Michael Boddenberg
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Herr Kollege Kaufmann, zunächst einmal möchte ich sagen, dass ich es für einen sehr glücklichen Umstand halte, dass Sie diese Frage stellen. Überhaupt stellen Sie sehr eifrig Fragen an die Landesregierung. Das werten wir als ein hohes Maß an Interesse an unserer Arbeit. Das meine ich sehr ernst.
Bezug nehmend auf Ihre Frage kann ich sagen, es liegt auch in unserem Interesse, zu schnellen Antworten zu kommen. Wenn wir uns beispielsweise die aktuellen Behandlungen Ihrer Auskunftsersuchen anschauen, darf ich sagen, dann haben wir jeweils fristgerecht geantwortet. Das waren im Jahr 2012 sechs, und alle sechs sind innerhalb der Vierwochenfrist, die uns die Geschäftsordnung des Hessischen Landtags vorgibt, beantwortet worden.
Es ist auch unser Ziel, in 100 % der Fälle fristgerecht zu antworten – auch, was die Kleinen Anfragen anbelangt. Nun muss man in diesem Zusammenhang natürlich wissen – und als langjähriger Parlamentarier wissen Sie das auch –, dass es hin und wieder einmal die Diskussion über die Zulässigkeit von Kettenanfragen gibt. Die will ich aber hier nicht diskutieren, sondern ich will sie nur insofern ansprechen, als solche Anfragen zu relativ langen Bearbeitungsfristen führen, weil sie mit äußerst aufwendigen Recherchen und Antwortformulierungen verbunden sind.
Wenn beispielsweise – wie am Montag, dem 23. Juli 2012, geschehen – dem hiesigen Parlamentsreferat neun Kleine Anfragen von Ihnen zugeleitet werden, die allesamt das Thema Frankfurter Flughafen betreffen und insgesamt 73 Einzelfragen enthalten, bitte ich um Verständnis, und die Bitte um eine Fristverlängerung ist hier wahrscheinlich auch für Sie nicht ganz überraschend. Vielleicht könnte man am Ende manchmal feststellen, dass weniger doch mehr ist. Aber nochmals: Das ist keine Kritik, sondern lediglich die Bitte um Verständnis, dass es einigen Aufwands bedarf, um Ihre Fragen zu beantworten, insbesondere dann, wenn es sich um so vielseitige und komplexe Fragestellungen wie im Zusammenhang mit dem Frankfurter Flughafen handelt. Diese Antworten dauern ihre Zeit.
Gleichwohl möchte ich im Namen der Landesregierung versichern, dass Ihre heutige Frage in dieser Fragestunde uns Ansporn ist, diese Prozesse weiter zu optimieren.
Aus langjähriger Verbundenheit und wechselseitigem Respekt und Achtung vor der jeweiligen inhaltlichen Aufstellung, was den Frankfurter Flughafen anbelangt, erlaube ich mir noch eine abschließende Bemerkung. Herr Kaufmann, Sie legen völlig zu Recht größten Wert darauf, dass dort äußerst ordnungsgemäß, einwandfrei und fehlerfrei geantwortet wird. Deshalb nochmals die Bitte um Ihr Verständnis, dass wir hin und wieder um eine Fristverlängerung bitten müssen.
Ich habe eben schon ausgeführt, dass es sich in dem Fall, über den wir im Augenblick offenkundig reden, nahezu ausschließlich um Fragen handelt, die den Frankfurter Flughafen betreffen. Das wiederum heißt, dass wir dort einerseits zwar enorme Ressourcen haben, die personellen Ressourcen am Ende aber sehr gefordert sind, weil es sich um komplexe Fragenstellungen handelt.
Ich wiederhole – auch aus eigener Betroffenheit, Herr Kaufmann; Sie wissen, wo sich mein Wahlkreis befindet –: Ich erwarte von einer Landesregierung, also auch von mir selbst, dass sie bei Fragen, die massiv im Fokus der Öffentlichkeit stehen, sehr, sehr ordnungsgemäß, sauber und einwandfrei arbeitet. Das ist der Anspruch, den wir alle haben, den insbesondere auch die Abgeordneten haben sollten. Deswegen brauche ich das eben Gesagte, glaube ich, nicht zu wiederholen.
Es würde zu weit führen, wenn ich zu viele Statistiken bemühen würde. Es ist aber selbstverständlich möglich, hierzu Auskünfte zu geben. Ich habe eben gesagt, dass wir bei Kleinen Anfragen in rund 90 % der Fälle fristgemäß antworten. Dieser Aussage können Sie entnehmen, dass Erhebungen über die Bearbeitungsdauer sowohl von Kleinen als auch von Großen Anfragen, aber auch hinsichtlich normaler Auskunftsersuchen möglich sind.
Ich dachte, dass ich im ersten Teil der Beantwortung schon dargelegt hatte, dass es sich um sehr komplexe Fragestellungen handelt. Das kann natürlich auch dazu führen, dass sich Antworten ergeben, die in Referaten mehrerer Ministerien bearbeitet werden müssen, auch in der Staatskanzlei. Das gilt beispielsweise für die Frage, die Sie heute gestellt haben. Wenn man den Qualitätsanspruch hat, den Sie zu Recht haben, führt das wiederum zu Abstimmungserfordernissen, die ihre Zeit brauchen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will dem, was vonseiten des Kollegen Bauer zu der Frage, wie Hessen am Ende dasteht, gesagt worden ist, nichts weiter hinzufügen. In den letzten Monaten ist öffentlich, aber auch hier im Hause oft genug über die Entwicklung und deren Notwendigkeit gesprochen worden.
An vielen Stellen will ich dem Herrn Kollegen Frömmrich zustimmen, der das Problem sehr sachgerecht aufgegriffen hat – das hat Herr Bauer genauso formuliert – und zunächst einmal festgestellt hat, dass man solche Strukturveränderungen natürlich nicht hinbekommt, ohne dass es jemand merkt. Insofern will ich nur einen Punkt aufgreifen, über den ich mich tatsächlich ein wenig ärgere. Das betrifft den Kollegen Franz und die Behauptung, dass dieses Verfahren nicht in äußerster Fairness – und ich sage auch: der möglichen Transparenz – stattgefunden hat.
Herr Franz, wenn Sie bei den vielen Gesprächen, die nicht nur die Hessische Landesregierung, sondern auch alle anderen potenziell betroffenen Landesregierungen – das sage ich sehr deutlich – mit den Verantwortlichen im Bundesverteidigungsministerium geführt haben, dabei gewesen wären, würden Sie das nicht behaupten. Das will heißen: In den Gesprächen auf dem Weg zu diesem Ergebnis konnten wir sehr wohl eine ganze Menge erreichen. Das funktioniert aber nicht, wenn man zwischendurch im wahrsten Sinne des Wortes martialische Presseerklärungen abgibt, um die Muskeln spielen zu lassen, sondern das geht nur auf dem Verhandlungswege, Herr Frömmrich, und zwar sehr wohl unter Berücksichtigung der Strukturproblematiken, die doch niemand wegreden will, Herr Franz.
Insofern will ich nur feststellen: Meine Erfahrung mit dem Bundesverteidigungsminister und den zuständigen Staatssekretären, aber auch ausdrücklich mit der Führung der Bundeswehr ist, dass es ein äußerst faires Verfahren war, das am Ende genau zur rechten Zeit all diejenigen informiert hat, die betroffen waren. So gut wie kein Ministerpräsident eines SPD-geführten Bundeslandes hat sich über das Verfahren, die Frage der Transparenz und der Beteiligung beschwert. Sie sind der Einzige. Das ist mir deswegen wichtig, weil es in der Geschichte der Bundeswehr bisher noch keine derart gewaltige Strukturveränderung gegeben hat, die so professionell und unter Beteiligung aller Betroffenen erreicht worden ist, wie es unter Verteidigungsminister de Maizière der Fall war.
