Protocol of the Session on July 11, 2001

Der schöpferische Beitrag der DVU-Fraktion besteht nun darin, beispielsweise aus der knappen Formulierung unter Ziffer 3.1 des IMK-Beschlusses, wonach ein Verbleib ausscheide, wenn die Aufenthaltsbeendigung vorsätzlich vom Ausländer hinausgezögert wurde - Passlosigkeit, Aufgabe der Staatsangehörigkeit, Folgeanträge, Untertauchen und anderes -, einen § 2 - Ausschlussgründe - zu basteln, der, Frau Fechner und Frau Hesselbarth, sage und schreibe über anderthalb Seiten Ihres Antrages geht. Auch das ist bezeichnend.

Ich kann darin nur bedingt einen Beitrag sehen, die Handhabung

der Bleiberechtsregelung klarer und eindeutiger zu gestalten. Sie sehen das wohl selbst auch nicht, denn dann dürfte es nicht mehr darum gehen, dass die Ausländerbehörden die Vorgaben auslegen. Wären sie klar und eindeutig formuliert, ginge es um eine vollzugsdefizitfreie Anwendung.

Aber auch in inhaltlichen Positionen verschlechtern Sie die bescheidenen Rechtspositionen von Ausländern, indem Sie abweichend zur Innenministerkonferenz bei Auszubildenden in Lehrberufen, bei Familien mit Kindern, bei Alleinerziehenden mit Kleinkindern, betreuten und zu pflegenden erwerbsunfähigen Personen die Dauer des Bleiberechts ohne Not von zwei Jahren auf ein Jahr kürzen. Personen in besonderen Härtefällen zeigen Sie auf diesem Wege und in Ihrer unverwechselbaren Art Ihre besondere Zuwendung.

Völlig unverständlich ist die weitere Fristverlängerung, nachdem - und das war auch falsch - die Antragsfrist bereits am 31. Dezember 2000 ablief.

Interessant sind jetzt nur noch zwei Fragen.

Erstens: Wurden seit 1999 gestellte und teilweise abgelehnte Anträge nach Änderung der Erlasslage im Dezember 2000 als neu gestellt bearbeitet?

Zweitens: Wie kann eine zügige Bearbeitung aller Anträge und Entscheidungen bis Herbst 2001 durch die Behörden sichergestellt werden? - Diese Fragen stellen Sie aber nicht.

Abschließend möchte ich noch einmal bedauern, dass der Antrag der PDS-Fraktion vom Dezember letzten Jahres, Ausländern eine sechsmonatige „Schnupperbefugnis” zu geben, um Arbeitsverträge abschließen zu können, keine Mehrheit fand. Stattdessen setzten Sie auf eine Glaubhaftmachung von Bemühungen um Arbeitsaufnahme, um befristete Erlaubnisse von sechs Monaten zu erteilen. Das erhöht den Verwaltungsaufwand. Ob es sich zugunsten der Berechtigten ausgewirkt hat, ist dem Landtag erst noch statistisch vorzulegen. Ihr Antrag ist Quatsch und gehört abgelehnt.

(Beifall bei der PDS)

Wir sind damit bei der Landesregierung. - Die Landesregierung verzichtet, sodass wir am Ende der Rednerliste sind. Ich schließe damit die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Die DVU-Fraktion beantragt die Überweisung der Drucksache 3/2986 an den Ausschuss für Inneres. Wer diesem Überweisungsansinnen folgt, der möge die Hand aufheben. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Überweisung abgelehnt worden.

Damit kommen wir zur Abstimmung über den Antrag selbst. Wer dem Antrag folgt, möge die Hand aufheben. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag abgelehnt worden. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 12.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf:

Vorlage eines Gesetzentwurfes für ein Gesetz des Landes Brandenburg zur Verwahrung und Sicherung der

auf dem Gebiet des Landes Brandenburg lagernden Akten des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit der DDR

Antrag der Fraktion der DVU

Drucksache 3/2987

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der beantragenden Fraktion. Herr Abgeordneter Claus, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als einziges neues Bundesland hat Brandenburg auf einen Landesbeauftragten für die personenbezogenen Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR verzichtet. Ein Ausführungsgesetz zum Stasiunterlagengesetz wurde bis heute nicht verabschiedet, obwohl dies nach § 38 des Gesetzes möglich ist.

