Eine alte Kampagne um „faule Arbeitslose” erregt gegenwärtig die Gemüter. Was unter Kohl noch „soziale Hängematte” und „Freizeitpark Deutschland” hieß, heißt jetzt unter Bundeskanzler Schröder:
Zu Recht wies der Brandenburger Arbeitsminister diese Sichtweise zurück und benannte den Mangel an Arbeitsplätzen als Kernproblem der Massenarbeitslosigkeit. Gleichzeitig regt die Arbeitsstaatssekretärin, Frau Schlüter, Eingliederungsverträge zwischen Arbeitslosen und Arbeitsämtern an. Medienberichten zufolge wird dabei betont, dass Sanktionsinstrumente der Arbeitsämter konsequentere Anwendung finden müssten, wenn zumutbare Maßnahmen abgelehnt werden. In der öffentlichen Wahrnehmung stellt sich somit ein konträres Meinungsbild seitens des Arbeitsministeriums dar.
Deshalb frage ich die Landesregierung: Mit welchen konkreten Vorschlägen bringt sie sich auf Landes- und Bundesebene ein, um dem „Faulenzervorwurf” entgegenzutreten, insbesondere im Kontext der vorbereiteten SGB-III-Reform?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Dr. Schröder, es gibt keinen „Faulenzervorwurf” und die Diskussion darum ist müßig. Ich denke, inzwischen ist geklärt, dass der Bundeskanzler das so nicht gesagt hat.
Es gibt eine große Zahl von Arbeitslosen, die verzweifelt Arbeit sucht. Auch wenn es einzelne schwarze Schafe gibt, so ist klar, dass das große Problem das erhebliche Defizit an Arbeitsplätzen besonders in strukturschwachen Regionen ist. Das ist des Pudels Kern und hier müssen wir ansetzen.
Darüber hinaus halte ich es für sinnvoll, wenn der Bundesarbeitsminister als Element der Reform des Sozialgesetzbuches III so genannte Eingliederungsverträge vorschlägt, die vom Arbeitsamt und von den Arbeitslosen gemeinsam erarbeitet werden. Solche Verträge sollen die Eignung und die Fähigkeiten und damit die Chancen auf dem Arbeitsmarkt individuell ausloten. Sie sind eine Hilfe zur Rückkehr in Beschäftigung. Keineswegs sind sie ein Mittel, um mögliche Sanktionen besser verhängen zu können. Die Sanktionsmöglichkeiten gibt es schon seit langem. Sie werden auch angewandt.
Es ist zu erwarten, dass Arbeitslose und Arbeitsvermittler in aller Regel Übereinstimmung über die Maßnahmen erzielen. Wo das nicht der Fall ist, reichen meines Erachtens die jetzt bestehenden Sanktionsmöglichkeiten aus. Vor allem aber - das ist mir in diesem Zusammenhang am wichtigsten - muss das Sozialgesetzbuch III selbst beschäftigungswirksamer werden. Es muss dahin gehend entwickelt werden, dass Arbeitsförderung einen größeren Beitrag zum Abbau des Arbeitsplatzdefizits leisten kann. Mit diesem Ziel müssen solche strukturorientierten Instrumente wie SAM und Vergabe-ABM qualitativ weiterentwickelt und der Auftrag des Sozialgesetzbuches III um den Ausgleich regionaler Arbeitsmarktdisparitäten erweitert werden.
Darüber hinaus schlagen wir ein mehrjähriges Programm zur Verbesserung der kommunalen Infrastruktur vor. Seine vom MASGF entwickelten Eckpunkte sind unter anderem die zusätzliche Vergabe von Aufträgen zum Ausbau und zur Pflege kommunaler Infrastruktur, die problem- und ortsnahe dezentrale Steuerung durch die Kommunen und die systematische Verknüpfung von Infrastruktur- und Arbeitsförderung. Bei einem Programmvolumen von 2,5 Milliarden DM jährlich - 80 % sollten dabei der Bund, 10 % die Länder und 10 % die Kommunen übernehmen - könnte die Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland um mehr als 10 % abgebaut werden.
