Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kaiser-Nicht, die Treffsicherheit Ihrer Behauptungen ist verblüffend. Ich habe nicht allem so folgen können, weil der Redefluss sehr, sehr schnell war und das Mitschreiben nicht so einfach. Aber auf ganz wenige Dinge möchte ich doch von dieser Stelle aus einmal eingehen, bevor ich mit meinem Redebeitrag beginne.
Behauptungen kann man sehr viele aufstellen. Wenn Sie aber dazu kommen, ein Szenario aufzubauen für die Zeit nach dem InKraft-Treten eines Gesetzes mit einer Sicherheit und Überzeugung, wie Sie es hier dargeboten haben, dann geht mir das einfach ein Stück zu weit.
Einige sehr große Unklarheiten möchte ich hier noch einmal ausräumen. Sie sagen, wir würden mit dem Gesetz die flächendeckende Versorgung der Kitas beenden. Woher nehmen Sie diese Sicherheit? Ich denke, genau das ist nicht der Fall. Eine Kommune, eine Gemeinde, ein Amt werden auf eine ganz andere Weise als heute planen können.
Im Augenblick nicht. - Ich spreche jetzt erst einmal zu Ihnen. Ich würde das noch gern zu Ende führen. Dann können Sie noch einmal fragen, Frau Kaiser-Nicht.
Zweitens: Sie behaupten, wir würden Arbeitslosigkeit fördern, anstatt bekämpfen. Frau Kaiser-Nicht, wir haben im Augenblick mit einer Verschuldung in Höhe von 25 Milliarden DM zu kämpfen - 25 Milliarden DM Verschuldung, 10 000 DM für jeden einzelnen Bürger - und Sie sagen, wir ändern diese Gesetze ohne Not. Frau Kaiser-Nicht, Ihre Argumentation geht in eine Richtung, die sehr, sehr unseriös ist.
Ein nächster Punkt: Sie haben ein sehr schnelles Rechenexempel über die Tagespflege aufgemacht. Ich habe es nicht verstanden, ich denke. jeder Mathematiklehrer würde es auch nicht verstehen. Vielleicht bekommen wir bei der in der nächsten Woche stattfindenden Anhörung Nachhilfeunterricht. Ich meine, die Behauptung, die Sie aufgestellt haben, ist schlichtweg falsch.
Nach langen Diskussionen hat die Landesregierung das Zweite Gesetz zur Änderung des Kindertagesstättengesetzes eingebracht. Als Ausschussvorsitzende habe ich für den 24. Mai eine öffentliche Anhörung zum Kita-Gesetz anberaumt, in der ca. 20 Experten zu der Thematik Stellung nehmen werden. Deshalb halte ich es hier und heute für unseriös, eine abschließende Bewertung des Gesetzentwurfes vorzunehmen. Natürlich behält sich die CDU-Fraktion vor, nochmals Vorschläge zur Veränderung der Gesetzesnovelle zu unterbreiten.
Wochen und Monaten an Diskussionsrunden teilgenommen, um dabei für die Veränderung eines möglichen Gesetzes, das ja so nicht vorlag, wie wir es heute haben. zu werben. Wir haben uns dabei auch alle sehr redlich die Argumentation Betroffener angehört und auch eine ganze Reihe von Argumenten schon heute in diesem Gesetzentwurf umgesetzt.
Zahlreiche Argumentationen. die ich selbst gehört habe oder die mir zugetragen worden sind. erscheinen mir aber recht abenteuerlich. So hat man von Eltern und manchmal auch von Erziehern beispielsweise Folgendes gehört: Wir brauchen den heutigen Standard der Kita-Betreuung, weil wir als Eltern nicht in der Lage sind, unsere Kleinstkinder selbst zu bilden. Wir brauchen den heutigen Standard der Kita-Betreuung, damit unsere Kinder im Alter von null bis zwei Jahren durch den Aufenthalt in der Kita krankheitsresistent werden, damit die Mutti im dritten Lebensjahr ihres Kindes wieder arbeiten gehen kann und nicht ausfällt, weil das Kind dann ja krankheitsresistent ist. Wir brauchen die Kita, damit unsere Kinder Kontakt zu anderen Kindern bekommen. Oder: Kinder, die nicht in eine Kita gehen, werden kriminell. Kinder, die nicht mehr durch geschultes Kita-Personal betreut werden, sind nicht so entwickelt wie andere. - Diese Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen.
