Protocol of the Session on May 16, 2001

Herr Minister Meyer, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Tack, die Beurteilung der Effektivität einer derartigen vom Bund geplanten Maßnahme ist an sich nicht Sache der Einver

nehmensprüfung. Unabhängig davon vertrete ich die Auffassung, dass für ein Bauwerk mit einer Lebensdauer von mindestens 80 Jahren die traditionellen Methoden der Prognose allein nicht ausreichend sind.

Der Verkehrsweg Teltowkanal - als solcher ist er vor mehr als 100 Jahren angelegt worden - bedarf einer Modernisierung, um seiner Funktion weiterhin entsprechen zu können. Hierbei müssen überregionale Verkehrsbeziehungen und deren wirtschaftliche Bedeutung gewährleistet bleiben.

Entsprechend des Auftrages des Landtages hat das MSWV selbstverständlich den Bund gebeten, eine Abschätzung des perspektivischen Aufkommens als Nachweis der erforderlichen Länge der Schleuse Kleinmachnow vorzulegen. Dazu gab es bereits erste Absprachen. Über vorliegende Ergebnisse werden wir die Fachausschüsse unterrichten. - Danke schön.

Das Wort geht nun an den Kollegen Bochow, der Gelegenheit hat, die Frage 701 (Europawoche 2001) zu formulieren.

Vom 4. bis 13. Mai fand die diesjährige Europawoche statt. Seit 1995 nimmt Brandenburg nunmehr an dieser Veranstaltungsreihe, die zeitgleich in allen anderen Bundesländern durchgeführt wird, teil.

Ich frage die Landesregierung: Wie schätzt sie den Erfolg der diesjährigen Europawoche insbesondere vor dem Hintergrund ein, dass in den letzten Wochen die Zustimmung der Brandenburger Bevölkerung zur Einführung des Euro als Zahlungsmittel nach Presseberichten gesunken sein soll?

Der Europaminister hat das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Bochow, Ziel der Europawoche war es, Europa den Bürgerinnen und Bürgern näher zu bringen und vor allem für die geradezu schicksalhafte Bedeutung der europäischen Integration auch für unser Land zu werben.

Im Rahmen der Brandenburger Europawoche 2000 wurden über sechzig Veranstaltungen zu den Hauptthemen Osterweiterung, EU-Reformen und Strukturfondsförderung durchgeführt. Sie richteten sich an nahezu alle gesellschaftlichen Gruppen in Brandenburg. Darüber hinaus habe ich im Namen der Landesregierung zwölf Bürgerinnen und Bürgern die Europaurkunde verliehen, mit der persönlicher Einsatz für die Europaidee gewürdigt werden soll - wichtig gerade im Jahr des Ehrenamtes.

Nach den mir vorliegenden Informationen und aufgrund meiner persönlichen Beteiligung an zahlreichen Veranstaltungen, darunter einer mit über tausend Teilnehmern in Groß Pinnow, bewährt sich die Europawoche als außerordentlich erfolgreich. Sie ist ein wichtiger Bestandteil der Informations- und Glaub

würdigkeitsoffensive der Landesregierung zum Thema Osterweiterung und trägt sicher viel dazu bei, das Thema Europa in den Herzen und Köpfen der Menschen zu verankern.

Unabhängig von der Zahl der Veranstaltungen und der Teilnehmer ist hervorzuheben, dass sich in den letzten Jahren ein festes Netzwerk von Veranstaltern gebildet hat, die sich der europäischen Idee und ihrer Vermittlung an die Bevölkerung mit Engagement widmen. Dazu gehören Vereine und insbesondere Schulen.

Auch die Einführung des Euro war natürlich Thema der Europawoche. Die Haltung der Brandenburger zum Euro kann sicher nicht durch Veranstaltungen wie der Europawoche beeinflusst werden. Die Landesregierung ist aber davon überzeugt, dass der Euro nach seiner Einführung auch in Form von Bargeld das Vertrauen der Menschen erwerben wird, das er verdient. - Vielen Dank.

Ich bedanke mich. - Wir sind damit bei der Frage 702 (Aus- wirkungen der EU-Osterweiterung), gestellt von der Abgeordneten Frau Fechner. Bitte sehr.

