Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der SPD-Fraktion. Herr Abgeordneter Vogelsänger, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Lage in vielen Brandenburger Kommunen, besonders in solchen im äußeren Entwicklungsraum, aber nicht nur dort, ist angespannt. Die Beseitigung des Leerstandes von Wohnraum ist ein Problem, das von den Kommunen allein nicht gemeistert werden kann. Aufgrund des erhöhten Leerstandes ist die Existenz von Wohnungsunternehmen weiterhin gefährdet.
Rund 150 000 Wohnungen in Brandenburg stehen leer. Die Leerstandsquote liegt damit landesweit bei circa 12 % und im Bereich der BBU-Unternehmen bei circa 13,6 %. Bei Letzteren verursachen die leer stehenden Wohnungen aufgrund von Altschulden und Betriebskosten einen Liquiditätsabfluss von circa 60 Millionen Euro pro Jahr. Ich meine, das ist eine Größenordnung, die hier genannt werden muss, damit wir wissen, welches Problem hier vor uns steht.
Über die Ursachen dieser Entwicklung haben wir hier im Plenum schon umfassend debattiert: wirtschaftlicher Strukturwandel, der sich schwieriger gestaltet, als vor zehn Jahren angenommen worden ist; Wegbrechen von Arbeitsplätzen in erheblichen Größenordnungen und in der Folge davon hohe Arbeitslosigkeit, aber auch Erhöhung des Angebots an Wohnraum durch undifferenzierten Neubau im Umland der Städte.
Jetzt, meine Damen und Herren, kommt es darauf an, Maßnahmen des Stadtumbaus als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe für die kommenden Jahre und wahrscheinlich Jahrzehnte zu begreifen und diesen Prozess gemeinsam mit dem Bund, den Kommunen sowie den Wohnungseigentümern und -unternehmen zu gestalten. Gerade Kommunen, die sich heute auf diesem Gebiet mit Stagnation oder gar Schrumpfung konfrontiert sehen, bedürfen unserer Unterstützung. Erhebliche Anforderungen werden dabei an die Kommunalverwaltungen gestellt, wenn es darum geht, verfügbares Potenzial zu nutzen und zu steuern.
Bei diesem Problem möchte ich aber auch Mut machen. Für einen Politiker ist es nicht immer leicht, dem Wähler reinen Wein einzuschenken. Es ist nicht unbedingt populär, zu verkünden, dass eine Stadt, die früher 50 000 Einwohner hatte, in der Perspektive zwischen 30 000 und 35 000 Einwohner haben wird. Trotzdem wurden nach meiner Einschätzung Bürgermeister, die sich mit dem Thema Wohnungsleerstand offensiv auseinander gesetzt haben, vom Wähler nicht abgestraft. Wir brauchen mutige Kommunalpolitiker und sind verpflichtet, sie zu unterstützen.
Für die Erneuerung und den Umbau der Brandenburger Städte stehen in diesem Jahr vermutlich circa 178 Millionen Euro zur Verfügung. Das sind 45 Millionen Euro mehr als im Vorjahr. Dieses Geld ist bitter notwendig. Die entsprechende Verwaltungsvereinbarung „Städtebauförderung” mit dem Bund hat Minister Meyer am Dienstag vergangener Woche unterzeichnet.
Für die Landesregierung und das Brandenburger Parlament ist es eine große Herausforderung, mit dem notwendigen Stadtumbau offensiv umzugehen. Dem dient der Antrag der Koalition. Wir fordern einen Zwischenbericht im IV. Quartal 2002, um den Stadtumbauprozess aktiv zu begleiten und Reibungsverluste zu vermeiden. Wir haben darüber des Öfteren im Ausschuss debattiert. In der Diskussion sollen auch die im Änderungsantrag der PDS aufgeführten Forderungen erörtert werden. Insofern bedarf es keiner gesonderten Beschlussfassung.
Der Stadtumbau und die Bekämpfung des Wohnungsleerstandes sind nicht allein Angelegenheit des Städtebauministeriums. Hier sind alle gefragt. Das Problem Wohnungsleerstand besteht nicht nur in Städten, sondern betrifft auch den ländlichen Raum. Die so genannten LPG-Blöcke, die sich zumeist am Rand der brandenburgischen Dörfer befinden, sind zunehmend vom Leerstand betroffen. Dies möchte ich an einem Beispiel verdeutlichen:
Haßleben in der Uckermark war der Standort für die größte Schweinemastanlage der DDR. Die über 100 000 Schweine von Haßleben gehören der Vergangenheit an. Jedoch ist erheblicher Wohnungsleerstand übrig geblieben.