Meine Damen und Herren! Hoffentlich konnte ich Ihnen deutlich machen, dass die Eingliederungsverträge und ein stärker verzahntes Förderinstrumentarium zwei Seiten einer Medaille sind. Wir brauchen beides, um aus dem Defizit an Arbeitsplätzen in Ostdeutschland herauszukommen. Deshalb sollten wir im Rahmen des SGB III und seiner Reform auch beides umsetzen. - Vielen Dank.
Die erste Nachfrage bezieht sich auf eine erst jüngst, im April 2001, durchgeführte Erhebung über die politische Stimmung in Brandenburg. Danach erachten 44 % der wahlberechtigten Brandenburger das Problem „Bekämpfung von Sozialmissbrauch” als sehr wichtig. Meine Frage dazu lautet: Halten Sie diese Stimmungslage für ein Ergebnis der Kampagne gegen Arbeitslose?
Ich komme zu meiner zweiten Frage. Die CDU hat ein radikales Reformkonzept für die Sozialhilfe und die Arbeitslosenhilfe vorgelegt. So sollen laut Zeitungsinformationen Arbeitslose, die einfache Jobs...
Frau Abgeordnete, die Nachfragen sind bitte kurz zu stellen. Es sollen keine zweiten oder dritten Anfragen werden. Ich bitte Sie, sich daran zu halten.
Arbeitslose, die einfache Jobs nicht annehmen, werden als Drückeberger abgestempelt und sollen nur noch Lebensmittelgutscheine und Sachleistungen für das Allernotwendigste erhalten. Hierzu hätte ich gern Ihren Standpunkt erfahren. Mit welchem Geist sitzen Sie eigentlich in einer Regierung?
Frau Kollegin, die zweite Frage halte ich für ziemlich absurd. Wir verfahren dort anders und sind auch bisher schon anders verfahren. Das wissen Sie auch.
Ich komme nun zu Ihrer ersten Frage, die sich auf den Sozialmissbrauch bezog. Ich sage Ihnen ganz offen, dass dies ein Problem ist, das die Menschen auch missmutig machen kann. Vorhin habe ich darauf hingewiesen, dass es nur einzelne schwarze Schafe gibt. Dennoch kann man daran nicht vorbeigehen. Wir wissen sehr wohl, dass die meisten arbeitslosen Menschen in unserem Land händeringend Arbeit suchen. Es wäre fatal, wenn wir zu der Behauptung kämen, bei fast 240 000 arbeitslosen Menschen in unserem Land handele es sich um Drückeberger. Das hat aber auch niemand gesagt. - Danke schön.
Zur Formulierung der Frage 694 (Arbeitsmarkt in Branden- burg) geht das Wort an den Abgeordneten Claus. Bitte!
In Brandenburg sind derzeit etwa 240 000 Menschen ohne Arbeitsstelle. Dies sind zwar 7 000 Arbeitslose weniger als im Vormonat, aber damit liegt die Arbeitslosenquote mit 17,9 % immer noch weit über dem Bundesdurchschnitt. Die meisten Arbeitslosen befinden sich in der Baubranche. Die Arbeitsämter zahlen Arbeitslosen und Auszubildenden eine so genannte Mobilitätsprämie in Höhe von 5 000 DM, wenn sie sich in ein anderes Bundesland vermitteln lassen.
prämie nicht im Land Brandenburg eingesetzt, um hier Arbeitsund Ausbildungsplätze zu schaffen oder zu erhalten?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe das Für und Wider von Mobilitätshilfen bereits in der Sitzung am 1. März erläutert. Diese Ausführungen kann man nachlesen, zumal sich diese Frage an die Kompetenz und den gesetzlichen Auftrag der Bundesanstalt für Arbeit richtet; sie wäre der eigentliche Adressat. Auch dies ist nachzulesen, nämlich im Sozialgesetzbuch III. Dort heißt es unter anderem, dass die Leistungen der Arbeitsförderung vor allem zum Ausgleich am Arbeitsmarkt eingesetzt werden sollen. Wenn es die Situation erfordert, können die Arbeitsämter zum Ausgleich von Disparitäten auf dem Arbeitsmarkt auch durch Mobilitätsanreize beitragen. Das ist in Zeiten eines gespaltenen Arbeitsmarktes - die Arbeitslosigkeit in den neuen Ländern ist zum Teil doppelt so hoch wie in den alten Bundesländern - durchaus der Fall. Während einige westdeutsche Bundesländer händeringend Fachkräfte suchen, sind diese in Ostdeutschland unter Umständen arbeitslos. Wer aber sollte es einem Brandenburger Ingenieur verweigern, sich in Bayern einen Job zu suchen? Die Mobilitätsprämie kann in Brandenburg solchen Arbeitslosen gewährt werden, die eine Beschäftigung außerhalb ihres Tagespendlerbereiches - dieser Hinweis ist wichtig! - aufnehmen. Bei den Entfernungen in unserem Land kann dies durchaus eine Tätigkeit innerhalb unseres Landes sein. Im Übrigen sind die Schaffung oder der Erhalt von Arbeitsplätzen nicht Aufgabe der Bundesanstalt für Arbeit; auch das muss man sehen. Arbeitsplätze entstehen in erster Linie in Unternehmen. - Vielen Dank.
