Protocol of the Session on June 26, 2002

seit 8 Jahren im Sankt Martin unseres Sankt-Florian-Stiftes ein menschenwürdiges Leben führen kann, dann stellt sich für mich die Frage: Wie hätten wir ihn fördern können, wenn man ihm im Kindesalter eine Chance für die Rehabilitation und geistige Förderung gegeben hätte?

Es sind viele Problemfelder, die sich abzeichnen. Wir stehen sowohl in der stationären als auch in der ambulanten Pflege vor großen Herausforderungen. Das ist für uns in den zurückliegenden Monaten sehr deutlich geworden, denn das AG-BSHG und in Verbindung damit auch das Haushaltsstrukturgesetz 2002 waren im letzten Jahr Anlass für mehrere Anhörungen und Diskussionsrunden.

Insbesondere durch den Landkreistag und die Kreise Prignitz und Potsdam-Mittelmark gab es heftige Kritik an den Festlegungen, die das Land getroffen hat. Die Festlegungen wurden als völlig unzureichend und damit nicht praktikabel kritisiert. Andere Kreise, wie beispielsweise Dahme-Spree, haben in ihren Stellungnahmen zum Ausdruck gebracht, dass für sie die landesseitigen Regelungen der Versuch einer Steuerung sind, dass man, wenn man große Anstrengungen unternimmt, die Vorgaben auch umsetzen kann.

Hauptprobleme waren für die Kreise die fehlende Mitsprachemöglichkeit und die Fallzahlenobergrenze, die durch das Land festgelegt wurde.

Auch in verwaltungstechnischer Hinsicht gibt es sicherlich einige Gesichtspunkte, die die Vereinfachung der Arbeit für die Kommunen betreffen. Aber ich denke, wir sollten uns an der Sache orientieren. Da können wir nicht sagen, dass wir nur die Negativseite belasten können, sondern wir müssen das anerkennen, was auf den Weg gebracht wird, und uns gemeinsam darüber streiten, was noch zu tun ist. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort geht an die Landesregierung. Für sie spricht Minister Ziel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Alle Fragen, die die Landesregierung beantworten kann, beantwortet sie auch. Aber, liebe Frau Kollegin Bednarsky, Sie haben hier in einer Weise losgelegt - nicht zur Sache, sondern polemisch -, dass ich Sie gar nicht wiedererkannt habe. Im Stillen habe ich gedacht, Sie wollen den demokratischen Zentralismus der DDR wieder einführen. Denn Sie wissen doch selbst ganz genau, dass die Kommunen selbstverwaltet organisiert sind und dass wir ihnen keine Befehle erteilen können. Der Minister kann nicht daherkommen und sagen: Das und das habt ihr für mich zu machen. - Das wünschen wir aber auch nicht.

Wir halten das Prinzip, den Grundsatz der Selbstverwaltung hoch. Das ist eine Errungenschaft, die wir festhalten sollten.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und CDU)

Meine Damen und Herren! Wir haben gerade, was die Behindertenpolitik angeht, gemeinsam mit den Kommunen dieses Landes einen Paradigmenwechsel herbeigeführt - einen Paradigmenwechsel weg von der Fürsorge und Betreuung allein hin zu einer möglichst umfassenden Teilhabe der Behinderten am gesellschaftlichen Leben.

Das ist eine Philosophie, die wir gemeinsam mit den Sozialdezernentinnen und Sozialdezernenten unseres Landes, gemeinsam mit den vielfältigen Trägern in unserem Land, gemeinsam mit den vielen freiwilligen Helferinnen und Helfern unseres Landes auf den Weg gebracht haben.

Herr Minister, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage zu beantworten?

Ich will nur den Gedanken zu Ende führen, Herr Präsident. - Die aktuelle Gesetzgebung des Bundes unterstützt eben auch diese Philosophie mit dem Sozialgesetzbuch IX, natürlich auch mit dem Gleichstellungsgesetz.

Bitte sehr, Frau Bednarsky.

Herr Minister, können Sie mir vielleicht zugestehen, dass ich doch etwas stark befremdet war von der Beantwortung unserer Großen Anfrage, zumal wir ja - und Sie sicherlich noch eher als wir - den Bericht des LASV vorliegen hatten und in diesem Bericht des LASV die Fragen, die wir gestellt haben, beantwortet waren? Nehmen Sie mir vielleicht ab, dass ich mich darüber geärgert habe, dass Sie uns als Abgeordnete Paragraphen des BSHG erläutern, die wir selbst nachlesen können? Nehmen Sie mir vielleicht auch ab, Herr Minister - wir arbeiten schon so lange zusammen -, dass ich sehr wohl anerkenne, was im Bereich der Behindertenpolitik passiert ist? Aber wenn wir diesen Bericht des LASV als Grundlage genommen hätten, wäre das alles anders ausgefallen. Wir müssten jetzt diesen Bericht wirklich zur Grundlage der weiteren Arbeit nehmen.

