Thomas Hartung
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Fehlende Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst in Thüringen Der öffentliche Gesundheitsdienst nimmt die hoheitlichen und kommunalen Aufgaben der gesundheitlichen Daseinsvorsorge und des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung gemeinwesenorientiert ohne wirtschaftliche Eigeninteressen wahr.
Aus der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2588 in Drucksache 4/4823 geht hervor, dass der Landesregierung bekannt sei, dass zur Erfüllung der Aufgaben des öffentlichen Gesundheitsdienstes die Besetzung freier Stellen sowie die Wiederbesetzung der im Prozess des Generationswechsels frei werdenden Stellen mit qualifiziertem Fachpersonal schwierig ist.
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie viele Ärzte fehlen derzeit im öffentlichen Gesundheitsdienst, was sind die Gründe dafür?
2. Was hat die Landesregierung bisher unternommen, um dem Mangel an Ärzten im öffentlichen Gesundheitsdienst entgegenzuwirken?
3. Welche Schritte plant die Landesregierung momentan, um dem Mangel an Ärzten im öffentlichen Gesundheitsdienst entgegenzuwirken?
4. Gibt es einen räumlichen Zusammenhang zwischen fehlenden Ärzten im öffentlichen Gesundheitsdienst, im Klinikbereich und in der Niederlassung?
Ja, ich habe gleich zwei Nachfragen. Ich würde sie hintereinander stellen. Die erste ist die: Können Sie eine Auskunft geben, wie das Gehaltsgefälle - Sie haben es angesprochen - ist, also in Prozent, zwischen Facharzt im öffentlichen Gesundheitsdienst und Facharzt in einer Klinik bzw. im niedergelassenen Bereich?
Zweitens: Haben Sie eine Information darüber, ob durch die nichtbesetzten Stellen Aufgaben im Bereich der Pflichtaufgaben der Kommunen liegen bleiben bzw. nur mit Verzögerung oder gar nicht erfüllt werden können?
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, ich werde es nicht in einer Zigarettenlänge schaffen.
Tabak rauchen schädigt die Gesundheit. Das bezweifelt heute niemand mehr ernsthaft. Wer passiv raucht oder rauchen muss, trägt somit - so wäre logisch zu schlussfolgern - ein erhöhtes Gesundheitsrisiko. Ebenso logisch erscheint es, dass ein Rauchverbot in häufig frequentierten Räumen, zum Beispiel Gaststätten, einen entsprechend positiven Effekt auf die Gesundheit der so geschützten nichtrauchenden Gäste und Mitarbeiter hätte. Obwohl keine andere Gesetzgebung weltweit ähnlich intensiv durch medizinische Studien untersucht und begleitet worden ist wie die zur Einschränkung des Rauchens, bestätigt keine Studie diese logische Kette im Bereich der Gaststätten. Der Mensch ist eben mehr als die Summe seiner Teile und der Körper hält sich nicht immer an logische Überlegungen. Für die Nichtraucher ergibt sich dennoch ein angenehmeres Umfeld in den Gaststätten, wo das Rauchen verbannt ist. Ich möchte das auch gar nicht kleinreden.
Natürlich ist es schöner, wenn einem die Augen nicht tränen, natürlich ist es angenehmer, wenn man nicht gleich heiser wird oder Hustenanfälle bekommt. Ich kenne das, ich bin selber auch Nichtraucher. Es ist aber so, dass wir eine Einschränkung der Freiheit der Raucher für das Wohlbefinden der Nichtraucher doch als sehr harten Eingriff in diese Freiheitsrechte einsehen müssen und da, denke ich, ist dieser harte Eingriff nicht unbedingt gerechtfertigt. Ebenso ist es bei den Mitarbeitern. Es gibt von den mehr als 1.000 angefertigten Studien eine einzige, die im Bereich der Mitarbeiterschaft einen positiven Effekt durch den Nichtraucherschutz sieht. Diese Studie hat eine sehr geringe Teilnehmerzahl und fragt in erster Linie weiche Kriterien ab, also Befinden und nicht erhebbare Messgrößen und ähnliches, so dass dabei die Wirksamkeit doch eingeschränkt ist. Vergessen wir nicht - bei den Gästen ist es zumindest so -, niemand ist gezwungen, in eine Raucherkneipe zu gehen. Kollege Eckardt hat das gesagt. Insofern muss man
schon davon ausgehen, dass hier eine Abwägung zwischen Effekt - der ist für den Nichtraucherschutz relativ gering - und Einschränkung der Freiheit - der ist für Raucher und Gaststättenbetreiber relativ groß - stattfinden muss.
Ja, das ist so. Ich muss sagen, wenn ein Gastwirt für diesen geringen Effekt, der da zu erreichen ist, also Wohlbefinden - nichts Messbares -, in seiner Berufsfreiheit eingeschränkt wird, dann müssen wir darüber nachdenken und darüber reden. Im Sinne des Nichtraucherschutzes, das ist, glaube ich, die Intention, ist dieses Gesetz nicht wirksam genug, es ist abzulehnen.
Eine ganz andere Frage, zu der man kommen muss, wenn man ehrlich argumentieren möchte, ist die Wirkung auf die Raucher. Das ist das eigentliche Potenzial dieser Gesetzgebung, der Antirauchergesetzgebung, sie heißt in anderen Ländern auch ganz anders als bei uns. Die Wirkung auf die Raucher ist nicht zu unterschätzen. Dieselben Studien, die eine entsprechende Wirkung auf Nichtraucher widerlegen, zeigen den dramatischen Effekt für Raucher, den Rückgang von Herzinfarkten bei über 65-Jährigen um 15 bis 30 Prozent, den Rückgang der chronischen Lungenerkrankungen um 40 bis 60 Prozent bei Rauchern. In diesem Zusammenhang muss man diese Gesetze auch bewerten.
Ich persönlich bin der Auffassung, dass der vormundschaftlich väterliche Staat, der seinen Landeskindern mit mehr oder weniger Druck vorschreibt, wie sie zu leben haben, was sie zu genießen und was sie tunlichst zu lassen haben, eigentlich ein Relikt vergangener Jahrhunderte sein sollte.
Ich freue mich über den Applaus aus den Reihen der FDP. Vielleicht kommen wir mal zu der Gelegenheit, über weiche Drogen zu diskutieren. Dann hoffe ich, den Applaus genauso zu ernten.
