Protocol of the Session on July 11, 2001

Falls es doch zu weiteren Verzögerungen bei der Fertigstellung des Bundesverkehrswegeplanes kommen sollte, hat die Verkehrsministerkonferenz der Länder vom Bundesministerium gefordert, sowohl das Investitionsprogramm als auch das Zukunftsinvestitionsprogramm für den Zeitraum von 2003 bis 2007 fortzuschreiben. Dies wäre dringend erforderlich, damit die Umsetzung späterer Straßenbauvorhaben durch die Fortführung bzw. die Neuauflage von Investitionsprogrammen gewährleistet ist, und um die erforderlichen Planungen zügig voranzutreiben. Das ist vor allen Dingen für Brandenburg wichtig, Herr Senftleben, weil wir zurzeit in den Verfahren ganz erheblich unter Druck stehen. Wir haben diese 430 Millionen DM aus dem Steuerpaket, wir haben die UMTS-Mittel und wir haben eine Menge Projekte zusätzlich bekommen. Das heißt, die Pakete, die wir fertig in der Planung hatten, sind jetzt abgearbeitet. Das ist gut so. Darüber können wir alle glücklich sein. Wenn wir aber jetzt nicht diesen Anschluss bekommen, wissen wir nicht, auf welche Projekte wir uns konzentrieren müssen.

Für den Bereich der Bundesfernstraßen ist das Fernstraßenausbaugesetz mit dem enthaltenen Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen in der Fassung von November 1993 nach wie vor gültig. Dementsprechend setzt die Straßenbauverwaltung des Landes Brandenburg die Planungen für die relevanten Maßnahmen in dem für einen kontinuierlichen Mittelabfluss notwendigen Umfang fort. - Schönen Dank.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Herr Minister, es gibt Klärungsbedarf. Herr Hammer, bitte!

Ich habe eine ganz spezielle Frage. Gibt es neue Erkenntnisse, den Bahnhof Frankfurt (Oder) betreffend?

Ich habe mich, als ich auf den Bahnsteigen stand, sehr drastisch und deutlich geäußert. Mein Besuch war Anlass, die Punkte Bahnhof, Bahnhofsgebäude und Bahnhofsumfeld Frankfurt und natürlich den Durchgang, die Verbindung zu den Gleisen, in das Spitzengespräch zwischen dem Ministerpräsidenten und Herrn Mehdorn aufzunehmen. Es ist uns zugesagt worden, dass das von der Bahn weiter verfolgt wird. Ich habe dann gedrängelt und darauf hingewiesen, dass es in Frankfurt im Jahre 2003 Höhepunkte geben wird. Es ist vielen völlig neu, dass hier Hansestadttradition gefeiert wird, dass es das Europa-Gartenfest und die 750-Jahr-Feier geben soll, also alles Anlässe, das Entree in die Stadt zu verschönern. Ich hoffe, dass das entsprechend umgesetzt wird.

(Beifall bei der SPD)

Nun hat der Abgeordnete Ludwig Gelegenheit, die Frage 789 (Gesellschaftliches Engagement gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt) zu formulieren.

In der Sendung „Brandenburg Aktuell” des ORB-Fernsehens am 27.06.2001 forderte der Brandenburger Innenminister und stellvertretende Ministerpräsident Jörg Schönbohm die PDS auf, nicht mehr mit antifaschistischen Gruppen zusammenzuarbeiten. Und wörtlich:

„In der Bundesrepublik Deutschland und in Brandenburg besteht keine Notwendigkeit eines antifaschistischen Kampfes, wie die PDS es aus der DDR kennt, sondern das macht der Staat.”

Wir Abgeordneten des Landtages haben uns in Einigkeit der drei demokratischen Parteien - CDU, SPD und PDS - am 21. September 2000 „Gegen Rechtsextremismus und fremdenfeindliche Gewalt - für ein tolerantes und weltoffenes Brandenburg” ausgesprochen. Im Beschluss betrachten wir das als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Auf dem Boden dieses Beschlusses arbeitet die PDS - wie andere Parteien - mit Gruppen zusammen, denen der Antifaschismus ein Anliegen ist und die, wie die PDS, auf Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele verzichten. Die Landesregierung unterstützt unter anderem das Aktionsbündnis gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt; der Landtag nahm in seiner letzten Plenarsitzung den Bericht dieses Aktionsbündnisses entgegen.

Ich frage die Landesregierung: Teilt sie jetzt die vom Innenmi

nister geäußerte Auffassung, dass Antifaschismus allein eine Sache des Staates ist?