Wenn Sie die Strukturdaten Hessens beispielsweise im Vergleich zu Bayern ansprechen, dann ist von Herrn Bauer zu Recht darauf hingewiesen worden: Die strukturellen Defizite, die wir dort haben, rühren aus den von den Bundesverteidigungsministern Struck und Scharping herbeigeführten Reformen. Das ist kein neuer Sachverhalt. Er ist jetzt in Relation sogar ein wenig günstiger geworden, sodass ich letztlich sagen will: Die Kritik, die Sie hier noch suchen, ist rein für das Schaufenster und leistet in der Sache keinen neuen Beitrag. Dass sich Hessen kümmern wird, wird jetzt so sein, wie es in früheren Jahren auch der Fall war. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will voranstellen, dass die Landesregierung zunächst einmal sehr dankbar für diese Anfrage war, weil sie die Chance eröffnet hat – und das ist von allen Rednern gelobt worden –, sehr umfänglich über die Aufklärungsarbeit des Landes Hessen zu berichten. Diese Aufklärungsarbeit liegt nicht nur in den Händen der Politik und der von uns in der öffentlichen Hand getragenen Behörden, sondern ist eine große Leistung insbesondere im Ehrenamt. Ich finde, es gibt gar nicht genug Gelegenheiten, um all denen zu danken, die sich hierbei ehrenamtlich engagieren
ich lasse gleich Zeit für den Applaus –, die unter anderem und ganz besonders in der Landeszentrale für politische Bildung weit mehr tun, als das in Arbeitsverträgen steht, und die mit sehr viel Herz und Leidenschaft bei der Aufklärungsarbeit hilfreich und tätig sind.
Herr Grumbach, Sie haben von der Notwendigkeit einer gesamtheitlichen Aufarbeitung der DDR-Geschichte gesprochen. Ich könnte Ihnen zu dieser Frage eine jüngere Geschichte vortragen. Wir haben vor wenigen Wochen im Deutschen Bundesrat einen Antrag beraten, ein Gesetz zu verlängern – nämlich das Gesetz, das es der Stasiunterlagenbehörde und dem schon mehrfach zitierten Roland Jahn und seinen Mitarbeitern ermöglichen soll, ihre Arbeit bis zum Jahre 2019 fortzusetzen.
Insbesondere soll es – diesen Streitpunkt kennen Sie – dafür sorgen, dass es zukünftig nicht mehr sein darf und sein kann, dass in dieser Behörde Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig sind – zurzeit 47 –, die eine Stasivergangenheit haben. Es muss ein Ende finden, dass Opfer der Stasigewaltherrschaft zur DDR-Diktatur an einem Schreibtisch sitzen und nicht wissen, ob auf der anderen Seite einer der Täter sitzt, dem sie möglicherweise nicht persönlich, aber Familienangehörige und andere in den vergangenen Jahrzehnten begegnet sind.
Es wäre gerade für die Sozialdemokratie mit ihrer jahrhundertelangen demokratischen Tradition eine gute Gelegenheit gewesen, mit vereinten Kräften für dieses Gesetz und dafür zu werben, dass es so wird, wie sich das der Behördenchef Roland Jahn wünscht und vorstellt. Leider hat es nur zwei Länder der sogenannten A-Seite gegeben, die mitgestimmt haben. Das war Rheinland-Pfalz, nachdem ich persönlich und andere dort interveniert und auf die Notwendigkeit der Verlängerung dieses Gesetzes und der Neuregelung hingewiesen haben. Und das zweite Land – auch dafür bin ich sehr dankbar – war BadenWürttemberg mit einer grün-roten Landesregierung, Herr Grumbach, aber andere haben gefehlt. Vielleicht nutzen Sie einen der nächsten Parteitage einmal dazu, mit Parteifreundinnen wie Frau Kraft in Nordrhein-Westfalen eingehender darüber zu reden, dass man sich dort verweigert hat.
Ich will einen letzten Punkt ansprechen, weil er in dieser Antwort auf die Große Anfrage nicht Erwähnung findet, was ich nicht kritisiere, sondern was auch den Umständen der Quantität, die ohnedies schon gewaltig ist, geschuldet ist. Ich hatte hier schon darüber berichtet, dass wir in der Landesvertretung in Berlin in diesem Jahr in Form von acht Veranstaltungen an 50 Jahre Mauerbau und die Teilung Deutschlands erinnert haben, die nicht nur die Hauptstadt, sondern ganz besonders auch die Länder Hessen und Thüringen in den letzten Jahrzehnten maßgeblich geprägt hat.
Dort war in der ersten Veranstaltung Roland Jahn, der seinerzeit gerade mit der gerade angesprochenen Forderung in der Öffentlichkeit stand und sich sehr alleingelassen fühlte. In der Folge waren viele bedeutende Persönlichkeiten da, die zur Wiederherstellung der deutschen Einheit beigetragen haben, darunter Hans-Dietrich Genscher. Bei dieser Veranstaltung mit Hans-Dietrich Genscher waren zwei Damen, die seinerzeit im Hof der Prager Botschaft gestanden haben.
Ich empfehle jedem, der gerade jüngeren Menschen näherbringen will, was es bedeutet, in Unfreiheit zu leben und diesen Repressalien, dieser Gewalt, dieser Schikane und dieser Unmenschlichkeit ausgesetzt zu sein, Kontakt zu diesen Menschen herzustellen, die sich bereitfinden, als Zeitzeugen bis zum heutigen Tag und sogar noch länger in Zukunft bereitzustehen, um gerade jüngeren Menschen einen sehr authentischen und damit hoch emotionalen Eindruck dessen zu vermitteln, was Unfreiheit bedeutet.
Ich empfehle uns allen darüber hinaus – das ist mein letzter Satz –, dass wir die Frage des Konsenses in diesem Hause, was die grundsätzliche Ablehnung und den Kampf gegen totalitäre Regime anbelangt, nicht immer wieder dazu benutzen, wie es gerade der Vertreter der LINKEN erneut getan hat, eine Tür zu suchen, durch die man die
Flucht aus einer notwendigen Debatte antreten kann. Es ist unredlich, wenn Sie der Landesregierung,
wenn wir die DFU als einen Teil eines Problems von osteuropäischer, sowjetischer und DDR-Einflussnahme auf Innenpolitik in Westdeutschland ansprechen, eine pauschale Diskreditierung dieser gesamten Friedensbewegung unterstellen. Das ist falsch, und Sie wissen, dass wir es so nicht meinen. Was wir allerdings meinen, ist, dass Vertreter wie Sie, Herr Fraktionsvorsitzender van Ooyen – das wiederhole ich bei jeder Möglichkeit, die sich in diesem Hause bietet –,
ein Teil des Systems waren, das versucht hat, durch Aktionen, durch politische Agitation hier in Westdeutschland Unfrieden und eben keinen Frieden zu stiften. Sie standen auf der bezahlten Liste – heute nennt man das Payroll – der DDR und sind damit Teil dieser Unterdrückung und des Versuchs der Infiltration hier in Westdeutschland. Ich warte bis zum heutigen Tage, auch die demokratischen Parteien in diesem Hause, dass Sie persönlich und die LINKE in ihrer Nachfolge der SED sich endgültig von diesen vergangenen Zeiten lossagen, sich dieser Verantwortung stellen und sich von dem distanzieren, was Ihre Vorgänger in diesem Land angerichtet haben. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will zunächst einige wenige Punkte aufgreifen, die hier von Rednern der Fraktionen angesprochen worden sind. Vorab will ich sagen – Frau Kollegin Wissler, das haben nicht nur Sie, sondern auch andere Redner der Opposition erwähnt –, es gibt tatsächlich das Phänomen, dass dieses Szenario für die nächsten zehn bis 15 Jahre in vielen Unternehmen und Wirtschaftsbereichen überhaupt noch nicht angekommen ist. Insofern kann ich nicht erkennen, weshalb es falsch sein soll, dass wir heute hier darüber diskutieren. Im Gegenteil, ich bin den Fraktionen der CDU und der FDP sehr dankbar dafür – der Fraktion der FDP dafür, dass sie das als Setzpunkt gewählt hat –; denn ich glaube, wir müssen zunächst einmal alle miteinander dafür sorgen, dass insbesondere in der Wirtschaft ein Bewusstsein dafür geschaffen wird, was uns in Hessen bis 2020 oder 2030 ereilen wird.
Außerdem sind Sie, Frau Wissler, an einigen Stellen auf Punkte eingegangen, die deutlich machen, dass es bei der Auseinandersetzung über dieses Problem unterschiedliche Ansätze gibt. Sie und auch Herr Frankenberger haben durchaus zu Recht viele Probleme in Zusammenhang mit der Arbeitsmarktdebatte – also der Arbeitslosigkeit – angesprochen, die wir seit vielen Jahren führen. Das fängt bei der Jugendarbeitslosigkeit an und reicht über die Problematik zu niedriger Erwerbseinkommen von Menschen mit Einschränkungen bis zur Erwerbsquote bei Frauen. Das ist alles notwendig.
