Protocol of the Session on November 22, 2001

die zurzeit parlamentarisch nicht zu erreichen sind. Es geht hier nicht um die Heilung von Kinderkrankheiten, Frau Stobrawa. Wichtige Fragen können jederzeit durchaus dem Volk zur Entscheidung vorgelegt werden, wie es beispielsweise am 14. Juli 1992 geschah, als unsere Landesverfassung durch Volksentscheid angenommen wurde.

(Frau Stobrawa [PDS]: Gott sei Dank!)

Die Formulierung im Bereich Volksgesetzgebung in der Verfassung ist ebenfalls eindeutig. So sind in Artikel 2 Abs. 4, in dem die Gesetzgebung geregelt ist, zunächst der Volksentscheid und erst danach der Landtag als Gesetzgeber genannt. Die plebiszitären Elemente in den Artikeln 75 ff. unserer Verfassung führen sogar des Öfteren zu interessierten Anfragen aus anderen Bundesländern.

Deshalb kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, dass Herr Prof. Schöneburg dem Gesetzgeber in der Anhörung unterstellte, vom Demokratiebegriff in der Verfassung abzurücken und die Verfassung per einfaches Gesetz zu zersetzen, festgemacht am Beispiel der Kita-Initiative.

(Beifall bei der CDU)

Eine über die in unserer Verfassung vorgesehenen Mitwirkungsrechte hinausgehende Volksbeteiligung lehnen wir ab, nicht etwa aus Sorge, dass wir dann weniger zu tun hätten, sondern weil erhebliche Gründe dagegen sprechen.

Ich will hier im Rahmen meines Zeitkontingents auf einige der wichtigsten Gründe eingehen. Da eine unmittelbare Demokratie nur im kleinsten Gemeinwesen möglich ist, findet sich diese ursprünglichste Demokratieform in keinem europäischen Staat und auf keinem mit unseren Bundesländern vergleichbaren Territorium. Auch in der in diesem Zusammenhang häufig zitierten Schweiz gibt es diese lediglich in den Landgemeinden der schweizerischen Kantone.

Ein zentrales Problem von Volksinitiativen liegt auch darin, dass jede auch noch so komplexe Regelung reduziert werden muss auf eine Frage, die lediglich mit Ja oder Nein bzw. „Ich weiß nicht” zu beantworten ist.

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Im Moment nicht. - Eine solche Reduzierung gelingt in den seltensten Fällen. Die Entscheidungsfindung in der Diskussion ist immer die bessere Alternative. Eine Diskussion, die selbstverständlich nur durch Stellvertreter stattfinden kann, spricht durch die demokratisch legitimierten Volksvertretungen.

Hinweisen möchte ich auch noch darauf, dass gerade eine Zuspitzung der Frage zur Suggestivfrage der Manipulation Tür und Tor öffnet. Es kann auch nicht abgesichert werden, dass die Befragten ausreichend Gelegenheit haben, sich mit den Argumenten für und gegen die Initiative auseinander zu setzen, wie es beispielsweise bei einer Parlamentsdebatte der Fall ist. Eine verantwortungsvolle und sachgerechte Entscheidung setzt in der Regel zwingend umfangreiche Kenntnisse über Voraussetzungen, Rahmenbedingungen und Konsequenzen der Entscheidung voraus. Dies ist bei Volksbefragungen zumindest bei komplexen Sachverhalten häufig nicht leistbar.

(Frau Stobrawa [PDS]: Haben wir ein unmündiges Volk?)

Äußerst bedenklich sind für uns auch die angedachten finanziellen Auswirkungen bzw. Spielräume. Herr Klein hat bereits darauf hingewiesen.

Bei der Formulierung des Verfassungsartikels 76 Abs. 2 zum so genannten Finanztabu hat man sich natürlich etwas gedacht. Gerade die Finanzhoheit ist ein grundlegendes Mittel der Regierung und der Regierungsfraktionen, postulierte Ziele, die auch die Wahl bestimmt haben, umzusetzen. Wofür das Geld eingesetzt wird, ist eben auch ein Kriterium der Wählbarkeit und der Realisierung der Wahlziele. Da ist es nicht gleichgültig, ob bis zu 2 % eines Landesjahresetats pro Volksinitiative als zumutbare Finanzauswirkung für das Haushaltsgleichgewicht als störend angesehen werden. Diesen Handlungsspielraum haben, wie wir wissen, das Parlament und das Land nicht.

(Vietze [PDS]: Stimmt doch gar nicht!)

Der Gipfel ist, dass, wenn die Finanzierung nicht leistbar ist, der Landtag oder die Landesregierung die Nichtfinanzierbarkeit in Umkehr der Beweislast sogar bis vor Gericht zu beweisen haben.

Zweifel habe ich auch daran, dass bei den eigenen Vorschlägen zur Finanzierbarkeit der Maßnahmen die haushälterischen Zusammenhänge und Auswirkungen erkannt werden.

Herr Abgeordneter, lassen Sie jetzt Zwischenfragen zu?

(Oh! bei der PDS)

- Sie ändern durch die Fragen unser Abstimmungsverhalten doch nicht mehr.

(Heiterkeit - Zurufe von der PDS)

Inwieweit die Initiative für entsprechende Regelungen im Grundgesetz durchsetzbar ist, ist mehr als fragwürdig.

