Uwe Nehler

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fachpolitiker der SPD, vorrangig des Sozialbereiches, aber auch unsere Rechtsexperten haben sich ausgiebig mit der Großen Anfrage zum Maßregelvollzug in SachsenAnhalt beschäftigt. Zum einen unter dem Aspekt, dass man auf diesen auch für die Öffentlichkeit sehr brisanten
und immer wieder durch bundesweit spektakuläre Gefangenenausbrüche gekennzeichneten Strafvollzugsbereich politisches Augenmerk richten sollte. Zum anderen aber auch, um knapp eineinhalb Jahre nach dem seinerzeit heftigst umstrittenen Rechtsformwechsel des Maßregelvollzugs in Sachsen-Anhalt Entwicklungstendenzen oder schon konkrete Ergebnisse in Bezug vor allem auf Sicherheitsfragen und hinsichtlich der Bewertung medizinisch-therapeutischer wie auch sozialpädagogischer Behandlungsstrategien unter dem neuen Träger zu erörtern.
Insofern könnte der Redebeitrag, so er sich an den gestellten Fragen und den gegebenen Antworten orientiert, kurz und bündig sein. Unser Fazit wäre ein kurzes, aber ehrliches Dankeschön an die CDU-Fraktion und an Frau Stange, die der Landesregierung und speziell dem Sozialministerium mit der Großen Anfrage die Gelegenheit gegeben haben, einen sich in den wesentlichen Belangen günstig entwickelnden Maßregelvollzug in Sachsen-Anhalt darstellen zu können.
Das gilt also allen Unkenrufen von vor zwei Jahren zum Trotz ganz offensichtlich auch unter der Salus-Trägerschaft. Von der Investitionstätigkeit an beiden Standorten, in Uchtspringe und in Bernburg, her und den damit geschaffenen Voraussetzungen in puncto Sicherheit, aber auch in der Frage zweckmäßig zu gestaltender Therapiemöglichkeiten bis hin zu sich zumindest zeigenden Verbesserungen hinsichtlich der seit dem Jahr 1990 allgegenwärtigen Personalprobleme kann man im Bericht des Sozialministeriums keine gravierenden Mängel bei der Führung dieser Einrichtung sehen, die durch die Landesregierung als 100-prozentigen Träger der Salus gGmbH oder durch Letztere selbst zu verantworten wären.
Ich will im Detail nicht auf die vielen weiteren nicht unwesentlichen Fragen und Probleme in den Antworten bzw. auf die gesamte Tätigkeit in unseren Maßregelvollzugseinrichtungen im Zusammenspiel mit den Vollstreckungsbehörden eingehen.
Die Aussagen zum Beispiel zur Weiterbildung des Personals, auch mit Supervision, mit Hospitation in den anderen Einrichtungen usw., zur internen und externen Qualitätskontrolle, zur Zusammenarbeit mit der forensischen Wissenschaft usw. sind aus meiner Sicht schon imponierend, wohl auch, dass in Sachsen-Anhalt in den letzten Jahren die ganz großen, spektakulären Ausbrüche ausgeblieben sind, die bekanntlich meist im Zusammenhang mit Freigängen passieren. Diese sind bekanntermaßen ebenso Bestandteil des Therapie-, Besserungs- bzw. Resozialisierungskonzeptes und somit ebenso unerlässlich wie auch nie ohne Restrisiko für die heile Welt außerhalb der Anstaltsmauern.
Erfreut hat mich als Mediziner und auch als Mitglied des Psychiatrieausschusses des Landes die abermalige Feststellung - nämlich gleich im ersten Satz der Antwort der Landesregierung -, dass es eine wichtige Anforderung an Staat und Gesellschaft sei, die Gesichtspunkte von Therapie und Sicherheit bei der Behandlung von psychisch kranken Straftätern in Übereinstimmung zu bringen. Auch die Aussage, dass ein in dieser Art gestalteter Maßregelvollzug, mit eben einer wichtigen Schwerpunktsetzung im medizinisch-therapeutischen und im pädagogischen Behandlungsbereich, aktiver Opferschutz sei, sollten in diesem Hohen Hause endlich durchgängig Akzeptanz finden.
Ich finde, in Uchtspringe und in Bernburg wird eine gute Arbeit gemacht, auch wenn dieses einzugestehen Frau
Stanges parteipolitisch geprägte Sichtweise natürlich nicht zulässt.
Ich will auf Details Ihrer abermaligen Angriffe auf die Landesregierung, Frau Stange, aus Zeitgründen nicht eingehen.
Die sind mittlerweile uralt, die haben wir über viele Monate von Ihnen gehört und die werden durch ständiges Wiederholen auch nicht wirklich wahr.
Natürlich wird es ohne Probleme in den Einrichtungen des Maßregelvollzugs nicht abgehen können, aber diese sind doch nicht systemischer Art und eben auch nicht trägerbedingt oder spezifisch für Sachsen-Anhalt.
Gerade das von Ihnen vehement angeführte Personalproblem - ich komme noch einmal darauf zurück - hat doch unbestreitbar die objektive Ursache, dass sich für diesen schlichtweg nicht attraktiven Tätigkeitsbereich bundesweit insbesondere zu wenig Fachärzte und auch Therapeuten trotz nachweislich ständig laufender Ausschreibungen im Land finden lassen. Die Sozialministerin hat dazu bereits hinreichend Stellung genommen.
Ich rate Ihnen, liebe Frau Stange, tun Sie es sich nicht an, mit Ihren Angriffen gleichzeitig auch die wirklich schwere und würdigenswerte Arbeit der Hunderten von Fachleuten in Uchtspringe und Bernburg, vom Arzt über den Therapeuten bis zum auch einmal kräftig zupackenden Pfleger, in Misskredit zu bringen.
Sicher, meine Damen und Herren, wir reden beim Vollzug freiheitsentziehender Maßregeln zur Besserung und Sicherung, also beim Maßregelvollzug, über einen Justiz-, gleichzeitig aber auch über einen Gesundheitsbereich, den wir am liebsten gar nicht hätten, aber in einem demokratischen Rechtsstaat immer brauchen werden, der anlassbedingt immer wieder allerhöchste Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zieht und darum auch größte Sensibilität der Politik verlangt.
Ich denke, wir sollten auf dem eingeschlagenen Weg weitergehen, die Landesregierung aber sehr wohl auch weiterhin um Bericht und Rechenschaft bitten. - Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe meinen Ausführungen zur Einbringung der Beschlussempfehlung des Sozialausschusses auch nach den Beiträgen der einzelnen Fraktionen nur noch Weniges hinzuzufügen.
Verehrte Kolleginnen der PDS, wir müssen zugeben, dass die Variante einer Gesetzesinitiative nur ein Ausweg war - auch aus unserer völlig einheitlichen Sichtweise der Problematik heraus -, um unsere gemeinsamen Vorstellungen von einer sogar möglichst weitgehenden Verallgemeinerung von ärztlichen Zweigsprechstunden im Land gegenüber der bis zuletzt sich strikt ablehnend verhaltenden Kassenärztlichen Vereinigung durchzusetzen.
Verehrte Kollegin Krause, Sie verweisen nunmehr selbst auf eine neue Gesprächsbereitschaft der Kassenärztlichen Vereinigung in der neuen Ära, nach der - so möchte ich es nennen - Penndorf-Ära. Wir können
das erfreulicherweise bestätigen. Nicht nur die Signale unserer Sozialministerin anlässlich der letzten Ausschussberatung zu dem Thema Zweigsprechstunden, die deutlich machten, dass bei der KV die Bereitschaft zu einem großzügigeren und vor allem besser nachvollziehbaren Bewilligungsverhalten bestehe, sondern auch eigene Kontakte lassen auf ein deutliches Mehr an Entgegenkommen in dieser Frage schließen. Insofern dürfen wir davon ausgehen, dass nicht nur der Führungswechsel, sondern auch die vonseiten des Parlaments „drohende“ gesetzgeberische Einmischung die zuvor verhärteten Fronten ein gutes Stück weit mit aufgeweicht haben.
