Protocol of the Session on October 24, 2001

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke dem Abgeordneten Petke.

Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Aussprache und kommen zur Abstimmung. Die Fraktion der PDS beantragt, die Drucksache 3/3365 an den Ausschuss für Inneres zu überweisen. Wer diesem Überweisungsantrag folgen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und der CDU, der Ihnen in der Drucksache 3/3457 vorliegt. Wer diesem Entschließungsantrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um sein Handzeichen. Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Entschließungsantrag mehrheitlich angenommen worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 10 und rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:

Die Wissensgesellschaft und die Perspektiven der brandenburgischen Hochschulen

Große Anfrage 16 der Fraktion der PDS

Drucksache 3/2038

Antwort der Landesregierung

Drucksache 3/3291

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt mit einem Beitrag der Fraktion der PDS. Herr Abgeordneter Dr. Trunschke, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich fange mit einem kleinen Witz an. Kennen Sie den? - Wie bringt man Gott zum Lachen? Ganz einfach: Man erzählt ihm seine Pläne.

Damit bin ich beim Thema, nämlich der Hochschulplanung; denn die damals fehlende Planungsperspektive für die Hochschulen war der eigentliche Anlass für unsere Große Anfrage. Es ist kein Zufall, dass unsere Fragestellungen im Wesentlichen dem damals gültigen Hochschulentwicklungsplan folgen. Jetzt liegt die Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage vor. Zusammen mit dem Kabinettsbeschluss zur Schaffung von weiteren 3 500 personenbezogenen Studienplätzen bildet sie in der Tat ein Gerüst für eine Planungsperspektive an den Hochschulen. Es fehlen jetzt noch die Entwicklungspläne an den Hochschulen.

Wenn wir jetzt also wieder eine Art Plan haben, den wir erzählen können, hat dann Gott etwas zum Lachen? - Über die ambitionierten Pläne zum Aufbau der brandenburgischen Hochschullandschaft von vor nunmehr zehn Jahren muss er sich geradezu gekugelt haben. Sicherlich hat er schon damals gewusst, dass dieselben, die 34 400 Studienplätze als für eine erste Etappe gerade ausreichend qualifizierten, genau dieses Ziel nur eine Legislaturperiode später als völlig überzogen darstellen würden. Gott wird gelacht haben über unseren Ministerpräsidenten, über den damaligen Abgeordneten und späteren Wissenschaftsminister Steffen Reiche, aber auch über dessen Staatssekretär und früheren Vorsitzenden der Hochschulkommission Prof. Buttler.

Über den gerade jetzt ausgelaufenen Hochschulentwicklungsplan aus der letzten Legislaturperiode wird er auch nur den Kopf geschüttelt haben; denn dieser war ja eingestandenermaßen schon bei seiner Kenntnisnahme durch den Landtag Makulatur. Wesentliche Kennzahlen wurden nie eingehalten. Gelegentlich erlaubt sich eine Hochschule noch einmal, die darin versprochenen Stellen, Sachmittel, Bewirtschaftungsmittel oder Reinvestitionsmittel tatsächlich anzufordern, aber ich glaube, keine Hochschule rechnet ernsthaft damit, dass die Landesregierung ihren damaligen Plan noch ernst nimmt.

Skepsis gegenüber den jetzigen, sozusagen dritten Planungen

zur Hochschulentwicklung ist also angebracht. Dennoch, sehr geehrte Frau Ministerin Wanka, wünsche ich Ihnen von ganzem Herzen, dass es mit Ihren Vorstellungen aus dem Kabinettsbeschluss und aus der Antwort auf unsere Große Anfrage besser geht als mit den bisherigen Planungen der Landesregierung zur Hochschulpolitik. Wenn jetzt Gott über diese Planungen lachen sollte, dann hoffentlich nur deshalb, weil wir künftig von diesen Planungen nach oben abweichen werden; denn eine solche Perspektive brauchen die Hochschulen, braucht vor allem aber unser Land Brandenburg.