Ich stimme auch ausdrücklich dem Satz von Herrn Frankenberger zu, dass 2,7 Millionen Arbeitslose in Deutschland immer noch bedeuten, dass jeder einzelne dieser Arbeitslosen einer zu viel ist. Aber wir wollen und müssen es schaffen, dass wir in dieser Debatte einen anderen Ansatz bekommen. Wir müssen nämlich das Bewusstsein schaffen, dass Fachkräftemangel eben etwas anderes ist als die Problematik, die wir mit 2,7 Millionen Arbeitslosen haben. Das lässt sich nicht 1 : 1 übertragen. Das heißt: Diese beiden Dinge zusammenzubringen, ist einerseits ein sehr lohnendes und mit absoluter Priorität zu versehendes Unterfangen.
Andererseits reden wir hier über Weiterungen, die bei vielen in unserer Gesellschaft bisher eben nicht im Bewusstsein angekommen sind, übrigens auch nicht im Bewusstsein der Bundesagentur für Arbeit, wenngleich ich dort nach vielen Gesprächen festgestellt habe – bei Herrn Weise angefangen bis hin zu Herrn Dr. Martin, der für Hessen zuständig ist –, dass sich die Bundesagentur für Arbeit mit ihrer dezentralen Struktur zunehmend in eine gleichzeitig dienstleistungsorientierte Agentur umwandelt, die der Wirtschaft, den Unternehmen und damit der Volkswirtschaft insgesamt hilft, dieses Problem zumindest zu lindern. Ich glaube, die Annahme, dass wir dort in den nächsten fünf oder zehn Jahren Lösungsansätze haben werden, die das Problem eliminieren, ist in den Bereich der Fantasie zu rücken.
Ich will noch zwei, drei Punkte aufgreifen, insbesondere auch das schon angesprochene Problem der Anerkennung international erworbener Abschlüsse, also von Abschlüssen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Sie haben gesehen, dass dies der Bundesrat in seiner letzten Sitzung entsprechend verabschiedet hat und wir damit, glaube ich, einen gehörigen Schritt weitergekommen sind.
Herr Bocklet, wenn im Antrag der GRÜNEN aufgeführt ist, es sei unbefriedigend, denn dort sei beispielsweise nicht geregelt, dass es genügend Beratungsleistungen für Menschen gebe, die aus Drittstaaten oder europäischen Nachbarstaaten nach Deutschland kommen, ist das schlichtweg falsch. Wir haben eine umfängliche Beratungsmöglichkeit für jedermann, außer für diejenigen – wenn Sie das mit Ihrem Teil des Antrags meinen, ist das richtig –, die lediglich über ein dreimonatiges Visum verfügen, sich hier also mehr oder weniger zum Familienbesuch oder für Saisonarbeit aufhalten. Alle anderen aber haben diesen Rechtsanspruch auf Beratung, um in ihrer persönlichen Frage der Anerkennung in deutschen Berufs- und Anerkennungsstrukturen zum Ziel zu kommen.
Wenn Herr Frankenberger eine Pressemitteilung angesprochen hat und vom Ministerpräsidenten oder von Herrn Kollegen Saebisch eine Antwort haben wollte, weshalb denn der Ministerpräsident sage, dass der WerraMeißner-Kreis und Frankfurt nicht miteinander zu vergleichen seien, glaube ich, dass Sie das ganz vorsätzlich ha
ben falsch verstehen wollen. Das heißt doch nicht, dass wir das Problem nicht auch im Werra-Meißner-Kreis haben. Es heißt aber, dass die Situation in einem Ballungsraum wie Frankfurt, bei ganz anderen Lohnstrukturen und Qualifikationserfordernissen einiger Schwerpunktbranchen, sicherlich nicht mit eher ländlichen Strukturen zu vergleichen ist, ohne dass wir das damit bewerten wollen. Wir wollen lediglich feststellen, dass wir uns – das ist eine der Aufgabenstellungen dieser Fachkräftekommission – diesen hessischen Spezifika deshalb besonders zuwenden wollen, und das halte ich für mehr als erforderlich.
Es ist darüber hinaus – dann will ich aufhören, mich mit den Wortbeiträgen der Oppositionsfraktionen auseinanderzusetzen – reklamiert oder kritisiert worden, dass die Landesregierung erst jetzt eine solche Kommission einsetzt. Ich stelle dazu erstens fest, dass es in 15 anderen Landtagen der Bundesrepublik Deutschland dann ziemlich viele Debatten geben müsste, weil wir die Ersten sind, die eine solche Kommission einsetzen. Uns vorzuwerfen, dass wir da spät dran seien, ist vor diesem Hintergrund schlichtweg falsch und merkwürdig.
Zweitens freue ich mich darüber, dass uns die nordrheinwestfälische Landesregierung – rot-grün regiert –, nachdem sie davon erfahren hat, dass wir hier ein solches Projekt vorhaben, unmittelbar nachgeeifert hat. Ich habe gestern gehört, dass auch das Saarland dabei ist, eine ähnliche Kommission auf die Schiene zu setzen, was also zeigt, dass wir für uns durchaus reklamieren dürfen, dass wir in dieser Institutionalisierung ganz vorne sind, und – Herr Schäfer-Gümbel, ich freue mich über Ihre fröhlich lächelnde Zustimmung –, so glaube ich, ein wichtiges Signal senden, nämlich dass wir bei dieser Gesamtproblematik des Fachkräftemangels alle einbeziehen wollen, die dort einzubeziehen sind.
Es ist – außerhalb der ordnungspolitischen Debatte, die gerade die Kollegen von der FDP und der LINKEN geführt haben – im Grunde genommen nicht nur der Staat, der mit Rahmenbedingungen, Strukturen und Fördermaßnahmen an einer Stelle tätig ist, sondern es sind die Wirtschaft, die Arbeitgeber, die Kammern und beispielsweise der Vorsitzende des DGB Hessen, die sich allesamt spontan bereit erklärt haben, mitzuwirken. Ich erwarte, dass wir in dieser Arbeitsgruppe eine Menge an konkreten Vorschlägen werden erarbeiten können, eben aus den Erfahrungen der Wirtschaft heraus – mit Wirtschaft meine ich Arbeitgeber wie Arbeitnehmer –, um sehr spezifisch auf die regionalen Problemstellungen eingehen zu können.
Ich will dann doch die Gelegenheit nutzen, deutlich zu machen, weshalb wir das konzertieren und weshalb ich hier als ein Minister stehe, der seine Zuständigkeit einerseits in der Staatskanzlei und andererseits auf Berliner Ebene hat. Daran merken Sie schon, dass wir sagen: Es ist eine Konzertierung der unterschiedlichen zuständigen Ministerien nötig. Es gibt nicht nur die Fachkräftekommission, sondern wir haben auch eine Steuerungsgruppe eingerichtet, der ich gemeinsam mit Herrn Dr. Kriszeleit vorstehe, die aus den einzelnen Bereichen alle Expertise zusammenführt und für einen sehr engen Dialog zwischen der Fachkräftekommission auf der einen Seite und dieser Steuerungsgruppe und damit der Verwaltung, der Exekutive, auf der anderen Seite sorgen wird.
Das wiederum heißt, wenn Sie in die einzelnen Bereiche hineinschauen, dass wir nicht heute mit der Arbeit begin
nen. Wenn Sie sich das Sozialministerium anschauen, mit einer ganzen Reihe von, wie ich finde, wirklich wegweisenden Impulsen und sehr viel Geld für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – denn wenn in diesem Sektor 330 Millionen € im Haushalt stehen, zeigt das, dass das eine absolute Priorität hat –, sowie die arbeitsmarktfördernden Maßnahmen, gemeinsam mit den Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds in der Größenordnung von 30 Millionen €, dann wissen Sie, dass dort sehr vieles passiert. Ich glaube, diese Dauerdebatte sollten wir heute einmal weglassen.