Das Wort geht an den Abgeordneten Vogelsänger, der Gelegenheit hat, die Frage 695 (Einrichtung der 11. Klassen in der Gesamtschule Storkow) zu formulieren.
Am 19. September 2000 haben das Staatliche Schulamt des Landkreises Oder-Spree, die Stadt Storkow als Schulträger und die Gesamtschule Storkow, vertreten durch den Vorsitzenden der Schulkonferenz und die Schulleiterin, eine Erklärung unterzeichnet, in welcher die Bedingungen zur Einrichtung der 11. Klassen festgelegt werden. Hintergrund ist der von Schülern, Eltern, Lehrkräften und der Stadt nachdrücklich angestrebte Erhalt der Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe, dem rechtlich und fiskalisch begründete Mindestgrößen der Klassenbildung entgegenstehen. Die nicht erreichte Mindestzahl an Schülerinnen und Schülern bedroht nun auch für das Schuljahr 2001/2002 den Bestand der gymnasialen Oberstufe.
Meine Frage an die Landesregierung lautet: Sieht sie eine Möglichkeit, den Wünschen der für ihre Schule sehr engagierten Schüler, Eltern, Lehrkräfte und der Stadt Storkow zu folgen und eine Ausnahme von der geforderten Mindestschülerzahl von 50 Schülern zur Einrichtung der 11. Klassen zuzulassen?
Die Fragesteller Herr Vogelsänger und Herr Sarrach - Letzterer hat die Frage 740 eingereicht, die ursprünglich morgen beantwortet werden sollte - haben sich mit Herrn Minister Reiche als Vertreter der Landesregierung geeinigt, dass beide Fragen zusammen beantwortet werden. Bitte sehr, Herr Minister!
- Warten wir noch den kleinen Moment, bis die Frage 740 (Maß- nahmen des MBJS zum Erhalt der Sekundarstufe II und somit zum Erhalt der Gesamtschule Storkow) gestellt worden ist?
Bildungsstaatssekretär Szymanski teilte anlässlich der Beendigung des Schülerstreiks an der Gesamtschule Storkow mit, dass nun die Schule, die Stadt Storkow und das Bildungsministerium gemeinsam daran arbeiten müssten, dass die Sekundarstufe II auch in den nächsten Jahren erhalten werden könne. Die Gesamtschule stellte daher erneut den Antrag, sich Europaschule nennen zu dürfen; sie beantragte weiterhin Projekte, die vom Ministerium abgelehnt wurden. Das deutsch-polnische Projekt wurde von der Schule inhaltlich-fachlich überarbeitet. Eine Genehmigung hierfür steht aber noch immer aus. Schließlich wird seit diesem Schuljahr der bilinguale Unterricht - Geographie in Englisch - praktiziert. Die Stadt Storkow ihrerseits verabschiedete die gesamte Projektfinanzierung für die polnischen Schülerinnen und Schüler, sodass feststeht, dass die Stadt Storkow bereit ist, in den nächsten Jahren mehrere hunderttausend Mark in den Erhalt der Schule zu investieren. Außerdem soll sich die Stadt in mehreren Schreiben an das Bildungsministerium gewandt haben, in denen der Wunsch nach einer Zusammenarbeit geäußert wurde. Am 8. Mai schließlich übergab das Kinder- und Jugendparlament Storkow dem Petitionsausschuss des Landtages eine Massenpetition, die brandenburgweit mehrere tausend Unterschriften zählt und in der gefordert wird, dass die Mindestschülerzahl von 50 auf 40 Schüler reduziert wird.