Für alle die, die aber meinen, dass es Aufgabe des Staates wäre, den Bürger vor sich selber zu schützen, bleibt es dabei, dass man den Entwurf der Landesregierung und den Entwurf der GRÜNEN nach ihren Potenzialen einschätzen sollte. Der Gesetzentwurf der Regierung erfüllt die Maßgaben diverser Gerichtsurteile. So wird der Mindeststandard der Rechtsstaat
lichkeit erfüllt; aber auch kein einziger Gedanke mehr. Als gäbe es nicht eine mehr als 10-jährige Erfahrung mit solchen Gesetzen, wird das Thüringer Gesetz in keinem einzigen Punkt den Studienergebnissen, den Erfahrungen anderer Länder und den daraus zu folgernden Schlüssen angepasst. An welcher Stelle spiegeln sich etwa die hervorragend untersuchten Wirkungen der Antirauchergesetze aus Irland, aus Schottland, aus Skandinavien, aus Italien wider? Darauf komme ich dann noch zurück. Von eigenen Thüringer Erkenntnissen ist überhaupt nichts zu merken. Ein positiver Effekt ist aus dem bestehenden Gesetz und der geringfügigen Anpassung an die Rechtsnorm des Verfassungsgerichts nicht zu erwarten. Dass in Thüringen der Anteil junger Frauen, die rauchen, steigt, nämlich um 17 Prozent - das muss man sich einmal vorstellen -, belegt die Unwirksamkeit dieses Gesetzes. Um diese Scheuklappenpolitik der Landesregierung zu kennzeichnen, möchte ich Bismarck zitieren: „Nur ein Idiot glaubt, aus eigenen Erfahrungen zu lernen. Ich ziehe es vor, aus den Erfahrungen anderer zu lernen, um von vornherein eigene Fehler zu vermeiden.“ Ich fordere daher die Landesregierung ausdrücklich auf, die Erfahrungen anderer, die medizinischen Studien und Statistiken zur Kenntnis zu nehmen und danach zu handeln.
Das führt mich zum Antrag der GRÜNEN. Er entspricht sicher nicht meiner Intention. Ich hatte das schon gesagt.
Ich muss aber anerkennen, dass er, würde er angenommen und umgesetzt, im Unterschied zur Regierungsvorlage nachweisbar zählbare Ergebnisse bringen könnte. Er hat das Potenzial, Menschen vom Rauchen abzubringen und sie direkt vor Gesundheitsschäden zu schützen. Die vergleichbaren Studien - ich hatte sie schon zitiert - legen das nahe, dass mit dem Antrag der GRÜNEN durchaus Effekte zu erzielen wären. Wenn die Landesregierung diese Studien zu Hilfe genommen hätte, hätte sie bemerkt, dass in diesen Ländern Rauchverbote mit flankierenden Maßnahmen wie Werbeeinschränkungen, Aussteigerprogramme, Verkaufsbeschränkungen begleitet wurden, die ein entsprechendes gesellschaftliches Klima geschaffen haben, die den Menschen den Tabakgenuss, ich will nicht sagen verleiden, die es aber leichter machen, sich selbst zu entwöhnen. Verbot auf der einen, Motivation und Angebotsreduktion auf der anderen Seite haben die Zahl jugendlicher Raucher in den erwähnten Ländern deutlich gesenkt - zum Vergleich: in Thüringen, ich rufe es noch einmal in Erinnerung, 17 Prozent Steigerung bei
jungen Frauen. Unter der Wirkung des Thüringer Nichtraucherschutzgesetzes ist nicht zu erwarten und auch mit den Änderungen ist nicht zu erwarten, dass wir in irgendeiner Weise einen positiven Effekt auf Raucher und Raucherentwöhnung erzielen, und deswegen muss ich sagen, ist dieses Gesetz zu kurz gegriffen. Wenn man das zusammenfasst, Nichtraucherschutz ist nicht nachweisbar, Raucherschutz findet nicht statt. Im Gegenteil, die Zahl der Raucher steigt - eine vernichtende Bilanz für das vorliegende Gesetz und eine vernichtende Bilanz für das, was man erwartet aus der Änderung. Es bleibt bilanzierend die Wahl zwischen der Einschränkung bürgerlicher Freiheiten zum Zweck, Nichtrauchern ein angenehmeres Umfeld zu schaffen, oder aber eine Einschränkung bürgerlicher Freiheit mit dem Ziel, die Gesundheit der Betroffenen nachhaltig zu verbessern und zu schützen. Je nach politischer Grundüberzeugung gibt es gute Gründe, beide Entwürfe abzulehnen. Es gibt aber genauso respektable und gute Gründe, den Entwürfen der GRÜNEN zuzustimmen.
Das Einzige, was ich nicht erkennen kann, ist irgendein Grund, dem Regierungsentwurf zuzustimmen. Vielen Dank.
Ich möchte meiner Vorrednerin ausdrücklich zustimmen, was die Diskussion im Sozialausschuss angeht. Eine Diskussion war es eigentlich nicht. Wir haben zur Kenntnis genommen, wie die Regierungshaltung ist, wir haben zur Kenntnis bekommen, wie die Stellungnahmen sind. Übrigens fand ich es bei den Stellungnahmen der Fachgremien sehr interessant, dass die Begründung zum Beispiel der Krebsgesellschaft, der Uni usw. nicht die war, Nichtraucher müssen geschützt werden, sondern insgesamt das Einschränken des Tabakkonsums eigentlich das Ziel ist.
Das geht in die Richtung Ihres Ergänzungsantrags.
Ich will aber gleich auch noch ein bisschen Wasser in den Wein gießen, Frau Siegesmund, weil ich Ihnen doch hier und da widersprechen muss. Sie sprechen vom konsequenten Schutz der Mitarbeiterinnen. Wie gesagt, es gibt zu keiner Gesetzesregelung weltweit so viele medizinische Studien wie zum Antirauchergesetz. Es gibt tatsächlich Untersuchungen zur Gesundheit von Kellnerinnen, die im Prinzip in Gaststätten befragt worden sind -
Kellner natürlich auch, aber hier war von Frauen die Rede.
Die positiven Effekte sind sehr überschaubar. Was den Schutz Schwangerer anbelangt, ist das ein anderes Thema, aber das muss nicht in so einem Gesetz geregelt werden.