Weil ich gerade bei den Arbeitsmarktfördermaßnahmen bin, sage ich zunächst einmal – wenn hier von Herrn Bocklet beklagt wird, dass in den Jobcentern, ob kommunal oder als Arbeitsgemeinschaften organisiert, die Mittel nicht verausgabt werden –: Herr Bocklet, ich bin sehr froh darüber, wenn Beamte und Menschen, die dort arbeiten, diese Mittel möglicherweise deswegen nicht verausgaben, weil sie sagen, es müsse sinnvoll und zielorientiert in die Weiterbildung von einzelnen Betroffenen investiert werden. Es gab dort in früheren Jahren eine Industrie – ich kenne noch eine Zahl vom Anfang des Jahrzehnts in der Größenordnung von 27 Milliarden € -; das war die Weiterbildungsindustrie, die in diesen Teilen auch sehr viel Geld verdient hat, von der ich sage: Schön, dass es das in Deutschland gibt, aber ob das alles zielführend war, was dort in der Vergangenheit an Weiterbildungsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose oder auch Nicht-Langzeitarbeitslose an Möglichkeiten geboten wurde, sei dahingestellt.
Meine Damen und Herren, ich habe mir das gerade letzte Woche einmal vor Ort im Jobcenter in Berlin angeschaut. Ich habe dort einen halben Tag lang hospitiert und solchen Gesprächen beigewohnt. Wenn Sie sehen, dass es dort Menschen jenseits der 50 Jahre gibt, die dann unter die Ü-50 fallen – dazu gehöre ich persönlich auch, umso aufmerksamer wird man und schaut, wo denn die individuellen Problemlagen sind –, dann stellt man schon fest, dass manche sehr darauf aus sind, sich weiter zu qualifizieren, was grundsätzlich in Ordnung ist, aber nicht immer so ganz im Blick haben, was sie denn mit dieser Weiterbildungsmaßnahme, wenn Sie denn fertig sind, am Ende anfangen. Ich bin dankbar, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesen Jobcentern – ich glaube, das gilt flächendeckend, und viele von ihnen führen solche Gespräche – zu Recht darauf hinwirken und dafür sorgen, dass dort zielgerichtet investiert wird.
Ich kann und muss darüber reden, was im Bereich des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst passiert. Das ist nicht nur vieles im Bereich der Kinderbetreuungsmaßnahmen für die dortigen Beschäftigten. Das sind natürlich insbesondere Maßnahmen im akademischen Bereich, und damit sind wir sehr stark bei der Frage der Fachkräftepotenziale, die wir brauchen und über die wir hier in erster Linie reden. Wir müssen in der dualen akademischen Ausbildung sicherlich vieles weiterentwickeln. Da war Hessen 1999, als wir die Verantwortung übernommen haben, nahe null. Mittlerweile sind wir in einigen, wie ich finde, wichtigen Branchen sehr viel weitergekommen, und wir alle loben in jeder Hinsicht zu Recht von morgens bis abends unser duales System im Bereich der beruflichen Bildung. Ich glaube, dass wir auch in der akademischen Bildung deutlich besser werden müssen. Es wird sicherlich auch das Ergebnis der Arbeit sein, dort sehr zielgerichtet Bedarfe zu ermitteln und zu erkennen.
Ich schaue mir das Europa- und Integrationsministerium an. Ich habe schon gesagt, dass Herr Dr. Kriszeleit die Steuerungsgruppe stellvertretend mit mir verantwortet.
Wir haben naturgemäß die Frage des Umgangs mit Migranten nicht nur im Hessischen Landtag zu diskutieren, sondern das Ministerium unter der Federführung des Kollegen Jörg-Uwe Hahn hat auch eine Menge vorzuweisen. Wenn Sie eben gesagt haben: „Schön, dass auch Sie jetzt zu dem Ausdruck Willkommenskultur für Menschen aus Drittstaaten kommen“, dann ist das nichts Neues. Ich finde, Sie sollten auch irgendwann einmal aufhören, solche Klischees weiter aufrechtzuerhalten.
Sie wissen ganz genau, dass wir mit diesem Ministerium eine hervorragende Arbeit leisten. Das fängt mit Sofortprogrammen für qualifizierte Zuwanderer an und geht bis hin zu der Tatsache, dass sich gerade in Hessen Menschen wohlfühlen, die diesen Migrationshintergrund haben. Das ist schon mehrfach in dieser Woche diskutiert worden.
Was die Umfragen dort ausweisen, spricht Bände.
Ich bin auch gleich fertig. Ich will noch einen Punkt ansprechen. Das Wirtschaftsministerium ist natürlich in vielen Bereichen federführend und hat dort einige Schwerpunkte gesetzt, um vorhandene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerade in kleinen und mittleren Unternehmen durch die Qualifizierungsschecks nachzuqualifizieren. Das wissen Sie alles. Ich nenne nur das eine Beispiel. Ich könnte weitere Punkte, die wir auch in der Haushaltsdiskussion thematisiert haben, ansprechen, nämlich Förderprogramme in Größenordnungen von 18 Millionen € für die Erstausbildung usw.
Dort wird all das, was Sie, Herr Frankenberger, angemahnt haben, nicht erst seit heute und seit Gründung und Konstituierung einer solchen Fachkräftekommission mit Erfolg erarbeitet. Dort können wir – das zeigt auch das Ergebnis der Diskussion, die wir hier eben hatten, was die Schulabbrecherquoten anbelangt – deutliche Erfolge vorweisen.
Ich will einen allerletzten Punkt ansprechen. Ich glaube, es ist viel zu wenig im allgemeinen Bewusstsein, dass wir nicht nur ein nationales Problem für den Binnenarbeitsmarkt haben. Wenn Sie mit Vertretern der Wirtschaftsverbände reden, beispielsweise mit Vertretern des VDMA – das ist der größte Unternehmerverband Europas, der für die Maschinenbau- und Anlagenbauindustrie in Deutschland steht –, dann werden Sie dort hören, dass es zunehmend auch Bedarfe gibt, die begleitend zu deutschen Exportgütern, Dienstleistungen und Wirtschaftsprodukten befriedigt werden müssen. Das soll heißen, dass Sie dort hören: Wenn wir noch zukünftig Anlagen und Maschinen liefern wollen, dann müssen wir auch Know-how mitliefern. Das heißt: Qualifizierung und Einbeziehung ausländischer Arbeitsmärkte, natürlich in erster Linie auch des europäischen Arbeitsmarktes, sind dringend notwendig.
Ich bin nach meinem Telefonat mit Herrn Körzell, in dem ich ihn gebeten habe mitzuwirken und in dem er spontan Ja gesagt hat, sehr froh, dass auch er sagt: Wir wollen und sollten in dieser Kommission keine Tabus haben. – Also
auch dort gilt es eher, der Sache zu dienen und ergebnisorientiert zu arbeiten, als hin und wieder diese SchwarzWeiß-Diskussionen zu führen. Wir müssen erst einmal die Menschen, die wir auf deutschem Terrain mit 2,7 Millionen Arbeitslosen haben, im Fokus haben. Das ist sicher richtig. Aber es darf auch kein Tabu in einer Europäischen Union geben, und erst recht nicht in einer globalen Wirtschaft. So müssen wir uns auch mit der Frage der Zuwanderung und der Integration von Fachkräften nicht deutscher Provenienz sehr intensiv befassen und in diesem Bereich Vorschläge erarbeiten. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf der Tribüne heiße ich ganz besonders herzlich Herrn Oberstleutnant Scharfenberg mit seinen Mitstreitern willkommen. Auch Herrn Clements, unseren Verbindungsmann zu den amerikanischen Freunden in Wiesbaden – wenn ich das so sagen darf –, begrüße ich herzlich.
Herr Frömmrich hat die Frage gestellt, warum wir wieder einmal über die Bundeswehr und über die Debatten reden, die wir schon häufig geführt haben. Herr Frömmrich, ich finde, man kann das gar nicht oft genug machen. Das hat etwas damit zu tun, dass es keinen besseren Platz gibt als ein deutsches Parlament – damit ist nicht nur der Deutsche Bundestag gemeint, sondern angesprochen sind auch die Parlamente in den Ländern –, um die unterschiedlichen Positionen in der für uns existenziell wichtigen Frage zu diskutieren: die Frage der Solidarität sowie des Bekenntnisses zur Bundeswehr und übrigens auch zu unseren Freunden in der NATO. Auf der Tribüne sitzt eine ganze Reihe von jungen Menschen, die ein Anrecht darauf haben, nicht nur diese Positionen zu kennen, sondern auch zu wissen, wohin die Debatten in diesem Hause, aber gerade auch außerhalb dieses Hauses führen.