Anlässlich der deutschen Wiedervereinigung wurde eine gemeinsame Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat eingesetzt, in der unter anderem über die Einführung weiterer plebiszitärer Elemente diskutiert wurde. Auch hier fanden die Befürworter der Volksabstimmung keine Mehrheit. Inwieweit sich die Stimmung diesbezüglich auf Bundesebene geändert hat, kann ich nicht einschätzen, aber ich glaube, vor den Wahlen 2002 wird dieses Projekt nicht mehr angegangen.

Meine Damen und Herren, es ist auch falsch anzunehmen, dass der Einfluss des Volkes größer wird, nur weil es die Gelegenheit bekäme, an zusätzlichen Abstimmungen teilzunehmen. Inwieweit andere Rahmenbedingungen für Volksinitiativen mehr Demokratie bewirken sollen, ist für mich generell fragwürdig. Aufgrund des notwendigen Quorums bestimmt in der Regel immer eine Minderheit, wenn sie denn mit ihrer Initiative erfolgreich ist, in bestimmten Fragen über die Mehrheit des Volkes. Ob das demokratischer ist, sollte jeder für sich beantworten.

Bei verschiedenen Volksabstimmungen besteht auch die Gefahr, dass das Streiten in der Sache, das uns Volksvertretern immer wieder vorgeworfen wird, auf die Bürger untereinander verlagert wird.

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Ende Ihres Beitrages!

Ich bin sofort fertig, Herr Präsident. - Die polarisierende Wirkung von Plebisziten sollte deshalb nicht unterschätzt werden. Ebenso fürchte ich, dass die von uns immer wieder gewünschte Beschleunigung des Gesetzgebungsverfahrens durch die Einführung weiterer plebiszitärer Elemente konterkariert wird.

(Zurufe von der PDS)

Der Hauptausschuss hat sich seine Entscheidung nicht leicht gemacht und viele unterschiedliche Meinungen bezüglich der Beschlussempfehlung bedacht. - Vielen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Herr Abgeordneter, es steht noch die Frage an.

Herr Abgeordneter Helm, habe ich Sie richtig verstanden, dass die Bürgerinnen und Bürger Brandenburgs, die Ihnen und uns in einer demokratischen Wahl ihre Stimme gegeben haben, das Recht haben, uns den Vertrauensbeweis zu erbringen, uns zu

wählen, und dass wir auch das Recht haben, notwendige Veränderungen und Präzisierungen im Haushalt, auch im Laufe eines Jahres - Nachtragshaushalt nenne ich als Stichwort -, in ganz anderen Dimensionen vorzunehmen, aber dieses gleiche Volk, die Wählerinnen und Wähler Brandenburgs, nicht direkt das Recht hätten, diese Sachfrage, die sie selbstverständlich einer Entscheidung zuführen, zu entscheiden und dass Sie ihnen demzufolge dieses Recht absprechen?

Dieses Recht spreche ich ihnen überhaupt nicht ab. Dafür haben wir die Plebiszite. Aber ich möchte nicht, dass wir dies ändern. Für uns reicht das in der Verfassung Formulierte aus, um die Einflussnahme des Volkes zu gewährleisten,

(Beifall des Abgeordneten von Arnim [CDU])

wobei es immer Minderheiten aufgrund der Quoren bleiben.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der PDS)

Wir sind bei der Landesregierung. Das Wort geht an den Innenminister. Bitte sehr.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die erste Volksinitiative für faire Abstimmungsrechte in Brandenburg wirft schwierige verfassungsrechtliche und verfassungspolitische Fragen auf.

(Homeyer [CDU]: Dem ist so!)

Aufgrund der Verfassungsrechtsprechung in anderen Ländern sind durchaus Zweifel möglich, ob alle begehrten Regelungen verfassungsgemäß sind. Der Hauptausschuss hat entschieden, die Initiative für zulässig zu erklären. Auch die Landesregierung meint, die Auseinandersetzung mit Initiativen sollte nicht mit verfassungsrechtlichen, sondern, Herr Vietze, mit verfassungspolitischen Argumenten geführt werden.

Wie wir wissen, bilden plebiszitäre Elemente einen wichtigen Eckpfeiler unserer Landesverfassung. Dass bisher keine Initiative zum Volksentscheid führte, das allein lässt noch nicht den Schluss zu, die Hürden für die Volksgesetzgebung seien zu hoch. Denn die Grundanliegen mehrerer Initiativen sind sehr wohl vom Landtag aufgenommen worden, zum Beispiel das Musikschulgesetz.

(Beifall bei der CDU)

Auch die vor dem Landesverfassungsgericht gescheiterte KitaInitiative hat letztlich die finanzpolitischen Entscheidungen der Koalitionsfraktionen in den letzten Wochen mit beeinflusst.

Ich sage Ihnen deswegen sehr ernst: Die repräsentative Demokratie funktioniert, solange wir die Sorgen und Nöte der Bürger aufnehmen - wir, das sind wir hier im Landtag -,

(Beifall bei der CDU)

wenn wir als Parlamentarier darauf eingehen und wenn die Opposition ihre Aufgabe wahrnimmt.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe überlegt, warum die PDS eigentlich dafür ist. Dann habe ich mir das Protokoll angesehen, diese Rücksprache. Da sagt Herr Kuhlemann von der Volksinitiative Folgendes: