Protocol of the Session on December 31, 2000

Drucksache 3/4125

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt mit dem Beitrag der DVU. Herr Abgeordneter Claus, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Der Spargelanbau hat in Brandenburg in den letzten Jahren eine eigene Definition erhalten.

Umweltminister Birthler erklärte am 19. Oktober 2000 in einem Gespräch mit Journalisten anlässlich des „ersten Geburtstages” des Ministeriums für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung:

„Aus Gründen des Natur- und Landschaftsschutzes ist eine ausgewogene Entwicklung bei Windkraft notwendig. Eine ‘Verspargelung’ des Landschaftsbildes darf es jedoch nicht geben.”

Diese Erkenntnis zur Nutzung regenerativer Energien hätten Sie, Herr Minister, seit damals aber irgendwie in die Tat umsetzen müssen.

Die Nutzung erneuerbarer Energien soll neben Energieeinsparung und einer effizienteren Energiebereitstellung zentraler Bestandteil der Klimaschutzpolitik des Landes sein. Die Landesregierung vertraut deshalb weiterhin fest darauf, bis zum Jahr 2010 die Träger erneuerbarer Energien mit 5 % am Primärenergieverbrauch beteiligen zu können. Damit soll ein Schadstoffausstoß von etwa 3 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr vermieden werden. „Wer’s glaubt, wird selig”, kann ich da nur sagen.

Diese tollen Pläne sind jedoch schon aus finanzpolitischer Sicht eine Milchmädchenrechnung, insbesondere was die Windkraft in Brandenburg angeht. Abgesehen von den Abgaben aufgrund gesetzlicher Regelungen - Ökosteuer, Ökozulage im Rahmen des Eigenheimzulagegesetzes, Erneuerbare-Energien-Gesetz -, wird die Windkraft mit für Brandenburg horrenden Summen subventioniert. Die Fördermöglichkeiten wurden hierfür noch nie so stark ausgeschöpft wie heute.

Allein aus den eigenständigen Landesprogrammen des Ministeriums für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung für Vorhaben des Immissionsschutzes und zur Begrenzung energiebedingter Umweltbelastungen und aus dem beim Wirtschaftsministerium angesiedelten Programm zur rationellen Energieanwendung und zur Nutzung der erneuerbaren Energieträger das ist unter dem Namen REN bekannt; das ist also sozusagen das Renn-Programm - wurden bisher über 75 Millionen Euro an Fördermitteln für so genannte erneuerbare Energie ausgereicht. Insgesamt wurde bisher ein Investitionsvolumen von über 400 Millionen Euro im Land Brandenburg bewegt. Spitzenreiter bei der Förderung war auch im Jahr 2001 wieder die Windkraftnutzung.

Durch die raumordnerische Festlegung so genannter Eignungsgebiete wurde verhindert, dass hinsichtlich der Windnutzung keine Verpflichtung zur Darstellung bzw. Festsetzung entsprechender Gebiete in der Bauleitplanung besteht. Diesen Weg hat die brandenburgische Landesregierung schon deshalb gewählt, weil die Zulässigkeit raumbedeutsamer Windenergieanlagen in Baugenehmigungsverfahren in der Regel nach Bauplanungs

recht ausgeschlossen ist. Damit hat die Landesregierung recht geschickt verhindert, dass im Rahmen der Abwägung bei den sonst erforderlichen Bauleitplanungen die Schattenseite des viel umjubelten Windenergieprogramms geprüft wird. Damit könnte aber so manche planungs-, energie- und finanzpolitische Fehlleistung zutage treten.

Deshalb braucht es nicht zu wundern, dass seitens der Landesregierung negative Auswirkungen der Windkraftanlagen auf Menschen und Tiere durch Infraschall und Schlagschattenwirkung, negative Auswirkungen auf den Vogelzug sowie auf das Landschaftsbild und nicht zuletzt negative Auswirkungen auf den Fremdenverkehr seit dem In-Kraft-Treten des ErneuerbareEnergien-Gesetzes gänzlich vertuscht werden.