Herr Präsident, ich weiß nicht, ob ich das Plakat hochhalten darf. Aber einer der Gründe, warum wir wieder einmal über die unsäglichen Positionen der LINKEN diskutieren – einer Partei, die nach meiner festen Überzeugung in vielen Bereichen und gerade auch dort nicht auf dem Boden der Verfassung steht –, ist das Plakat, das sie im Rahmen einer Aktion zum Hessentag veröffentlicht haben.
Herr Al-Wazir, ich bin mir nicht sicher, ob alle es gesehen haben. Vielleicht haben sie es gesehen und nur ignoriert.
Auf diesem Plakat werden die Angehörigen eines gefallenen Soldaten gezeigt. Herr van Ooyen, ich stelle mir die Frage, was Sie sich dabei denken, wenn Sie den Tod eines Bundeswehrsoldaten in Afghanistan und das Leid seiner Angehörigen politisch ausnutzen, indem Sie unter dieses Bild schreiben lassen: „Kein Werben fürs Sterben“? Was, glauben Sie, geht in den Köpfen der Angehörigen von gefallenen Soldaten vor, die so etwas lesen?
Herr van Ooyen, ich möchte einen Satz aus Ihrer Rede aufgreifen. Sie haben wiederholt versucht, mithilfe der Sprache ein Bild zu stellen, das nicht nur falsch, sondern sogar unsäglich ist. Sie haben von einem Krieg gegen Afghanistan gesprochen.
Meine lieben Freundinnen und Freunde im hessischen Parlament, keine der demokratischen Parteien führt ei
nen Krieg gegen Afghanistan. Wir führen einen Krieg gegen Terroristen,
die nicht nur in der westlichen Welt, sondern auch in ihrem eigenen Land Unheil und Schrecken verbreiten. Gott sei Dank ist hier von einigen Rednern, auch von Herrn Kollegen Roth, auf diesen Schrecken und auf das Unheil, das dort angerichtet wird, hingewiesen worden.
Aber dieser Antrag der LINKEN und Ihre Rede sind am Ende auch eine Diskreditierung und Beleidigung aller Parlamentarier in Deutschland. Sie haben eben einen Satz gesagt – ich werde das im Protokoll nachlesen; ich denke, andere werden das ebenfalls machen –, den offensichtlich einige Vertreter der GRÜNEN und der Sozialdemokraten nicht mitbekommen haben, oder sie haben das wieder einmal ignoriert. Sie haben die Frage gestellt, wie viele Menschenleben uns diese Investition eigentlich wert ist. Davor haben Sie von Rüstungsaktivitäten, Handelsaktivitäten und anderem gesprochen.
Herr van Ooyen, wollen Sie den Abgeordneten der demokratisch legitimierten Parteien im Deutschen Bundestag unterstellen, dass sie Soldaten nach Afghanistan schicken aus Gründen, die etwas mit den Investitionen und den Handelsaktivitäten der Bundesrepublik Deutschland zu tun haben? Herr van Ooyen, ich sage Ihnen: Diese Unterstellung ist schäbig, charakterlos und am Ende auch würdelos.
Da wir, wenn wir über die Bundeswehr diskutieren, häufig auch über die mit uns befreundeten NATO-Partner sprechen, will ich die Frage stellen: Herr van Ooyen, wo waren Sie eigentlich in der Zeit des Kalten Krieges? Wo waren Sie, als der Warschauer Pakt so sehr aufgerüstet hat, dass wir in Deutschland schwierige politische Prozesse durchlaufen und schwierige Entscheidungen fällen mussten?
Ich erinnere mich an 500.000 zu Recht friedensbewegte Demonstranten, die eines nicht erkannt haben, nämlich dass der Aufrüstung im Osten ein Riegel vorgeschoben werden musste.
Herr van Ooyen, dieser Riegel hat am Ende dazu geführt, dass wir heute ein vereintes Deutschland und ein vereintes Europa in Frieden und Freiheit erleben dürfen. Übrigens ist das auch die Grundlage, auf der Sie hier arbeiten, d. h. die Anträge und die Diskussionsbeiträge formulieren, die Sie glauben liefern zu müssen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das alles vollzieht sich auf dem Boden der Verfassung.
Herr Al-Wazir, das alles vollzieht sich auf dem Boden der Verfassung. Zur Linkspartei fällt mir noch ein – ich wiederhole das, weil wir vor wenigen Wochen schon einmal darüber diskutiert haben und gerade auch die jüngeren Menschen das erfahren müssen –: Herr van Ooyen,
der Fraktionsvorsitzende der LINKEN, war Geschäftsführer der sogenannten Deutschen Friedensunion,
die von Erich Honecker und dem Politbüro finanziert worden ist. Herr van Ooyen, wenn ich mit gleicher Münze zurückzahlen wollte, könnte ich jetzt auf die Idee kommen, zu sagen: Herr Honecker hat Ihr Schweigen während des Kalten Krieges erkauft.
Ich habe Sie nicht ein einziges Mal auf der Straße gegen die Aufrüstung im Osten demonstrieren sehen.
Ja, die Afghanistaneinsätze haben Menschenleben gekostet. In Afghanistan sind mittlerweile 52 deutsche Soldatinnen und Soldaten gefallen.
Herr van Ooyen, ich weiß nicht, ob Sie jemals bei einer Trauerfeier zugegen waren. Aber ich will mich jetzt nicht weiter an Ihnen abarbeiten.
Vielmehr will ich deutlich sagen: Ich glaube, dass verschiedene Redner heute hier ihre Solidarität, ihr Bekenntnis dazu, aber auch ihr Mitgefühl zum Ausdruck gebracht haben. Mittlerweile sind 315.000 Soldaten der Bundeswehr im Ausland gewesen. Allein 100.000 waren in Afghanistan. Diese Zahl bedeutet, dass im Grunde genommen jeder Angehörige der Bundeswehr in irgendeiner Form am eigenen Leib erfahren hat, worüber wir hier reden.
Wir reden natürlich in dem Zusammenhang auch über die Frage – jetzt komme ich zu dem zweiten Punkt der Debatte –: Was ist notwendig, um die Bundeswehr im Rahmen der internationalen Sicherheitspolitik so aufzustellen, dass sie ihre zukünftigen Aufträge erfüllen kann? Ich will keine – so haben Sie es ausgedrückt – Entmilitarisierung. Das ist eine Terminologie, mit der im Grunde genommen suggeriert werden soll,
dass die Bundeswehr eine – wie Sie es sagen – „Aggressions- und Interventionsarmee“ in Hessen ist. Wir wollen, dass die Bundeswehr, die den Auftrag hat, für Frieden, Freiheit und Rechtstaatlichkeit zu sorgen, auch und gerade in Hessen, also mitten in Europa, präsent bleibt.
Den Kolleginnen und Kollegen, die das so wie ich und die übrigen Mitglieder der Landesregierung sehen, darf ich sagen: Es gibt viele Gelegenheiten, bei denen wir, der Herr Ministerpräsident, der Kollege Wintermeyer und ich selbst, uns auch im Sinne der Bundeswehr für die Interessen unseres Landes verwenden.
Seien Sie sicher, dass wir dort nicht nur über die Standorte reden, sondern auch über die Strukturen und darüber, dass uns die Bundeswehr und allen voran die amerikanischen Freunde in Hessen willkommen seien. Seien Sie auch sicher, dass wir darauf hinweisen, dass die Stationierungsentwicklung der Bundeswehr in der Vergangenheit dafür gesorgt hat, dass Hessen da ein wenig unterpräsentiert und -repräsentiert ist, und dass wir dafür sorgen wollen, dass sich das nicht weiter in eine solche, sondern in eine andere Richtung entwickelt.
Lassen Sie mich abschließend aber auch einige Bemerkungen zu der Fraktion der Sozialdemokraten machen. Herr Roth, Sie haben hier völlig zu Recht, wie ich finde, eine sachgemäße Debatte gefordert und dazu durchaus einen wichtigen Beitrag geleistet. Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Abgeordnete, aber vielleicht gibt es keine Zufälle. Wir reden in dieser Woche über die Bundeswehr und ihre Zukunft, in einer Woche, in der es am Samstag einen Parteitag der Sozialdemokraten geben wird. Auf diesem – –
Ich freue mich über Ihre Vorfreude.