Das Zweite ist, Sie sprachen die Einschränkung der Freiheitsrechte an, die alltäglich sind. Da haben Sie recht und da stimme ich Ihnen auch zu. Der Gesetzgeber hat das Recht, Freiheitsrechte des Bürgers einzuschränken, wenn dem ein entsprechender Effekt
gegenübersteht. Das ist beim Regierungsentwurf ganz eindeutig nicht der Fall.
Das wäre bei Ihrem Entwurf durchaus der Fall. Wir können die Freiheitsrechte tatsächlich einschränken, wenn wir einen nachweisbaren Effekt damit erzielen würden. Das würde bedeuten, dass, wenn man beiden Anträgen von Ihnen zustimmt, dieser Effekt erzielbar wäre. Das ist ein sehr schönes Argument. Bezüglich der Richtung der Regierungsfraktion, da ist kein positiver Effekt zu erwarten. Die Bürokratie steigt, der Raucheranteil unter jungen Frauen steigt, den Nichtraucherschutz gibt es nicht, kein Grund, dieses Gesetz zu verabschieden.
Auch eine Möglichkeit.
Ich möchte allerdings noch als Letztes zu den Umsatzeinbußen etwas sagen; das geht mir so ein bisschen gegen den Strich, das einfach so stehen zu lassen. Sie haben recht, in keinem Land, das untersucht ist, gibt es unter dem Strich eine Verminderung des Umsatzes in Gaststätten insgesamt, aber man muss zur Kenntnis nehmen, dass wir bei diesen Untersuchungen einfach feststellen müssen, dass es ein differenziertes Bild gibt. 80 Prozent der gastronomischen Einrichtungen haben keinen Effekt auf ihren Umsatz - gar keinen -, 8 Prozent haben eine Umsatzsteigerung, aber 12 Prozent haben eine Verringerung des Umsatzes. Also wenn man mit Mythen aufräumt, muss man dann auch sauber argumentieren. 12 Prozent der Gaststätten, und zwar unabhängig, wo man schaut, mal sind es 10, mal sind es 14, rund 12 Prozent der Gaststätten in Italien, Irland, Skandinavien, Schottland haben Umsatzeinbußen zu verzeichnen, nur weil die Leute woanders hingehen. Das ist ja genau der Effekt, den die FDP kritisiert. Unter dem Strich bleibt das Umsatzvolumen gleich, aber es gibt eine Zahl von 12 Prozent, wo es eindeutig Verlierer dieser Regelung gibt. Das ist zu akzeptieren, wenn die Effekte eintreten, die man haben möchte, aber man muss es auch erwähnen, man muss ehrlich damit argumentieren. Das ist einfach nur mein Hinweis gewesen. Vielen Dank.
Herr Abgeordneter Gumprecht, würden Sie mir zustimmen, dass, selbst wenn wir deutschlandweit einen Rückgang der jugendlichen Raucher haben, sich laut einer Zeitungsmeldung, nach der wir einen Zuwachs bei jugendlichen Frauen, die rauchen, um 17 Prozent haben, für Thüringen sich dann doch ein ganz anderes Verhältnis, ein anderes Zahlenbild ergibt, als Sie dargestellt haben, und dass das Aufsteigen des Landes Thüringen unter den Raucherländern des Bundes auf Platz 6, glaube ich, von 16, von vorher, glaube ich, 8, durchaus keine Erfolgsbilanz ist?
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, dass das FDP-Pendant im Weimarer Stadtrat beantragt hat, dass sich die Stadt Weimar für die Umbenennung einsetzt und die dadurch entstehenden Kosten bei mittelständischen Unternehmen der Stadt Weimar einwerben sollte? Wenn Ihnen das bekannt ist, haben Sie da entsprechende Erkenntnisse oder Nachfragen, dass so etwas möglich wäre?
Vorausgesetzt, es käme zu einer Umbenennung in „Flughafen Erfurt-Weimar“, halten Sie die verkehrstechnische Anbindung des Erfurter Flughafens an die Stadt Weimar für ausreichend, denn die meisten der Fluggäste kommen nicht mit dem Auto geflogen?
Freie Stellen an Thüringer Krankenhäusern Nach Aussagen des Verbandes der Leitenden Krankenhausärzte und der Thüringer Landeskrankenhausgesellschaft können in den Thüringer Krankenhäusern ca. 250 Stellen nicht besetzt werden.
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie viele Arbeitsstellen sind momentan an Thüringer Krankenhäusern ausgeschrieben?
2. In welchen Thüringer Regionen liegen für welche Fachrichtungen die Schwerpunkte der Stellenausschreibungen?
3. Inwieweit gibt es einen Schwerpunkt bezüglich der Trägerschaft der Kliniken und einen erkennbaren Zusammenhang zwischen Tarifsystem und freien Stellen?
4. Wie schlüsseln sich die freien Stellen nach Assistenzarzt-, Facharzt-, Oberarzt- und Chefarztstellen auf?
Wenn sich die Landeskrankenhausgesellschaft nur auf die Facharztstellen bezogen hat, würde das bedeuten - verstehe ich das also richtig -, dass die Gesamtzahl der fehlenden Ärzte noch deutlich höher liegt?
Würden Sie mir zustimmen, dass gerade bei behinderten Kindern es sehr wichtig ist, ein sich über eine längere Zeit aufbauendes Vertrauensverhältnis und eine Öffnung gerade im beschulten Bereich des Kindes für die Außenwelt herbeizuführen? Glauben Sie gerade unter der Prämisse der Verkürzung des Zivildienstes, dass Zivildienstleistende überhaupt über genügend Zeit verfügen, dieses Vertrauensverhältnis aufbauen zu können?
Danke. Würden Sie dann sagen, dass ein Zivildienstleistender nur dann sachdienlich in dieses Tätigkeitsfeld eingesetzt ist, wenn er vor Beginn seines Zivildienstes schon weiß, dass er dort weiter
hin arbeiten möchte? Denn sonst wäre es obsolet, was Sie gerade gesagt haben.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, haben wir einen Ärztemangel? Jeder Patient mit Schmerzen, der normalerweise zwei, drei oder vier Wochen auf einen Termin bei einem Orthopäden wartet, wird diese Frage allein als Hohn empfinden.