So ganz sicher bin ich mir allerdings nicht, dass nicht auch die jetzige Hochschulplanung wieder der Realpolitik des Haushalts zum Opfer fallen wird. Einerseits habe ich mit Respekt zur Kenntnis genommen, dass die laut Kabinettsbeschluss für den Hochschulbau vorgesehenen Mittel auch tatsächlich in den Entwurf der Landesregierung für den Haushalt 2002/2003 eingestellt sind.

Herr Abgeordneter Dr. Trunschke, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, natürlich.

Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Kollege Trunschke, ich habe eine Frage bzw. eine Bitte an Sie. Können Sie es vielleicht unterlassen, hier ständig das Wort Gott zu benutzen! In diesem Raum sitzen einige gläubige Christen und ich finde mich schon in ziemlich unanständiger Weise berührt, wenn Sie hier in so blasphemischer Art damit umgehen.

(Beifall bei CDU und DVU)

Herr Abgeordneter, wenn Sie das als blasphemisch empfinden, dann bitte ich um Entschuldigung. Das war so nicht von mir gemeint. Ich kenne es aus meinen Kontakten, dass man auch mit Christen in der Weise reden kann. Aber wenn Sie das persönlich berührt, dann werde ich selbstverständlich darauf verzichten.

(Schulze [SPD]: Man soll den Namen des Herrn nicht missbrauchen!)

Ich komme zurück zu meinem Redetext. - Andererseits habe ich Zweifel daran, dass sich die Personalmittel für die Schaffung von zusätzlichen 3 500 Studienplätzen tatsächlich auch so im Haushaltsentwurf wieder finden. Die natürlich ebenso notwendigen zusätzlichen Sachmittel konnte ich überhaupt nicht finden.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, man kann über solche Pläne lachen, weil man vielleicht eine andere tatsächliche Ent

wicklung zur Kenntnis nimmt. Aber das ist nur eine mögliche Interpretation. Man kann auch deshalb manchmal darüber lachen, weil man die Diskrepanz zwischen hehrem Planungsentwurf und realer Politik sieht.

Die Landesregierung stellt in ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage noch einmal den Missstand bei den Sachkosten fest. Frau Ministerin Wanka ist auch in der heutigen Fragestunde darauf eingegangen. Während im Durchschnitt der Länder auf jeden Euro Personalkosten 23 Cent Sachkosten kommen, sind es in Brandenburg nur 15 Cent. Zwar will die Landesregierung hier eine Lösung anstreben - für den bis 2003 reichenden Haushalt ist das aber natürlich nicht zu erkennen, von den für die zusätzlichen Studienplätze auch erforderlichen zusätzlichen Sachmitteln ganz zu schweigen.

Dramatisch ist die Situation hinsichtlich der Reinvestitionen. Nach Gründung der Hochschulen konnten gute und moderne Geräte gekauft werden, die heute aber zum Teil moralisch oder tatsächlich verschlissen sind. Da ist dringend Ersatz notwendig. Bis zum Jahre 2005 wird sich dieser Reinvestitionsbedarf auf 83 Millionen DM summieren. Wie dieser Bedarf gedeckt werden soll, ist noch offen. Aber auch hier will sich die Landesregierung bemühen.

Ein weiteres Problem - um nur eine Auswahl vorzustellen stellen die Osttarife dar. Dadurch wird die Wettbewerbssituation der wissenschaftlichen Einrichtungen in Brandenburg erheblich verschlechtert. Auch hier ist eine Lösung bisher nicht in Sicht. Aber die Landesregierung will sich bemühen.