Der SPD-Arbeitskreis jedenfalls hat in den letzten Wochen wiederholt Gespräche mit der KV-Führung unter anderem auch zu diesem Thema geführt. Kurzfristig angekündigt wurde vor allem der seinerzeit immer wieder angemahnte Kriterienkatalog zur Entscheidungsfindung bei der Zulassung der jeweils beantragten ärztlichen Zweigsprechstunde in ländlichen Gemeinden, in dem auch - vergleichbar mit dem Beispiel in Sachsen und von uns ebenfalls immer wieder gefordert - geriatrische Aspekte, also eine eventuell überalternde Dorfbevölkerung, eine ausschlaggebende Rolle spielen sollen.
Wir dürfen sogar die Aufforderung der Kassenärztlichen Vereinigung übermitteln, dass sowohl wir Politiker als auch die Verbände und Interessenvertretungen an der endgültigen Gestaltung dieses Kataloges mitwirken mögen.
Ein weiterer Grund für die späte Einsicht in die Sinnhaftigkeit solcher dörflicher Außensprechstunden ist sicher auch in der von mir in der Einbringungsrede bereits erwähnten beginnenden Verschlechterung der allgemeinmedizinischen Versorgungssituation aufgrund von bundesweiten Ausbildungsdefiziten in der Allgemeinmedizin zu sehen. Aber das ist ein anderes Thema, dem wir uns, denke ich, auch bald widmen sollten.
Die SPD-Fraktion schlägt vor - zum jetzigen Zeitpunkt wohlgemerkt -, den Gesetzentwurf abzulehnen bzw. der Beschlussempfehlung der Ausschüsse zuzustimmen. Die Alternative wäre, dass die PDS ihren Entwurf zurückzieht - wohlgemerkt auch zum jetzigen Zeitpunkt und ohne Scham und ohne Reue und lediglich der nun positiven Entwicklung der Angelegenheit geschuldet. Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als wir im Jahr 1990 im Parlament angefangen haben, konnte man bestenfalls ahnen - man könnte auch sagen: befürchten -, welche riesige Aufbauleistung zur Erneuerung speziell auch der gesundheitlichen und sozialen Versorgungssysteme in unserem Land wirklich vor uns liegen würde - ein gewaltiger, aus damaliger Sicht kaum vorstellbarer investiver Nachholbedarf und vor allem ein immenser Umstrukturierungsbedarf, sei es in der Krankenhauslandschaft, in der Altenpflege oder in der sehr vielgestaltigen Behinderteneingliederung, wobei wir allein schon vom Begrifflichen her grundsätzlich umzudenken hatten.
Gut zehn Jahre danach - das wird wohl jeder in diesem Hohen Haus ehrlicherweise so einschätzen - ist ein guter Teil dieses Weges der Erneuerung zurückgelegt, wenn auch nicht immer alle Struktursteuerungsmaßnahmen für jeden einzelnen Bürger nachvollziehbar waren. - Übrigens müssen wir heute manchmal schmerzlich feststellen, wie wenig auch Sozialstrukturen in einem marktwirtschaftlich geprägten System politisch überhaupt steuerbar sind.
Meine Damen und Herren! Mir ist es wichtig anzumerken, dass um diesen Reformprozess im Osten und um die damit verbundenen riesigen Investitionsprogramme alle bisherigen Landesregierungen und auch die Bundesregierungen unterschiedlicher politischer Färbungen gleichermaßen bemüht waren. Ohne das Krankenhausinvestitionsprogramm des Bundes, ohne Artikel 52 speziell für den Osten bzw. ohne das Pflegeversicherungsgesetz überhaupt wären wir möglicherweise noch bei Honeckers Devise: „Überholen ohne einzuholen“ - auch wenn nach wie vor vieles zu tun bleibt.
Die Frage, was für die nähere und auch für die weitere Zukunft zu tun bleibt, ließ uns - unter anderem zumindest den Behindertenbereich betreffend - diesen Antrag zum Thema „Durchsetzung des sozialhilferechtlichen Anspruchs einer in Art und Umfang angemessenen Eingliederungshilfe für Behinderte“ formulieren.
Dieses Problem wiederum - insofern kann ich Ihnen eine ausführlichere Einbringung nicht ersparen - sollten wir unter die seit Jahren bundesweit geführte Debatte um dringlichst erforderliche Sozialreformen einordnen - eine Debatte, die sich unerfreulicherweise zumeist im Spannungsfeld zwischen den Varianten der angeblich erforderlichen Reduzierung von Sozialleistungen bzw. der Privatisierung von Sozialrisiken zwecks Kostendämpfung einerseits und des Erhalts bzw. gar noch der Verbesserung von Sozialstandards mit dann allerdings erst recht nicht mehr tragfähigen gesellschaftlichen Kosten andererseits bewegt.
Nur selten verbindet sich der Ruf nach sozialen Reformen mit der Vorstellung, etwas besser und trotzdem, ob nun solidarisch oder steuerfinanziert, auch kostengünstiger machen zu können. Meine Damen und Herren! Der Antrag der SPD will gerade in diese Richtung drängen - daher auch die etwas tiefer gehende Einleitung.
Der eingangs resümierte Entwicklungsprozess der letzten zehn Jahre sollte uns nunmehr über zukünftige Strategien nachdenken lassen, da es nicht heißen kann: noch mehr Quantität, noch mehr Pflegeheimplätze, noch mehr Krankenhausbetten und noch mehr Behindertenheime. Der Bund bestätigt mit seinen neuen Gesetzen, unter anderem mit dem neuen Heimgesetz und dem Pflegequalitätssicherungsgesetz, dass zukünftig Qualität und nicht Quantität im Vordergrund stehen muss.
Aber bleiben wir im Behindertenbereich, in dem wir seit dem Jahr 1990 aus einem Zustand des fast völligen Versteckens behinderter Menschen vor der Öffentlichkeit folgenden Status quo erreicht haben:
Erstens. Der Gesetzgeber spricht in den in der Überschrift zitierten §§ 39, 40 und 43 des BSHG von Eingliederungshilfen für Behinderte, deren Umfang in individuellen Hilfeplänen festzulegen ist und die in ihrer Wirksamkeit - auch in Bezug auf ihren rehabilitativen Effekt; gegebenenfalls bis hin zu Enthospitalisierungsmöglichkeiten, also im Sinne wirklicher sozialer Eingliederung halbjährlich zu überprüfen sind.
Der Gesetzgeber weist in diesem Zusammenhang auch die Zuständigkeiten, insbesondere die Kostenträgerschaft für eine angemessene Versorgung von Behinderten zu - gesplittet an die Länder auf der einen und die Kommunen auf der anderen Seite.
Zweitens. Sachsen-Anhalt hat inzwischen eine deutlich zu hohe Platzdichte an stationären Unterbringungen für Behinderte: 250 je 100 000 Einwohner. Dagegen haben wir bei den ambulant betreuten Wohnplätzen ein Ver
hältnis von acht zu 100 000 Einwohner. Die Experten, unter anderem im Psychiatrieausschuss des Landes, sehen ein Enthospitalisierungspotenzial von mindestens einem Drittel der Heimuntergebrachten.