Ich habe einen Freund, der ist als Orthopäde tätig, der bietet einmal pro Woche eine Sprechstunde für Notfälle an, die Schmerzen haben, die keinen Termin haben. Da kommt es vor, dass er seine Praxis durch das Fenster betreten muss, weil ab zwei Stunden vor Beginn der Sprechstunde mehrere Hundert Patienten vor seiner Tür stehen und darauf hoffen, noch dranzukommen. Das ist Ärztemangel. Weimar, wo dieser Mann praktiziert, ist eine Region, da soll theoretisch eine Überversorgung stattfinden. Das ist vollkommen unrealistisch. Der Maßstab, der angesetzt wird, ist eine Anfang der 90er-Jahre erlassene Bedarfsplanung, die seitdem auch nicht wieder überarbeitet worden ist. Das heißt, unsere demographischen Verhältnisse in Thüringen haben sich wesentlich verändert und jeder Mensch weiß, dass ältere Leute mehr ärztliche Zuwendung benötigen als
jüngere Leute. Dem wird aber nicht Rechnung getragen. Genauso wenig wird der Tatsache Rechnung getragen, dass diverse sogenannte Gesundheitsreformen in den letzten Jahren den Ärzten verbieten, so viele Patienten zu behandeln, wie sie nur können. Das dürfen sie einfach nicht, denn sie haben eine Budgetierung. Das bedeutet wiederum, dass selbst da, wo ein Mangel behoben werden könnte, dieser nicht behoben werden kann. Wie gesagt, dieser Bedarfsplan ist veraltetet, er muss angepasst werden. Nur eine wesentliche Tatsache bewahrt uns davor, ein großes Problem zu haben; das ist nämlich die, dass zunehmend Ärzte bereit sind, deutlich über ihr Pensionsalter hinaus zu arbeiten. Wir haben eine größere Zahl von Kollegen über 65, teilweise über 70 Jahre, die immer noch in ihren Praxen sitzen, die teilweise sich zu mehreren eine Praxis teilen, einfach um die Versorgung aufrechtzuerhalten. Das kann aber doch nicht die Lösung sein.
Wer diese demographische Entwicklung, die Entwicklung des Gesundheitssystems ignoriert und den Bedarfsplan nicht anpasst, der riskiert es, dass die medizinische Versorgung unserer Bürger flächendeckend gefährdet ist. So weit sind wir heute schon.
Nach dem derzeitigen Bedarfsplan gibt es kaum Regionen in Thüringen, wo wir Mangel haben. Wir haben sogar relativ viele - Herr Gumprecht hat es gesagt - Regionen, wo es „zu viele Ärzte“ gibt. Das heißt 600 Ärzte zu viel nach Plan. Leider hält sich die Realität nicht an den Plan, denn es gibt keine einzige Region in Thüringen, wo man nicht auf Termine beim Augenarzt wartet, wo man nicht auf Termine beim Orthopäden wartet, wo man nicht auf Termine beim internistischen Spezialisten wartet. Ich habe es vorhin erwähnt, zwei, drei, vier Monate ist vollkommen normal flächendeckend in Thüringen. Das ist Ärztemangel. Wir sollten hier nicht darüber diskutieren, ob wir einen Ärztemangel haben, den haben wir, wir sollten darüber diskutieren, wie wir ihn beheben können.
Wir sollten nach Lösungen suchen; dabei müssen wir einfach erkennen, dass die jetzt von Herrn Dr. Rösler, dem Bundesminister für Gesundheit, vorgeschlagenen Wege in Thüringen zum Teil schon erfolglos ausprobiert worden sind. Das wird nicht helfen. Wir müssen bereit sein, neue Wege zu gehen. Wir müssen bereit sein, uns andere Fragen zu stellen.
Und das vermisse ich sowohl bei der Fragestunde als auch bei der Politik. Hier müssen wir auch ehrlicherweise sagen, dass wir uns unangenehme Fragen stellen müssen. Wir müssen uns fragen, ob wir uns als Bundesrepublik Deutschland auf Dauer einen doppelten Facharztstandard leisten können. Diese Frage muss gestellt werden. Und eventuell müssen wir uns diese beantworten, dass wir uns das nicht leisten können.
Die wesentliche Frage ist aber hier überhaupt noch nicht angesprochen worden. Das ist eigentlich das Problem, das wir als Erstes lösen müssen. Wir müssen abstellen, dass 40 Prozent der Medizinstudenten, die fertig werden, nicht mehr als Arzt arbeiten wollen - 40 Prozent, diese Zahl muss man sich vor Augen halten. Die haben doch ihr Studium nicht deswegen begonnen, um irgendwann einmal Pharmareferenten zu werden. Die haben angefangen zu studieren und sich durch dieses nicht ganz einfache Studium gequält, um irgendwann einmal Arzt zu werden. Nach sechseinhalb Jahren Studium wollen sie es auf einmal nicht mehr. Die Frage, warum das so ist, die muss beantwortet werden. Alles andere ist nur ein herumdoktern an Symptomen und da darf ich Ihnen als Chirurg versichern, wenn man bei seinen Kranken nur an den Symptomen herumdoktert, wird man ihn niemals retten. Vielen Dank.
Herr Kollege Eckardt, das kann nicht unwidersprochen bleiben. Selbstverständlich ist es den Ärzten untersagt, mehr zu behandeln. Sie werden mit Strafzahlungen, die ein Vielfaches den Verdienstausfall überschreiten, bedroht, wenn sie über dem Budget praktizieren. Es ist auch keine Lösung, einfach diese Patienten nicht abzurechnen, denn sie wissen erst bis zu zwei Jahren später, ob sie ihr Budget überschritten haben oder nicht und werden dann zwei Jahre nach dem abgerechneten Quartal dafür mit Zahlungen bestraft, die die Existenz durchaus bedrohen können. Das geht bis zu einer Zahlung von einem Dreiviertel der Quartalseinnahmen. Das ist sehr wohl eine Strafe, die über das „Nicht-bezahlt-Bekommen“ hinausgeht.
Sie haben darüber hinaus das Gewinnen von Ärzten aus Österreich angesprochen. Zur Wahrheit gehört auch, dass immer noch mehr als zehnmal so viele Ärzte aus Thüringen nach Österreich gehen als aus Österreich zurückkommen. Österreich ist das drittbeliebteste Zielland Thüringer Ärzte nach den USA und nach der Schweiz.
Als dritten Punkt - Allgemeinmediziner in der Ausbildung: Schön dargelegtes Programm, aber auch da gehört zum ehrlichen Resümee, dass bislang im Moment 40 Ärzte in der fünfjährigen Facharztausbildung zum Allgemeinmediziner sind, das heißt acht Leute pro Jahr. Das reicht nicht mal, um den Bedarf mancher Städte pro Jahr zu decken, um die Arztpraxen neu zu besetzen.
Als Letztes möchte ich noch die mehrfach zitierte Studie ansprechen, dass im Jahr 2020 eine bestimmte Zahl von Ärzten, die Schätzungen gehen von 1.500 aus, gebraucht werden. Ich möchte darauf hinweisen, dass diese Studie auch auf den heute schon veralteten Bedarfsplänen beruht. Das heißt, wir rechnen uns nicht nur die Situation heute schön,
wir rechnen sie uns auch in zehn Jahren schön, heute schon. Das ist ein Problem, das müssen wir angehen und da bin ich vollkommen bei meinen Kollegen, die das gefordert haben, wir müssen jetzt Lösungsansätze erarbeiten, nicht darüber reden, ob wir ein Problem haben - wir haben ein Problem, die Lösungen sind gefragt. Vielen Dank.
Ich sehe das also richtig, dass die FDP-Fraktion die Tatsache, dass Frauen bundesweit und auch in Thüringen schlechter bezahlt werden als Männer, infrage stellt?
Herr Kollege Recknagel, gestehen Sie das Recht, eine nach eigener Auffassung nicht angemessen entlohnte Arbeit abzulehnen auch einem Arbeitslosengeld-II-Empfänger zu und wären Sie bereit, die danach folgenden Restriktionen in Zukunft abzuschaffen?
Als ich vor vier Wochen zum ersten Mal zu diesem Antrag gesprochen habe, waren innerhalb weniger Tage verschiedene Meldungen durch unsere Zeitungen gegangen, nämlich zum einen die Erhebung der Zusatzbeiträge, ergänzt um die Mitteilung, dass auch Hartz IV-Empfänger diese Beiträge zu zahlen haben und die ARGEn es nicht übernehmen, diese 8 € zu bezuschussen und diese Hartz IV-Empfänger sollten ihre Kassen dann wechseln.
Zweitens wurde innerhalb weniger Tage damals kundgetan, dass die gerade in Kraft getretene Erhöhung der Kindergeldzahlungen für Hartz IV-Empfänger nicht anerkannt wurde, sondern die sollten diese 20 € Erhöhung zurückzahlen. Das hat nur scheinbar nichts miteinander zu tun. Es ist tatsächlich so, dass genau diese beiden Vorgänge zeigen, wie der Um
gang mit sozial Schwachen in unserer Gesellschaft tatsächlich vonstatten geht. Insofern ist es durchaus folgerichtig, dass die Forderung nach der Aufhebung beider Verfahrensweisen in einem Antrag zu stehen kommt.
Mittlerweile ist zu diesen beiden Zeitungsmeldungen, zu diesen beiden Entscheidungen, noch ein weiteres Argument gekommen. Es ist ein Verfassungsgerichtsurteil ergangen, das in seinen Auswirkungen zwar noch nicht gesetzlich umgesetzt ist, das verbietet uns aber überhaupt nicht, den Geist dieses Urteils zu erfassen, den Sinn dieses Urteils zu erfassen und danach auch jetzt schon zu handeln. Um nichts anderes geht es in diesem Antrag. Es ist tatsächlich so, dass das Bundesverfassungsgericht angemahnt hat, die Ausstattung der Kinder in unserer Gesellschaft, gerade der Kinder aus sozial schwachen Familien bedarfsgerecht, und zwar nach den Bedürfnissen einer menschenwürdigen Teilhabe an der Gesellschaft auszustatten. Wenn wir jetzt diesen von Hartz IV betroffenen Kindern diese 20 € Kindergelderhöhung nicht zugestehen, ist das nichts anderes als ein widersinniges Signal von Bürokratie, obwohl wir wissen, dass die Sätze, die sie empfangen sowieso nicht angemessen sind.
In diesem Sinne, Herr Gumprecht, ist die Forderung nach dem Aussetzen der Rückforderung nicht entbehrlich. Diese Forderung ist so lange unentbehrlich, bis eine bessere Ausstattung der Kinder umgesetzt ist.
So lange ist jede Forderung, die die Situation der von Hartz IV betroffenen Kinder verbessert, unentbehrlich. Sie ist also bitter notwendig und leider gibt es viel zu wenig solcher Forderungen.
Das Zweite ist die Erstattung dieser 8 € Zusatzbeiträge für Hartz-IV-Empfänger. Das ist auch ein Teil dieses Antrags. Da muss man ganz klar sagen, ich finde es sehr richtig, dass das Bundesverfassungsgericht gerade die Erstattung bestimmter Gesundheitsausgaben angemahnt hat. Das steht in dem Urteil drin, es sind bestimmte Dinge darin genannt, die Zusatzbeiträge sind nun ausdrücklich darin nicht genannt. Das heißt aber nicht, dass es im Geiste dieses Urteils nicht enthalten ist, auch diese Beiträge mit einzubeziehen. Das bedeutet nicht, dass wir einfach darüber hinweggehen sollten. Die Tatsache, dass Frau von der Leyen eine Handlungsanweisung angekündigt hat, dem Rechnung zu tragen, das ist ja schön, aber solange diese Anweisung bei den ARGEn nicht ankommt, solange die Konsequenzen bei den Menschen nicht ankommen, ist es durchaus berechtigt, weiterhin zu fordern, sich dafür einzusetzen, das umzusetzen und das immer weiter anzumahnen, so lange bis es umgesetzt ist.
Wenn Frau von der Leyen sich damit durchsetzt, und ich sehe das noch ein bisschen kritischer, weil der Koalitionspartner dazu eine definitiv andere Haltung hat, würde ich mich sehr freuen, aber ich möchte es erst mal schwarz auf weiß sehen.
Darüber hinaus, ich hatte das schon einmal erwähnt, ist es natürlich so, wenn wir den Wettbewerbsgedanken, den Sie angesprochen haben, noch ein bisschen dabei verfolgen und sagen, okay, wir möchten, dass gerade sozial Schwache die Möglichkeit haben zu wählen, ob sie - es geht jetzt nicht nur um Hartz-IV-Empfänger, es geht auch um Empfänger niedriger Einkommen - aufgrund der Zusatzbeiträge entscheiden können, welche Kasse nimmt ihnen mehr ab, welche Kasse nimmt ihnen weniger ab und dann zu der anderen Kasse gehen, dann entsteht dadurch bürokratischer Aufwand. Dieser bürokratische Aufwand muss auch finanziert werden. Sie hatten gesagt, dass diese 8 € nicht im Verhältnis stehen zu dem Aufwand, der damit einhergeht. Aber diese 8 € sind nun mal die Realität. Wir können auch nicht sagen, die Zusatzbeiträge, die man ungeprüft erhebt, sollten 20 € betragen, damit es sich lohnt. Es ist auf jeden Fall so nicht ganz korrekt.
