sie uns also erklären? Die Richtung Ihrer Politik steht fest und Sie befinden sich nach wie vor auf dem finanzpolitischen Holzweg. Durch die vorgesehenen Erhöhungen bei der Steuerund Abgabenlast wird es kein Wirtschaftswachstum geben, das heißt, keine neuen Arbeitsplätze.

Sie sprachen in Ihrer Regierungserklärung von vagen Allgemeinplätzen wie Besinnung auf die eigene Kraft, Vorsprung gegenüber dem Westen, der Forderung, den Aufbau und die Modernisierung Brandenburgs voranzutreiben und Ähnliches. Wie sieht die Lage in Brandenburg aber nun wirklich aus?

Sicherlich sind Sie in Person nicht für die verfehlte Politik der Vergangenheit verantwortlich zu machen. Es bleiben aber nach Ihrer heutigen Erklärung alle Fragen offen. Das Hauptproblem bleibt die unverändert hohe Arbeitslosigkeit. Die bereinigte Quote beträgt zurzeit 18,2 %. Ich frage Sie: Was unternehmen Sie konkret, um die Arbeitslosigkeit zu verringern? Bisher konnten wir von Ihnen nur vernehmen, dass Sie den Landesbediensteten mit betriebsbedingten Kündigungen drohen. Soll das etwa heißen, Herr Ministerpräsident: noch mehr Arbeitslose? Oder was soll mit diesen Menschen geschehen? Haben Sie ein Konzept, sie dann anderweitig zu vermitteln?

Klar ist, das Land hat kein Geld, also werden die Beschäftigten verantwortlich gemacht. Herr Ministerpräsident, seit dem 20. September dieses Jahres warte ich auf eine Antwort auf meinen im Namen meiner Fraktion geschriebenen offenen Brief an Sie. Es geht in meinem Brief um 4 000 Arbeitsplätze im Berliner und Brandenburger Transportgewerbe.

Übrigens sind Sie, Herr Minister Meyer, mir die Antwort auch schuldig geblieben. Ich habe Sie gebeten, sich im Bundesrat dafür einzusetzen, dass zugunsten des deutschen Fuhr- und Spediteurgewerbes eine Kompensation der zusätzlichen LKW-Maut-Abgabenbelastung ab In-Kraft-Treten des Mautgesetzes auf der Abgabenebene, insbesondere im Bereich der Kfz- und Mineralölsteuer, erreicht wird.

Ich habe Sie darauf hingewiesen, dass der Ruin eines weiteren Gewerbezweiges für Brandenburg im Hinblick auf die ökonomische Infrastruktur und auf die allgemeine wirtschaftliche Situation fatale Auswirkungen hat. Herr Ministerpräsident, Sie haben mir nicht einmal geantwortet. Sind Ihnen die vielen Einzelschicksale so egal? Voraussichtlich wird vielen weiteren Familien die Existenzgrundlage entzogen.

An dieser Stelle erinnere ich an einen Brief, der in der „Bild”Zeitung abgedruckt war. Es ist ein Hilferuf an Sie, Herr Ministerpräsident, der aber die Lage in Brandenburg treffend beschreibt.

„Lieber Onkel Matthias Platzeck, wir sind Noemi, drei, und Kai, eins, aus Schönewalde. Und du bist der Chef von Brandenburg. Aber was machst du? Unser Papi ist jetzt fast zwei Jahre arbeitslos. Nun wollte Papi eine Firma aufmachen. Aber du gibst ihm keine Landesbürgschaft...”

Vater Ralf Gösser, 44, früher baute er Wohnmobile und will es jetzt wieder tun mit einer eigenen kleinen Firma. Dafür braucht er 120 000 Euro Kredit. Doch sein Konzept war nicht gut genug. Jetzt lebt er von 900 Euro Sozialhilfe.

„Im letzten Jahr hat unser Landkreis Elbe-Elster 10 % seiner Menschen verloren. Jetzt müssen auch wir wegziehen und im Kindergarten fehlen wieder zwei Kinder. Wir gehen dann auch nicht in Schönewalde zur Schule. Die wird dann auch zugemacht. Wenn viele weggehen, werden beim Bäcker keine Brötchen mehr gekauft. Wen willst du in zehn Jahren noch regieren?”

Herr Ministerpräsident, wen wollen Sie in zehn Jahren noch regieren? Oder wollen Sie das etwa nicht? Die Mobilitätshilfe, die das Abwandern qualifizierter Arbeitskräfte aus Brandenburg noch forciert, wird weiter gezahlt. Es wandern weiterhin vor allem junge Menschen ab. Als Folge wird die demographische Falle spätestens im Jahr 2010 zuschnappen. Die jungen Menschen haben hier im Land Brandenburg keine Perspektive. Wie sollen sie sich jemals ihre Wünsche und Träume erfüllen, vielleicht eine Familie zu gründen, Kinder zu haben, ein eigenes Auto zu fahren, eine Wohnung einzurichten oder vielleicht sogar ein eigenes Häuschen zu bauen, wenn sie hier in Brandenburg keine Ausbildungs- oder Arbeitsplätze bekommen?

Sie bauen darauf, Brandenburg weltoffen und tolerant zu präsentieren, um ausländische Fachkräfte anzulocken. Für das Konzept „Tolerantes Brandenburg” ist zum Beispiel genug Geld da. Aber auch das funktioniert nicht, wie uns zum Beispiel die Nachfrage nach der Green Card beweist.

Ich komme wieder zu den Finanzen. In den Kommunen sieht es inzwischen so aus, dass in vielen Orten Bibliotheken geschlossen sind, ganze Straßenzüge nachts dunkel bleiben und die Schlaglöcher in den Straßen sich von Tag zu Tag vergrößern.

