Protocol of the Session on July 12, 2001

Sie sehen, Oranienburg kommt nicht zur Ruhe. Handlungsbedarf besteht nach wie vor. Die Bundesratsinitiative ist wichtiger denn je, nicht nur für Oranienburg.

Der Gesetzentwurf knüpft an die erheblichen Gefahren an, die in ganz Deutschland weiterhin von Fliegerbomben und anderer Kriegsmunition ausgehen. Er soll die Grundlage dafür schaffen, dass sich der Bund über die von ihm bisher geübte eingeschränkte Staatspraxis hinaus zur Beseitigung von Folgen der Weltkriege verpflichtet.

Der Entwurf eines Rüstungsaltlastenfinanzierungsgesetzes wurde den Wirtschafts- und den Innenministerien der anderen Bundesländer mit der Bitte um Unterstützung einer entsprechenden Bundesratsinitiative zugeleitet. Bisher haben sich folgende Bundesländer gemeldet und auf Arbeitsebene Unterstützung signalisiert: Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, RheinlandPfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Das ist durchaus ein Grund, optimistisch zu sein, und beweist auch, dass der Ansatz richtig war, nicht nur die neuen Bundesländer in dieser Problematik zu betrachten.

Wir hoffen auf ein zügiges Verfahren im Bundesrat und die Zustimmung des Bundestages zu diesem Gesetzentwurf. Jeder von uns sollte bei seinen Kolleginnen und Kollegen in den Bundestagsfraktionen für dieses Gesetz werben. Für die betroffenen Bürger, Kommunen, Kreise und Länder würden sich Rechtssicherheit und Kostengerechtigkeit erhöhen.

Sicher wird uns die Landesregierung über den Verlauf des weiteren Gesetzgebungsverfahrens informieren - auch ohne Antrag der PDS. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das Wort geht an die DVU-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Claus.

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Die nun eingeleitete Bundesratsinitiative der Landesregierung verdient jede Unterstützung. Unsere DVU-Fraktion teilt in jeder Hinsicht die Einschätzung der Landesregierung, dass der bisherige Zustand unbefriedigend ist. Hiernach erstattet der Bund den Ländern nur Aufwendungen für die Kampfmittelberäumung auf bundeseigenen Liegenschaften sowie für die Bergung und die Vernichtung so genannter reichseigener Munition.

Diese Praxis führt aus Sicht unserer Fraktion zu einem unerträglichen Ergebnis: dass das Land und die Kommunen sowie Privateigentümer dann über Gebühr belastet werden, wenn deren Liegenschaften in besonderem Maße durch Kämpfe während des Zweiten Weltkrieges in Mitleidenschaft gezogen wurden. Offensichtlich wird den betroffenen Ländern, Kommunen und Eigentümern ein besonderes Opfer abverlangt, welches nicht an vorangegangenes eigenes Handeln anknüpft, sondern einzig an die dingliche Zuständigkeit für die betroffene Liegenschaft.

Die DVU-Fraktion hält dieses besondere Opfer und die hieraus resultierende ungleiche Belastung im Verhältnis zu anderen Eigentümern, anderen Kommunen oder anderen Bundesländern für schlichtweg unerträglich. Es werden hier die elementarsten Grundsätze der Verantwortlichkeit beiseite geschoben. Von den Altlasten geht nach wie vor eine hohe Gefahr für die Allgemeinheit vor Ort aus, die der Abhilfe bedarf, und zwar schnellstmöglich. Zu ihrer Beseitigung sind viele Kommunen und Eigentümer gerade in den neuen Bundesländern finanziell gar nicht in der Lage.

Ich habe bereits - wie auch die Vorredner - in meinem letzten Beitrag zu diesem Thema am 4. April gesprochen und unsere Gesichtspunkte dargestellt.

Der Zweite Weltkrieg wurde von ganz Deutschland verloren, nicht etwa nur von einzelnen heutigen Bundesländern, Kommunen oder gar privaten Grundstückseigentümern. Die übermäßige Belastung einzelner Gebiete durch Kampfmittel resultiert einzig und allein aus dem tatsächlichen Verlauf der Kämpfe. Darauf hatten einzelne Gebiete, Kommunen oder gar Private nicht den geringsten Einfluss.

Deshalb liegt die Beseitigung der Kampfmittel in der Verantwortung unseres ganzen Landes und unserer ganzen Nation. Das heißt, Deutschland als Ganzes muss gleichermaßen mit den Kosten für die Beseitigung der Kampfmittel belastet werden.