Deswegen komme ich eigentlich zu der dritten Forderung und das ist die Abschaffung dieser Zusatzbeiträge insgesamt.
Das ist eine Hypothek, die die jetzige Bundesregierung - das ist deutlich gemacht worden - von der
letzten schwarz-roten Bundesregierung geerbt hat und diese Hypothek ist erst nach der Bundestagswahl zum Tragen gekommen. Das ist eher zufällig der Fall oder auch dem Wahlkampf geschuldet, das möchte ich jetzt nicht entscheiden. Auf jeden Fall dient dieser Zusatzbeitrag der Aushöhlung der solidarisch finanzierten Krankenkasse. Ich zitiere mal unsere Sozialministerin, Frau Taubert: „Diese Zusatzbeiträge sind ein einseitiges Arbeitgeber-Entlastungsprogramm.“ Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Das ist tatsächlich auch meine Überzeugung und in diesem Sinne, wenn wir da schon einer Meinung sind, dann sollten wir auch gemeinsam handeln und damit fordere ich Sie eigentlich auf, diesem Teil des Antrags auf jeden Fall zuzustimmen, denn es ist ja genau das, was auch Ihre Meinung ist, dass diese Zusatzbeiträge ungerecht, unsozial sind und die Arbeitgeber in einer völlig unzulässigen Weise aus der Verantwortung entlassen. In diesem Sinne muss da nachgebessert werden und nicht erst irgendwann, sondern bald. In dem Sinne bitte ich den Antrag, den ich hier begründet habe, zu verstehen. Danke schön.
Würden Sie mir zustimmen, dass das Steuerungsinstrument dadurch relativ nivelliert wird, dass man
den Krankenkassen einen Beitrag von 8 € erlaubt, ohne dass auch nur auf die näheren Umstände des Versicherten Rücksicht genommen wird, z.B. sein Einkommen?
Ich bedanke mich bei Ihnen. Wir haben jetzt einen Vorgriff auf eine Regelung gefordert, die zum Ende des Jahres fällig ist: Würden Sie mir zustimmen, dass es keine Alternative ist, vor einem brennenden Haus mit einem Eimer Wasser zu stehen und den nicht daraufzuschütten, nur weil ich im Hintergrund die Feuerwehr höre?
Herr Präsident, zur Ortsumfahrung Weimar:
Bezüglich der Weiterführung der Ortsumfahrung Weimar im Osten steht eine Trassenfestlegung weiterhin aus. Die Thüringer Landesregierung hat dazu bislang immer auf das ausstehende Votum des Weimarer Stadtrates verwiesen. Dieser hat sich 2009 sowohl in alter als auch in neuer Zusammensetzung mit überwältigender Mehrheit für eine Variante mit einer Untertunnelung eines Waldgebietes ausgesprochen. Diese Variante ist laut Machbarkeitsstudie vom 18. November 2009 technisch möglich, wenn auch teurer.
Ich frage die Landesregierung:
1. Inwieweit ist eine Trasse nach Variante 4 a, also mit Tunnel, aus Sicht der Landesregierung realisierbar und wann wird eine diesbezügliche Entscheidung des Landes fallen?
2. Wenn die vom Weimarer Stadtrat präferierte Variante 4 a nicht realisiert wird, nach welchen Kriterien wird die alternative Variante ausgewählt?
3. In welchem Zeitrahmen ist eine Ostumfahrung von Weimar aus heutiger Sicht realisierbar, wenn Variante 4 a oder eine der beiden anderen Varianten ausgeführt wird (bitte für jede Variante den Zeitrah- men angeben)?
4. Ist vonseiten der Landesregierung geplant, den Weimarer Stadtrat erneut in die Entscheidungsfindung einzubeziehen, wenn die Variante 4 a nicht realisiert werden kann, und wenn ja, in welcher Weise?
Wird sich die Landesregierung dafür einsetzen, dass die Ostumfahrung in Weimar in den vordringlichen Bedarf aufgenommen wird?
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, die Betrachtung der Nichtraucherschutzgesetzgebung ist für mich nicht einfach. Zu sehr prallen die Erfahrungen meines Berufslebens und die grundsätzlichen Prinzipien, die sich aus 21 Jahren politischer Betätigung für mich ergeben, aufeinander. In den zwölf Jahren, die ich als Arzt arbeite, befasse ich mich notgedrungen regelmäßig mit den Folgen des Rauchens. Dementsprechend interessiert verfolge ich auch die Auswirkungen der Antirauchergesetzgebung in anderen europäischen Staaten. Diese Erfolge sind durchaus beeindruckend. Nachdem am 29. März 2004 in Irland das Nichtraucherschutzgesetz erlassen wurde, ging der Zigarettenverkauf binnen sechs Monaten um 16 Prozent zurück. Die Zahl der regelmäßigen Raucher nahm von 31 Prozent der Bevölkerung im Jahr 1998 auf zuletzt 24 Prozent der Bevölkerung ab. Auffallend ist, dass überwiegend jüngere Personen das Rauchen einschränken bzw. vollkommen einstellen. Zum Beispiel sank in Norwegen, um einmal ein anderes Land aufzuführen, der Anteil der 25- bis 34-jährigen Raucher von 29 Prozent im Jahr 2003 auf 24 Prozent im Jahr 2004.
Neben den Effekten für die Gesundheitserziehung lassen sich aber auch ganz greifbare medizinische Folgen erkennen. Die Ergebnisse einer prospektiven kontrollierten Studie mit nichtrauchenden Angestellten schottischer Bars dokumentieren einen Rückgang von Atembeschwerden um 26 Prozent nach nur einem Monat und 32,5 Prozent nach zwei Monaten Rauchverbot. In einer italienischen Region mit 4 Mio. Einwohnern gingen vier Monate nach dem Rauchverbot die stationären Aufnahmen wegen akuten Herzinfarkts bei unter 60-jährigen Patienten um 11 Prozent zurück, und zwar bereinigt um andere Einflüsse. Noch wesentlich eindrucksvoller, aber auch umfang
reicher sind die Studien aus Schottland, die ich bei Interesse gern nachreichen kann. Prinzipiell gleichen sich die Ergebnisse in den Ländern mit einem absoluten Rauchverbot, egal wo man hinschaut.