Wenn man über zukünftige Strukturen nachdenkt, sollten die Erfahrungen des bisherigen Enthospitalisierungsprozesses kritisch hinterfragt werden: Haben wir im Land mit den vielfach neu gestalteten Heimen des vermeintlich Guten nicht bereits schon wieder zu viel getan? Haben wir den Betroffenen wirklich immer etwas Gutes getan, wenn wir sie - eine Klientel, die sich zudem kaum artikulieren und kaum wehren kann und oftmals nichts Besseres kennt - für sehr viel Geld in Heime „ausgegliedert“ haben - das muss man eigentlich wirklich sagen -, statt, wie gesetzlich verlangt, ihnen eine wirkliche Eingliederungshilfe zu gewähren?
Wie sollten wir den Begriff „Enthospitalisierung“ definieren? Standen und stehen Anbieterinteressen an einem für sie vor allem lukrativeren stationären Versorgungsangebot oft stärker im Vordergrund und haben die Kommunen die anfallenden Versorgungskosten durch die von den Landkreisen fast ausschließlich initiierte Heimunterbringung nicht schlichtweg aus der eigenen Obliegenheit an den überörtlichen Sozialhilfeträger, nämlich das Land, delegiert? Müssen wir nicht zukünftig stärker diesen Partikularinteressen entgegentreten?
Die Frage wird auch sein: Was sind wir kommenden Behindertengenerationen schuldig und was werden wir uns an dieser Stelle leisten können und wollen?
Damit bin ich bei einem „nebensächlichen“ Punkt dieses Problemkomplexes, nachdem mir - entsprechend der Antragsüberschrift - zunächst Fragen des Bedarfs und der Bedürfnisse von Behinderten vordergründiges Anliegen waren, nämlich drittens: Der diesjährige Landeshaushalt sieht für die eigentlich doch kleine Gruppe der heim- und teilstationär untergebrachten Behinderten einen Ausgabenansatz von sage und schreibe rund 500 Millionen DM vor. Das sind 2,5 % des Gesamtbudgets des Landes. Das ist wiederum - wie in allen Jahren zuvor - ein Aufwuchs in zweistelliger Millionenhöhe.
Das alles ist Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, möglicherweise bisher nicht so richtig bewusst geworden. Das ist verständlich, da wir die eigentlich doch schmerzlichen Zahlen, was den Haushalt anbetrifft, alljährlich als Pflichtaufgabe und damit als unabänderlich lediglich abhaken und abnicken. Auch vor diesem Hintergrund sollten wir die künftigen Landeshaushalte intensiver beraten und gemeinsam mit den Kommunen und den Trägern bedarfsgerechte und menschenwürdige Versorgungsstrukturen für Behinderte aufbauen.
Meine Damen und Herren! Vieles wäre allein zur Situationsschilderung noch anzufügen. Hinzuweisen wäre zum Beispiel auf den inzwischen eingetretenen Hospitalisierungsschaden vieler bereits zu DDR-Zeiten und damit jahrzehntelang stationär untergebrachter fehlplatzierter Behinderter, auf erworbenes Heimatrecht und vieles mehr.
Wir wollen auch keine italienischen Verhältnisse. Dort brauchte man eine Zeit lang angeblich überhaupt keine Behindertenheime mehr. Mit dieser Theorie ist man dort voll auf die Nase gefallen. Wir müssen uns allemal Gedanken über das weitere Vorgehen machen.
Ich will jetzt nicht über das bereits beschriebene tendenziöse Verhalten von Leistungsanbietern und auch von Kommunen im Zusammenhang mit dieser Proble
matik lamentieren. Wichtig war mir, die Problematik und die gegenwärtige Situation auch den Damen und Herren Abgeordneten deutlich zu machen, die nicht unmittelbar in der Sozialpolitik zu Hause sind. Ich will Ihnen wenigstens andeutungsweise darlegen, wie wir - den Vorstellungen der SPD-Fraktion gemäß - zu einer konsequenteren Umsetzung des Anspruchs von behinderten Menschen kommen können. Ich will also kurz darstellen, welche Veränderungen es geben könnte. Das in den Ausschüssen weiter zu beraten, wäre sicherlich der richtige Weg.
Worum geht es also? Wie ich bereits erwähnte, geht es darum, von einer - übrigens auch expertenseitig eindeutig nachgewiesenen - relativ einseitigen stationären Heimversorgung hin zu deutlich mehr ambulanten und auch teilstationären Betreuungsangeboten, zu wirklicher Eingliederung und Integration zu kommen, wie sie übrigens die Psychiatrieenquete schon vor vielen Jahren für die alten Bundesländer eingefordert hatte. Auch dort hatte man das Problem, das wir im Moment noch ein Stück weit vor uns herschieben.
Insgesamt wird es für diesen grundsätzlichen Strategiewandel, der in einen dauerhaften Strukturwandel in der Versorgungslandschaft einmünden muss, entscheidend darauf ankommen, auch die kommunalen Gebietskörperschaften und nach Möglichkeit auch die Leistungserbringer mit ins Boot zu bekommen.
Für die kommunale Seite deutet sich nach den bisher aufgenommenen Kontakten zumindest für ein oder mehrere Modellvorhaben erstmals eine wirkliche Zusammenarbeit in dieser Problematik an. Grundsätzlich läuft es auf eine partielle und gesteuerte Zusammenführung von überörtlichen und örtlichen Sozialhilfemitteln hinaus. Dafür wurden, wie Sie sich erinnern werden, bereits im diesjährigen Haushaltsplan bei Kapitel 05 09 Titel 684 73 die Voraussetzungen geschaffen.
Einem Landkreis bzw., was noch besser wäre, einer noch größeren Region sollten die anteiligen BSHGEingliederungsmittel des Landes auf der rechnerischen Grundlage des Vorjahres überantwortet werden. Durch die ab sofort gutachterlich stringenter zu gewährleistende bedarfsgerechte Zuordnung von stationären oder eben von alternativen individuellen Hilfsangeboten sollte es zumindest mittelfristig zu einer deutlichen Schwerpunktverlagerung hin vor allem zu Angeboten beim betreuten Wohnen kommen können.
Dieses Ziel erscheint umso realistischer, wenn nicht nur neu zu versorgende Behinderte, sondern auch die Bestandsfälle aus den Einrichtungen entsprechend den gesetzlich vorgeschriebenen individuellen Hilfeplänen konsequenter und fachkompetent kontrolliert der Rehabilitation und letztlich möglichst einer Enthospitalisierung zugeführt werden.
Die Motivation der Landkreise, die sich über all die Jahre hinweg - um es vorsichtig zu sagen - weitestgehend zurückgehalten haben, nun aber freiwillig und partnerschaftlich ihren Part bei der bedarfsgerechten Behindertenunterbringung und -versorgung wahrnehmen sollen, wird nur - da dürfen wir uns keinen Illusionen hingeben - über ein haushälterisches Zugeständnis der Landesebene zu erreichen sein. Das ist eine gedankliche Hürde, mit der wir uns beschäftigen müssen. Diese darf dennoch nicht darin bestehen, dass vom Land additiv zu den schon ständig expandierenden Ausgaben für die Heimunterbringung zusätzliche nichtstationäre Angebote finanziert werden; vielmehr sollten die in dem ange
strebten Umstrukturierungsprozess von stationär zu ambulant voraussichtlich in Dimensionen zu erzielenden Einsparungen den kommunalen Gebietskörperschaften zumindest auf Zeit zur eigenen Verfügung verbleiben. Allerdings muss schon vorab geklärt werden, wie die Finanzierungs- bzw. die Einsparanteile nach Auslaufen des Modells aufzuteilen sein werden.