Ich bin sogar gefragt worden, meine Damen und Herren, wie ich mich als Abgeordnete im Parlament des Landes Brandenburg entscheiden würde, wenn es hieße: Kindeswohl kontra Frauenwohl. Es war mitunter nicht leicht, auf derartige Äußerungen gefasst zu reagieren. Wenn ich das heute hier darstelle, dann merken Sie die Betroffenheit, die auch in mir wirkt, wenn es um die Debatte Kita geht.
Wenig hilfreich für die Diskussion war, dass die Finanzdebatte im Vordergrund stand und wenig über Inhalte diskutiert wurde. Durch diese Vordergründigkeit der Finanzdebatte war eine sachliche Diskussion in vielen Runden kaum noch möglich.
Der vorliegende Entwurf zur Novellierung des Kita-Gesetzes wird nicht dazu führen, meine Damen und Herren. dass Eltern nicht mehr berufstätig sein können, dass sie nur noch verkürzt arbeiten können oder Kinder keinen Kontakt mehr zu anderen Kindern haben. Wer den Gesetzentwurf liest, wird zweifelsfrei feststellen, Frau Kaiser-Nicht - und damit sind Ihre Ar gumentationen eigentlich alle ad absurdum geführt:
So wie die CDU zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf steht, so stehen wir zu den inhaltlichen Veränderungen im Interesse der Kinder in Brandenburg. Kitas haben einen familienergänzenden Erziehungsauftrag.
Dabei liegt die Betonung auf „ergänzend". Im Allgemeinen ist für Kleinstkinder die Kita die zweitbeste Lösung für den Erziehungsort eines Kindes. Die beste ist immer noch das Elternhaus. Wir vertreten nach wie vor die Auffassung. dass es nicht ent
wicklungsfördernd ist, wenn ein Kleinkind ganztägig in einer Kita betreut wird. Letztendlich akzeptieren wir aber auch die Entscheidung der Eltern.
Meine Damen und Herren, bei der Debatte, die wir seit Januar in der Öffentlichkeit führen, ist eines deutlich geworden: dass die Auffassungen über die Aufgaben und über die Pflichten von Staat und die Rolle der Familie in der Gesellschaft sehr, sehr unterschiedlich sind. Die Debatte dazu wurde begonnen. Ich halte es für wichtig. diese Debatte weiterzuführen.
Abschließend möchte ich noch auf zwei Aspekte aufmerksam machen. Meine Damen und Herren von der PDS, wer nach immer mehr Staat ruft, wer immer mehr Staat will, wird eines Tages erfahren müssen, dass dieser Staat das, was er übernommen hat, nicht mehr leisten kann. Ich glaube, es ist zehn Jahre her. dass wir die letzte Erfahrung in dieser Hinsicht gemacht haben. Ich möchte, dass wir das in unserer Gesellschaft nicht wiederholen. Der Staat wird aufgrund von geschaffenen Leistungs gesetzen neue Bereiche nur schwer finanzieren können. Er wird neue Probleme nicht mehr lösen können und dann daran zerbrechen. Das ist nicht unser Wille. Wir wollen, dass Staat auch in Zukunft kreativ sein und zukunftsorientiert arbeiten kann, dass dieses Parlament auch flexibel ist in Bezug auf die Finanzierung von Modernität und Zukunft.
Die Debatte zur Kita-Novelle zeigt ganz deutlich, dass es in der veröffentlichten Meinung und in der Politik sehr unterschiedliche Auffassungen bezüglich des Sinnes, des Wertes und der Bedeutung der Familie gibt.