Sicherlich ist Haßleben ein extremes Beispiel. Aber das Problem des Wohnungsleerstandes ist auch im ländlichen Raum nicht zu unterschätzen. Hier ist auch das Landwirtschaftsministerium gefordert.
Der vorhandene Leerstand ist eine Herausforderung für die nächsten Jahrzehnte. Hier bedarf es einer partei- und ressortübergreifenden Kraftanstrengung. Diesen Prozess wollen wir aktiv begleiten. Wir alle sind für unsere Städte und Gemeinden in der Verantwortung und haben uns dieser Verantwortung zu stellen. - Vielen Dank.
Ich begrüße erneut junge Gäste aus der Uckermark. Wir haben heute den Uckermark-Tag. Nachdem die Schwedter und die Gerswalder da waren, sind nun die Angermünder aus dem Einstein-Gymnasium bei uns. Herzlich willkommen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema „Stadtumbau und Leerstand” hat uns wieder einmal eingeholt. Um es vorweg zu sagen: Die PDS-Fraktion unterstützt grundsätzlich die Intentionen des Koalitionsantrages, decken sie sich doch in vielen Punkten mit den von uns seit Jahren geforderten Initiativen zum Umgang mit dem immer weiter ansteigenden Wohnungsleerstand in Ostdeutschland. Dies unterstreicht, dass die gesamte Wohnungspolitik des Landes ein Themengebiet ist, in dem die Meinungen der einzelnen Fraktionen aus der realistischen Bewertung der heutigen Situation heraus nicht so weit auseinander gehen.
Die vor allem durch gravierende Fehlentscheidungen der letzten zwölf Jahre hervorgerufene Krise der ostdeutschen Arbeits-, Wirtschafts- und Wohnungspolitik lässt heute, nachdem viel zu spät und falsch reagiert wurde, keine großen politischen Handlungsspielräume mehr zu. Gleichwohl können wir nicht den Kopf in den Sand stecken. Daher werden wir alle Maßnahmen unterstützen, die geeignet sind, die Krisenerscheinungen abzumildern, so gut es heute noch möglich ist. Das ändert aber nichts an unserer kritischen Haltung gegenüber der immer noch unzureichenden Gesamtfinanzierung der notwendigen Maßnahmen.
Zum Inhalt Ihres Antrages: Als merkwürdig erscheinen die ersten beiden Punkte. Das Anliegen, die Landesregierung aufzufordern, sie möge ihre Aufgaben erfüllen und die selbst gesetzten Zielstellungen einhalten, sollte überflüssig sein, denn dies ist wohl mehr als selbstverständlich. Genauso gut könnten wir einen Richter bitten, sich bei der Urteilsfindung möglichst an den Gesetzen zu orientieren. Dass die Sonne im Osten aufgehen soll, müssen wir hier auch nicht beschließen. Oder erscheint Ihnen das nicht so ganz sicher? Die Punkte 1 und 2 Ihres Antrags nicht in der vorgeschlagenen Priorität anzugehen wäre aus unserer Sicht jedenfalls sträflicher Leichtsinn.
Interessanter sind schon die Vorschläge in den Punkten 3 und 4. Die Forderung eines Zwischenberichts macht durchaus Sinn. Wir werden aber sehr genau hinsehen müssen, wie diese Forderung mit Leben erfüllt wird und ob konkrete Ergebnisse termingerecht, also, wie gefordert, im IV. Quartal, vorliegen werden. Schließlich haben wir mit ähnlich gelagerten Landtagsbeschlüssen schlechte Erfahrungen gemacht. Erwähnt sei nur der hier von allen Fraktionen mitgetragene Antrag zum Verkehrsprojekt Deutsche Einheit 17, in dem eine Wirtschaftlichkeitsprognose für dieses Vorhaben gefordert wurde. Der Planfeststellungsbeschluss ist von der Landesregierung mitgetragen worden, die Prognose liegt bis heute nicht vor.
Zurück zum Antrag: Die Beantwortung der Frage nach der Vernetzung der Aufgabe des Stadtumbaus mit den anderen Politikfeldern des Landes erscheint mir als sehr sinnvoll. Hoffentlich bekommen wir konkretes Material vorgelegt. Mit Spannung erwarte ich im geforderten Bericht die gewünschte Darlegung der Zusammenarbeit mit den Banken. Nach den mir vorliegenden Informationen ist das erbetene freiwillige Engagement der Kreditinstitute in dieser Frage wohl zumeist ein Flop. Wahrscheinlich ist jetzt eher der weitere Rückzug der Banken aus jeglicher Kreditierung für die Vorhaben ostdeutscher Wohnungsunternehmen.