Dass bei einer derartigen Umsteuerung hin zu letztlich auch mehr Versorgungsgerechtigkeit natürlich auch die Träger der Behindertenheime zu Partnern gemacht werden müssen, wird möglicherweise die noch schwierigere Motivationsaufgabe. Hierzu müssen umfangreiche Gespräche geführt werden; gegebenenfalls muss nachdrücklichst an gesetzliche Pflichten, nicht zuletzt an die kürzlich im Einvernehmen mit den Leistungsanbietern verabschiedete Rahmenvereinbarung zu § 93 d BSHG, erinnert werden, die den Einrichtungen im Hinblick zum Beispiel auf Einrichtungsprofil, Gewährung wirklicher Hilfe zur Eingliederung und auch zur sozialen Rehabilitation und anderes mehr auferlegt sind.
Meine Damen und Herren! So weit in knappen Zügen zunächst der Rahmen, den wir im Sinne unseres Antrages zur Verbesserung der Eingliederungshilfe für Behinderte im Lande bewusst mit vorgeben wollen. Eine Vielzahl von weiteren Fragen, zum Beispiel Fragen haushaltsrechtlicher Art oder auch die Frage, wie die Kommunen die Mittel, die durch die Umstrukturierung eingespart werden können, zweckgebunden wieder einsetzen sollten, und anderes mehr, sollte Bestandteil der mit diesem Antrag an die Landesregierung zu übertragenden Aufgabe sein.
Ich denke, auch im Sozialausschuss sowie in den Ausschüssen für Inneres und für Finanzen, in die Sie den Antrag sicherlich überwiesen haben wollen, muss über Detailfragen beraten werden. Wir sollten uns heute und hier nur darin einig sein, dass wir uns wirklich auf diesen Weg begeben, und zwar - ich betone nochmals - im Interesse einer im Hinblick auf den Erhalt der Menschenwürde angemessenen Hilfe für den behinderten Bürger unter uns und gleichzeitig zu deren dauerhaft zu sichernder gesellschaftlicher Finanzierbarkeit. Wir sollten uns vor Augen halten: Ob im Alter oder bei Behinderung, die teuerste aller Möglichkeiten der Versorgung, die Heimunterbringung, ist immer nur die zweitbeste Variante. Ich bedanke mich.
Den Ausschuss für Inneres.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Wesentlichen habe ich meinen Ausführungen aus der Einbringung nichts hinzuzufügen, auch deshalb nicht, weil erfreulicherweise eigentlich über alle Fraktionen hinweg weitestgehend Übereinstimmung festzustellen war. Gleichwohl denke ich - ich hatte es vorhin gesagt -, dass über eine ganze Menge von Detailfragen noch zu diskutieren ist. Ich glaube, dass das nicht nur im Sozialausschuss, sondern auch im Finanzausschuss und mit den Innenpolitikern geschehen sollte.
Ein Wort vielleicht noch zu den angesprochenen Modellregionen. Wir wollen natürlich kein Geheimnis daraus machen. Es gab bereits Vorabgespräche. Wir wollten sicher sein, dass die Kommunen für solche Modelle, wie wir sie kurz umrissen haben, zumindest ein offenes Ohr zeigen. Es gibt im Moment Gespräche sowohl mit der Stadt Halle, die dem sehr aufgeschlossen gegenübersteht, als auch mit den Nordharzkreisen. Das wollte ich noch ergänzen.
Einige wenige Anmerkungen noch zu den Ausführungen der Kolleginnen und Kollegen aus den Fraktionen. Herr Dr. Eckert, die generelle Zusammenführung von örtlichen und überörtlichen Sozialhilfeträgern ist ein
bundesweites Problem. Es gibt bundesweit viele Modelle, auf die man in einer internen Diskussion im Ausschuss eingehen kann. Aus meiner Sicht steht fest, dass es nirgends den Stein der Weisen gibt, dass also nirgends eine praktikable Struktur gefunden wurde, die das Ganze funktional macht. Darum haben wir es zunächst nicht gewagt, über diesen Modellgedanken hinauszugehen.
Gleichwohl müssen wir uns schon Gedanken darüber machen - auch im Hinblick auf die Verwaltungsreform und im Hinblick auf die damit verbundene Funktionalreform -, ob wir etwas finden können, das nicht nur modellhaft ein stärkeres Zusammengehen des örtlichen und des überörtlichen Sozialhilfeträgers ermöglicht, sondern eine für die Zukunft praktikable Variante wäre. Wir sollten darüber nachdenken und darüber reden. Aber wir wagen es im Moment nicht, etwas in dieser Richtung vorzugeben.
Eine Übertragung der gesamten Eingliederungshilfe in den kommunalen Bereich - das möchte ich aus meiner persönlichen Sicht hinzufügen - erscheint mir insofern gefährlich, als ich befürchte - diesbezüglich gibt es Beispiele aus unserer jüngeren Vergangenheit -, dass uns als Land ein Stück weit die Steuerung in Bezug auf eine kosteneffiziente und menschenwürdige Angebotsstruktur fatalerweise verloren gehen könnte. Das ist meine Sorge.
Wir sehen das teilweise im Rettungsdienstbereich. Das ist zwar ein ganz anderer Bereich. Dort haben wir als Land Steuerungen aufgegeben; das hatte letztlich die Folge, dass wir ungeheure Kosten haben, auf die wir kaum noch Einfluss haben. Ich will diesbezüglich nichts weiter sagen. Wir sollten gut aufpassen, wenn wir diese Aufgaben mehr oder weniger kritiklos an andere übertragen.
Frau Liebrecht, Sie haben eine Menge von Fragen angeschnitten, die ich zu den Detailfragen zählen würde, über die wir in den Ausschüssen beraten sollten. Ich will jetzt nicht darauf eingehen.
Ich möchte mich bei allen bedanken, bei den Fraktionen und deren Sprechern für die tatsächlich weistestgehende Übereinstimmung im Hinblick auf die Zielrichtung, aber auch im Hinblick auf viele konkrete Punkte. Herzlichen Dank! - Ich will das nicht weiter ausdehnen. Wir reden in den Ausschüssen weiter darüber.
Ja, natürlich.
Lieber Herr Dr. Eckert, das klingt verlockend. Aber ich meine, wir haben nicht endgültig über diesen Antrag entschieden. Wir beraten über den Antrag im Ausschuss. Lassen Sie uns dort darüber reden, ob es die eine oder andere Präzisierung oder Ergänzung geben kann. Das machen wir gemeinsam. Bei der großen Übereinstimmung, die wir bei diesem Antrag hatten, machen wir gemeinsam einen noch besseren Antrag daraus. Einverstanden? - Ich bedanke mich.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, Sie sind nicht traurig, wenn ich Sie bitte, meinen Redebeitrag zu Protokoll zu nehmen. Ich denke, das für das Plenum Wesentliche ist von den Vorrednern, insbesondere von der Ministerin, gesagt worden.
Was den Änderungsantrag der PDS anbetrifft, würde ich darum bitten, dass zum Beratungstermin im Ausschuss, Frau Ministerin, diese wichtige Berichterstattung nach Möglichkeit schon vorliegen sollte. Mehr möchte ich nicht sagen. Alles andere im Ausschuss. - Danke.
Speziell den Ausführungen der Ministerin ist kaum etwas hinzuzufügen. Ich kann mir meinen Beitrag demzufolge - auch im Interesse unseres heutigen Zeitbudgets - in weiten Teilen ersparen. Einige wenige Anmerkungen lediglich zu den Ausführungen meiner Vorrednerinnen.
Ich bedauere selbst immer wieder, dass die Gerontopsychiatrie in der Pflegeversicherung quasi nicht stattfindet, und das ist ja die wesentliche Zielrichtung Ihres Antrages, Frau Liebrecht, in diesem Zusammenhang auf Bundesebene etwas nachzuholen bzw. zu korrigieren.
