Mit den vorgelegten Gesetzentwürfen wurde in die Begründung erstmals neben der allgemeinen Gesetzesbegründung auch ein Leitbild des Reformgesetzgebers aufgenommen. Damit ist die Landesregierung der von der PDS bereits vor zwei Jahren erhobenen Forderung nachgekommen, dass Leitbild und Leitlinien der landesweiten Reform durch den Gesetzgeber, sei es auch nur in Form der Gesetzesbegründung, zu bestimmen und auszufüllen sind, weil Leitbild und Leitlinien die Gründe des öffentlichen Votums für gesetzliche Neugliederungen von Gemeinden konkretisieren.
Bislang war dies der Regierung allein überlassen, die mit ihren Leitlinien vom Juli 2000 lediglich eine ministerielle Entscheidungspraxis für die Genehmigung freiwilliger Zusammenschlüsse sicherstellte, ohne damit auch schon den Landtag vorab binden zu können. Nun wird dem Landtag ein Leitbild des Reformgesetzgebers untergeschoben, das in Kontinuität zu den Regierungsleitlinien stehen und gleichzeitig präzisieren soll.
Für die Behandlung des Entwurfs des Zweiten Gesetzes interessiert vor allem, welches Leitbild für die Stadt-Umland-Problematik gezeichnet wurde. Insgesamt betreffen überhaupt drei der vier Gesetzentwürfe Neugliederungen im Umfeld von kreisfreien Städten zulasten der betreffenden Landkreise und nehmen auf die Leitbildvorgaben der Stadt-Umland-Problematik Bezug. Doch die Gründe für eine Eingemeindung von Umlandgemeinden, wie enge bauliche Verflechtung, Erfordernis der Gebietserweiterung wegen Flächenbedarfs, dauerhaft fehlende Leistungsfähigkeit der Umlandgemeinden usw., tragen bereits die mit diesem Gesetzentwurf vorgeschlagene Neugliederung nicht. Hierauf werde ich noch eingehen.
Besonders bedauerlich ist aber auch, dass die Anregung der Oberbürgermeisterin der Stadt Cottbus und des Landrats des Landkreises Spree-Neiße vom 29. Juli 2002, nach neuen Wegen der Zusammenarbeit in der Region, angelehnt an den Regionalverband Hannover, zu suchen, völlig unbeachtet blieb. Mit fadenscheiniger Begründung wird im Rahmen der Abwägung eine Verbandslösung, obwohl sie selbst im Gesetzentwurf als Alternative aufgeführt wird, abgelehnt.
Es kann nicht vordergründig darum gehen, dass freilich die Beschlussfassungen der kommunalen Vertretungen eingeholt werden müssen und die kommunalen Hauptverwaltungsbeamten nur auf Zeit bestellt sind. Vielmehr war die berechtigte Forderung erhoben worden, die nun vorliegende Gesetzesvorlage abzuändern oder auszusetzen, bis für eine neue Struktur Wege gefunden werden, die ein Pilotprojekt dieser Art überhaupt zulassen. Hier ist eine Chance vertan worden.
Auch anhand der Stellungnahmen aus dem Amt Neuhausen/Spree ist bereits jetzt festzustellen, dass ein kurzfristig angelegtes gesetzgeberisches Handeln zu dauerhaften emotionalen Schäden und zur Störung des kommunalpolitischen Klimas führen kann. Dies muss umso mehr gelten, wenn der Gesetzentwurf voller falscher und unvollständiger Angaben ist, die Abwägung aber darauf gestützt wurde. So liegt mir eine berichtigende Stellungnahme des Amtes Neuhausen/Spree im Umfang von 20 Seiten vor, in der das Fazit gezogen wird, dass bereits das Anhörungsmaterial fehlerhaft, unvollständig und unobjektiv gewesen sei, sodass der Eindruck entstehen müsse, dass eine vorgefasste, jedoch unbegründete Vorstellung fern jeder Demokratiegrundsätze durchgesetzt werden solle.
Herr Sarrach, könnten Sie mir bitte erläutern, was eine Diskussion über die Zukunft der Stadt Cottbus und des Spree-NeißeKreises in einigen Jahren direkt mit diesem Gesetzentwurf, damit, dass man eingemeindet, zu tun hat? Worin besteht nach
Weil diese Form der Zusammenarbeit - wie dem Schreiben der Oberbürgermeisterin und des Landrates zu entnehmen ist - diese Eingemeindungen überflüssig machen würde. - Ein Vergleich zwischen Anhörungsmaterial und Gesetzentwurf ergab schon jetzt, dass notwendige Berichtigungen noch immer nicht vorgenommen wurden.