Dass die Landesregierung gebeten wird, bei der Bundesregierung darauf hinzuwirken, die Geschäftspolitik der TLG - hier sind wohl die dubiosen Wohnungsverkäufe unter Wert gemeint - kritisch zu hinterfragen, können wir nur unterstützen.
In entsprechenden Anfragen haben wir dieses Problem schon vor längerer Zeit thematisiert. Allerdings hätte der Protest der Koalitionsfraktionen viel stärker ausfallen müssen. Uns ist der Punkt 4 viel zu moderat formuliert. Frühere Äußerungen des Bauministers - zum Beispiel im „MSWV-Info” vom 10. Dezember 2001 an die Abgeordneten - gingen in der Kritik und den daraus resultierenden Forderungen ein ganzes Stück weiter. Unter anderem sollte die TLG verpflichtet werden, einen Beitrag zum Stadtumbau zu leisten. Warum diese absolut notwendigen und richtigen Schlussfolgerungen in Ihrem watteweichen Antrag unter den Tisch gefallen sind, bleibt Ihr Geheimnis.
Eine Diskussion zum Wohnungsleerstand kann und sollte nicht enden, ohne dass noch einmal auf das Grundübel Ostdeutschlands hingewiesen wird: Höchste Priorität allen politischen Handelns in Ostdeutschland muss das Durchbrechen der verhängnisvollen Kausalkette Wegbruch der Arbeitsplätze, Wegfall von Steuereinnahmen, noch weniger Investitionen, noch mehr Wegfall von Arbeitsplätzen und dadurch schließlich der Weg
zug sein - ein von Menschenhand geschaffener Teufelskreis. Die Zahlen der letzten Jahre sprechen für sich. Aber wir müssen sie zur Kenntnis nehmen, egal, ob sie uns ins politische Konzept passen oder nicht. Der tödliche Aderlass durch Wegzug der qualifiziertesten Arbeitnehmer Ostdeutschlands, der 1997 beinahe zum Stillstand gekommen war, verdoppelt sich seit 1998 beinahe Jahr für Jahr. Brandenburg ist in der Gesamtbilanz bisher noch gut weggekommen. Nach jüngsten Angaben des Landesbetriebes für Datenverarbeitung und Statistik hat sich die Zahl der Einwohner Brandenburgs im Laufe des ersten Halbjahres 2001 jedoch um 4 615 verringert.
Wird der Wegzug nicht endlich durch aktive und effiziente Arbeitsplatzförderung wirksam gestoppt, brauchen wir uns zukünftig über Bildung und Kultur, über die Schließung von Schulen und Kitas, über Wohnungsleerstand, über eine weitere Verringerung des ÖPNV, über die ärztliche und konsumtive Versorgung vor allem älterer Menschen in ländlichen Regionen des Landes und über den fortschreitenden Verfall ganzer Regionen nicht mehr zu unterhalten. Auch die Versorgungs- und Entsorgungssysteme in den Bereichen Energie, Wasser, Abwasser und Wärme werden schnell unbezahlbar sein.
Noch gibt es Hoffnung. Sie gründet allerdings auf schnellem Handeln und schonungsloser, realistischer Analyse der bestehenden Situation. Wir werden Ihren Antrag deshalb unterstützen und fordern Sie auf, die sinnvollen Ergänzungen durch unseren Antrag ebenfalls nicht zu blockieren. Sie müssen zumindest in eine Diskussion im zuständigen Fachausschuss münden. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Koalitionsfraktionen haben den Stadtumbau erneut auf die Tagesordnung gesetzt, da dieser Prozess jetzt in eine entscheidende Phase eintritt. Die Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern ist ausgehandelt. Nachdem die Mittel bereitgestellt wurden, geht es jetzt darum, den Stadtumbau fast flächendeckend zu beginnen. Wir müssen uns jedoch bewusst sein, dass es sich dabei um einen weitreichenden Markteingriff handelt.
Wir haben an dieser Stelle schon oft darüber geredet, dass staatliche Eingriffe in Märkte insofern ein Problem darstellen, als die Steuerungsmechanismen des Staates aufgrund zeitlicher Verzögerung und vieler Unsicherheitsfaktoren meist nicht in der erhofften Weise funktionieren. Im Hinblick auf den Stadtumbau haben wir uns trotzdem zu diesem Schritt entschlossen, da wir davon ausgehen, dass sich das Leerstandsproblem nicht ohne Abriss- und Umbaumaßnahmen lösen lässt. Wir sind auch der Auffassung, dass dem Gemeinwesen höhere Kosten entstehen, wenn das Leerstandsproblem nicht bekämpft wird, sondern wir die Kommunen und die Wohnungsunternehmen mit den Folgen allein lassen.