Herr Minister Schönbohm, Sie haben erneut das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Ludwig, die Frage ist einfach, aber die Hinführung war eine Selbstdarstellung, die ich nicht zu bewerten habe, sondern nur zur Kenntnis nehme.

(Beifall bei CDU und DVU)

Als Sie mich zitierten, merkte man, dass Sie offensichtlich eine gute Schule durchlaufen haben. Sie haben bei Ihrem Zität nämlich einen Satz aus einem Interview herausgenommen:

„In der Bundesrepublik Deutschland und in Brandenburg besteht keine Notwendigkeit eines antifaschistischen Kampfes, wie die PDS es aus der DDR kennt, sondern das macht der Staat.”

Aus diesem Zitat machen Sie eine Ableitung, die eine feinsinnige Manipulation darstellt, indem Sie sagen:

„Ich frage die Landesregierung: Teilt sie jetzt die vom Innenminister geäußerte Auffassung, dass Antifaschismus allein eine Sache des Staates ist?”

Das habe ich gar nicht gesagt und insofern möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf einen größeren Zusammenhang richten.

Sie behaupten, ich hätte diese Äußerung gemacht. Ein Teil der Formulierung, die Sie verwenden, war Bestandteil der Moderation und als solche auch erkennbar. Dieser Teil war also nicht Inhalt meiner Äußerung. Richtig ist, dass ich von allen demokratischen Organisationen erwarte, nicht mit militanten Gruppen zusammenzuarbeiten, auch dann nicht, wenn sie antifaschistisch sind. Wenn Sie mit mir darin übereinstimmen, haben wir schon ein Stück Gemeinsamkeit.

(Beifall bei CDU und DVU sowie vereinzelt bei der SPD)

Gerade hier stehen aber, wie Sie wissen, nach wie vor Vorwürfe im Raum, dass so etwas in der PDS-Geschäftsstelle in Königs Wusterhausen geschehen sein soll. Sie haben zu diesen Vorwürfen gesagt, Sie wüssten nicht genau, welche Schlüsselordnung Sie hatten. Das ist nicht mein Punkt; das können Sie ja klären. Mir geht es darum, dass Sie sicherstellen, dass sich dies nicht wiederholt.

Der in Ihrer Anfrage zitierte Satz von mir, „In der Bundesrepublik Deutschland und in Brandenburg besteht keine Notwendigkeit...” - ich brauche den Rest nicht zu wiederholen -, wurde aus einer Abfolge von Äußerungen herausgezogen. Hierbei möchte ich gerade vor dem Hintergrund der eben erwähnten Vorwürfe darauf hinweisen, dass die Bundesrepublik Deutschland auf einem zentralen Kern beruht, nämlich der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Das ist doch entscheidend. Diese freiheitlichdemokratische Grundordnung steht im Mittelpunkt allen staatli

chen Handelns. Damit verbunden, Herr Ludwig, ist ein klares antitotalitäres Bekenntnis. Wenn wir uns darauf verständigen können, dass wir gegen jede Form von Totalitarismus sind, und wenn wir uns demnächst am 40. Jahrestag des Tages des Mauerbaus auch daran erinnern, dann bin ich sofort bereit zu sagen, dass wir gemeinsam gegen jede Form des Totalitarismus sind. Das ist der Kern der Sache, um den es mir geht.

(Beifall bei CDU, SPD und DVU)

Dies steht natürlich im Gegensatz zu diktatorischem und totalitärem Handeln. Ein freiheitlich-antiautoritärer Staat, wie wir ihn kennen, ist dazu verpflichtet, die Grundlagen freiheitlichen Zusammenlebens nicht nur formal zu organisieren, sondern auch zu vermitteln und diese zu verteidigen. Das nennen wir wehrhafte Demokratie. Wegen dieser wehrhaften Demokratie werden - nicht in Brandenburg, aber an anderen Orten - Teile der PDS vom Verfassungsschutz überwacht. Das ist der Grund und das ist die Diskussion, um die es geht. Dies geschieht nicht in Brandenburg - das sage ich ausdrücklich -, weil wir dazu im Augenblick keinen Anlass haben.

Der Staat versucht, diese Wertedemokratie durch Bereitstellung schulischer oder außerschulischer Bildungsangebote, mit Mitteln des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und mit Ressourcen zur Unterstützung entsprechender Initiativen zu fördern. Dazu gehört zum Beispiel auch das von Ihnen genannte Aktionsbündnis. Ja, wir sind für dieses Aktionsbündnis und wir sind dafür, dass sich die Bürger einbringen; denn wir haben begriffen, dass der Staat nur so gut wie seine Bürger sein kann, nicht aber so gut wie seine Bürokratie. Das brauchen Sie mir nicht beizubringen, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Dies ist der Kern dessen, was ich mit der Formulierung „Das macht der Staat” gemeint habe: Der Staat schafft die Voraussetzungen, dass sich die Bürger entfalten und einbringen können.