Dafür aber den Pflegebegriff neu definieren zu wol- len, wäre wohl auch aus pflegewissenschaftlicher Sicht
töricht; man müsste dann schon innerhalb des SGB XI eine völlig neue Kategorie von Bedürftigkeit schaffen, einen neuen Leistungsanspruch definieren. Denn Demenzkranke sind - primär zumindest - nicht pflegebedürftig, sondern betreuungs- und ein Stück weit vor allem bewahrungsbedürftig - wohlgemerkt nicht „verwahrungsbedürftig“.
In gewissem Sinne wären sie aber auch - besonders wenn noch der Rest eines Rehabilitationspotenzials vorhanden ist; das sollte man auch bei Alzheimer-Kranken nicht von vornherein ausschließen - behandlungs- und eingliederungsbedürftig. Somit ist ihre Bedürftigkeit, sind ihre Ansprüche eigentlich derzeit nach SGB V und BSHG geregelt, für die Zukunft voraussichtlich auch nach dem in Vorbereitung befindlichen SGB IX.
Wenn der Bund Veränderungen in der Pflegeversicherung entsprechend Ihren Forderungen vornehmen soll, - das muss man wissen - wird das richtig teuer. Mindestens die Hälfte der Pflegeversicherungsbeiträge würde wohl noch mal draufgepackt werden müssen - mit allen bekannten Konsequenzen für Lohnnebenkosten, Wirtschaft, Arbeitsmarkt usw.
Und das war doch genau der Grund, liebe Frau Liebrecht, warum im Jahr 1993 die damalige CDU-geführte Bundesregierung diese zweifellos schmerzliche Grenze in der Pflegeversicherung gezogen hat, was den Kreis der Anspruchsberechtigten anbetrifft.
Die damalige Opposition in Bonn wollte übrigens an dieser Stelle auch mehr reinpacken in die Pflegeversicherung. So ist das also mit der wechselnden Rollenverteilung. Wir müssen uns also letztlich alle fragen, nicht was wir uns wünschen, sondern was wir können - uns leisten können nämlich.
Ich denke aber, über einen begrenzten Leistungsanspruch möglicherweise im Sinne eines Tagespflegeangebotes für Demenzkranke sollte ernsthaft nachgedacht werden - und wird nach meiner Kenntnis auch bereits auf Bundesebene nachgedacht.
Alle anderen Forderungen in Ihrem Antrag sind deut- lich nachrangig, im Wesentlichen auch bereits geregelt oder der Sache nicht dienlich. Lassen Sie uns im Sozialausschuss über die Einzelheiten reden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Aktuelle Debatte zur Situation der Krankenkassen in SachsenAnhalt, der gesetzlichen Krankenversicherungen wohlgemerkt, ist sicherlich wichtig. Allerdings müssen wir uns fragen, ob es ausreicht, darüber zu debattieren, oder ob wir nicht besser handeln müssten, wobei sich wiederum die Frage anschließt, ob und wo es für uns als Land Handlungsspielraum gibt bei konkret dieser akut brennenden Thematik in einem insgesamt bekanntermaßen wohl bereits chronisch kranken Gesundheitswesen.
Meine Vorrednerinnen haben die wesentlichen Fragen bereits angesprochen und uns in unserem Verständnis bezüglich dessen bestätigt, was die Einbringer der Debatte wohl konkret hinter diesem Thema versteckt haben könnten: das Problem mit den Betriebskrankenkassen in allererster Linie. Ich will mich in der Kürze der Zeit auf dieses Thema der Betriebskrankenkassen konzentrieren. Es wird sich manche Wiederholung nicht vermeiden lassen, aber ich möchte es ausdrücklich auch namens der SPD-Fraktion artikuliert haben.
Meine Damen und Herren! Die seit Jahren anhaltenden Angriffe auf unsere solidarischen Versicherungssysteme, und das nicht nur in der gesetzlichen Krankenversicherung, kommen offensichtlich in einem neuen Gewand daher. Es ist eine neue und raffinierte Art von Entsolidarisierungsversuch, nämlich zwischen den verschiedenen gesetzlichen Krankenkassen, indem sich neu gründende Betriebs-, möglicherweise auch einige Innungskrankenkassen, marktwirtschaftlich eigentlich völlig sauber agierend, mit niedrigsten Beitragssätzen junge, dynamische und leistungsfähige, also selten mal kranke Arbeitnehmer, wie schon gesagt, in ihre Versicherungen locken.
Diese auch schon als Schein- oder als - das Wort fiel vorhin schon - virtuelle Krankenkassen bezeichneten neuen BKK, die sich relativ beliebig neu gründen können, andererseits aber nicht dem im Jahr 1992 festgeschrie
benen Kontrahierungszwang zur ständigen Aufnahme jedes neuen Bewerbers unterworfen sind wie die anderen Krankenkassen, wählen ihre Mitglieder oft mit, wie gesagt, raffinierter, aber gesetzlich zulässiger Taktik nach möglichst geringem Krankheitsrisiko aus. Es gibt die Bemerkung: Sie machen Jagd auf Gesunde.
Es ist unseres Erachtens eine gravierende Wettbewerbsverzerrung - auch das wurde schon gesagt - zwischen den gesetzlichen Krankenkassen vorhanden, die offensichtlich auch durch den Risikostrukturausgleich bzw., wie bei einigen Kassenarten im Sinne von Solidarität zusätzlich praktiziert, durch einen kassenarteninternen Finanzausgleich nicht kompensiert wird.
Am meisten beunruhigen muss uns, meine Damen und Herren, dass durch diese Risikoentmischung innerhalb der GKV, einem modernen Raubrittertum in der heutigen Gesundheitsfinanzierung gleichkommend, bei dem letztlich Alte, Schwache, Behinderte und chronisch Kranke durch drohende höhere Beiträge in ihren Krankenkassen auf der Strecke bleiben, wiederum die Ostkrankenkassen und damit das ohnehin in äußerster Bedrängnis befindliche östliche Gesundheitswesen am meisten betroffen ist.
Nach Angaben von AOK, Ersatzkassen und anderen nimmt das bereits dramatische Züge an. Es wurden bereits einige Zahlen genannt. Denn es gingen dem Land aufgrund der Abwanderung günstiger Versicherungsrisiken in den letzten Jahren bereits zig Millionen an Beiträgen - bisher haben wir über Zahlen der Abwanderung gesprochen, aber in Geld ausgedrückt sind es zig Millionen - verloren und zusätzlich den Kassenärztlichen Vereinigungen der Ost-Länder die dazu gehörenden bereits erwähnten Kopfpauschalen. Das ist übrigens ein wesentlicher Grund zum Beispiel dafür, dass die Ärzte nun auch, und ein Stück, meine ich, auch berechtigt, auf die Straße gehen.
Es muss angemerkt werden, dass dem Versicherten selbst, auch konkret dem in diesem Sinne in Richtung Westen abwanderungsbewussten, an dieser Entwicklung keinerlei Schuld zuzuweisen ist. Schließlich lernt er in diesem Gesellschaftssystem nicht primär Solidarität, sondern er lernt, wo er auch in Sachen Krankenversicherung für den geringsten Preis die meiste Leistung abrufen kann. Das ist also verständlich.
Dennoch ergibt sich, wie auch von anderen schon ausgeführt, letztlich eine gefährliche Splittung in billige Dumping- und kostenintensive Versorgungskrankenkassen.
Die Politik ist gefragt als letzter Ausweg wiederum und auch - leider, muss man sagen, meine Damen und Herren - politische Regulierung, wobei die Länderkammer, um auf meine eingangs gestellte Frage nach dem Handlungsspielraum auf Landesebene zurückzukommen, nach meinem Verständnis damit ihre Aufgabe erfüllt, dass die Gesundheitsministerkonferenz am 29. Juni in Schwerin einstimmig vom Bund eine zeitnahe Organisationsreform der Krankenkassen zur Behebung solcher Verwerfungen und dieser - so wörtlich - „schnell fortschreitenden Entsolidarisierung in der Gesundheitsversorgung“ eingefordert hat.