Ich bin aber gespannt, ob Ihr Parteitag gut wird; denn ein Punkt, über den wir heute diskutieren, wird auch auf Ihrem Parteitag Gegenstand von Anträgen sein. Die Jungsozialisten haben einen Antrag eingereicht, den sie mit der Überschrift versehen haben: „Schluss mit den Kriegsspielen – Bundeswehr raus aus Bildungseinrichtungen!“ Schon allein mit dieser Überschrift sind sie, wie ich finde, zumindest, was die Sprache anbelangt, sehr nahe bei den LINKEN.
Die Jusos fordern unter anderem die Beendigung der Kooperationsverträge, die die Bundeswehr mit acht Landesregierungen, übrigens auch SPD-geführten Landesregierungen, geschlossen hat.
Diese Kooperationsvereinbarungen haben den gleichen Zweck wie vieles, was die Bundeswehr in diesen Jahren, Monaten und Tagen bis hin zum Hessentag unternimmt, indem sie mit den Menschen in unserer Gesellschaft, gerade auch mit jüngeren Menschen, in einen Dialog treten will. Wenn Sie sich denn mehr mit der Sache beschäftigen, und das empfehle ich den Sozialdemokraten auf ihrem Parteitag, dann werden Sie feststellen, dass mit den Kooperationsverträgen, die auch mit der Kultusministerin, also der Landesregierung in Hessen, verabredet und geschlossen worden sind, ein klarer Auftrag definiert ist, nämlich dass Jugendoffiziere in hessischen Schulen mit jungen Menschen in den Dialog treten können. Es ist die Aufgabe dieser Jugendoffiziere, dort über die Grundzüge deutscher Außen- und Sicherheitspolitik zu reden, über Deutschlands Einbindung in die NATO, über Entspannung, Rüstungskontrolle und Abrüstung, über Friedenssicherung im Rahmen der Bündnisvereinbarungen für das 21. Jahrhundert und in diesem Zusammenhang natürlich über die Auslandseinsätze der Bundeswehr, aber auch über die grundsätzliche Frage: „Soldaten als Staatsbürger in Uniform?“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Einzige, was mir Sorge macht, ist die Tatsache – neben dem, dass man es natürlich zunächst begrüßen kann und muss, dass sich die Anzahl der Angehörigen der Bundeswehr nach unten entwickelt hat, aber eben entschieden werden muss, dass sie ein Niveau braucht, mit dem wir die internationalen wie die nationalen Aufgabenstellungen weiterhin erfüllen können –, dass mit dieser sehr viel geringeren Anzahl an Soldatinnen und Soldaten die Berührungspunkte der Gesellschaft zur Bundeswehr und zu den Angehörigen der Bundeswehr einfach zahlenmäßig weniger werden.
Ich bin auch fertig. – Insofern sind wir umso mehr davon überzeugt, dass eine solche Kooperationsvereinbarung, dass ein solcher Dialog in den Schulen nicht nur stattfinden sollte, sondern stattfinden muss, im Sinne der Bewusstseinsschaffung in einer Gesellschaft, gerade bei jüngeren Angehörigen einer Gesellschaft, die Gott sei Dank vieles von dem, was meine und ältere Generationen noch erleben mussten, nicht mehr erleben soll, aber wo eben auch vermittelt werden muss, dass das alles nicht selbstverständlich ist.
Mein und unser herzlicher Dank gilt nicht nur den Angehörigen auf der Tribüne, sondern unser herzlicher Gruß geht bitte auch an die amerikanischen Freunde wie die Freunde und Angehörigen der Bundeswehr insgesamt. Herzlichen Dank, dass Sie hier sind; herzlichen Dank fürs Zuhören.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kaufmann, gestern Abend noch habe ich bei einer Veranstaltung lobend über Sie gesprochen,
weil Sie – immer erst den ganzen Satz zu Ende hören, Herr Kollege Rentsch – in diesem Parlament hin und wieder ein belebendes Element sind und auch einen gewissen Humor in sich tragen, den Sie uns bei vielen Gelegenheiten nicht vorenthalten.
Bei Ihrer Rede eben habe ich zugegebenermaßen ein wenig gezweifelt, ob dieses Lob angemessen war – zumindest, was diese heutige Debatte anbelangt. Denn, Herr Kollege Kaufmann, ich will schon sagen: Die Art und Weise, in der Sie sich hier mit Herrn van Ooyen beschäftigen, war mir ein wenig zu viel Klamauk und zu wenig ernsthaft, wenn es um die Hintergründe dieses Kollegen im Hessischen Landtag geht.
Meine Damen und Herren auf der Zuschauertribüne – hier im Plenarsaal wissen das alle –: Herr Willi van Ooyen, der Fraktionsvorsitzende der LINKEN hier im Hessischen Landtag, war viele Jahre Geschäftsführer der Deutschen Friedensunion.
Diese Deutsche Friedensunion war nachweislich eine Einrichtung, die über äußerst lange Zeiträume von der Spitze der SED, namentlich von Erich Honecker, finanziell unterstützt worden ist.
Selbst zwei Tage vor seinem Ende als politischer Führer des SED-Regimes hat es seinerzeit noch eine Überweisung in Höhe von 3,1 Millionen DM an diese Deutsche Friedensunion gegeben.
Herr Kollege van Ooyen, ich will das deswegen ansprechen, weil ich glaube, es ist notwendig, dass wir uns mit Ihnen weiter in aller Ernsthaftigkeit auseinandersetzen – und dass möglichst viele Menschen wissen, wes Geistes Kind Sie sind.
Wir reden hier über die Rolle der amerikanischen Streitkräfte und damit auch über die Rolle der Bundeswehr in Deutschland, in Europa, auf dieser Welt, und Sie versuchen dabei, die Aufträge der NATO, der UN, die Aufträge derjenigen, die Frieden schaffen wollen und auf dieser Welt Frieden suchen,
in einer Art und Weise zu diskreditieren, wie Sie es eben wieder getan haben, indem Sie davon reden, dass Amerikaner im Irak „ihr Unwesen treiben“. Wenn Sie es „Unwesen treiben“ nennen, dass amerikanische Streitkräfte
mit dafür gesorgt haben, dass einer der größten Diktatoren und Terroristen dieser Welt nicht mehr dort wirken kann, wo er gewirkt hat, dass es nicht mehr möglich ist, dass von diesem Terrorregime im Irak Zehntausende von Kindern und Frauen vergast werden – Herr van Ooyen, wenn Sie das „Unwesen treiben“ nennen, dann zeigen Sie damit sehr deutlich, wes Geistes Kind Sie sind. Ich glaube, das müssen Menschen in diesem Lande wissen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin Herrn Kollegen Schork sehr dankbar, dass er auf die wichtige Rolle der amerikanischen Freunde und auf die amerikanischen Streitkräfte in der Entstehungsgeschichte unseres Landes Hessen, aber auch der Bundesrepublik Deutschland, und damit in Europa und der Welt, aber eben ganz besonders hier in Hessen, hingewiesen hat. Es gibt eine Reihe von Symbolen, die diese traditionelle, historisch gewachsene Freundschaft nach dem Zweiten Weltkrieg beschreiben. Die Luftbrücke ist angesprochen worden. Bei der haben übrigens nicht nur Flugzeuge dafür gesorgt, dass die Menschen in Berlin Hoffnung haben durften, dass sie ein Teil der freien westlichen Welt bleiben, sondern bei diesen Einsätzen sind auch amerikanische Soldaten ums Leben gekommen. Meine Damen und Herren, es ist Hohn, wenn Sie in den letzten Tagen hierher gehen und der amerikanischen Seite vorwerfen, dass sie „kalte Krieger“ seien. Meine Damen und Herren, was sollen die Angehörigen dieser damals gestorbenen Soldaten von einem solchen Verhalten aus einem deutschen Parlament heraus halten und denken?
Meine lieben Freundinnen und Freunde, zu dieser Partnerschaft gehört eine langjährige, intensive Beziehung zwischen der Hessischen Landesregierung und den amerikanischen Streitkräften. Ich freue mich, dass auch heute wieder Vertreter hier zugegen sind.