Aber wenn es nach Ihnen, Herr „Zentralisierungsminister” Schönbohm, geht - er hat lieber gleich den Saal verlassen -, gibt es viele der in Jahrhunderten gewachsenen brandenburgischen Gemeinden in absehbarer Zeit sowieso nicht mehr. Sie haben die Kommunen nicht nur finanziell ausgeblutet, sondern wollen sie jetzt auch noch mit Zwangsmitteln fusionieren.

Bei alldem wachsen der Schuldenstand der Kommunen und des Landes und damit die Pro-Kopf-Verschuldung kontinuierlich, während andererseits die Investitionsquote rapide zurückgeht.

Sehen wir uns den Mittelabfluss zum 30.09.2002 an, dann müssen wir mit Erschrecken feststellen, dass der Mittelabfluss für Investitionsausgaben und Investitionsförderung bei nur 45,4 % der veranschlagten Ausgaben lag.

Bei den öffentlichen Bauausgaben sah es mit der Inanspruchnahme von knapp 60 % nicht viel besser aus. Statt also zu investieren und damit direkt und indirekt Arbeitsplätze zu schaffen, spart diese rot-schwarze Landesregierung Brandenburg zu Tode, bei gleichzeitiger galoppierender Neuverschuldung. Mit Ihrer Deinvestitionspolitik würgen Sie die mittelständische Wirtschaft, insbesondere die Bauwirtschaft, ab und vernichten noch mehr Arbeitsplätze.

Die Baubranche ist die Schlüsselbranche für die deutsche Volkswirtschaft. Ohne sie ist eine Wende am Arbeitsmarkt nicht zu schaffen. Um die Bauwirtschaft wieder zur Konjunkturlokomotive zu machen, müssen einfach Investitionen her. Und Sie betreiben genau das Gegenteil.

Auch der neue Nachtragshaushalt ändert nichts daran. Ganze zwei Zahlen, beschrieben auf 95 Seiten Papier - das Geld für die Ausarbeitung und das Papier hätten Sie sich echt sparen können. Besser hätten Sie das Geld in unsere Schulen gegeben zur Finanzierung von aktuellen Schulbüchern oder Kopierpapier. Das haben sie nämlich nicht.

(Beifall bei der DVU)

Herr Ministerpräsident, sie sprechen in Ihrer Regierungserklärung so viel von Bildung und Ausbildung. Aber das schlechte Bildungsniveau in Brandenburg zeigt genau das Gegenteil. Auch hier wurde nicht genug investiert.

Viele Jugendliche in Brandenburg brechen die Schulausbildung vorzeitig ab. Jährlich verlassen knapp 9 % die 9. und 10. Klassen der allgemein bildenden Schulen ohne die Berufsbildungsreife. Das ist Ihrer Antwort, Herr Sozialminister Baaske, auf eine Kleine Anfrage meiner Fraktionskollegin Birgit Fechner zu entnehmen.

Auf einem ähnlich hohen Niveau bewegen sich die Zahlen für den Abbruch von Lehrverhältnissen in der betrieblichen und überbetrieblichen Ausbildung. Die DVU-Fraktion hat auch hier sofort reagiert und einen Antrag erarbeitet, über den wir hier heute noch debattieren werden.

Die Landesregierung wird aufgefordert, eine Analyse der Gründe zu erstellen und ein Maßnahmenpaket zur deutlichen Reduzierung der Schul- und Ausbildungsabbrecher zu verabschieden. Ich kann nur hoffen, dass dieser DVU-Antrag von den anderen Fraktionen mitgetragen wird.

Herr Ministerpräsident, während also das Bildungsniveau im Lande immer niedriger wird, ist auch der Bereich der Hochschulen finanziell deutlich unterversorgt. Oder wie sonst erklären Sie sich die rapide ansteigende Zahl der Studienabbrecher?

Außerdem vermisse ich in Ihrer Regierungserklärung folgenden Punkt. Was konkret werden Sie gegen den steigenden Drogenkonsum und Drogenhandel unternehmen? Wie wir alle wissen, haben die polizeilich registrierten Rauschgiftstraftaten in den vergangenen fünf Jahren deutlich zugenommen. Herr Minister Schönbohm, wenn man sich damit beschäftigt, durch den Einsatz von V-Leuten eigene Straftaten zu begehen, hat man natürlich keine Zeit mehr für die Aufklärung der zunehmenden Drogenkriminalität im Lande.

Und Sie, Herr Prof. Dr. Bisky - leider ist er jetzt auch nicht anwesend -, sind ein schlechter Schauspieler. Sie regen sich hier heute über den Verfassungsschutz auf. Sie hätten die zahlreichen Anträge der DVU-Fraktion einfach mittragen sollen. Dann hätten Sie ein Problem weniger.

(Beifall bei der DVU)

Aber, Herr Ministerpräsident, müssen sich die Menschen jetzt betäuben, um den sozialen Leidensdruck zu ertragen? Herr Ministerpräsident, wir fordern Sie auf, für Brandenburg Folgendes zu tun:

Erstens: Stellen Sie die öffentliche Förderung so um, dass der Großteil den kleinen und mittelständischen Betrieben zugute kommt!

Zweitens: Starten Sie endlich eine echte Existenzgründeroffensive für qualifizierte Menschen und eine Qualifizierungsoffensive, die den Menschen den Weg in die Selbstständigkeit öffnet!

Drittens: Konzentrieren Sie Ihre Fördermaßnahmen auf die Liquiditätssicherung und Konsolidierung des Mittelstandes und nicht auf Investruinen!