Mangelnde Sachkosten, ein nicht gedeckter Reinvestitionsbedarf und ungenügende Vergütungsanreize sind keine Randprobleme bei der Entwicklung der brandenburgischen Hochschullandschaft, sondern jedes für sich ist in der Lage, den dauerhaften Erfolg der Entwicklung infrage zu stellen. Deshalb nützt Bemühen allein nicht.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Pläne sind auch deshalb manchmal fragwürdig, weil diese und die tatsächlichen Erfordernisse weit auseinander klaffen. Sehen Sie sich an, welche enormen Anstrengungen andere Länder unternehmen, um ihre Hochschullandschaft zu entwickeln! Ich nenne hier nur China, Indien, Irland und die USA. Wie wollen wir da mithalten?

Kein Land, keine Region dieser Erde gibt ungestraft auf Dauer so wenig Geld für Hochschulen, Forschung und Technologie aus, wie wir es tun. Mit Abstand leisten wir uns sowohl je Einwohner als auch gerechnet am Anteil des Landeshaushaltes die geringsten Aufwendungen aller Bundesländer. Je Einwohner leisten wir uns im Jahre 2001 gerade etwas über die Hälfte des bundesdeutschen Durchschnitts und gerechnet am Anteil des Landeshaushalts sogar unter 40 % desselben. Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass das keine Auswirkungen hätte. Sie glauben doch auch nicht ernsthaft, die Korrekturen, die jetzt im Kabinett verabredet worden sind, würden unsere Position grundsätzlich ändern.

Wir werden den Preis dafür zahlen müssen, dass wir selbst bei Umsetzung der jetzt verabredeten Pläne lediglich 70 % der Studienplatzausstattung des bundesdeutschen Durchschnitts haben werden. Wir werden den Preis dafür zu zahlen haben, dass wir den Hochschulen eine Überlast aufgezwungen haben, die so

wohl flächen- als auch personenbezogen über dem bundesdeutschen Durchschnitt liegt. Es wird Folgen haben, dass in keinem anderen Bundesland das wissenschaftliche Personal mit so wenig Sachmitteln auskommen muss wie in Brandenburg. Dabei dürften wir uns eigentlich nicht einmal am Durchschnitt messen, sondern der Maßstab in diesem Bereich kann nur die Spitze sein, wohlgemerkt die Weltspitze.

Eine selbsttragende Entwicklung unseres Landes bleibt solange Wunschtraum, wie 59 % der jungen Menschen, die hier ihre Studienzugangsberechtigung erworben haben, zum Studium in ein anderes Bundesland gehen bzw. gehen müssen. Wie wollen wir denn den Teufelskreis ungenügender wirtschaftlicher Basis, anhaltender Arbeitslosigkeit und Abwanderung junger Menschen durchbrechen, wenn nicht durch Investitionen in die Köpfe?!

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die brandenburgische Hochschulpolitik der letzten Jahre unterliegt einem grandiosen Irrtum. Sie, meine Damen und Herren von der Landesregierung, glauben, Sie hätten sich schon gewaltig angestrengt, wenn es Ihnen gelingen sollte, mit den bundesdeutschen Standards Schritt zu halten. Ohne es zu hinterfragen gehen Sie inzwischen davon aus, dass es normal ist, wenn sich fast zwei Studierende einen Studienplatz teilen müssen. Das ist aber nicht normal. Es ist auch nicht normal, über 40 % der Studiengänge in der Zulassung zu beschränken.

Nicht umsonst wollten wir alle gemeinsam in der 1. Legislaturperiode eine deutliche Abkehr von den bundesdeutschen Verhältnissen. Aber, sehr geehrte Damen und Herren von der Landesregierung, Sie halten nicht einmal den bundesdeutschen Standard.

Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie haben sich in Ihrer Hochschulplanung auf die Prognosen der Hochschul-InformationsSystem GmbH, HIS, gestützt. Die HIS hat zwei Varianten für die Entwicklung der Studierendenzahlen genannt. Während wir gegenwärtig circa 33 700 Studierende haben, werden nach der ersten Variante der HIS auf dem Höhepunkt um 2007/2008 circa 5 200 Studierende mehr erwartet, nach der zweiten Variante sogar 8 800 mehr. Für diese sollen laut Kabinettsbeschluss 3 500 personenbezogene Studienplätze geschaffen werden. Sie nehmen also für die zusätzlichen Studierenden in der ersten Variante eine Überlast von circa 1,5 und in der zweiten Variante von circa 2,5 in Kauf. Wenn wir also in der tatsächlichen Entwicklung - wir reden bisher nur über eine Prognose - nur minimal über dieser Prognose liegen sollten, wird sich die jetzt schon über dem Bundesdurchschnitt liegende Überlastsituation weiter verschärfen. Flächenbezogen sieht es nur geringfügig besser aus. Selbst im Jahr 2015 hätten wir immer noch eine Überlast zu tragen, wenn wir dann 25 400 flächenbezogene Studienplätze statt der einmal geplanten 34 400 geschaffen haben.

Wir werden uns also auf lange Zeit auf sich verschlechternde Studienbedingungen einstellen müssen, auf eine Zeit, die länger dauern wird, als unser Landtag schon arbeitet. Dabei unterstelle ich nicht einmal, dass die Prognose der HIS - wie bisher alle Prognosen über Studierendenzahlen in der Bundesrepublik - von der tatsächlichen Entwicklung deutlich nach oben übertroffen wird.

Meine Damen und Herren, ungeachtet aller berechtigten Kritik an der Hochschulplanung und Hochschulfinanzierung brauchen

wir uns mit unseren brandenburgischen Hochschulen nicht zu verstecken. Das haben wir in erster Linie engagierten Hochschulangehörigen, noch zum Teil modernen Ausrüstungen und innovativen Konzepten zu verdanken. Es spricht für die brandenburgischen Hochschulen, dass wir den höchsten Zuwachs an Studierenden im Vergleich aller Bundesländer haben. Aber wie lange sind dieses Engagement und diese Motivation an den Hochschulen noch zu halten?

Kritik an der Hochschulpolitik hat nichts zu tun mit Schwarzmalerei unserer Hochschulsituation. Im Gegenteil, Kritik soll dazu beitragen, die Erfolgschancen der Hochschulen wenigstens beizubehalten oder möglichst sogar zu verbessern. Unsere Kritik hat auch nichts damit zu tun, dass die Antwort auf unsere Große Anfrage unsolide wäre. Nein, das ist sie nicht. Die Antwort ist eine gute Grundlage für die weitere Arbeit an den Hochschulen. Es war daher gut, diese Anfrage zu stellen. Frau Ministerin, ich bedanke mich ausdrücklich für die Antwort.

Das Problem ist nicht die Antwort der Landesregierung, das Problem ist die Politik der Landesregierung, die in ihrer Antwort verkauft werden muss.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, diese Politik zu ändern kann nicht allein Angelegenheit der Ministerin sein, auch nicht allein die des Kabinetts. Allerdings, der Ministerpräsident könnte ruhig einmal seine Richtlinienkompetenz zugunsten der Hochschulen einsetzen und sich nicht nur auf Sonntagsreden zu Rolle und Bedeutung von Hochschulen beschränken.

Aber auch wir im Landtag tragen Verantwortung, wir beschließen schließlich den Haushalt. Es liegt also auch in unserer Verantwortung, ob der Beschluss des Kabinetts zum weiteren Ausbau der Hochschulen das letzte Wort war - oder der Anfang für einen sachgerechten Ausbau und die Investition in die Köpfe, die Brandenburg tatsächlich braucht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nehmen wir die in wenigen Minuten beginnende Demonstration als Ermutigung, dass es dafür Zustimmung im Land gibt, dass es für mehr Ausgaben für Bildung, auch für Hochschulen, Zustimmung bei den Wählerinnen und Wählern geben kann. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke dem Abgeordneten Dr. Trunschke und gebe das Wort an die Fraktion der SPD, an Frau Abgeordnete Konzack.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Trunschke, Gott ist gnädig und verzeiht auch Ihnen, wenn Sie ihn benutzen, um die Hochschullandschaft Brandenburgs so betont negativ darzustellen.