Nachdem auch die EU-Kommission Probleme bei der EU-Erweiterung festgestellt hat, frage ich die Landesregierung: Welche konkreten Probleme sieht die Landesregierung bei der Erweiterung der EU auch in Bezug auf den Arbeitsmarkt im Land Brandenburg?

Herr Minister Schelter, Sie haben erneut das Wort.

Bei der Analyse der Arbeitsmarkteffekte ist zwischen Arbeitsmigranten und Pendlern zu unterscheiden. Die Wanderungsbereitschaft Arbeitsuchender hängt entscheidend von der Aussicht auf einen besser bezahlten Arbeitsplatz ab. Es ist wahrscheinlich, dass sich Zuwanderer kaum in Brandenburger Gegenden niederlassen, die von hoher Arbeitslosigkeit geprägt sind. Schwieriger ist es, die zu erwartenden Pendlerbewegungen einzuschätzen. Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge nimmt die Pendelbereitschaft ab Entfernungen von 30 bis 50 Kilometern deutlich ab. Deshalb dürfte sich auch der Zustrom von Pendlern nach Brandenburg in engeren Grenzen halten, zumal die angrenzenden polnischen Regionen dünn besiedelt sind.

Die Landesregierung setzt sich mit allem Nachdruck dafür ein, dass durch konzertierte Maßnahmen der EU, des Bundes und des Landes die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit unsere Bürgerinnen und Bürger die mit der EUErweiterung verbundenen Chancen wahrnehmen und Risiken eng begrenzt werden können.

In den Beitrittsverhandlungen müssen Übergangsfristen vereinbart werden. Dies hat die Landesregierung stets gefordert. Für die Arbeitnehmerfreizügigkeit sieht der Vorschlag der Europä

ischen Kommission regional, sektoral und zeitlich flexibel handhabbare Einschränkungen von bis zu sieben Jahren vor. Der Weg zu einer rechtswirksamen Regelung ist jedoch noch weit.

Parallel dazu brauchen wir für die Dauer dieser Übergangsfrist eine Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit in Teilbereichen, insbesondere in der Bauwirtschaft und im Handwerk, da die ökonomischen Auswirkungen am Arbeitsmarkt mit denen einer sofortigen Arbeitnehmerfreizügigkeit vergleichbar sind. - Vielen Dank.

Es gibt noch Klärungsbedarf. Frau Fechner, bitte.

Ich habe noch Klärungsbedarf bezüglich der Sperrfrist von fünf Jahren, die für ausländische Arbeitnehmer vorgesehen ist. Es ist auch vorgesehen, dass es ausländischen Arbeitnehmern erlaubt ist, sich in Deutschland selbstständig zu machen. Was ist Ihre Meinung dazu? Befürchten Sie zusätzliche Belastungen für die einheimische Wirtschaft beziehungsweise für den einheimischen Arbeitsmarkt?

Eine zweite Frage bezüglich der finanziellen Mehrbelastungen für das Land Brandenburg: Der Presse war zu entnehmen, dass die EU-Kommission festgelegt hat, dass bis zum Jahr 2006 keine zusätzlichen finanziellen Mittel mehr fließen sollen. Wie wird das Land Brandenburg diesen finanziellen Mehrbedarf ausgleichen?

Schließlich eine letzte Frage: Sie haben bezüglich der Probleme, die auf dem einheimischen Arbeitsmarkt zu erwarten beziehungsweise nicht zu erwarten sind, Stellung bezogen. Welche weiteren Probleme sieht die Landesregierung für das Land Brandenburg aufgrund der EU-Osterweiterung zum Beispiel im Bereich der Verkehrsinfrastruktur oder der Kriminalitätsentwicklung?

Zur ersten Frage verweise ich auf meine Antwort. Ich habe mich dazu geäußert, dass wir parallel zur Übergangsregelung bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit auch entsprechende Regelungen für die Dienstleistungsfreiheit wünschen, damit es - jedenfalls für eine Übergangsfrist - keine Flucht aus der Arbeitnehmertätigkeit in die Dienstleistungen gibt.