Ob tatsächlich eine bauliche Verflechtung zwischen Cottbus und Kiekebusch, Groß Gaglow und Gallinchen besteht und andere Argumente für die Eingemeindung dieser Umlandgemeinden nach Cottbus vorgebracht werden, soll den Ausschuss beschäftigen. Dies gilt auch für die Prüfung und Abwägung der anderen Variante, nämlich des Zusammenschlusses aller 18 Gemeinden des Amtes Neuhausen/Spree. Letzteres entspricht übrigens dem manifestierten Willen der Gemeindevertretungen und der Bevölkerung.
Daher kündige ich für meine Fraktion schon jetzt an, dass wir nach wie vor die Initiative der Oberbürgermeisterin Raetzel und des Landrats Friese auch im Landtag zur Diskussion stellen und beiden ermöglichen wollen, im Innenausschuss direkt angehört zu werden. - Ich danke Ihnen.
Ich danke dem Abgeordneten Sarrach. - Ich gebe das Wort an die Fraktion der SPD, Herrn Abgeordneten Schippel. - Ehe er am Rednerpult ist, möchte ich Gäste vom Erwachsenenbildungswerk aus Rathenow begrüßen. Herzlich willkommen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Sarrach, Sie müssen nicht immer betonen, wen Sie zur Anhörung einladen. Das ist Ihr gutes Recht. Allerdings kommen Sie vermutlich zu spät. Selbstverständlich gehen wir davon aus, dass alle Betroffenen eingeladen werden. Wir sind daran genauso interessiert wie Sie.
Was das Modell Hannover betrifft, ist das eine Vereinbarung auf vier Ebenen. Ich kenne eine solche Vereinbarung zwischen dem Landkreis Spree-Neiße und der Stadt Cottbus bis jetzt noch nicht einmal im Entwurf. Insofern hat die Umsetzung beim Modell Hannover Jahre gedauert.
Was mit dem erwähnten Brief versucht wird, ist gegebenenfalls die Entschuldigung dafür, die Problemlösung auszusetzen. Das können wir aber nicht zulassen, wenn wir andere nicht ungerecht behandeln wollen. Insofern lassen Sie diese Sache hier heraus; das hat mit der Gemeindereform wirklich nichts zu tun.
Ich hatte bereits darauf hingewiesen, dass sich eine logische Folge und eine gewisse Stringenz durch alle sechs Gesetze ziehen wird, ja, ziehen muss. All diese Gesetze haben sich aus den von uns zur Kenntnis genommenen Leitlinien der Landesregierung zur Gemeindegebietsreform ergeben bzw. wurden daraus abgeleitet als Entwurf in eine ministerielle Anhörung gegeben, wie es das Verwaltungsverfahrensgesetz vorschreibt. Dort wurde mit allen betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften bzw. Gemeinden erörtert, welche Auffassung sie zu diesem Vorschlag haben. Als Ergebnis dieser Anhörung wird es zum Teil noch Änderungen geben.
Hinsichtlich der kreisfreien Städte Brandenburg, Cottbus und Potsdam und der an sie angrenzenden Gemeinden und Landkreise war dies nicht der Fall. Die Argumentation der Landkreise Spree-Neiße und Potsdam-Mittelmark ähnelt sich in manchen Teilen. Das ist nicht verwunderlich, da doch die Konsequenzen für die Landkreise, beispielsweise der Verlust von Einwohnern, zum Teil sogar der Verlust von wirtschaftlich prosperierenden Gemeinden, durchaus schmerzlich ist. Das erkennen wir an.
Im Falle der Stadt Cottbus und des Landkreises Spree-Neiße mit dem Amt Neuhausen kommt noch ein eindeutiger Bürgerentscheid im Amt Neuhausen als ein schwerwiegender und zu berücksichtigender Punkt hinzu. Das gilt im Übrigen für alle Bürgerentscheide. Die Problematik der Bürgerentscheide möchte ich deswegen hier auch stellvertretend für Potsdam und Golm sowie andere Landesteile ansprechen.
