Protocol of the Session on March 7, 2002

(Beifall bei CDU und SPD)

Für die DVU-Fraktion erhält die Abgeordnete Hesselbarth das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Koalitionsfraktionen wollen mit ihrem Antrag „Stadtumbau im Land Brandenburg” offensichtlich die Politik mit der Abrissbirne forcieren. Das Programm „Stadtumbau Ost - für lebenswerte Städte und attraktives Wohnen”, das mit 1 Milliarde Euro ausgestattet ist, soll angeblich nicht nur intakte Stadtstrukturen, funktionierende Wohnungsmärkte und eine Verbesserung der Situation in den neuen Ländern als Wohn- und Wirtschaftsstandorten bewirken; nein, gemäß der Zielsetzung des Beschlusses des Bundeskabinetts vom August 2001 sollen mit diesem Projekt auch Arbeitsplätze erhalten bzw. neu geschaffen werden, vor allem in der Bauwirtschaft.

Die DVU-Fraktion hat hier wiederholt betont, dass insbesondere letzteres Ziel mit der rigorosen Abrisspolitik nicht erreicht werden kann, wie sie von Ihnen, meine Damen und Herren von der Koalition, beabsichtigt ist. Wir haben darauf hingewiesen, dass es beim Stadtumbau in Brandenburg an der notwendigen Verknüpfung von Arbeitsmarkt und Wohnungsbau

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

sowie an der Förderung der Infrastruktur zur Unterstützung des wirtschaftlichen Aufschwungs fehlt.

Es muss hier nochmals gesagt werden, weil es auch anders geht, als Sie, meine Damen und Herren von CDU und SPD, es sich vorstellen: Der Stadtumbau in Brandenburg wird weder zu einem Wirtschaftsaufschwung noch zur Schaffung von Arbeitsplätzen führen; das gestehen Sie unterschwellig in der Begründung des heute vorliegenden Antrags ein.

Nachdem das Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr vor wenigen Monaten dazu wenigstens noch nebulöse Aussagen wie „Anpassung gesamtstädtischer Planung und kommunaler Wohnungspolitik an veränderte Rahmenbedingungen” und „Konsolidierung existenzbedrohter Wohnungsunternehmen” getroffen hat, steht in Ihrem heutigen Antrag davon nicht mehr das Geringste. Es ist nur noch von einer Aufwertung von Wohngebieten mit hohen Leerständen sowie von Rückbau und Abriss von Wohngebäuden die Rede.

Damit lassen Sie allmählich die Maske fallen. Es geht Ihnen eben nicht darum, der desolaten Bauwirtschaft des Landes wieder auf die Beine zu helfen. Das Jahr 2001 brachte der Baubranche im Bundesdurchschnitt um 7 % verringerte Umsätze. Für das Jahr 2002 wird ein Umsatzrückgang von mindestens 2,5 % sowie ein Abbau von über 40 000 Arbeitsplätzen erwartet. Die Landesregierung hat in ihrer Antwort auf meine Kleine Anfrage 1417 - Strukturwandel in Brandenburg kostet weitere Arbeitsplätze in der Baubranche - zum Ausdruck gebracht, dass ihr das Schicksal dieser Menschen skandalöserweise völlig gleichgültig ist. Darin heißt es:

„Die Landesregierung lehnt es ab, zugunsten der Bauwirtschaft Konjunkturprogramme aufzulegen.”

Meine Damen und Herren, das sagt alles über das Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Unternehmen und den Arbeitnehmern in diesem Land.

Zu den Themen Suburbanisierung, wildes Bauen im Außenbereich, Verfestigung von Splittersiedlungen und zunehmender Verfall erhaltenswerter historischer Bausubstanz im Bereich der Stadtkerne haben wir uns ausreichend positioniert.

Jetzt zu Ihrem Änderungsantrag, meine Damen und Herren von der PDS: Diese Luftnummer, die nur die Regierungspolitik wortgetreu wiederholt, hätten Sie sich wirklich sparen können. Sie springen doch nur auf den Zug der Abrisspolitik auf, weil damit ihr tatsächliches Ziel verfolgt wird: höhere Mieten, Zentralismus und Planwirtschaft. Oder warum wollen Sie sonst die Wohnungsbauunternehmen in Ostdeutschland fusionieren? Damit Sie sich später wieder als die Rächer der sozial Enterbten aufspielen können!

(Beifall bei der DVU)

Da unser Forderungskatalog, der eine schonende und wirtschafts- und strukturfördernde Baupraxis im Land Brandenburg erreichen würde, von Ihnen, meine Damen und Herren der Koalition, aus ideologischer Verbohrtheit bewusst abgelehnt oder ignoriert wird, können wir weder Ihrem Antrag noch dem der PDS zustimmen. Ihr Antrag zielt darauf, die Probleme Ihrer ökonomischen Fehlpolitik mit der Abrissbirne zu lösen. Das machen wir nicht mit! - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Hesselbarth, und gebe für die Landesregierung Herrn Minister Meyer das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Antrag zum Stadtumbau werden offene Türen eingerannt. Etwa seit 1997/1998 sprechen wir von Stadtreparatur; das war noch zu Zeiten von Minister Töpfer. Dann kam der Regierungswechsel 1998. Neue Bundesregierung - neues Ziel! Der Zweck bleibt jedoch gleich.

In diesen Jahren ging es um die Ergänzung des Altschuldenhilfegesetzes im Sinne einer Härtefallregelung. Dazu gab es eine Initiative des Landes Brandenburg. Für diesen Programmteil sind zurzeit 358 Millionen Euro eingestellt. In dem schriftlichen Material des MSWV können Sie nachlesen, wie diese Mittel verwendet werden können und was man tun muss, um an dieses Geld zu kommen.