Wie kürzlich der Presse zu entnehmen war, führte der Berliner Stasibeauftragte, Herr Gutzeit, Beratungstätigkeiten für Verfolgte des SED-Regimes in Brandenburg durch.

Ich möchte zunächst die Äußerungen des PDS-Abgeordneten Herrn Ludwig zurückweisen, wonach diese Beratungstätigkeit eine Verletzung der Hoheitsrechte des brandenburgischen Parlaments darstellen würde. Die DVU-Fraktion hält es aber für angezeigt, wegen der Schwere der begangenen Verbrechen durch das SED-Regime einen Stasibeauftragten für das Land Brandenburg einzusetzen. Derartige Forderungen wurden früher auch schon von der CDU-Fraktion erhoben, Herr Homeyer. Sie haben nunmehr Gelegenheit, Ihre frühere Forderung durch die Annahme des DVU-Antrages durchzusetzen.

(Homeyer [CDU]: Dank Ihrer Hilfe!)

- Dank unserer Hilfe, das ist richtig.

Nach § 38 Abs. 1 des Stasiunterlagengesetzes darf ein Landesbeauftragter die Arbeit des Bundesbeauftragten bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben nach § 37 unterstützen. Dazu gehört auch die Verwahrung und Sicherung der auf dem Gebiet des Landes Brandenburg lagernden Akten. Von besonderer Bedeutung ist die Beratung der Opfer des Unrechtsregimes.

Viele Verfolgte wissen leider nicht, welche Ansprüche sie möglicherweise geltend machen können. Begangenes Unrecht muss aufgearbeitet werden. Ich weiß, dass es in der SED-Nachfolgepartei Politiker gibt, die versuchen, den Mauerbau zu rechtfertigen - Sie haben es fast bestätigt -, oder schwere Menschenrechtsverletzungen am liebsten verschweigen. Es gibt bei den linken Genossen noch unzählige Günstlinge des früheren SEDSystems. Die DDR war der Vorposten des Kommunismus in Europa.

Laut Schwarzbuch des Kommunismus, das vor einigen Jahren von französischen Autoren herausgegeben wurde und auch einen Beitrag des Herrn Gauck enthält, hat der Kommunismus infolge seiner menschenverachtenden Unterdrückungsmaßnahmen etwa 100 Millionen Menschen das Leben gekostet. Damit war der Kommunismus die schlimmste Terrorideologie aller Zeiten.

Zur Festigung der Macht gab es das MfS mit 90 000 hauptamtlichen und 175 000 inoffiziellen Mitarbeitern. Die Stasi war eingesetzt für die absolute Kontrolle der Bevölkerung. Bis zur Wende im Jahr 1989 verließen 4,6 Millionen Menschen die DDR, etwa ein Viertel der Bevölkerung. An dieser Fluchtentwicklung wird das ganze Ausmaß des Unrechtssystems deutlich. Allein im Jahr 1953, dem Jahr des Volksaufstandes, flohen 330 000 Menschen in Richtung Westen. Rund 90 000 Menschen wurden bei Fluchtversuchen gestellt und landeten in Gefängnissen. Die Strafe war in der Regel menschenunwürdig. Über 900 Flüchtlinge kamen bei dem Versuch, die DDR zu verlassen, ums Leben. - Ich trage Ihnen die Zahlen vor, damit Ihnen die Notwendigkeit der Einsetzung eines Stasibeauftragten deutlich wird.

Die so genannte Justiz in der DDR fällte mindestens 72 Todesurteile wegen politischer Delikte. Das letzte Todesurteil erging 1981 gegen einen MfS-Offizier, der seine Flucht vorbereitet hatte. Die frühere DDR-Justizministerin Hilde Benjamin trägt eine erhebliche Schuld an der Verhängung und Vollstreckung von Todesurteilen.