Wenn ich nun den Bürgerentscheid im Amt Neuhausen, wonach die Eingliederung der drei amtsangehörigen Gemeinden nach Cottbus abgelehnt wird, als schwerwiegend bezeichne, dann tue ich dies, wie andere auch, weniger im juristischen Sinne. Die Auffassung, dass eine Eingliederung gegen den erklärten Willen der unmittelbar betroffenen Bürger undemokratisch und unzulässig sei, wird durch die Verfassung nicht gestützt. Diese Auffassung entspricht nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen und den Grenzen einer gesetzlichen Neugliederung, die sich aus Artikel 98 unserer Landesverfassung ergeben, und steht nicht im Widerspruch zu gesetzlichen Garantien hinsichtlich des Bestands der Gemeinde.
Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage, von wem auch immer. Hierbei geht es um eine institutionelle Garantie, nicht um eine Gewährleistung des Bestands der einzelnen Gemeinden Kiekebusch, Groß Gaglow und Gallinchen. Das Votum der Bürger bzw. Einwohner bildet einen - ich betone: einen - von einer Vielzahl zu beachtender Gesichtspunkte. Ich verweise hierzu gern auf Urteile des Sächsischen Verfassungsgerichts vom 13.12.1996 zu der dortigen Kreisneugliederung bzw. auf ein Urteil des Brandenburger Verfassungsgerichts im Zuge des Braunkohlengrundlagengesetzes von 1997.
Wenn ich von schwerwiegenden Gründen im nicht juristischen Sinne spreche, dann rede ich also von einer Erwartungshaltung aller beteiligten Bürgerinnen und Bürger, die wir nicht recht
zeitig auf diesen verfassungsrechtlichen Umstand hingewiesen haben. Diesen Fehler müssen wir eingestehen. Die Tatsache, dass einerseits 105 000 Cottbusser über ihre gewählte Vertretung, die Stadtverordnetenversammlung, einer Eingliederung zugestimmt haben
- schreien Sie doch nicht dazwischen; die Oberbürgermeisterin ist an die Aufträge ihrer Stadtverordnetenversammlung gebunden, anderenfalls wird sie dort Probleme bekommen -, andererseits aber 10 000 Bürgerinnen und Bürger des Amtes Neuhausen eine Eingliederung direkt abgelehnt und sich für die Bildung einer amtsfreien Gemeinde ausgesprochen haben, macht die Bewertung des Bürgerwillens nicht gerade leicht. Insofern ist die Ablehnung der Neuhausener Bürgerinnen und Bürger per Bürgerentscheid wie in anderen Fällen ein insgesamt wichtiger, aber nicht allein bindender Gesichtspunkt für das zweite Eingliederungsgesetz.
Ich danke dem Abgeordneten Schippel und gebe das Wort an die Fraktion der DVU, Herrn Abgeordneten Claus.
Herr Präsiden! Meine Damen, meine Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf betrifft die Umsetzung der Gemeindegebietsreform nach den Vorstellungen der Landesregierung im Umland der Stadt Cottbus, und zwar im Bereich des bisherigen Amtes Neuhausen/Spree. Betroffen sind nach § 1 des Entwurfes insbesondere die bisherigen Gemeinden Groß Gaglow, Gallinchen und Kiekebusch. Diese sollen nach dem Konzept der Landesregierung zwangsweise - also gegen ihren Willen - in die kreisfreie Stadt Cottbus eingegliedert werden. Ansonsten soll aus 14 weiteren Gemeinden unter Abschaffung des bisherigen Amtes Neuhausen/Spree eine neue amtsfreie Gemeinde Neuhausen/Spree gebildet werden.
Meine Damen und Herren, am 9. September 2001 votierten in den genannten Gemeinden Groß Gaglow, Gallinchen und Kiekebusch 95,21 % der Bürgerinnen und Bürger dafür, zusammen mit den übrigen Umlandgemeinden eine amtsfreie Gemeinde zu bilden. Bei der Abstimmung innerhalb diese Gemeinden sprachen sich 91,92 % der Bürger für die Bildung der amtsfreien Gemeinde aus. Daraus wird ersichtlich, dass ein gutes „Reformstück” in diesem Bereich auf freiwilliger Basis erfolgt: der Gemeindezusammenschluss zu der neuen amtsfreien Gemeinde Neuhausen/Spree und die Abschaffung des Amtes Neuhausen/Spree. Das entspricht also dem Bürgerwillen; daran sollte auch nicht gerüttelt werden.