Die CDU-Fraktion hat jedoch immer gefordert, dass als Grundlage für den Stadtumbau städtische Entwicklungs- und Umbaukonzepte vorliegen müssen. Wir wollen nicht, dass auf der einen Seite Geld für den Abriss ausgegeben wird, um auf der anderen Seite den Neubau zu fördern. Wir wollen auch nicht, dass mehr abgerissen oder abgebaut wird als nötig. Wir sehen Stadtumbaukonzepte als notwendiges Controlling-Instrument, um Fehlentwicklungen durch den Stadtumbauprozess zu vermeiden. Die Abrissmaßnahmen dürfen nicht dazu führen, dass am Ende des Jahres 2009 ähnliche Maßnahmen zur Förderung des Wohnungsbaus aufgelegt werden müssen, wie es Anfang der 90er Jahre nötig war. Das Ergebnis des Stadtumbauprozesses Ost darf keine Abriss-Aufbau-Spirale sein.
Meine Damen und Herren, der im Antrag geforderte Bericht bietet die Möglichkeit, uns einen Überblick über die ersten Ergebnisse des Programms „Stadtumbau Ost” zu verschaffen, um nötigenfalls parlamentarisch nachsteuern zu können. Insbesondere die Erarbeitung der Stadtumbaukonzepte wird sicherlich in einigen Kommunen, vor allem in denen mit hohen Leerstandsquoten und sehr heterogener Einwohnerstruktur, problematisch verlaufen. Ich hebe daher hervor, dass die CDU-Fraktion es sehr begrüßt, dass das MSWV bereits im letzten Jahr im Land aktiv war und unter anderem Workshops zu dieser Thematik durchgeführt hat.
Ich wünsche mir ferner, dass der Erfahrungsaustausch über die Landesgrenzen Brandenburgs hinaus ausgeweitet wird. Es wäre für uns, aber insbesondere für die Kommunen im Land hilfreich, wenn die Erfahrungen aus anderen neuen Bundesländern zusätzlich genutzt werden könnten. Vielleicht sind dort einzelne Probleme bereits gelöst worden, für die im Land Brandenburg noch nach Lösungen gesucht wird.
Ich könnte mir beispielsweise vorstellen, dass sich die Bauminister der Ostländer darauf verständigen, die technischen Voraussetzungen für eine Datenbank zu schaffen, auf die die einzelnen Kommunen zurückgreifen können. So könnten die Kommunen auf freiwilliger Basis eine Darstellung ihrer Problemlösung einstellen; andere Kommunen könnten diese Erfahrungen anschließend ohne großen Aufwand und weitere Kosten nutzen. Eine verbesserte Kommunikation in Bezug auf die Erfahrungen im Stadtumbauprozess kann unserer Auffassung nach helfen, diesen Prozess zu beschleunigen und öffentliche Mittel zu sparen.
Im Punkt 4 unseres Antrages fordern wir, die Landesregierung solle bei der Bundesregierung darauf hinwirken, dass die TLG ihre Geschäftspolitik an den Stadtumbauprozess anpasst. Bund, Länder und Kommunen werden in den nächsten Jahren Milliarden in den Stadtumbauprozess investieren. Für uns, die wir auf
gefordert sind, sparsam und sorgsam mit öffentlichen Geldern umzugehen, ist es nicht hinnehmbar, dass diese Investitionen und Bemühungen durch ein Bundesunternehmen konterkariert werden.
Wenn die TLG beispielsweise in Lauchhammer ihre Wohnungen zu Schleuderpreisen verkauft, wird die Situation auf dem Wohnungsmarkt weiter destabilisiert. Die Käufer dieser billigen Wohnungen haben keinen Anreiz mehr, den Stadtumbauprozess mitzugestalten, denn da sie die Wohnungen so billig erworben haben, werden sie keine wirtschaftlichen Probleme bekommen, auch dann nicht, wenn ein Großteil dieser Wohnungen leer steht.
Probleme haben jedoch die Kommunen, die Bürger und die anderen Wohnungseigentümer. Es wäre daher sehr hilfreich, wenn die Bundesregierung ihr Engagement beim Stadtumbau Ost nicht auf die Bereitstellung von Geldern beschränkte, sondern auch dafür Sorge trüge, dass sich bundeseigene Unternehmen dieser Aufgabenstellung anpassen.