Ich frage nun die Landesregierung: Was hat sie unternommen, um die Sekundarstufe II und damit die Gesamtschule Storkow für die Zukunft zu erhalten?
Wir werden in Zukunft von solchen flexiblen Lösungen absehen, weil ich glaube, dass damit Regelungen unterlaufen werden, die sich auf die Handhabung der Geschäftsordnung beziehen.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Vogelsänger, Herr Sarrach, schon im vergangenen Jahr haben wir, um dem Wunsch zum Erhalt der gymnasialen Oberstufe in Storkow entgegenzukommen, die Bildung 11. Klassen zugelassen, obwohl zum damaligen Zeitpunkt am zweiten Schultag nur 40 Schülerinnen und Schüler gemeldet waren und wir insofern eine Ausnahmeregelung treffen mussten. Heute sind unter 40 Schüler angemeldet. Schon im vergangenen Jahr war dasselbe Problem für dieses Jahr erkennbar.
Die in der Anfrage genannte Erklärung vom 19. September 2000 legt in der Tat fest, dass beim Übergang in die gymnasiale Oberstufe in Storkow für das Schuljahr 2001/2002 eine Mindestschülerzahl von 50 gegeben sein soll. Dies ist auch in der Verwaltungsvorschrift Unterrichtsorganisation für die Einrichtung von gymnasialen Oberstufen im ganzen Land im Konsens mit dem Landesschulbeirat verbindlich geregelt. Unter dieser Zahl ist ein vernünftiges Kurssystem nicht zu organisieren und damit auch ein qualitativ angemessenes Angebot mit entsprechenden Auswahlmöglichkeiten für die Schülerinnen und Schüler nicht sicherzustellen.
Das Land muss hingegen sicherstellen, dass auch im ländlichen Raum in der gymnasialen Oberstufe ein qualitativ vergleichbares Angebot organisiert wird. Trotzdem ist die Mindestschülerzahl 50 keine K.-o.-Zahl. Bei einer Kooperation von zwei gymnasialen Oberstufen ist eine Gesamtzahl von 60 Schülerinnen und Schülern notwendig, wobei die kleinere gymnasiale Oberstufe mindestens 20 Schülerinnen und Schüler aufweisen muss.
An der Gesamtschule in Storkow haben sich für das kommende Schuljahr leider nur 36 Schülerinnen und Schüler für die Jahrgangsstufe 11 angemeldet. Mit Stand vom gestrigen Tag ist festzustellen, dass entsprechend der schriftlichen Mitteilung der Schulleiterin nur noch 29 Anmeldungen für die Jahrgangsstufe 11 vorliegen. Einen Kooperationspartner hat die Gesamtschule Storkow leider nicht finden können.
Die Landesregierung sieht vor diesem Hintergrund keine Möglichkeit, eine Ausnahme von der vorgegebenen Mindestschülerzahl zu machen. Der Amtsdirektor hat mich deshalb auch gebeten, die Entscheidung über die Nichteinrichtung der gymnasialen Oberstufe zum nächsten Schuljahr möglichst schon früher zu treffen, sodass für die Schülerinnen und Schüler Klarheit besteht und sie sich auf den Besuch einer anderen gymnasialen Oberstufe einstellen können. Sie sollten dazu die Entscheidung weiterer Gremien, wie der Stadtverordnetenversammlung, abwarten. Ich kann mir das aber durchaus vorstellen, da das die Planungssicherheit für die Schülerinnen und Schüler, aber auch für die Schule und die kommunalen Träger erhöhen würde.
Was das deutsch-polnische Schulprojekt betrifft, ist dazu am 30. März beim Landesschulamt ein entsprechender Antrag eingegangen. Ich begrüße ausdrücklich, dass sich der Schulträger engagieren will, auch finanziell. Das ist Ausdruck einer guten Arbeit der Schule - das Beispiel ist genannt worden - und ich räume dem Vorhaben gute Chancen ein, zum Schuljahr 2002/2003 mit diesem Projekt zu starten.
Herr Minister, sind Ihnen Praktiken bekannt, wonach das Staatliche Schulamt Schüler dahin gehend beeinflusst hat, die Schule in Storkow nicht zu besuchen, und wonach sich die geringe Anmeldezahl von nunmehr 29 Schülern auch daraus ergeben hat?