Die kommunistische Idee war in allen Staaten des ehemaligen Ostblocks Bestandteil eines Liquidationsgramms. Über 200 000 Menschen wurden aus politischen Gründen in DDR-Haftanstalten eingesperrt und menschenunwürdig behandelt. Als Legitimation ihrer diktatorischen Herrschaft galt für die DDR-Machthaber der längst untergegangene Faschismus. So wurde der 17. Juni 1953 als faschistischer Putschversuch verurteilt und die Mauer in Berlin galt als antifaschistischer Schutzwall. Arbeitslager für so genannte asoziale und Regimegegner gab es in der DDR von 1962 bis 1976. Hier saßen bis zu 10 000 Personen ein. In den Haftanstalten - danach können Sie sich auch selbst einmal erkundigen - gab es Dunkelhaft, Tigerkäfige, Essensentzug, körperliche Misshandlungen, Erpressungen, Knüppeleinsätze und andere menschenunwürdige Methoden.

An der innerdeutschen Grenze und an der Mauer gab es über 900 Todesfälle. Menschen, die von Deutschland nach Deutschland fliehen wollten, wurden hinterrücks erschossen oder verbluteten infolge des Einsatzes der Todesautomaten, von denen manche als MS 70 oder 5/01 bekannt sind. Zehntausende wurden aus den Sperrgebieten der innerdeutschen Schandgrenze deportiert und verloren Hab und Gut. Bis zum Jahre 1989 wurden fast 32 000 Häftlinge für 3,4 Milliarden DM vom DDRRegime verkauft. Durch Menschenhandel wurden die Devisenkassen der DDR aufgefüllt; wie Sie wissen, ist die Ost-Mark nicht konvertierbar gewesen.

Meine Damen, meine Herren, ich muss Ihnen diese schweren Verbrechen aufführen, weil das begangene Unrecht im Land Brandenburg wegen der hier herrschenden politischen Verhältnisse immer noch nicht richtig aufgearbeitet worden ist. Sobald ein Beauftragter für die Bewältigung des Stasiunrechts benannt werden wird, werden - dessen bin ich mir sicher - wesentlich mehr Anfragen als bisher kommen. Brandenburg hat erheblichen Nachholbedarf. Einige werden vielleicht sagen, dass dies gut so ist. Viele haben Anspruch auf Entschädigung oder auf berufliche oder strafrechtliche Rehabilitierung. Noch nicht alle haben mangels Beratung bislang ihre Ansprüche geltend gemacht. Die schweren Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen des Kommunismus und insbesondere des DDR-Regimes sind eine schwere Anklage. Man kann begangenes Un

recht nicht ungeschehen machen - das stimmt -, aber zumindest können wir die Opfer der Diktatur angemessen unterstützen.

Am 20. Dezember 1991 wurde das Stasiunterlagengesetz verabschiedet. Fast 40 Jahre lang sammelte das MfS der DDR im Auftrag der SED Material über Millionen von Menschen, in erster Linie über Bürger der DDR, aber auch über hunderttausende Westdeutsche und Ausländer. Der Spitzelapparat beeinflusste auch den beruflichen Auf- und Abstieg, nutzte systematisch menschliche Schwächen aus und schreckte auch nicht davor zurück, intimste Informationen für seine Zwecke zu verwenden. Die ärztliche Schweigepflicht, das Bank- und Postgeheimnis und selbst die in der Verfassung der DDR festgelegten Grundrechte waren für die Stasi kein Tabu. Im Gegensatz zu anderen Staaten Osteuropas, deren Staatsangehörige sich schon in den 70er Jahren gewisse Freiheitsrechte erkämpften, blieb das DDR-System stalinistisch. Die DDR blieb bis zur Wende der Vorposten des Weltkommunismus in Europa.

Meine Damen, meine Herren, Ziel des vorliegenden Gesetzentwurfes ist die politische, historische und juristische Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes sowie anderer Staatsorgane, die schwere Unrechtstaten verübt haben. Mir liegt eine Veröffentlichung ehemaliger DDR-Bürgerrechtler vor, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte:

„Menschen, die andere gepeinigt und unterdrückt haben, leben in Wohlstand und Würden. Die meisten politischen Häftlinge und andere politisch Verfolgte der ehemaligen DDR beziehen heute Einkommen auf Sozialhilfeniveau. Offiziere der Stasi, der NVA und des Strafvollzuges sowie leitende Funktionäre des Staatsapparates der DDR bekommen Spitzenrenten, leben in Häusern, die sie billig von ‘Ausreisern’ gekauft haben, und freuen sich auf ihre Rentennachzahlung in sechsstelliger Höhe.”