Zu dieser langjährigen Beziehung gehört aber sicherlich auch vieles an kulturellen Gemeinsamkeiten. Es war nicht nur die Luftbrücke in schwierigsten Zeiten der Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Es war natürlich zu Beginn die Konstituierung unseres Landes durch die Ermächtigung General Eisenhowers, seinerzeit die Verfassung in unserem Land zu implementieren. Meine Damen und Herren, hinzu kommen auch andere Dinge, sehr wichtige Begleiterscheinungen: der AFN, der sehr viele Jahre von Frankfurt aus gesendet und nicht nur amerikanischen Jazz und amerikanische Musik nach
Deutschland getragen hat, sondern den Deutschen in einer schwierigen Zeit auch Hoffnung vermittelt und wieder Lebensfreude gebracht hat, die wir, unsere Väter und Großeltern an vielen Stellen verloren hatten. Meine Damen und Herren, auch das ist Teil dieser Geschichte, für die ich und die Hessische Landesregierung äußerst dankbar sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir freuen uns über die Entscheidung der Amerikaner, ihr Oberkommando EUCOM hier in Wiesbaden anzusiedeln – nachdem sie viele Jahre lang außerhalb von Wiesbaden, außerhalb Hessens Landesgrenzen niedergelassen waren. Von hier aus haben die amerikanischen Streitkräfte Verantwortung für Europa, Nordafrika und auch den Nahen Osten – zukünftig weiterhin äußerst wichtige Aufgaben, die von hier aus erfüllt und unterstützt werden.
Ich freue mich, dass sie sich entschieden haben, hierher zu kommen. General Gibbs und General Hertling haben bei der Veranstaltung am 12. August gesagt, sie sind froh, dass sie wieder „at home“ sind. – Seien Sie uns allen sehr herzlich willkommen. Ich hoffe, Sie lassen sich nicht von einigen wenigen verblendeten Ewiggestrigen von dieser Willkommensfreude ablenken. Seien Sie herzlich willkommen. Wir freuen uns auf eine weiterhin gute, freundschaftliche Partnerschaft. – Herzlichen Dank.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, vor allem liebe Kolleginnen und Kollegen von GRÜNEN und Sozialdemokraten! Nach der Diskussion weiß ich gar nicht, ob es angemessen ist, dass ich hier noch für die Landesregierung zum Thema Länderfinanzausgleich spreche,
weil offenkundig ist, dass Ihre Erregung nicht mit dem Länderfinanzausgleich, sondern – das ist in den Wortbeiträgen der Regierungsfraktionen zum Ausdruck gekommen – mit einem ganz anderen Thema zu tun hat, nämlich Ihrem großen Ärger darüber, dass Parteifreunde in Rheinland-Pfalz genau das Gegenteil von dem machen, was sie im Wahlkampf versprochen haben.
Herr Kollege Wagner und auch Kollegen von der SPD, ich will Sie in einer Hinsicht beruhigen. Um Herrn Beck und um das Klima müssen Sie sich keine Gedanken machen. Aus vielen Begegnungen im Bundesrat, in dem wir auch darüber diskutieren, was in Rheinland-Pfalz beispielsweise in Wahlkampfzeiten im Vergleich zu Hessen so alles verlautbart worden ist, will ich einmal darauf hinweisen dürfen, dass die Rheinland-Pfälzer Sozialdemokraten in diesem Wahlkampf – das wissen Sie – plakatiert haben: „Hier verlassen Sie die kindergartengebührenfreie Zone“, und das auf den Brücken in Richtung Hessen. Dass sie zwar Nehmerland und Hessen Geberland ist, haben sie vergessen; aber sie wollten darauf hinweisen, wie toll ihre Kindergarten- und Sozialpolitik ist.
Deshalb ist es für Herrn Beck keine ganz große Katastrophe, dass er jetzt genau den umgekehrten Vorgang erlebt und, wie ich finde, völlig zu Recht darauf hingewiesen wird, dass man Wahlversprechen auch halten sollte.
Nichtsdestotrotz will ich sagen, dass Ihr zweites Thema – wenn Sie heute zu diesem Thema überhaupt sprechen wollten –, nämlich der Länderfinanzausgleich, in guten Händen ist. Sie haben mitbekommen, dass wir nach dem Regierungswechsel in Baden-Württemberg in einer neuen Situation sind, was die drei Länder anbelangt, die gesagt haben, dass, für den Fall, dass die Verhandlungen nicht zum Erfolg kommen, wir eine Klage einreichen werden und müssen. Aber Sie wissen doch aus eigener Erfahrung, wie hochkomplex dieses Thema ist. Sie selbst haben doch Gutachten dazu in Auftrag gegeben.
Ich schaue Karlheinz Weimar an und erinnere mich an eine Begegnung vor einigen Jahren, als ich ihn als Abgeordneter gefragt habe: „Können Sie versuchen, mir den Länderfinanzausgleich in einer Stunde zu erklären?“ Ich gebe zu: Ich war nach einer Stunde ein bisschen weiter, aber längst noch nicht in der Lage, dieses komplexe System zu durchschauen.
Ich komme zum Schluss. Eines haben nahezu alle Gutachter festgestellt, auch die Gutachter der GRÜNEN, Herr Wagner, nämlich dass wir viele Einzelsegmente haben. Die Gutachter kommen nahezu alle zu dem Eindruck, dass wir eine unzulässige Nivellierung, eine leistungsfeindliche Nivellierung des Länderfinanzausgleichs auf mehreren Stufen haben. Wenn wir Erfolg haben wollen, ist es sinnvoll, gemeinsam mit Baden-Württemberg und Bayern eine Verhandlungsposition zu erarbeiten. Das wird in den nächsten Wochen auf der Ebene der Beamten
und dann der zuständigen Ressortminister passieren. Insofern keine Sorge: Wir bleiben bei der Beschlusslage des Hessischen Landtags. Wir bleiben bei der Ankündigung, dass Verhandlungen irgendwann zu Ende sind.
Aber lassen Sie mich einen letzten Satz zu der Aussicht sagen, auch in Verhandlungen weiterzukommen. Wir haben angefangen, in der Landesvertretung in Berlin – da gehört so etwas auch hin – mit Nehmerländern über die Frage zu reden. Wir haben eine Veranstaltung mit dem Finanzminister des Landes Schleswig-Holstein gehabt, der am Ende selbst zu dem Schluss gekommen ist – wohlgemerkt: als Nehmerland –, dass es nicht sein kann, dass in seinem Fall beispielsweise ein fast dreistelliger Millionenbetrag an Erbschaftsteuerzuwachs am Ende zu einem Minus in der Gesamtrechnung führt. Auch Nehmerländer haben also längst erkannt, dass dieser Länderfinanzausgleich leistungsfeindlich und nicht leistungsfördernd ist. Insofern sind wir guter Dinge und bauen darauf, dass es mit Bayern und Baden-Württemberg gemeinsam gelingt, nicht diesen ganz großen Bogen einer neuen Föderalismusreform aufzumachen, die nur vom eigentlichen Thema ablenkt, sondern dass wir uns konkret mit den Fragen des Länderfinanzausgleichs beschäftigen und die angekündigten Wege nachvollziehen. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will zunächst den Fraktionen der CDU und der FDP für ihre Anträge und die Initiative danken, dass wir – wie ich finde, völlig zu Recht – in dieser Woche hier im Hessischen Landtag über 20 Jahre deutsche Einheit reden können.Ich will vorweg auch für all die Wortbeiträge danken, die einen breiten Konsens hinsichtlich der Frage der Verantwortlichkeiten, aber auch hinsichtlich der Frage festgestellt haben, wer am Ende für diese Entwicklung verantwortlich gezeichnet und sich Verdienste erworben hat.
Meine Damen und Herren, diese Debatte ist notwendig. Leider wird bei einer solchen Debatte aber auch deutlich – das zeigte der Wortbeitrag von Herrn Wilken –, wes Geistes Kind die LINKEN und Sie persönlich, Herr Wilken, weiterhin sind.
Ihre Rhetorik, Ihren Versuch der Geschichtsklitterung und der Relativierung kann ich nur als unerträglich bezeichnen.