Es kann aus diesen Gründen nicht angehen, dass einzelne Personen, einzelne Kommunen oder einzelne Landesteile schlechter wegkommen, weil dort - mehr oder weniger zufällig - mehr gekämpft wurde, und andere besser wegkommen, weil dort - eben

falls mehr oder weniger zufällig - weniger gekämpft wurde. Das Prinzip Zufall eignet sich schlecht zur Verwirklichung des Prinzips Gerechtigkeit, jedenfalls dann nicht, wenn sich, wie im Falle der Altlastenbeseitigung aus dem Zweiten Weltkrieg, eine Verantwortlichkeit eindeutig Deutschland als Ganzem zuordnen lässt.

Dem kann natürlich nur durch eine bundesweit einheitliche Regelung dergestalt Rechnung getragen werden, dass über den Bund Deutschland als Ganzes gleichermaßen für die Kosten für die Beseitigung aufkommen muss. Einer solchen Regelung bedarf es im Übrigen auch schnellstmöglich wegen der von Kampfmitteln ausgehenden Gefahr für die Bevölkerung. Im Übrigen wissen Sie selbst, dass - wie Frau Kaiser-Nicht schon sagte - in Oranienburg immer noch Blindgänger gefunden werden, die mit chemischen Langzeitzündern ausgestattet sind, die jederzeit hochgehen können. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke dem Abgeordneten Claus. - Ich gebe das Wort an die Fraktion der CDU, Herrn Abgeordneten Petke.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bemerkenswert schnell handelte die Landesregierung, als sie unseren Beschluss vom 4. April dieses Jahres dazu nutzte, einen Entwurf für ein Rüstungsaltlastenfinanzierungsgesetz zu erarbeiten und diesen bereits den anderen Ländern zuzustellen. Die Zahl der anderen Länder neben Brandenburg - acht - ist bereits genannt worden. Frau Kaiser-Nicht, es sind natürlich auch CDU-geführte Länder Deutschlands dabei, beispielsweise das Land Hessen und das Land Sachsen.

Wenn Sie auf die Frage eingehen, was der Bund hier alles zu leisten hat, muss ich sagen: Es ist natürlich aus der Sicht eines Landes wie Brandenburg verständlich, berechtigte Forderungen an den Bund zu stellen. Aber ich hätte mir gerade aus Ihrem Mund schon ein paar Aussagen dazu gewünscht, wie die Hinterlassenschaft zustande gekommen ist. Deswegen von mir zwei Anmerkungen.

Die Hinterlassenschaft auf den Flächen beispielsweise der ehemaligen sowjetischen Truppen, aber auch die Tatsache, dass teilweise noch sehr viele Rüstungsaltlasten im Boden sind, haben auf der einen Seite schon etwas mit der DDR, mit der Hochrüstung der DDR, und den hier stationierten sowjetischen Streitkräften zu tun sowie auf der anderen Seite auch mit der ungenügenden Räumung der Rüstungsaltlasten zu DDR-Zeiten.

(Frau Kaiser-Nicht [PDS]: Darüber haben wir uns voriges Mal schon verständigt!)

- Ja. Aber wenn Sie Forderungen stellen, sollten Sie auch sagen, woher diese Altlasten rühren.

(Zuruf der Abgeordneten Frau Kaiser-Nicht [PDS])

Ich denke, an der Aufzählung der Ländernamen, die Frau Schildhauer-Gaffrey bereits vorgenommen hat, wird deutlich, dass dieses Problem nicht an Partei- und Ländergrenzen Halt macht. Es ist auch kein Problem, bei dem man zwischen alten und neuen Ländern unterscheiden könnte. Aber wir haben hier einen Schwerpunkt. Die Schilderungen, welch schwierige Situation wir gerade in Oranienburg haben, waren sehr anschaulich. Mein Kollege Dr. Ehler hat in der letzten Sitzung ebenfalls bereits zu der Oranienburger Situation Stellung genommen.

Herr Abgeordneter Petke, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte schön, Frau Kaiser-Nicht.

Herr Petke, ist Ihnen erstens bekannt, dass der Munitionsbergungsdienst in der DDR täglich ausgerückt ist, und zweitens, dass die Karten der westlichen Alliierten, die zum Beispiel beim Auffinden der Munition hätten behilflich sein können, erst nach 1990 zur Verfügung standen?

Frau Kaiser-Nicht, das mit den Karten ist mir bekannt und es mag auch sein, dass der Munitionsbergungsdienst der DDR täglich ausgerückt ist. Aber mir ist aus der Situation, die wir heute mit dem Munitionsbergungsdienst haben, eben auch bekannt, dass - wie es zum Beispiel vorkommt - unter in der DDR gebauten Wohnungen Blindgänger gefunden werden. Es ist eine schwierige Situation, wenn plötzlich unter einem bewohnten Haus ein Blindgänger gefunden wird. Da ist damals eben nicht richtig gesucht worden.

(Zuruf der Abgeordneten Frau Osten [PDS])

Ich will das gar nicht bewerten. Die DDR hat die Bomben nicht ins Erdreich gebracht, aber es ist damals, wahrscheinlich auch vor dem Hintergrund der mangelnden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der DDR, qualitativ nicht richtig gesucht worden. Auch deswegen müssen wir uns heute mit diesem Problem auseinander setzen.