Gibt es ähnliche Effekte nach dem Nichtraucherschutzgesetz in Thüringen? Wohl kaum. Die kann es auch gar nicht geben. In den oben genannten Ländern wird das generelle Rauchverbot in geschlossenen öffentlichen Räumen von einer Vielzahl weiterer Maßnahmen flankiert und unterstützt, also ein gesellschaftliches Klima gegen den Tabakkonsum geschaffen. Ein generelles Rauchverbot würde in Deutschland durch die Realität ad absurdum geführt. Einige Beispiele: Die Bundesrepublik verweigerte zunächst das Werbeverbot in Zeitschriften für Tabakwaren und hat sogar dagegen geklagt und verloren. Zigarettenautomaten bleiben auch im Umfeld von Schulen unangetastet. Während man Tabak an jeder Ecke erhält, muss man Nikotinpflaster und Kaugummi zur Entwöhnung praktisch in der Apotheke besorgen. Mittlerweile darf man aus dem Ausland nicht mehr eine Stange Zigaretten einführen, sondern vier Stangen pro Person. Ergebnisse wie in Schottland, Irland oder in Italien bedürfen des klaren Bekenntnisses des Gesetzgebers gegen den Tabakkonsum
und als zweiten Schritt dann ein generelles Rauchverbot in geschlossenen öffentlichen Räumen. Dieses Bekenntnis ist für mich aber nicht erkennbar. Aus fachlicher Sicht halte ich das vorliegende Gesetz schlicht für inkonsequent, untauglich und damit auch nicht weitgehend genug.
Damit gebe ich auch die Mehrheitsmeinung meiner Fraktion wieder und, wenn man den Umfragen glauben darf, auch die Mehrheitsmeinung in der Bevölkerung, wo die Zustimmung zu einem kompletten Rauchverbot in öffentlichen Räumen zwischen 60 und 80 Prozent liegt, europaweit gerechnet sogar zwischen 80 und 90 Prozent.
Nichtsdestotrotz möchte ich aus ganz persönlicher Sicht meine Meinung zu diesem Gesetz auch nicht verhehlen. Ich persönlich habe ein prinzipielles Problem, wenn in die Freiheitsrechte einer Minderheit zugunsten einer Mehrheit eingegriffen wird.
Sollte ein Staat seine Bürger per Gesetz zu einem gesünderen Leben zwingen, sollte er dafür in die
selbstbestimmte Lebensführung eingreifen? Aus meiner persönlichen Sicht - nein. Denn wohin führt uns das? Akzeptieren wir eine Antirauchergesetzgebung, gibt es keine vernünftige Begründung mehr, andere gesundheitliche Risiken nicht per Gesetz einzuschränken. Dann muss konsequenterweise der Zigarette zum Bier das Bier selber folgen. In einiger Zeit gibt es in der Kantine keinen Kuchen mehr, weil dieser mich, einen willensschwachen Übergewichtigen, in unzumutbarer Weise in Versuchung führt und damit meine Gesundheit gefährdet.
Es steht außer Zweifel, dass die gesetzliche Bekämpfung des Übergewichts doch wesentlich größere Effekte erzielen würde als eine Nichtrauchergesetzgebung. Selbstverständlich, um mal wieder zum Ernst zurückzukommen, müssen Nichtraucher in Situationen geschützt werden, denen sie selber nicht ausweichen können.
Ich bin gleich fertig, danach gern.
Selbstverständlich müssen Nichtraucher in Situationen geschützt werden, denen sie nicht ohne Weiteres ausweichen können, natürlich am Arbeitsplatz, natürlich in Behördenräumen, in Bussen und Bahnen, um nur einiges aufzuzählen. Völlig unstrittig ist es, dass Minderjährige eines besonderen Schutzes bedürfen. Aber in der Freizeit ist der mündige Bürger immer noch selbst in der Lage und auch in der Pflicht, sich zu entscheiden, ob er raucht oder nicht raucht, ob er in eine verräucherte Kneipe geht oder in eine Kneipe, in der nicht geraucht wird. Diese Entscheidung sollte nicht der Gesetzgeber für den Bürger treffen.
Als Letztes möchte ich aber - und dann komme ich zum Ende - einer gewissen Enttäuschung Ausdruck verleihen. Die alte Regierung war dafür bekannt, Gesetze nach Belieben zu verfassen und sich dann vom Verfassungsgericht aufschreiben zu lassen, wie man
es richtig macht. Die neue Regierung hat daran nahtlos angeknüpft und lediglich die Mindestvorgaben des Gerichts in Gesetzesform gefasst. Eine Auseinandersetzung mit den Ergebnissen in anderen europäischen Ländern - ganz unabhängig von meiner persönlichen Meinung - hätte hier zwingend zu einem anderen Ergebnis führen müssen.
Wie dem auch sei, beide Argumentationslinien, die fachliche wie die politische, bringen mich im Hinblick auf das vorgelegte Gesetz zur selben Einschätzung. Es ist ein ineffektives Alibigesetz, dessen Einschränkung der Freiheitsrechte in keinem Verhältnis zum zu erwartenden Nutzen stehen. Ich freue mich auf die Diskussion im Sozialausschuss. Meine Entscheidung im Zweifelsfall ist klar, im Zweifel für die Freiheit und das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben.
Selbstverständlich ist da ein Unterschied. Ich habe auch nicht das auf eine Stufe stellen wollen, sondern ich habe lediglich darauf hingewiesen, wohin eine konsequente Gesetzgebung zum Schutz der Bürger vor gesundheitlichen Risiken führen kann.
Es ist etwas Ähnliches. Ich warne davor, dass man glaubt, mit einer gesetzlichen Regelung zur Unterstützung der gesunden Lebensweise tatsächlich einen Effekt zu erzielen, der dann davor bewahrt, das auf andere Risiken auch zu übertragen. Es geht einfach um die Frage, wohin kann es führen?
Schauen wir mal, warten wir noch zehn Jahre.