Ich möchte Sie ganz einfach bitten, das zur Kenntnis zu nehmen.

Frau Kollegin Bednarsky, der Bericht des Landesamtes für Soziales und Versorgung ist ja kein Geheimpapier und jeder Abgeordnete, aber auch jede Bürgerin und jeder Bürger dieses Landes können ihn lesen. Wir werden doch nicht unter den Teppich kehren, was das LASV zu berichten hat.

Aber ich will Ihnen auch noch sagen: Sie wissen ganz genau, dass wir lediglich die Rechtsaufsicht über die Kommunen haben. Ansonsten will ich mich mit Ihnen darüber nicht streiten. Ich war nur enttäuscht darüber, dass es Ihrem Vortrag an Sachlichkeit mangelte.

Meine Damen und Herren! „Teilhabe” ist das eigentliche Stichwort, auf das ich noch eingehen wollte. Teilhabe von behinderten Menschen, Teilhabe von chronisch kranken Menschen - was mir da in der Praxis des Landes begegnet, ist nicht alles sehr erhebend. Es gibt Beispiele, die reichlich erschütternd sind.

Da werden zum Teil Hotels neu gebaut ohne Zugang für Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer. Eine Rollstuhlfahrerin erzählte mir: Ich wollte mit meinem Mann im Hotel unterkommen. Als wir angerufen haben, hat man uns gesagt, man habe leider keine Möglichkeiten, Rollstuhlfahrer unterzubringen. Sie haben mir auch noch ganz leise weinend erzählt: Eigentlich hatten wir auch nicht daran gedacht, Sie in unserem Hotel unterzubringen.

Wo sind wir eigentlich gelandet, wenn so etwas in unserem Lande auch vorkommt? Das ist eine Ausnahme, aber es kommt eben auch vor.

Der Wirtschaftsminister und der Sozial- und Gesundheitsminister geben viel Geld aus, um bestimmte Entwicklungen in unserem Land zu fördern. Das gilt beispielsweise für die Thermalbäder. Folgendes ist mir passiert: Ich werde eingeladen zu einem so genannten Tag der offenen Tür in einem Thermalbad.

Als ich sechs behinderte Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer in das Thermalbad hineinfahren sah, freute ich mich darüber. Ich ging auf sie zu und fragte: Sind Sie denn auch gut hineingekommen? Ich wollte hören, dass alles rollstuhlfahrergerecht sei.

Sie antworteten mir: Wir sind hineingekommen! - Aber gleichzeitig wurde ich aufgefordert, mir das Bad anzusehen. Die Rollstuhlfahrer sagten mir: Wir kommen nicht in das Schwimmbecken. Dafür gibt es keine Vorrichtung.

Diese Einrichtung wurde mit Millionen an Fördermitteln unseres Landes gebaut. Mittlerweile ist die Nachrüstung erfolgt. Anderenfalls hätten wir unser Geld zurückgezogen. Wir müssen nachhaltig arbeiten und darauf achten, dass wir über solche Themen nicht nur reden, sondern auch konkret handeln.

Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir auf der Grundlage von § 16 a des Gemeindefinanzierungsgesetzes in unserem Land Strukturen schaffen konnten, die der ambulanten Versorgung Vorrang vor der stationären einräumen. Frau Marquardt ist vorhin darauf eingegangen; ich muss das jetzt nicht tun. Aber es muss uns sehr wichtig sein, dass chronisch Kranke die großen Häuser verlassen und in neuen oder rekonstruierten Häusern ein menschenwürdiges Leben führen können. Diese Erfolge sollte man nicht kleinreden, liebe Kolleginnen und Kollegen von der PDS. - Danke schön.

(Beifall bei SPD und CDU)

Wir sind am Ende der Rednerliste. Ich beende die Aussprache. Damit ist die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 42 der Fraktion der PDS, Drucksache 3/4334, zur Kenntnis genommen worden. Ich schließe Tagesordnungspunkt 8.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 9:

Die Auswirkungen der EU-Erweiterung für Brandenburg erfolgreich gestalten - Zweiter Bericht der Landesregierung zur Vorbereitung des Landes Brandenburg auf die Erweiterung der Europäischen Union

Bericht der Landesregierung

Drucksache 3/4505

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung. Herr Minister Schelter, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat Ihnen einen Zweiten Bericht zur Vorbereitung des Landes Brandenburg auf die Erweiterung der Europäischen Union vorgelegt. Mit diesem guten Ergebnis einer interministeriellen Arbeitsgruppe wird die Strategie unseres Landes zur Vorbereitung auf die Erweiterung der Europäischen Union weiter präzisiert.

Die Arbeitsgruppe hat in einer Anlage alle Projekte zusammengestellt, die die Landesregierung für eine sachgerechte Vorbereitung schon ergriffen hat oder zukünftig ergreifen wird bzw. - bei entsprechender Finanzierungsmöglichkeit - ergreifen sollte.