Vielleicht gibt es aber noch andere politische Drähte, verehrte Frau Ministerin, um Bundesministerin Fischer freundlichst darauf hinzuweisen, dass es nach der eigentlich nur halbwertigen letzten Gesundheitsreformstufe noch immer an allen Ecken und Enden des Gesundheitswesens, vor allen Dingen im Osten, brennt.
Sie muss erkennen, dass hier Handlungsbedarf besteht. - Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Ausführungen der Ministerin, überhaupt meiner Vorrednerinnen und auch den konjunktivisch gefaßten Bedenken von Frau Krause aus fachlicher Sicht nichts Wesentliches mehr hinzuzufügen. Ich würde meinen Beitrag zu Protokoll geben, wenn Sie es gestatten, Herr Präsident.
Der vorliegende Antrag der PDS-Fraktion ist offensichtlich - wie in der Begründung und auch in der Einbringung von Frau Krause zum Ausdruck gebracht - aus der Sorge heraus gestellt worden, die zitierte neue Bundesrichtlinie über die Verordnung von „häuslicher Krankenpflege“ gemäß § 92 SGB V könnte unter der Zielstellung einer weiteren Kosteneinsparung im Krankenkassenbereich zur Verschlechterung der Behandlungspflege ambulant zu versorgender Patienten führen.
Aus meiner persönlichen fachlichen Einschätzung ist das eher nicht zu erwarten, auch wenn in den letzten Wochen über verschiedene Medien in diesem Sinne bereits wieder Verunsicherungen in die Bevölkerung getragen worden sind und einzelne Leistungserbringer dagegen mobil machen.
Vielmehr wollte man mit dieser seit dem 14. Mai in Kraft getretenen Richtlinie lediglich etwas präzisieren und
zugegebenermaßen bis in bürokratische Details hinein hinsichtlich des individuellen Rechtsanspruches normieren, was aber eigentlich bisher schon tägliche Praxis ist. Und auch die Einzelbestimmungen scheinen fast durchgängig sowohl aus ärztlicher als auch aus pflegepolitischer Sicht weitestgehend logisch und nachvollziehbar.
So wird insbesondere abgegrenzt, was häusliche krankenpflegerische Leistungen insbesondere zum Zweck der Vermeidung einer Krankenhausbehandlung beinhalten kann oder aber im Sinne der medizinischen Grundpflege bis hin zur hauswirtschaftlichen Pflege verordnet werden darf.
Diese von ambulant tätigen Krankenpflegediensten zu erbringenden Leistungen sind wiederum eindeutig zu unterscheiden von reinen ärztlichen Tätigkeiten - auch gegebenenfalls am häuslichen Krankenbett - wie zum Beispiel Infusionen, intravenöse Injektionen und sogar Ohrenspülungen, die nicht in die Hand der Krankenschwester gehören und demzufolge im Rahmen der häuslichen Krankenpflege auch nicht abrechenbar sind.
In diesem Zusammenhang ist es aber unsinnig, was mancherorts behauptet wird, daß zum Beispiel auch Insulinspritzen - unter die Haut appliziert - zukünftig nicht mehr von der Schwester, sondern nur noch von einem Arzt verabreicht werden dürfen.
Ein Drittes regelt die Richtlinie nochmals grundsätzlich und rechtsverbindlich, aber auch das wird seit langem schon so gehandhabt: Ein Krankenpflegedienst kann ärztlicherseits nur eingesetzt werden - und wird von der Krankenkasse auch nur genehmigt und letztlich finanziert -, wenn die zu erbringenden Leistungen - von der Verabreichung der Augentropfen bis eben hin zur „Zukkerspritze“ - aus den verschiedensten und konkret vorzubringenden Gründen weder vom Patienten selbst noch von im Haushalt lebenden Angehörigen erbracht werden können. Auch das ist meines Erachtens eine durchaus nachvollziehbare und berechtigte Regelung.
Für mich bringt diese Richtlinie kaum etwas Neues, auf den ersten Blick insbesondere keine Verschlechterungen für den Patienten. Auch die der Richtlinie angefügte konkrete Auflistung von verordnungsfähigen krankenpflegerischen Maßnahmen im einzelnen läßt nicht unbedingt gravierende Lücken erkennen.
Dennoch sollte man sehen, wie sich eine solche Richtlinie in der Praxis auswirken wird, abgesehen einmal davon, daß schon heute ersichtlich die Bürokratie wieder deutlich expandieren wird, indem Beantragung per Formblatt und anschließendes Bewilligungsverfahren den Krankenkassen zusätzliche Verwaltungsarbeit bringt und Ärzte ein gutes Stück weit von ihrer eigentlichen medizinischen Versorgungstätigkeit abgehalten werden.
Das Handling der noch dazu im Bereich der Grundpflege und der Hauswirtschaftspflege bei verschiedenen Krankenkassen satzungsabhängig unterschiedlichen Verordnungslisten ist in der Tat, Frau Krause, kompliziert und aufwendig. Hier könnten sich Verschlechterungen ergeben, wenn die Ärzte aufgrund eines kaum noch zu gewährleistenden Überblickes über die unterschiedlichen Verordnungsvarianten dem Patienten unbeabsichtigt etwas vorenthalten.
Insgesamt ist demzufolge gegen einen Bericht des Sozialministeriums im ersten Quartal 2001 über erste Ergebnisse, eventuell auftretende Probleme und Aus
wirkungen der neuen Richtlinie in der Praxis der ambulanten Krankenpflege auch absolut nichts einzuwenden. Die Fraktion der SPD stimmt sowohl dem Antrag der PDS als auch dem Änderungsantrag der CDU in direkter Abstimmung zu.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es wurde bereits dargestellt: Die Frage der Zulassung ärztlicher Zweigsprechstunden ist ein Problem des Ostens, speziell aber wohl in Sachsen-Anhalt, scheint es. Es ist inzwischen eine endlose Geschichte, die auch uns im Parlament über alle drei Legislaturperioden hinweg verfolgt hat.
Denn es verursacht immer wieder erheblichen Ärger und Unverständnis bei vielen Menschen, insbesondere in den Dörfern - Bürgermeister und andere Kommunalpolitiker ausdrücklich eingeschlossen -, wenn nach westdeutschen Bräuchen wieder einmal nicht sein darf, was im Osten gut, patientenfreundlich und darüber hinaus auch kostengünstig war: die wöchentlich ein- oder zweimalige Arztsprechstunde auch in einer kleinen Kom- mune im Sinne einer ärztlichen Außenstelle.
Es ist die Kassenärztliche Vereinigung in Sachsen-Anhalt, die ziemlich unsensibel und in der Regel anhand unangemessener und völlig unzureichender formaler Kriterien nach und nach die sogenannten ärztlichen Zweigsprechstunden dichtmacht, vorrangig natürlich im allgemeinmedizinischen Bereich, aber auch in anderen Bereichen.
Daher ist es kein Wunder, daß sich Landespolitiker Gedanken darüber machen, wie man diesen mehr oder weniger willkürlichen Entscheidungen der KV als Selbstverwaltungskörperschaft mit totaler Monopolstellung für die Sicherstellung der ambulanten medizinischen Versorgung zumindest an dieser Stelle wirkungsvoller begegnen könnte.