Darum beantworte ich Ihre Frage, ob der Antifaschismus Sache des Staates sei, ganz kurz wie folgt: Nein, Antitotalitarismus und Antiextremismus sind Sache des Staates. Sich damit auseinander zu setzen ist Sache der Bürger. Ich hoffe wirklich auf den mündigen Bürger.

(Beifall bei der CDU sowie vereinzelt bei der SPD)

Herr Ludwig.

Herr Minister, drei Nachfragen: Erstens: Habe ich Ihren Beitrag dahin gehend richtig verstanden, dass Sie nach wie vor mit der übergroßen Mehrheit dieses Landtages einer Meinung sind, dass antifaschistisches Wirken gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist?

Zweitens: Was haben Sie unternommen, um bei den schwedischen Polizeibehörden in Erfahrung zu bringen, was den dort in Haft sitzenden Brandenburgern konkret zur Last gelegt wird, um Ihrer Forderung an die PDS, wir sollten uns von Gewalttätern distanzieren, insoweit Ausdruck zu verleihen, als Sie uns mitteilen, welche Gewalttaten diesen vier Leuten vorgeworfen werden? In der Öffentlichkeit wurde dies nämlich bisher von niemandem, auch nicht von Ihnen, thematisiert.

Drittens: Verstehe ich Sie richtig, dass die Landesregierung weiterhin jede brandenburgische Initiative, die gewaltfrei gegen Fremdenfeindlichkeit und rechts motivierte Gewalt vorgeht, unterstützen wird?

Ich wäre Ihnen sehr dankbar, Herr Abgeordneter, wenn Sie gemeinsam mit mir gegen jede Gewalt einträten.

(Beifall bei CDU, SPD und DVU)

Ich verstehe überhaupt nicht, warum Sie von „rechts motivierter Gewalt” gesprochen haben. Wenn jemand zusammengeschlagen wurde und gesundheitliche Schäden davontrug, dann fragt er nicht danach, warum er verletzt wurde, sondern er fühlt die Schmerzen und seine Angehörigen trauern mit ihm. Begreifen Sie also bitte endlich, dass wir uns nicht nur auf die Gewalt von Rechts kaprizieren. Wenn die Gewalt in Göteborg nicht von Rechts, sondern von Links ausging, dann sagen Sie doch: Wir verurteilen Gewalt in jedem Fall.

(Beifall bei CDU, SPD und DVU)

Insoweit bin ich mit Ihnen gegen jede Gewaltbereitschaft, lasse mich aber nicht darauf reduzieren, nur gegen rechte Gewalt zu sein, da die andere angeblich systembedingt sei. Die Zeiten sind vorbei: Es gibt in Deutschland und in Brandenburg keinen Grund für irgendeine Gewalt. Darüber sollten wir Einvernehmen erzielen und dann können wir auch über alles andere reden.

(Beifall bei CDU, SPD und DVU)

Zu Ihrer zweiten Frage zum Thema Gewalttäter weiß ich gar nicht, was ich hier öffentlich vortragen soll. Die einzige Frage, die zu beantworten ist, lautet: Kommen Sie aus Königs Wusterhausen, waren Sie regelmäßig oder unregelmäßig in der PDSGeschäftsstelle

(Ludwig [PDS]: Beantworten Sie meine Frage!)

und haben Sie dort die Schlüsselgewalt, sodass Sie kontrollieren können, wer Zugang zu dieser Örtlichkeit hat und sie nutzen kann?

(Zuruf der Abgeordneten Frau Kaiser-Nicht)

Das ist die Frage, auf die eine Antwort öffentlich interessiert. Alles andere ist Sache der Beschuldigten und deren Angehörigen. Ich habe nicht die Absicht, mich dazu öffentlich zu äußern.

Zum Thema Antifaschismus habe ich schon gesagt, dass ich mit Ihnen gemeinsam gegen jede Form des Totalitarismus bin. Es wäre gut, wenn wir uns darauf verständigen könnten. Der Antifaschismus ist ein Teil davon, aber nicht das eigentliche Thema, das Sie aus allem herauslösen können. Darüber können wir diskutieren und dann können wir auch gemeinsam vorgehen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Meine Damen und Herren, ich habe schon einmal deutlich ge

macht, dass es nicht meine Aufgabe ist, Antworten zu bewerten. Dann müsste ich nämlich auch Fragen bewerten. Ich glaube nicht, dass Ihnen das recht wäre.