Dabei ist kaum eine andere erneuerbare Energiequelle so umstritten, wie die aktuelle Diskussion zeigt. Auf den ersten Blick scheint es sich tatsächlich um eine gute Alternative zu handeln; denn Wind ist unbegrenzt in unserer Atmosphäre vorhanden, und wenn bei herbstlichem Wetter der Wind um die Häuser weht, dann kann man sich leicht vorstellen, welches Potenzial in der Luft liegen müsste. Doch leider birgt die Windkraft eine Reihe von Nachteilen, die diese Art der Energiegewinnung sehr infrage stellen. Angesichts der oben angesprochenen biologischmedizinischen Auswirkungen ist Folgendes zu bedenken, meine Damen und Herren: Die meisten Windräder erreichen erst bei sehr starkem Wind von 13 Metern pro Sekunde ihre Nennleistung, das heißt die Leistung, die sie bei einer bestimmten Windstärke maximal erbringen können. Die Nennleistung eines Windrades rangiert zwischen 600 und 2 300 Kilowatt. In einigen guten Lagen des Binnenlandes erreicht der Wind meistens jedoch nur 6 Meter pro Sekunde. Das bewirkt, dass die Windräder regelmäßig nur 10 % ihrer Nennleistung erwirtschaften. Auf das Jahr gesehen können die meisten Windräder deshalb nur knapp 20 % ihrer Kapazität erbringen. Dem steht auf der anderen Seite jedoch ein hoher Energieverbrauch bei der Herstellung der Windräder gegenüber. So muss sich ein Windrad in Deutschland 20 Jahre lang drehen, damit es seine Herstellungsenergie wieder erwirtschaftet hat.

Wir als DVU-Fraktion sehen es angesichts der ungebremsten Verspargelung der Landschaft mit Windrädern daher als unbedingt erforderlich an, dass die Landesregierung zu den von uns aufgeworfenen Fragen klar Stellung nimmt. Nicht umsonst formieren sich immer mehr Bürgerinitiativen, um gegen geplante Windparks zu protestieren. In der Uckermark konnte man das auch wieder feststellen.

Nicht nur den Menschen machen die Windräder dort zu schaffen, sondern auch die Fauna ist davon betroffen. Besonders Vögel laufen Gefahr, mit den Rotoren zu kollidieren oder durch den Lärm vertrieben zu werden.

Der Wertverlust von Häusern und Grundstücken in der Nähe von Windparks ist kaum abzuschätzen. Außerdem wächst mit zunehmender Zahl der Windkraftanlagen auch die Gefahr des Durchdrehens einzelner Windturbinen, wodurch ein erhebliches neues Gefahrenpotenzial gefördert wird.

Angesichts der enormen Schwerpunktbildung bei der Förderung wird übersehen, dass die Windkraft durch weniger belastende und weniger fragwürdige Komplementärenergien mittel- bis langfristig eingeholt-, wenn nicht sogar überholt wird.

Neue Kohlekraftwerke arbeiten heute aufgrund modernster Filtertechnik effektiv und umweltfreundlich. Solarenergie- und Brennstoffzellenforschung schreiten ebenfalls zügig voran.

Es ist zu befürchten, dass vor allem in der Lausitz und in der Uckermark in nicht allzu ferner Zukunft ein Wildwuchs an Windkraftturbinen entstehen wird, für dessen Rückbau schon jetzt schätzungsweise 20 bis 50 Millionen Euro erforderlich sein werden. Deshalb haben die Bürgerinnen und Bürger ein berechtigtes Interesse zu erfahren, wo die für den Rückbau erforderliche Summe herkommen soll. Es ist abzusehen, dass dies wieder auf dem Rücken der Steuerzahler erfolgen wird.

Deshalb bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag.

Alternativ dazu beantragen wir die Überweisung unseres Antrages zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Wirtschaft sowie an den Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kultur und an den Ausschuss für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke dem Abgeordneten Claus und gebe das Wort an den Abgeordneten Klein. Er spricht für die Koalitionsfraktionen SPD und CDU.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir ein Paradebeispiel für die Unsinnigkeiten von Berichtsbitten an die Landesregierung haben wollen, dann schauen wir uns diesen Antrag der DVU an.

Die Landesregierung soll berichten, welche medizinischen Auswirkungen seit In-Kraft-Treten des Erneuerbare-Energien-Gesetzes am 1. April 2000 die Windanlagen auf Menschen und Tiere im Land Brandenburg haben.

(Zuruf der Abgeordneten Frau Siebke [SPD])

- Auf das, was mir passiert ist, komme ich gleich noch zu sprechen. - Ich kann mir nicht vorstellen, wie die Landesregierung selbst bei gutem Willen innerhalb der geforderten kurzen Frist dies beantworten soll. Aber wir werden sie auch davor bewahren, dies zu beantworten.

Die zweite Frage lautet, welche Auswirkungen seit In-KraftTreten des Erneuerbare-Energien-Gesetzes die Windkraftanlagen im Land Brandenburg auf den Vogelzug hatten. - Ich denke, es wäre hilfreicher, Sie schauten im Internet nach.