Ich stehe dazu, daß auch ich über all die Jahre hinweg anläßlich immer wieder eingehender Petitionen und wiederholter Diskussionen im Sozialausschuß, letztlich auch mit dem im Jahr 1996 unternommenen Versuch, diesbezüglich einen Antrag mehrerer Abgeordneter durch
zubringen, bisher leider vergeblich nach Lösungen oder wenigstens nach einem vernünftigen Kompromiß mit der Kassenärztlichen Vereinigung gesucht habe. Insofern könnte der vorliegende Gesetzentwurf durchaus auch aus meiner Feder stammen.
Ich will Ihnen aus der Chronologie der nicht nachvollziehbaren Entscheidungen der Kassenärztlichen Vereinigung zwei Beispiele darstellen. Es ist aus meiner Sicht geradezu ein systematisch vorangetriebener Widersinn mit nachfolgend in der betroffenen Region regelmäßig spürbarer verschlechterter ambulanter medizinischer Versorgung, vor allem für alte, behinderte und wenig mobile Patienten.
Der Fall Dankerode wurde genannt, der übrigens immer noch im Petitionsausschuß anhängig ist. Er ist seinerzeit über Wochen durch die Medien gegangen, nachdem die Bürger für den Erhalt ihrer Sprechstunde massiv auf die Straße gegangen waren. Gegenwärtig passiert das gleiche in Eickendorf.
Im sogenannten Flecken Weferlingen im Ohrekreis gab es bis 1996 eine gynäkologische Außensprechstunde. Von einer eigenständigen Niederlassung hätte dort bei 2 500 Einwohnern kein Frauenarzt leben können. Dieses wohnortnahe Angebot ermöglichte vielen Patientinnen ohne Auto, die auf zumeist völlig inakzeptable ÖPNVAnbindungen angewiesen waren, regelmäßige Behandlungen und Vorsorgeuntersuchungen unabhängig von langen Warte- und Wegezeiten.
Da auch das nicht mehr sein durfte, hocken nun sozusagen alle Gynäkologen in der Kreisstadt Haldensleben aufeinander. Sie konkurrieren um die dort ansässigen Patientinnen, während die ältere Dame vom Lande, konkret aus dem Flecken Weferlingen, nun zumeist auf eine Arztkonsultation, zumindest aber auf eine regelmäßige Vorsorge verzichtet und erst dann in die Kreisstadt fährt, wenn es möglicherweise schon sehr ernst geworden ist.
Mir ist völlig klar: Selbstverständlich wird man nach einer solchen Argumentation bezüglich der Vorsorge sofort auf mehr gesundheitliche Eigenverantwortung verweisen. Man wird auf die Möglichkeit verweisen, bei akuten Erkrankungen Hausbesuche in Anspruch nehmen zu können.
Letztlich hat die Kassenärztliche Vereinigung natürlich ihre formalen Argumente für die Begründung der Entscheidungen zur Streichung von Außensprechstunden parat. Berufsständische Aspekte und das Wettbewerbsrecht der Ärzte untereinander, auch uralte Zöpfe wie Präsenzpflicht und Residenzpflicht usw. werden herangezogen. Für die Patienten ist dies alles völlig irrelevant.
Vergessen wir nicht, solche Zweigsprechstunden werden auch als Relikt des primitiven und ideologisierten DDR-Gesundheitswesens apostrophiert. Ich denke, über all das, was an sehr gegensätzlichen Argumenten im Interesse der Patienten und einer wirklichen Versorgungsqualität richtig ist, müssen wir ein weiteres Mal im Ausschuß debattieren.
Ein Problem haben wir allerdings gemeinsam mit dem Gesetzentwurf der PDS. Ich muß Frau Dr. Kuppe darin zustimmen, daß bisher nicht abschließend geklärt werden konnte, ob wir in einem Bundesland überhaupt Spielraum für eine diesbezügliche eigene gesetzliche Regelung haben. Wie Ministerin Frau Dr. Kuppe bereits ausführte, stehen hierbei die gutachterlichen Aussagen
des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes gegen die Meinung des Sozialministeriums.
Meine eigenen Bestrebungen, nach Möglichkeiten zu suchen, um zu dieser Fragestellung ein unabhängiges Gutachten zu erhalten, sind bisher leider gescheitert. Ich verstehe die Ministerin durchaus, wenn sie sagt, daß sich das Land Sachsen-Anhalt mit einer landesrechtlichen Regelung zu ärztlichen Zweigsprechstunden nicht blamieren sollte, wenn dafür möglicherweise kein gesetzgeberischer Handlungsspielraum besteht.
Vielleicht kann aber die Überweisung des vorliegenden Gesetzentwurfes in die Ausschüsse für Arbeit, Gesundheit und Soziales sowie für Inneres und für Recht und Verfassung als erste und wichtigste Aufgabe die Klärung dieser Frage vorantreiben, um danach über eine Gesetzgebungsinitiative zu entscheiden.
Einen Handlungsbedarf sehe ich nach wie vor in dieser Angelegenheit, um zu einer zukünftig zumindest großzügigeren
- das ist der letzte Satz -
und an konkreten Kriterien festgemachten Regelung zur Zulassung ärztlicher Zweigsprechstunden zu kommen. Ich bitte um Überweisung in die genannten Ausschüsse und danke Ihnen.
Ja.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man sollte trotz der fatalerweise heute zu führenden Debatte über eine gegenwärtig in der Tat zu sehende Existenzgefährdung psychotherapeutischer Versorgungspraxen in Sachsen-Anhalt und im Osten Deutschlands insgesamt nach wie vor deutlich sagen, daß die Einführung des Psychotherapeutengesetzes zum 1. Januar 1999 eine wirkliche Sternstunde der Gesundheitsversorgung in der Bundesrepublik Deutschland war.
Es wurde damit eine 20jährige Auseinandersetzung um den Status psychologischer Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendpsychotherapeuten beendet, die nunmehr gleichberechtigt mit den ärztlichen Psychotherapeuten vor allem zum Wohl der Patienten an der vertragsärztlichen Versorgung teilhaben. Es wurde damit schließlich auch der Grundstein für die Sicherung einer psychotherapeutischen Versorgung auf qualitativ hohem Niveau gelegt, übrigens mit deutlich verbesserter Patientenzugängigkeit zu dieser Therapieform.
Dieses schien mir einleitend betonenswert, da immer mehr Menschen in Deutschland unter behandlungsbedürftigen seelischen Krankheiten leiden und eine rechtzeitig einsetzende Psychotherapie sonst häufig nachfolgende organische Erkrankungen, deren Chronifizierung aufwendige organisch-medizinische Untersuchungen, unter Umständen Fehlbehandlungen und letztlich menschliches Leid und Frühberentungen zur Folge hat, sowie die daraus erwachsende Kostendimension in einem hohen Prozentsatz der Fälle verhindern kann.
Leider fehlen uns in Sachsen-Anhalt bei einem derzeitigen Bestand von 120 ambulant tätigen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten mit leicht steigender Tendenz in den letzten drei Jahren dennoch zur Sicherung einer objektiv erforderlichen Versorgung sowie im Vergleich zu anderen Bundesländern immer noch etwa 250 Psychotherapeuten.
Um so erschreckender ist es, daß trotz dieser gravierenden Unterversorgung insgesamt im Osten diese Berufsgruppe gerade hier in ein Finanzierungsloch fällt, das zwar alle sehen, die dafür Verantwortung tragen Politiker, Kassenärztliche Vereinigung und Krankenkassen -, für das sich aber auch nach nunmehr fast einjäh
rigem Streit bis hin vor das Bundessozialgericht niemand wirklich zuständig fühlt.
Das zitierte neue Gesetz sollte natürlich auch die Leistungsvergütung für die Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten regeln. Schließlich kann nur dann von einer gesicherten psychotherapeutischen Versorgung die Rede sein.
Seit dem zweiten Halbjahr 1999 ist aber genau das Gegenteil der Fall. Es droht ein Praxissterben und damit ein Versorgungsnotstand in diesem anerkanntermaßen wichtigen Bereich der gesundheitlichen Versorgung.