Zu Ihrer zweiten Frage: Es ist noch nicht ausgemacht, dass die Europäische Union hierfür kein Geld zur Verfügung stellen wird. Es geht darum - daran arbeiten wir mit den Kolleginnen und Kollegen in den an die Beitrittsstaaten grenzenden Ländern und in Berlin -, dafür zu sorgen, dass die Europäische Union Haushaltsreste aus den Strukturfonds, Haushaltsreserven aktiviert, um damit die übergangsweise eintretenden Belastungen für die Grenzregionen abzufedern.

Ich weise noch einmal darauf hin, dass wir ein konzertiertes Maßnahmenbündel zwischen Europäischer Union, Bund und auch Land wünschen.

Zu Ihrer dritten Frage: Es gibt neben Belastungen des Arbeits

marktes natürlich auch Herausforderungen vor allem für die mittelständischen Unternehmen, für das Handwerk und andere, auch für Dienstleistungsbereiche. Wir müssen dafür sorgen, dass alle betroffenen Bereiche mit Selbstbewusstsein, Mut und auch mit Flexibilität auf diese Herausforderungen reagieren. Wir werden sie mit entsprechenden Maßnahmen auch auf Landesebene dabei unterstützen. Der finanzielle Bedarf dafür steht noch nicht fest.

Herr Ludwig, bitte.

Herr Minister, würden Sie mir zustimmen, dass es in der gegenwärtigen Zeit sehr darauf ankommt, die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger in Bezug auf die EU-Osterweiterung ernst zu nehmen und dass zu diesem Ernstnehmen auch gehört, neben den möglicherweise zu erwartenden Belastungen aufzuzeigen, welche Chancen sich durch die Erweiterung gerade für die hier in Rede stehenden mittelständischen Unternehmen und damit auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ergeben?

Meine zweite Frage: Deuten nicht die seit Jahrhunderten im Strafrecht gemachten Erfahrungen darauf hin, dass auch das Risiko besteht, dass, wenn man Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus Polen und anderen osteuropäischen Staaten in Übergangszeiten das Recht auf Arbeit in der Bundesrepublik verweigert, diese dann in Einzelfällen schwarzarbeiten und damit der deutschen Wirtschaft eher mehr Schaden entstehen könnte?

Die Situation besteht in weiten Teilen bereits. Die Erweiterung der EU und die Mitgliedschaft Polens und anderer Bewerberstaaten wird eher zur Legalisierung eines zum Teil illegalen Zustandes führen. Unabhängig davon bleibt es richtig, dass wir die zu erwartenden vorübergehenden Mehrbelastungen unseres Arbeitsmarktes abfedern müssen. Wir dürfen unsere Unternehmen, unsere Wirtschaft und die Bürger, die um ihren Arbeitsplatz kämpfen, nicht allein lassen. Das zählt auch zur Wahrheit des Unternehmens Osterweiterung.

Zu Ihrer ersten Frage: Sie haben völlig Recht. Viele Stunden meiner Tätigkeit als Europaminister verbringe ich damit, auf die Chancen hinzuweisen. Das tun wir - nicht zuletzt im zuständigen Ausschuss - ja auch gemeinsam.

Herzlichen Dank. - Wir sind damit am Ende der heutigen Fragestunde und ich schließe Tagesordnungspunkt 1.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Aktuelle Stunde

Thema: Struktureller Wohnungsleerstand erfordert Stadtumbau

Antrag der Fraktion der SPD

Das Wort geht an den Abgeordneten Dellmann, der für die beantragende Fraktion spricht.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die bis 1990 vorhandenen Strukturen der Wirtschaft in den neuen Bundesländern haben sich einschneidend verändert. Viele Wohnungsstandorte und damit Schwerpunkte des Wohnens auch in Brandenburg wurden infrage gestellt. Die Anzahl der Arbeitsplätze ist gering und die Standorte folgen marktwirtschaftlichen Gesetzen. Ehemals bedeutende und traditionelle Industrie- und Wohnungsstandorte in Brandenburg, zum Beispiel Wittenberge, Luckenwalde, Schwedt und Guben, haben an Bedeutung verloren. Gleichzeitig haben sich in Brandenburg und anderen neuen Bundesländern die Ansprüche an das Wohnen deutlich erhöht.