(Beifall der Abgeordneten Homeyer und Dr. Ehler [CDU])

Aber zurück zum Text: Meine Damen und Herren, Oranienburg ist nur eines der Problemfelder. In ganz Deutschland befinden sich Rüstungsaltlasten und die Länder sind mit der Übernahme der Bergungskosten allein ohne Zweifel überfordert. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf würde eine Übernahme der Kosten für die Beräumung der Kampfmittel auch der früheren Alliierten durch den Bund festgelegt werden.

Ich denke, das ist eine sinnvolle Regelung, das ist eine Regelung, die insbesondere die Länder und die Kommunen entlastet. Sie ist besser als die bisherige Staatspraxis und sie ist besser als das, was manchmal im Gespräch ist: dass man direkte Absprachen zwischen der Landesregierung und dem Bundesfinanzminister trifft.

Insofern brauchen wir, Frau Kaiser-Nicht, nicht nur im Bundesrat die Unterstützung anderer Länder; wir brauchen dann natürlich - daran hat Frau Schildhauer-Gaffrey zu Recht erinnert - die Unterstützung im Bundestag über die Fraktionsgrenzen hinweg. Ich hoffe, dass die großen Fraktionen im Landtag Brandenburg dann auch Einfluss auf ihre Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag nehmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke dem Abgeordneten Petke. - Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt angekommen und ich kann feststellen, dass Sie den Bericht der Landesregierung - Drucksache 3/2393 - zur Kenntnis genommen haben.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 7 und rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf:

Berichterstattung der Landesregierung über die Chancen und Risiken der geplanten Fusion zwischen Brandenburg und Berlin angesichts der Berliner Finanzkrise

Antrag der Fraktion der DVU

Drucksache 3/2988

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und erteile der Fraktion der DVU das Wort. Frau Abgeordnete Hesselbarth, bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Berliner Finanzkrise erschüttert die ganze Region. Viele Branchen in Brandenburg rechnen mit Arbeitsplatzabbau, Auftragsstopp und Firmenpleiten wegen der Krise in der Hauptstadt. Gerhard Bergfried, Geschäftsführer der Studio Babelsberg GmbH, befürchtet, dass so wörtlich - die Bankkrise direkte Auswirkungen auf den Standort haben wird. So wird die Berliner Investitionsbank IBB - den Gürtel wohl enger schnallen müssen und ihrem Förderauftrag nicht mehr optimal nachkommen können. Die Berliner Hypothekenbank, welche besonders für Existenzgründungen sehr wichtig ist, wird sich nun in erster Linie mit der Sanierung des eigenen Unternehmens beschäftigen müssen.

Am Tropf Berlin hängen in Brandenburg ganze Wirtschaftszweige, die von öffentlichen Aufträgen leben. Besonders hart betroffen sind hier wieder die Handwerksbetriebe, die ohnehin

schon in der Krise stecken. Ein Beispiel sei hier angesprochen: die Brandenburger Maler und Lackierer, für die eine Lähmung der politischen Geschäfte in Berlin in den nächsten Monaten verheerende Auswirkungen haben wird, denn in den Sommermonaten wird oft das Geld für das ganze Jahr verdient.

Die Berliner Krise ist eine Katastrophe. Im ersten Viertel dieses Jahres sind schon 20 Betriebe zusammengebrochen. Jede Krise wirkt sich, wie die jetzige, noch schlimmer aus, sagte Jürgen Wittke, Geschäftsführer des Landesinnungsverbandes der Maler und Lackierer in Berlin und Brandenburg - ich zitiere:

„Sollte der öffentliche Wohnungsbau mit seinen Aufträgen wegbrechen, bedeutet das das Aus für das Malerhandwerk.”

Das Handwerk befindet sich schon jetzt auf einem historischen Tiefpunkt. 5 700 Maler aus Brandenburg sind arbeitslos. Das sind 1 000 mehr als im Vorjahr. Sorge bereitet der Landesarbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammer in Brandenburg, dass sich die Fusion der Länder Berlin und Brandenburg weiter verschieben könnte. Sollte die Fusion nicht mit vollem Elan vorangetrieben werden, wäre dies genau das Verkehrte, sagte der Sprecher der Industrie- und Handelskammer in Brandenburg. Er sagte wörtlich:

„Im Jahre 2020 wird die Fusion nicht mehr benötigt”.

Unter den Bürgern Brandenburgs wächst unterdessen die Skepsis, ob der von der Landesregierung in Potsam und von der in Berlin vereinbarte Fahrplan zur Fusion beider Länder noch zu halten ist. Die derzeitige Berliner Finanzkrise lässt das zweifelhaft erscheinen.