Es gibt weitere Aktivitäten von unserer Seite. Ein Erlass der Altschulden für jede abgerissene Wohnung ist zweifellos wünschenswert und bleibt unverändert das Ziel. Das wird jedoch im Moment nicht erreichbar sein. Es macht keinen Sinn, die Wohnungsgesellschaften mit Konzepten zu überfordern und zu argumentieren: Wenn Ihr die Wohnung abgerissen habt, dann müsst Ihr noch zwei Mark Betriebskosten löhnen und eine Mark an Altschulden tilgen. Ich weiß natürlich, dass für einen vollständigen Altschuldenerlass mehr als die in der Summe eingestellten 2,5 Milliarden Euro erforderlich sind.

In dieser Zielstellung sind wir uns im Kabinett einig. Die Verwaltungsvereinbarung mit dem Bund haben wir unterzeichnet. In den Städten wurden von uns Programmkonferenzen durchgeführt. Selbst im kommunalen Wahlkampf - unabhängig davon, in welcher Stadt und von welcher Fraktion er geführt wurde - war das Thema Stadtumbau ein Renner.

Die Kommunen erarbeiten auch unabhängig von manchen Vorstellungen wohnungswirtschaftliche und städtebauliche Konzepte. Wenn das nicht allen Fraktionen in diesem Parlament recht ist, kann es mir egal sein. Die Kommunen haben auch schon Anträge gestellt, die jetzt im Wesentlichen entscheidungsreif sind.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Formal benötige ich dazu noch das Zuteilungsschreiben des BMVBW. Das Ziel ist klar. Mit Zustimmung des Bundes werden wir diese Zuwendungsbescheide in den nächsten zwei bis drei Wochen herausgeben.

Das wird eine Hilfe für die Bauwirtschaft sein. Das Programm ist jedoch kein Selbstzweck zur Gesundung der Bauwirtschaft, sondern es zielt im Wesentlichen darauf, unsere Städte in Ordnung zu bringen. Leer stehende Wohnungen verführen zu vielem; ich will das nicht ausführen.

Die Kommunen haben für das Jahr 2002 Anträge in Höhe von 78 Millionen Euro gestellt. Das kann in dieser Form nicht bewilligt werden. Für den Rückbau und die Aufwertung der Quartiere stehen uns circa 25 Millionen Euro zur Verfügung. Das Programm ist über fünf Jahre gestreckt, wächst also in den nächsten Jahren erheblich an. Im ersten Programmjahr können wir bis zu 7 000 Wohneinheiten abreißen.

Meine Damen und Herren, das ist der Bedarf der Stadt Schwedt allein. Deswegen wird das alles nicht so laufen können. Vielmehr werden wir diese Mittel splitten müssen, um auch Städte wie Guben, Wittenberge, Velten, Lauchhammer und Frankfurt (Oder) einbeziehen zu können.

Die vom Bund bisher insgesamt eingesetzten Mittel reichen für den Abriss von 48 000 Wohneinheiten aus. Dazu liegen uns von 44 Städten Konzepte vor, in denen es auch um die Teilnahme am Bundeswettbewerb zum Programm „Stadtumbau Ost” geht.

Ich bin sicher, dass wir entsprechend Ihrem Antrag im IV. Quartal eine Übersicht geben können.

Ich bin nicht sicher, ob wir bis dahin den gewünschten Erfolg bei der Zusammenarbeit mit den Banken haben werden. Ebenso wenig können wir davon ausgehen, dass wir bis dahin den Streit mit der TLG, der zu den Vorhaben des Landes kontraproduktiv ist, erfolgreich beendet haben. Ich gehe jedoch davon aus, dass die Qualität der Übersicht ausreichend sein wird, um die interdisziplinäre Verantwortung zu verdeutlichen, die wir besonders in den Fragen der technischen Infrastruktur haben. Durch den Einsatz von ABM oder SAM bei der Entkernung können Kosten gesenkt werden. Dazu liegen uns schon erste Erfahrungen aus Schwedt vor, die wir möglicherweise auf andere Städte übertragen können.

Sehr verehrte Abgeordnete! Wir beginnen mit einem Prozess, der acht, zehn oder zwölf Jahre dauern wird. Wir werden gemeinsam lernen und die Erfahrungen der Städte und der Wohnungsunternehmen einfließen lassen. Vonseiten des Landes werden wir uns beim Bund weiter dafür einsetzen, dass sich die Bedingungen weiter verbessern, um tatsächlich eine Entlastung für die Wohnungswirtschaft im Land zu erzielen. - Schönen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Herrn Minister Meyer. - Wir sind am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und kommen zur Abstimmung.

Zuerst rufe ich den Antrag der Fraktion der PDS zur Abstimmung auf. Es wird begehrt, die Drucksache 3/3934 an den Ausschuss für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr zu überweisen. Wer diesem Überweisungsantrag folgen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Überweisungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich rufe den Änderungsantrag in der Drucksache 3/3964 auf, der zu dem Antrag in der Drucksache 3/3934 vorliegt. Darin geht es der Fraktion der PDS um eine Ergänzung unter Punkt 4 sowie um einen neuen Punkt 5. Wer diesem Änderungsantrag in der Drucksache 3/3964 zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich rufe den Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU in der Drucksache 3/3934 auf. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich angenommen worden.

Ich schließe sowohl den Tagesordnungspunkt 11 als auch die 53. Sitzung des Landtages Brandenburg in der 3. Legislaturperiode.

Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Nachmittag und einen schönen Abend.

Ende der Sitzung: 15.33 Uhr