In Bezug auf Ihre Eingangsbemerkung möchte ich Sie fragen, Frau Hartfelder: Wenn in dem Gesetz steht, dass diese Regelung erforderlich ist, uni die notwendigen Einspareffekte zu erzielen - halten Sie es dann für möglich, dass hinter diesen Gesetzesänderungen nicht Erfindungen und Szenarien, sondern Fakten stehen. die im Land verstanden und abgelehnt werden, wodurch bis zum heutigen Tag bereits über 40 000 Unterschriften im Rahmen der Volksinitiative zusammengekommen sind?
Ich kann jetzt einen langen Vortrag über die Finanzierung von Kitas halten. Sie wissen selbst, Frau Kaiser-Nicht, dass der Landesbeitrag etwa 35 % beträgt. Wenn man die große Summe - 68 Millionen DM - nimmt, sind es noch 7 bis 8 % Kürzung. Das heißt, die „Kürzungen", die bei einem Rückgang von 10 000 Kindern im Jahr - insgesamt 40 000 Kinder bis 2003 -, entstehen,
Frau Kollegin. weil Sie über Akzeptanz sprachen, eine Frage: Würden Sie, da Sie ja Akzeptanz angemahnt haben, endlich akzeptieren, dass die PDS-Fraktion nicht nur einen handlungsfähigen Staat will, weil er Geld an der richtigen Stelle ausgibt und an den unrichti gen Stellen nicht ausgibt, sondern dass wir einen handlungsfähi gen Staat auch in Zukunft wollen, der handlungsfähiee, selbstbewusste Bürger hat, deren Erziehung, Bildung und Freizeit in Kindergärten reicher gestaltet wird als wenn sie allein in Familien erzogen und gebildet sowie ihre Freizeit verbringen würden?
Herr Ludwig, was die PDS will, kann ich nicht beurteilen, das will ich auch nicht beurteilen. Und dass die Menschen so sind. wie sie sind, das weiß ich wohl.
Abschließend der letzte Aspekt, den ich noch nennen wollte: Die Debatte zur Kita-Novelle zeigt ganz deutlich, dass es in der veröffentlichten Meinung und in der Politik sehr unterschiedliche Auffassungen bezüglich des Sinnes, des Wertes und der Bedeutung der Familie gibt. Wir als Christdemokraten sind der Überzeugung, dass wir nicht an den Kindern sparen, sondern dass wir die Familie stärken wollen.
Für die CDU-Fraktion ist und bleibt die Familie die wesentliche Grundlage von Gesellschaftsgestaltung und die Familie bleibt der Ort, an dem Kinder in erster Linie in Geborgenheit, Obhut und Liebe ihre ersten Schritte ins Leben unternehmen. Damit wird dem Kindeswohl in erster Linie in der Familie Rechnung getragen. - Schönen Dank.
Die Rednerliste ist abgearbeitet und ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs der Landesregierun g in der Drucksache 3/1047 an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport, der federführend sein soll, sowie an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen, den Ausschuss für Haushalt und Finanzen sowie den Innenausschuss. Wer dieser Überweisungsempfehlung folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Überweisung mehrheitlich beschlossen, Ich schließe den Tagesordnungspunkt 4.
Gesetz über die Änderung des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Landtages Brandenburg (Abgeordnetengesetz - AbgG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Mai 1995 (GVB1. I S. 102). geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 11. Februar 1999 (GVB1.1 S. 42, 46)
Die Aussprache wird eröffnet mit dem Beitrag der DVU-Fraktion. Herr Abgeordneter Schuldt, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn am Wahlabend wieder einmal die gesunkene Wahlbeteiligung deutlich wird. dann sind daran nicht die Parteien und schon gar nicht die Abgeordneten schuld. Politiker und Kommentatoren nehmen sogleich das Wort „Parteienverdruss" in den Mund. Aber warum verweigern viele Bürger den Parteien die Stimme?