Der in der DDR häufig nicht realisierbare Wunsch nach einem Eigenheim führte zu starker Abwanderung ins Umland unserer Städte. Gleichzeitig haben wir eine deutlich rückläufige natürliche Bevölkerungsentwicklung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, circa 150 000 Wohnungen stehen in Brandenburg leer. In Ostdeutschland sind es bereits circa eine Million Wohnungen. Es handelt sich nicht mehr um einen temporären Wohnungsleerstand, Wohnungsüberhang, sondern um ein strukturelles Problem, um einen strukturellen Wohnungsüberhang. Es handelt sich hierbei um ein Problem, welches uns über Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte beschäftigen wird. Dieser Wohnungsüberhang kann kurzfristig nicht aufgelöst werden.

Häufig wird uns die Frage gestellt, ob bei der Wohnungsbauförderung in Brandenburg in den vergangenen Jahren Fehler gemacht wurden. Sind etwa zu viele Gebäude modernisiert oder Sozialbauwohnungen gefördert worden? Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat mit ihren erheblichen Anstrengungen seit Gründung des Landes Brandenburg ihren Beitrag geleistet, die noch 1989 und 1990 in vielen Bereichen akute Wohnungsnot abzubauen und den großen Instandhaltungs- und Modernisierungsrückstau aus DDR-Zeiten aufzuholen. Sicherlich unterlag die eine oder andere Kommune auch einer mangelnden Einschätzung ihrer Entwicklungspotenziale.

Die Situation in einigen brandenburgischen Städten erfordert entschlossenes Handeln. Fast 30 Städte und Gemeinden haben einen Wohnungsleerstand von mehr als 10 %. So verfügt beispielsweise die Stadt Wittenberge heute über einen Leerstand von über 3 000 Wohnungseinheiten. Allein die laufenden Kosten durch Wohnungsleerstand dürften sich in dieser Stadt auf circa 4,5 Millionen DM jedes Jahr belaufen. Basis für diese Berechnung sind 2 DM pro Quadratmeter. Dies bedeutet zum einen einen erheblichen Liquiditätsabbau in den betroffenen Wohnungsunternehmen bzw. bei den Wohnungseigentümern und zum anderen eine deutliche Verschlechterung des Wohnstandortes.

Klassische Stadtentwicklung und klassische Wohnungspolitik können hier oftmals nicht mehr greifen. Völlig neue Ansätze sind gefordert. Stadtplanung hat sich in Deutschland bisher nur

mit dem Wachstum der Städte und gegebenenfalls der Stadtsanierung einzelner Quartiere auseinander gesetzt. Heute geht es in den betroffenen Städten um das Finden neuer kommunaler Leit- und Sinnbilder. Nicht mehr Bevölkerungswachstum und Stadterweiterung stehen im Mittelpunkt der Diskussion, sondern Gesundschrumpfung, teilweiser Rückbau und die völlige Neugestaltung innerstädtischer Quartiere. Selbst die wissenschaftliche Forschung konnte bisher nur geringe Beiträge für diesen in Europa im letzten Jahrhundert einmaligen Prozess leisten. Es geht also nicht nur um die Beseitigung von Wohnungsleerstand an sich, nein, es geht um Stadtumbau in einer neuen quantitativen und qualitativen Dimension.

Meine Damen und Herren, die Akteure auf verschiedensten Ebenen sind gefragt. Bisherige Ansätze werden nur wenig Erfolg versprechend sein. Gefordert ist eine Gesamtbetrachtung nicht nur der Städte, sondern auch ihres Umlandes. Bürger, Städte, Wohnungsgesellschaften und Wohnungseigentümer müssen Stadtumbau als gemeinsame Aufgabe verstehen und intensive konzeptionelle Vorarbeit leisten. Ein Abgleich von Stadtentwicklungspolitik, Stadtplanung sowie wohnungspolitischen und wohnungswirtschaftlichen Konzepten ist unerlässlich.