Adams, Dirk; Althaus, Dieter; Dr. Frank Augsten, Matthias Bärwolff, Herr Uwe Barth, Herr Rolf Baumann, Herr Gustav Bergemann, Herr Dirk Bergner, Frau Sabine Berninger, Herr André Blechschmidt, Herr Christian Carius, Frau Birgit Diezel, Herr Hans-Jürgen Döring, Frau Sabine Doht, Herr David-Christian Eckardt, Herr Volker Emde, Frau Petra Enders, Herr Wolfgang Fiedler, Herr Heiko Gentzel, Herr Manfred Grob, Herr Christian Gumprecht, Herr Ralf Hauboldt, Herr Dieter Hausold, Herr Manfred Hellmann, Frau Susanne Hennig, Herr Matthias Hey, Herr Michael Heym, Herr Uwe Höhn, Frau Gudrun Holbe, Frau Elke Holzapfel, Herr Mike Huster, Frau Margit Jung, Frau Regine Kanis, Frau Dr. Karin Kaschuba, Frau Birgit Keller, Herr Jörg Kellner, Herr Thomas Kemmerich, Frau Dr. Birgit Klaubert, Frau Katharina König, Herr Marian Koppe, Herr Knut Korschewsky,
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, die Dringlichkeit unseres Antrags ist meines Erachtens aus dem Gang der Ereignisse klar ersichtlich. Es geht in erster Linie um zwei Punkte, nämlich die Rückzahlung der gerade erst in Kraft getretenen Kindergelderhöhung durch Arbeitslosengeld-II-Empfänger und die Krankenkassen-Zusatzbeiträge, deren Auswirkungen ein sofortiges Handeln erzwingen. Das völlig widersinnige Signal, gerade die sozial schwächsten Glieder unserer Gesellschaft, nämlich die Kinder aus Hartz-IV-Familien, von der Kindergelderhöhung auszunehmen, muss jetzt gestoppt werden,
nicht nur weil diese Ausnahme völlig unverständlich und ungerecht ist, auch der Verwaltungsaufwand wird absehbar wesentlich höher sein, als es die Ersparnis jemals sein kann. Ich erinnere an die Erstellung der Bescheide, die zu erwartenden Widerspruchsverfahren, die Klagen bei den Sozialgerichten, die auch nicht gerade über wenig Arbeit zu berichten haben. All das muss doch nicht sein, um diesen Kindern, die sowieso nicht auf Rosen gebettet sind, diese 20 € im Monat zu verweigern. Hier
ist eine Bundesratsinitiative des Landes Thüringen dringend erforderlich.
Ähnlich verhält es sich natürlich mit den Zusatzbeiträgen der Krankenkassen. Die Erhebung genau des Höchstbetrags, den man ohne eine Einkommensprüfung den Versicherten abziehen kann, ist nicht nur der direkte Griff in die Taschen der Versicherten unter Ausklammerung der Arbeitgeber, es ist auch gleichzeitig die ausdrückliche Schonung der Leistungserbringer. Man wagt es nicht, bei Ärzten, Krankenhäusern und Pharmaunternehmen zu sparen, sondern man bedient sich dort, wo der Widerstand erwartungsgemäß am geringsten ist.
Die Verbraucherschutzministerin Aigner hat heute verkünden lassen, dass sie diese Zusatzbeiträge für gesetzeswidrig erachtet. Frau Taubert hat gestern diese Zusatzbeiträge scharf kritisiert. Lassen Sie uns tätig werden und lassen Sie unseren Worten auch Konsequenzen folgen.
Natürlich muss alles versucht werden, diese Beiträge zu stoppen, bevor die bürokratische Maschinerie voll zum Laufen kommt. Man stelle sich beispielsweise den Aufwand vor, wenn das Gros der Arbeitslosengeld-II-Empfänger jetzt ihre Krankenversicherung wechseln müsste. Allein dieser bürokratische Aufwand für die Zielkrankenversicherung, in die jetzt alle gehen, könnte eventuell sogar dazu führen, dass auch diese Versicherung, die sich bis jetzt gegen Zusatzbeiträge ausgesprochen hat, nun Zusatzbeiträge erheben müsste. Dann müssen nach dieser selben Logik die Hartz-IV-Empfänger in die nächste Krankenkasse gehen. Damit setzen wir eine Lawine in Gang, was eigentlich in diesem Zusammenhang absolut unverständlich ist. Das muss jetzt, das muss heute gestoppt werden. Daher bitte ich Sie um die Zustimmung für diesen Eilantrag.
Ich möchte noch mal daran erinnern, wenn wir einem Arbeitslosengeld-II-Empfänger einen Kassenwechsel empfehlen, obwohl die Verbraucherschutzorganisation dem normal Versicherten, dem arbeitenden Patienten dringend abrät, setzen wir ein Signal, dass der Arbeitslosengeld-II-Empfänger eine andere gesundheitliche Behandlung bekommen soll als der Rest der Bevölkerung. Dieses Signal dürfen wir nicht so ohne Weiteres ausgehen lassen. Deswegen ist meines Erachtens dringliches Handeln erforderlich. Vielen Dank.
Neuregelung des Thüringer Nichtraucherschutzgesetzes
Am 5. Dezember 2008 hat der Thüringer Verfassungsgerichtshof unter den Aktenzeichen VerfGH 26/08 und VerfGH 34/08 in einem Beschluss festgestellt, dass § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Nr. 12 des Thüringer Gesetzes zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens (Thüringer Nichtraucher- schutzgesetz) nicht mit Artikel 35 Abs. 1 (Grundrecht auf freie Berufsausübung) in Verbindung mit Artikel 2 Abs. 1 (Allgemeiner Gleichheitsgrundsatz) der Verfassung des Freistaats Thüringen vereinbar ist. In dem Beschluss hat das Gericht auch festgelegt, dass eine verfassungskonforme Neuregelung bis zum 31. August 2009 zu erfolgen hat.
Ich frage die Landesregierung:
1. Beabsichtigt die Landesregierung einen eigenen Gesetzentwurf zur Neuregelung des o.g. Problems in den Landtag einzubringen und zu welchem Zeitpunkt sollte das gegebenenfalls geschehen?
2. Welche rechtlichen Konsequenzen für den Vollzug des Thüringer Nichtraucherschutzgesetzes hat die Fristüberschreitung?
3. Inwiefern können betroffene Einrichtungsbetreiber nun juristisch gegen den Freistaat vorgehen und welche finanziellen Auswirkungen kann das ggf. für den Freistaat nach sich ziehen?
4. Inwieweit sind der Landesregierung schon Fälle bekannt geworden, in denen es zu verwaltungsrechtlichen und/oder gerichtlichen Konflikten wegen des derzeitigen Fehlens der notwendigen Neuregelung im Nichtraucherschutzgesetz gekommen ist?