Bericht und Übersicht zeigen, dass unsere Vorbereitung mit dem Tempo der Beitrittsverhandlungen Schritt gehalten hat. Wir sind gut aufgestellt, um die Chancen der Osterweiterung umfassend nutzen zu können.

Damit wir aber den Anschluss nicht verlieren, brauchen wir zusätzliche Projekte. Die strukturschwachen Grenzregionen dürfen nicht weniger von der Erweiterung profitieren als die wirtschaftsstarken Regionen in den traditionellen Zentren der Europäischen Union.

Lassen Sie mich die wichtigsten Schwerpunkte unserer Strategie kurz vorstellen.

Es geht - erstens - um die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur. Die Europäische Union rechnet innerhalb der nächsten 15 Jahre mit einer deutlichen Zunahme des grenzüberschreitenden Waren- und Personenverkehrs. Die Landesregierung setzt sich deshalb weiterhin nachdrücklich für den Ausbau bestehender und die Errichtung zusätzlicher Grenzübergänge ein, vor allem im Norden von Schwedt, im Raum Bad Freienwalde und nördlich von Eisenhüttenstadt.

Zweitens geht es um die Wirtschaft. Hier liegt der Schwerpunkt bei der Förderung der kleinen und mittleren Unternehmen. Die üblichen außenwirtschaftlichen Instrumente können auch für die Erweiterung genutzt werden. Ich denke zum Beispiel an die Markterschließungsrichtlinie, an ein Bürgschaftsprogramm sowie an die deutsch-polnische Wirtschaftsförderungs-Aktiengesellschaft. Diese Instrumente sollen auch zum Betreten unternehmerischen Neulandes ermutigen.

Es geht uns - drittens - um die Vermittlung von sprach- und landeskundlichen Kenntnissen sowie um sonstige Qualifizierungsmaßnahmen.

Viertens brauchen wir eine gute soziale und kulturelle Vorbereitung auf die Erweiterung durch Information, Begegnung, Austausch und Kooperation.

Die Landesregierung richtet ein besonderes Augenmerk auf Kommunal-, Kreis- sowie Schulpartnerschaften. Hier müssen wir die vorhandenen Initiativen stärker bündeln, um Synergieeffekte freizusetzen und die bestehenden Partnerschaften vor Ort besser bekannt zu machen.

Bericht und Übersichten werden in erster Linie vor dem Hintergrund erstellt, unsere eigenen Ressourcen zu bündeln und zu mobilisieren. Mit diesen Mitteln wollen wir Hilfe zur Selbsthilfe leisten.

Die Zusammenstellung enthält darüber hinaus die klare Aussage, dass das Land Brandenburg der Hilfe des Bundes und der Europäischen Union bedarf.

Mit der nun vorliegenden detaillierten Übersicht wird es künftig leichter, zu begründen, wofür wir zusätzliche Mittel benötigen.

Die Bundesregierung hat in ihren Antworten vom 19. Juni dieses Jahres auf Große Anfragen der PDS-Fraktion und der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag zur Vorbereitung der Grenzregionen auf die Osterweiterung und zu den wirtschaftspolitischen Auswirkungen der EU-Osterweiterung zwar einen zusätzlichen Anpassungsdruck für die Grenzregionen anerkannt; spezielle Fördermaßnahmen zur Bewältigung dieses zusätzlichen Drucks sind bisher aber unterblieben.

Meine Damen und Herren! Dabei kann es nicht bleiben. Der Bund darf sich seiner Mitverantwortung für die Grenzregionen nicht entziehen.

Die Landesregierung hat die interministerielle Arbeitsgruppe damit beauftragt zu überprüfen, ob und gegebenenfalls welche zusätzlichen und bisher nicht finanzierten Maßnahmen die Ressorts zur Vorbereitung des Landes auf die EU-Osterweiterung durchführen werden. Das Ergebnis soll dem Kabinett Ende 2002 im Rahmen eines dritten Berichts vorgelegt werden. In diesen Bericht werden auch die Ergebnisse einer breit angelegten Öffentlichkeitskampagne einfließen.

Meine Damen und Herren! In den zahlreichen Diskussionsveranstaltungen mit Wirtschaftsverbänden zeigt sich, dass das Interesse an den Chancen der Osterweiterung geweckt ist. Die Risiken werden nicht mehr übertrieben, sondern in realistischen Dimensionen gesehen. Das ermutigt mich zu der Aussage: Die Landesregierung ist auf dem richtigen Weg, die große Mehrheit der Brandenburger davon zu überzeugen, welche Vorteile die EU-Erweiterung für sie mit sich bringt und im Vorfeld schon mit sich gebracht hat. Lassen Sie uns gemeinsam mit Entschlossenheit und Zuversicht an dieser wichtigen Aufgabe weiterarbeiten! - Vielen Dank.