Kontrovers ist nur die zwangsweise Eingliederung der Gemeinden Groß Gaglow, Gallinchen und Kiekebusch nach Cottbus anstelle der Beteiligung dieser Gemeinden am Zusammenschluss zur Gemeinde Neuhausen/Spree. In dieser Angelegenheit ist noch ein von den Gemeinden betriebenes verwaltungs
rechtliches Verfahren anhängig. Ganz unabhängig von diesem Verfahren ist aus Sicht der DVU-Fraktion entscheidend, dass die Eingliederung nach Cottbus zwangsweise erfolgen soll, wofür zwingende Gründe vorliegen müssen. Anderenfalls muss der Bürgerwille, der mit 95,21 % eindeutig ist, Vorrang genießen. Wer hier vom Bürgerwillen abweichen will, steht also unter Begründungszwang.
Nach den Leitbildvorgaben der Landesregierung soll eine Eingliederung von Umlandgemeinden erfolgen, wenn erstens eine enge bauliche Verflechtung besteht oder in absehbarer Zeit zu erwarten ist, zweitens die Entwicklung einer Stadt die Erweiterung ihres Gebietes erfordert, drittens die gemeinsame Erledigung einer Mehrzahl von Verwaltungsaufgaben erforderlich ist oder viertens die dauerhafte Leistungsfähigkeit nicht gesichert und eine Zusammenfassung mit Umlandgemeinden nicht sinnvoll ist. Die dauerhafte Leistungsfähigkeit kann nach den Feststellungen der Landesregierung aus unserer Sicht allenfalls bei der Gemeinde Gallinchen infrage stehen, während bei Groß Gaglow und Kiekebusch die Einnahmen die Ausgaben wesentlich übersteigen und die landesdurchschnittliche Verschuldung von 1 380 DM mit 183,85 DM bzw. 343,57 DM je Einwohner erheblich unterschritten wird. Jedenfalls sind zwei dieser Gemeinden wirtschaftlich ausgesprochen gesund.
Zudem wenden die Gemeinden gegen ihre Eingliederung nach Cottbus einvernehmlich ein, bei einer Eingemeindung werde im Ort nichts mehr passieren, man wolle nicht verstädtert werden, man habe Sorge, dass mit der Eingliederung ein Verlust an Bürgernähe verbunden sei, eine enge städtebauliche Verflechtung mit der Stadt Cottbus bestehe nicht und es gehe bei dem Gesetzesvorhaben vornehmlich um die Finanz- und Einwohnerstärkung der Stadt Cottbus.
Die Einwohnerzahl der Stadt Cottbus ist seit 1995 deutlich rückläufig. Der Schuldenstand je Einwohner ist hier deutlich höher als in den betroffenen Gemeinden und die Ausgaben übersteigen in den letzten Jahren die Einnahmen erheblich. Demgegenüber nutzen aber die Einwohner der betroffenen Gemeinden die städtische Infrastruktur der Stadt Cottbus, also Schulen, Kitas, Verkehrsanbindungen, Versorgungs- und Freizeiteinrichtungen etc., mit.
Aus Sicht der DVU-Fraktion ergeben sich aus alledem keine zwingenden Gründe für eine Eingliederung der Gemeinden nach Cottbus gegen den Bürgerwillen. Die Entwicklung der Stadt Cottbus, deren Einwohnerzahl rückläufig ist, erfordert nicht zwingend die Erweiterung des Stadtgebietes. Ansonsten handelt es sich hier aus Sicht meiner Fraktion um das typische Speckgürtelproblem im Umfeld größerer Städte. Wir haben es hier im kleineren Maßstab mit einer Entwicklung zu tun, wie sie nahezu jede deutsche Großstadt aufweist, ob Berlin, Hamburg, Frankfurt oder Köln: Insbesondere einkommensstarke Einwohner ziehen aufs Land, Gewerbe siedelt sich im Umland an, die Städte verlieren an Finanzkraft, die Umlandgemeinden gewinnen sie und die Bürgerinnen und Bürger der Umlandgemeinden nutzen die städtische Infrastruktur mit.
Noch einen Satz, Herr Präsident; ich danke Ihnen für Ihr Verständnis. - Ein solcher Sachverhalt allein ist aus Sicht meiner Fraktion aber kein zwingender Grund für eine Eingliederung gegen den Bürgerwillen. Wäre es so, müsste man künftig wohl halb Brandenburg nach Berlin eingliedern. - Danke schön.
Ich danke dem Abgeordneten Claus und gebe das Wort an die Fraktion der CDU, Herrn Abgeordneten Petke.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Landtag ist sich einig, dass die Stärkung der vier kreisfreien Städte ein Anliegen unserer Bemühungen und natürlich auch der Politik der Landesregierung sein muss. Die Städte und insbesondere die kreisfreien Städte sind für die Zukunft unseres Landes von überaus großer Bedeutung.