Letzteres konnten Sie vor kurzem in den Zeitungen lesen.

Die DVU steht nicht auf der Seite der Täter, sondern auf der Seite der Opfer. Deshalb fordern wir, dass der Widerstand gegen Diktatur und Menschenrechtsverletzungen auch finanziell gewürdigt werden muss. Die Beratungstätigkeit durch einen Landesbeauftragten ist hierzu ein wichtiger Schritt und ich hoffe, dass Sie einen solchen unterstützen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke dem Abgeordneten Claus und gebe das Wort dem Abgeordneten Klein. Er spricht für die Koalitionsfraktionen. Bitte, Herr Abgeordneter Klein.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Aufarbeitung der Stasiakten beschäftigt uns bis heute. Viele Brandenburgerinnen und Brandenburger konnten das Thema Staatssicherheitsdienst für sich noch nicht in zufrieden stellender Weise abhandeln. Zur Aufarbeitung stehen aber verschiedene Wege zur Verfügung.

Andere neue Bundesländer haben den Weg gewählt, Landesbeauftragtengesetze zu erlassen, allerdings nicht jüngerer Vergangenheit, sondern die entsprechenden Landesgesetze von Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen stammen schon aus dem Jahre 1993. Damals und nicht heute wurden die Entscheidungen dafür und dagegen getroffen. Wie üblich hinkt die DVU der gesellschaftlichen Entwicklung um Jahre hinterher.

Die Tätigkeit dieser Landesbeauftragten umfasst vor allem die Bereiche Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit, Forschung, Information für Forschungsprojekte, zeithistorisch interessierte Medien, Schulen usw. Diese Aufgaben werden im Land Brandenburg in vorbildlicher Weise von der Landeszentrale für politische Bildung wahrgenommen. Wozu, frage ich Sie, also eine weitere Institution mit weitgehend gleichen Zuständigkeiten, die außerdem noch zusätzliche Kosten verursachte?

Im Übrigen, meine sehr verehrten Damen und Herren, gewährt die brandenburgische Verfassung allen Bürgerinnen und Bürgern ein Petitionsrecht. Dieses Petitionsrecht gewährleistet allen Betroffenen, dass sie sich mit all ihren Fragen und Problemen an den Landtag, die kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften und jede sonstige staatliche oder kommunale Stelle wenden können. Auch gewährleistet es einen Anspruch auf Bescheid in angemessener Frist. Bei Punkt 10 der heutigen Tagesordnung haben wir wieder gesehen, dass dieses Recht von den Brandenburgerinnen und Brandenburgern vielfach in Anspruch genommen wird. Das alles nützt den Betroffenen. Den Betroffenen nützt es aber nichts, wenn sich die DVU eigenmächtig zu ihren Sachwaltern aufschwingt. Vor allem aber nützt dieser Antrag nichts und deshalb lehnen wir ihn ab. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Herrn Abgeordneten Klein und gebe das Wort der Fraktion der PDS. Frau Abgeordnete Birkholz, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts von Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl mutet der vorliegende DVU-Antrag noch seltsamer an, als er ohnehin schon ist. Wieder einmal zeigte es sich, dass die DVU plump mit sensiblen Themen spielt und versucht, unter allen Umständen Aufmerksamkeit zu erregen.

(Schuldt [DVU]: Davon haben Sie doch gar keine Ah- nung!)

Erstens sehe ich keine Veranlassung, durch ein Landesgesetz die Akten der Staatssicherheit sichern zu müssen. Dafür gibt es das Stasiunterlagengesetz.

Zweitens hat sich das Land Brandenburg bereits in der ersten Hälfte der 90er Jahre bewusst dafür entschieden, keinen Landesbeauftragten einzurichten, wie das andere Länder gemacht haben. Es wäre absurd, wenn elf Jahre nach der Wende vor dem Hintergrund, dass die Überprüfungen im öffentlichen Dienst im

Wesentlichen abgeschlossen sind, ein solcher Schritt nachgeholt werden würde.

Wir halten es für erforderlich, dass die Interessen der Opfer der Überwachung durch die Staatssicherheit gewährleistet werden. Dazu bedarf es jedoch nicht der Schaffung einer zusätzlichen Landesbehörde. Deshalb lehnen wir den Antrag ab. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.