Der Schwarze Peter, also die Schuld daran, wird zwischen den Bundespolitikern als Verantwortliche für die Gesetzgebung, den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen hin- und hergeschoben, wobei allerdings die Landespolitik - das darf nicht unerwähnt bleiben - diesbezüglich definitiv keinen Gestaltungsspielraum hat.
Insgesamt geht es dabei sowohl rückwirkend um die Leistungsvergütung für das zweite Halbjahr 1999 als auch um die zukünftigen Honorare der betroffenen Berufsgruppe. Die Ursachen für das Dilemma will ich aus Zeitgründen nur kurz skizzieren.
Die Budgetbemessung für 1999 zunächst als Übergangslösung und sich, wie in anderen gesundheitlichen Versorgungsbereichen auch, an den Ausgaben von 1996 orientierend, hat speziell im Osten trotz zugestandener Steigerungsraten die Zunahme von abrechenbaren psychotherapeutischen Leistungen einerseits und die steigende Anzahl der zugelassenen Psychotherapeuten andererseits völlig unberücksichtigt gelassen.
Das Resultat war ein eklatanter Punktwertverfall - Sie wissen, das Abrechnungssystem im ambulanten Gesundheitswesen richtet sich nach dem EBM-Katalog, nach Punkten - von ursprünglich gut auskömmlichen 10 Pfennig je Punkt auf derzeit 3,22 Pfennig, bei einzelnen Kassen sogar rechnerisch auf unter 1 Pfennig. Rechnerisch schnell nachvollziehen läßt sich also: Die Psychotherapeuten, sowohl die ärztlichen als auch die psychologischen Psychotherapeuten, arbeiten nachweislich derzeit fast nur noch für ihre Praxisbetriebskosten.
Um diesen prekären Zustand vor allem schnell zu beenden, bedarf es aus meiner Sicht nicht unbedingt einer Gesetzesnovellierung auf Bundesebene, so dankenswert das Angebot der Landesregierung auch ist, eventuell eine Bundesratsinitiative zu starten. Punkt 1 unseres Antrags geht auch in diese Richtung. So lobenswert, nebenbei bemerkt, das bisherige Engagement des Sozialministeriums in dieser Sache überhaupt ist, übrigens auch ohne unseren Antrag.
Zurück zur Frage der Gesetzesnovellierung. In Artikel 11 des Psychotherapeutengesetzes ist für einen solchen, sich hier darstellenden Problemfall von vornherein ein Rettungsanker gesetzt. Es wurde sinngemäß festgelegt, daß bei einem Rückgang des durchschnitt-lichen rechnerischen Punktwertes um mehr als 10 % von den Vertragspartnern geeignete Maßnahme zu tref-fen sind - so wörtlich -, um genau dieses zu verhindern. Die Vertragspartner sind die Krankenkassen und die Kassenärztliche Vereinigung in den jeweiligen Vertragsregionen, für die der Punktwert jeweils gesondert errechnet wird.
Diese Auffangregelung wird allerdings, den Interessen von an dieser Stelle noch zusätzlich ins Spiel kommen
den Interessengruppen folgend, sehr unterschiedlich interpretiert. Ich denke aber, man muß der Auslegung des Bundesgesundheitsministeriums folgen, daß bei einem zweifelsohne erforderlichen Ausgleich allein im Rahmen der Gesamtvergütung der vertragsärztlichen Leistungen in einer Vertragsregion, konkret also über den Honorarverteilungsmaßstab der Kassenärztlichen Vereinigung, gesteuert werden kann.
Nach dem GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz darf nämlich die Gesamtvergütung für Gesundheitsleistungen für das Jahr 1999 nicht erhöht werden. Somit können die Krankenkassen ihrerseits eigentlich nichts draufpacken und haben schon gar keine Nachschußpflicht.
Ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 25. August 1999 bezüglich der Honorarsicherstellung geht sogar noch weiter und spricht von einem „festen Anspruch“ der Psychotherapeuten auf einen Punktwert von ca. 10 Pfennig, also einem Rechtsanspruch, dem auch in Zukunft entsprochen werden müsse.
Meine Damen und Herren! Sowohl rückwirkend für das Jahr 1999 als auch für die kommenden Jahre ist nun umgehend eine Lösung zu finden, will man nicht letztlich auch eine Flut von Rechtsstreitigkeiten riskieren. Entscheidend sollte dabei sein, daß alle an der Sache Beteiligten guten Willens sind, kurzfristig eine Lösung zu finden, so daß das Problem weder auf dem Rücken der Berufsgruppe der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ausgetragen, noch - das ist wohl das wichtigste - daß die psychotherapeutische Versorgung im Land durch die Existenzbedrohung bei den Behandlungspraxen weiter gefährdet wird.
Die im wesentlichen fehlende Entscheidungskompetenz der Landespolitik in dieser Angelegenheit hatte ich bereits erwähnt. Wir meinen allerdings, daß das Sozialministerium im Rahmen seiner Rechtsaufsicht und unter dem Gesichtspunkt der derzeit ernsthaft gefährdeten psychotherapeutischen Versorgung seinen Einfluß auf die Krankenkassen und vor allem auf die aus unserer Sicht zuerst gefragte Kassenärztliche Vereinigung geltend machen sollte. In diesem Sinne wäre jedenfalls Anstrich 2 unseres Antrags zu verstehen.
Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales sollte sich kurzfristig über den Fortgang in der Angelegenheit berichten lassen. Möglicherweise kann der Ausschuß durch die Moderation einer bereits geplanten Anhörung aller Beteiligten zur Problemlösung, zumindest in Sachsen-Anhalt, beitragen. Der Antrag - darum bitte ich - sollte direkt zur Abstimmung gestellt und angenommen werden. - Ich danke Ihnen.
Bei der durchgängigen Zustimmung zu unserem Antrag und vor allem der Zustimmung zu der vorgeschlagenen Problemlösung - obwohl wir es nicht lösen können wollte ich eigentlich auf einen weiteren Redebeitrag verzichten. In Anbetracht der Zeit, denke ich, Herr Professor Böhmer, müssen wir auch den Disput nicht weiter führen.
Der ist hinlänglich bekannt, vor allem die unterschiedlichen Positionen unserer Fraktionen zu einer zukunftsfähigen Gesundheitspolitik. Ich vermisse bei Ihnen immer wieder, daß Sie uns wirklich einmal erläutern, wie die CDU das Problem insgesamt lösen will.
Die Gesundheit insgesamt kann nicht unendlich viel teurer werden. Wir können aber auch den Patienten nicht unendlich weiter mit Zuzahlungen belasten. Diesbezüglich haben wir eine gewisse Grenze erreicht. Aber diesen Disput können wir auch im Ausschuß fortführen.
Ein paar Worte meinerseits zu dem Budget. Die CDU war es letztlich, die in der jetzt vollzogenen Gesundheitsreform die Globalbudgets vom Tisch gefegt hat und nun wieder Sektoralbudgets durchsetzt.
Wir haben immer wieder gesagt, daß wir gerade im Rahmen von Globalbudgets viel mehr Beweglichkeit zwischen den einzelnen Honorarbereichen sehen. Das wäre eine Lösung gewesen; denn Sie werden es nicht leugnen: Es gibt genug Ärztegruppen, die unter dem Honorarverteilungsmaßstab sehr großzügig wegkommen. Dabei gibt es Möglichkeiten der Umschichtung.
Leider haben wir das mit dem nicht eingeführten Globalbudget ein Stück weit verpaßt, aber es ist noch nicht aller Tage Abend. - Ich bedanke mich und bitte nochmals um Zustimmung zu unserem Antrag.