(Beifall bei der PDS)

Unter „Storchenzug.de” findet man den Weg, den gegenwärtig fünf Störche machen. Sie werden sich von irgendwelchen Windkraftanlagen wahrscheinlich nicht beirren lassen.

Der dritte Auftrag an die Landesregierung betrifft die Frage, welche Auswirkungen der Bau von Windkraftanlagen seit In-KraftTreten des Erneuerbare-Energien-Gesetzes auf das Landschafts

bild im Land Brandenburg hatte. - Diese Frage ist nun überhaupt nicht an die Landesregierung zu richten; denn sie kann sich jeder selbst beantworten. Wenn ich durch das Land fahre, sehe ich die Auswirkungen. Das ist die Einwirkung auf das Landschaftsbild im Land Brandenburg. Da stehen diese Türme.

Die letzte Frage, welche Auswirkungen die Existenz von Windkraftanlagen auf den Tourismus hat, ist nun wirklich der Gipfel des Ganzen. - Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass ein potenzieller Besucher Brandenburgs auf die Idee kommt zu fragen: Wie viel Windkraftanlagen stehen denn dort? - Wenn es 93 sind, dann fährt er nicht hin; wenn es nur 50 sind, dann fährt er hin? - Das ist also eine völlig absurde Frage.

Ich meine, es gehört zur Fürsorgepflicht dieses Hohen Hauses, die Beamten und Angestellten der Landesregierung nicht mit solch unsinnigen Fragen zu belasten. Wir belassen es dabei und werden Ihren Antrag ablehnen. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke dem Abgeordneten Klein und gebe das Wort an die Fraktion der PDS, Herrn Abgeordneten Thiel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es steht außer Zweifel: Die Bundesrepublik und damit die Bundesländer müssen ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Deshalb hat der Bundestag kürzlich das Kioto-Protokoll ratifiziert.

Schon heute trägt die Windkraft als unverzichtbarer Teil moderner Energieerzeugungstechnologie mehr als 6 % zur bereits erreichten Verminderung von Treibhausgasen in der Bundesrepublik bei.

Die Nutzung der Windenergie ist darüber hinaus auch einer der Eckpfeiler beim notwendigen Übergang von Atomstrom und fossilen Energieträgern hin zu erneuerbaren Energien, höherer Energieeffizienz und Energieeinsparung. Dieser Umbau muss forciert vorangetrieben werden, wenn wir den bevorstehenden existenzgefährdenden Klimawandel wenigstens abmildern wollen.

Die Windkraft zur Energieerzeugung einzusetzen bedeutet darüber hinaus, auch etwas für den Naturhaushalt zu tun sowie dringend notwendige zukunftsfähige Arbeitsplätze zu erhalten bzw. neue zu schaffen.

Meine Damen und Herren, natürlich ist die Nutzung der Windenergie nicht unumstritten. In der Vergangenheit wurde auch nicht jedes Windkraftprojekt umsichtig geplant. Dadurch kam es mancherorts zu Belastungen für Anwohner und Natur, die vermeidbar gewesen wären.

Mit der Realisierung von Windparks sind in der Vergangenheit aber auch wichtige Erfahrungen und Erkenntnisse, zum Beispiel hinsichtlich Schall- und Schlagschattenbildung sowie des Einflusses auf Flora und Fauna an den Standorten, gesammelt worden. Wer es ernsthaft will, kann dies anhand einer Fülle angefertigter Studien und Ergebnisse vielfältiger empirischer Untersuchungen jederzeit nachvollziehen. Dagegen werden kritische

Fälle immer wieder gern zu einer Art Legendenbildung missbraucht.

(Anhaltende Unruhe im Saal)

Herr Abgeordneter Thiel, ich darf einmal kurz unterbrechen. Meine Herren, ich kann Ihnen noch Skatkarten austeilen lassen, damit es noch ein bisschen vergnüglicher wird. Wir sind noch in der Plenarsitzung.

(Vietze [PDS]: Richtig! - Petke [CDU]: Genau! - Beifall)

Bitte, fahren Sie fort.

Der vorliegende Antrag der DVU leistet keinen Beitrag zur Erweiterung von Erkenntnissen über Anwendungsrisiken der Windkraft zur Stromerzeugung im Land Brandenburg. Es ist auch nicht vordergründige Aufgabe der Landesregierung - Herr Klein, da gebe ich Ihnen Recht -, ungenügende Recherchearbeit seitens der DVU-Fraktion bzw. deren offensichtlich mangelnden Sachverstand zu kompensieren. Meine Fraktion lehnt den Antrag deshalb ab.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Thiel. - Die Landesregierung hat hier ebenfalls Redeverzicht angezeigt, sodass ich sofort zur Abstimmung kommen kann.