Meine Damen und Herren, wann ist es Menschen in der Geschichte – insbesondere in der deutschen Geschichte – jemals gelungen, ohne Waffen, allein mit dem Mut des Aufbegehrens, der Kraft der Worte und dem Druck der Straße die Kette einer unmenschlichen Diktatur zu sprengen und Mauern und Grenzen zu überwinden? Das ist ein Grund,dies heute zu erwähnen,und es ist ein Grund,auch diejenigen zu würdigen, die dafür die Verantwortung tragen.Herr Kollege Quanz,es ist aus meiner Sicht keine Relativierung, wenn man an dieser Stelle auch Persönlichkeiten des politischen Lebens nennt.
Ich bin aber sehr bei Ihnen,wenn Sie sagen:Das Verdienst für diese Entwicklung, für die Einheit, für den Abriss der Mauer, für die Wiedervereinigung hatten in allererster Linie die Menschen in der damaligen DDR.
Das bedurfte eines mutigen und entschlossenen Handelns. Ich denke, zumindest die demokratischen Fraktionen in diesem Hause teilen die Überzeugung,dass Brandt, Genscher und andere den Weg für Verständigung bereitet haben.Ich glaube aber,wir alle sollten an diesem Tag auch des Mannes gedenken, der das Verdienst hat, die Gunst der Stunde und die Gunst des Schicksals mutig ergriffen zu haben. Ich meine unseren früheren Bundeskanzler Helmut Kohl.
Wenn in Ihrem Antrag auch von der Verantwortung der – wie Sie sie nennen – Blockflötenparteien die Rede ist,
dann will ich festhalten, dass ich mir nicht anmaße, jedes Verhalten während der Diktatur in der DDR moralisch zu kritisieren. Ich will deutlich sagen: Ich habe bei vielen ein gewisses Maß und bei manchen ein hohes Maß an Verständnis dafür, dass sie versucht haben, sich mit diesem schweren Schicksal zu arrangieren.
Aber, meine Damen und Herren, das bedeutet auf der anderen Seite nicht, dass wir nicht diejenigen benennen, die für ein menschenverachtendes System verantwortlich waren sowie dafür, dass ein solches menschenverachtendes System so viele Jahrzehnte überdauern konnte. Das werden wir auch weiterhin machen. Wir werden weiterhin diejenigen benennen, die bis heute nicht bereit sind, sich von diesem System und der SED, die dafür verantwortlich war, zu distanzieren.
Richard Schröder, der Fraktionsvorsitzende der SDP in der ersten frei gewählten Volkskammer, hat im Zusammenhang mit der aus seiner Sicht teilweise kleingeistigen Kritik an der Wiedervereinigung und dem demokratischen Umbruch im Osten von der „Unfähigkeit zur Freude“ gesprochen. Ich finde, es ist heute ein guter Tag, um ihn an dieser Stelle Lügen zu strafen und zu zeigen, dass wir uns, auch und gerade 20 Jahre nach diesem Ereignis, ausdrücklich über die Wiedervereinigung freuen.
Es ist gut, dass wir gerade in Hessen und in Thüringen viele Gelegenheiten haben, dieses Ereignisses zu gedenken. Das ist z. B. das, was wir gestern Abend auf der Zuschauertribüne erlebt haben und auch heute wieder erleben: der Austausch zwischen den Schülerinnen und Schülern aus Hessen und aus Thüringen. Es war die gemeinsame Kabinettssitzung am Montagabend. Es ist die Ausstellung in diesem Haus. Es ist aber auch das, was in diesen Tagen an vielen Orten, insbesondere im früheren grenznahen Raum, stattfindet, am Samstag beispielsweise in Treffurt. Aber es ist vor allem auch die Rede Michail Gorbatschows am kommenden Sonntag in der Frankfurter Paulskirche. Es ist gut, dass Hessen und Thüringen zu den Mittelpunkten dieser Gedenkveranstaltungen gehören.
Richard Schröder hat eine „Unfähigkeit zur Freude“ konstatiert. In den Sechziger- und Siebzigerjahren hat es andere Stimmen gegeben, unter anderem die der Psychoanalytiker Margarete und Alexander Mitscherlich, die im Zusammenhang mit der Aufarbeitung des NS-Regimes und der NS-Verbrechen in ihrem nicht unumstrittenen Werk eine „Unfähigkeit zur Trauer“ festgestellt haben. Es sind jedoch genau diese beiden Seiten, nämlich die Erinnerung an die unsäglichen NS-Verbrechen und das durch die SED-Diktatur verursachte Leid in aller ihrer Unterschiedlichkeit und in ihrem Unrechtscharakter, aber auch die Rückkehr in die demokratische Staatengemeinschaft sowie das Glück der wiedergewonnenen Freiheit und Rechtsstaatlichkeit, die die deutsche Geschichte prägen.
Es sind die dunkelsten Momente der doppelten Diktaturerfahrung auf der einen Seite und der glückliche Umstand der Überwindung dieser Diktaturen und der Wiedergewinnung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung auf der anderen Seite, die unsere Politiker verpflichten, sich gegen jedwede totalitäre Herrschaft und extremistische Gesinnung zu wenden und den demokratischen Grundkonsens sowie den Schutz der Menschwürde in den Mittelpunkt unseres staatlichen und gesellschaftlichen Handelns zu stellen. Für die Hessische Landesregierung will ich diese wichtigsten Eckpfeiler, Motive und Grundlagen politischen Handelns, die die Lehre aus der deutschen Geschichte sind, nachdrücklich unterstreichen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,liebe Kollegen, gerade der 3.Oktober 1990 und der friedliche Umbruch in der DDR sind ein eindrucksvolles Beispiel für die demokratischen Grundprinzipien unserer Verfassung, für das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen in Ost und West und für das Glück der Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit.Wenn wir jetzt eine junge Generation haben, die keine Diktaturen mehr erleben musste und die DDR nur noch aus den Geschichtsbüchern kennt, ist dies einerseits ein großes Glück. Andererseits liegt es an uns – ganz besonders an den noch lebenden Zeitzeugen –, den Jugendlichen das erlittene Unrecht und die schlimmen Auswir
kungen diktatorischer Herrschaft näherzubringen, um sie dagegen zu immunisieren
und sie immer wieder für demokratisches Bewusstsein und Engagement zu gewinnen.
Wenn der Forschungsverbund SED-Staat unter Prof. Schröder an der Freien Universität Berlin in seiner Studie zum DDR-Bild von Schülern und Schülerinnen in Ost und West erschreckende Wissenslücken feststellt, wenn er offenlegt, dass jeder vierte Schüler in den früheren Bundeskanzlern Adenauer und Brandt DDR-Politiker sieht und dass nur ein Drittel weiß, dass die DDR für den Bau der Mauer verantwortlich war, und wenn dieser Bau von einigen sogar den Alliierten oder der Bundesrepublik Deutschland zugeschrieben worden ist, muss ich sagen: Dies wirft ein trauriges Licht auf die Geschichtskenntnisse und das Bewusstsein leider vieler junger Menschen.
Es macht aber auch überdeutlich – darauf hat Herr Kollege Quanz schon hingewiesen –,dass insbesondere an unseren Schulen eine intensive Befassung auch mit diesem Teil unserer Geschichte weiterhin dringend erforderlich ist. Ich fordere die Menschen in allen Ländern auf – ich glaube, Hessen geht mit gutem Beispiel voran –, diese Anstrengungen weiter zu verstärken.
Wenn nämlich rund 40 % der Schüler im Osten und knapp 25 % der Schüler im Westen die Stasi für einen normalen Geheimdienst halten, wie ihn doch jeder Staat hat, und wenn mehr als die Hälfte der Jugendlichen in Ostdeutschland und etwa ein Drittel der Jugendlichen in Westdeutschland in der ehemaligen DDR keine Diktatur sehen, ist das erschreckend und alarmierend. Grundlegende Kategorien politischer Urteilskraft sind offensichtlich nicht mehr ausgeprägt, wenn unsere Schüler den Unterschied zwischen Diktatur und Demokratie nicht mehr kennen.
Natürlich können wir froh sein – ich denke an meine eigenen drei Kinder –, wenn unsere Kinder keine Erfahrungen mehr mit einer Diktatur in unmittelbarer Nachbarschaft machen müssen. Sie sind Gott sei Dank keine Zeitzeugen mehr und können somit nicht nachvollziehen, was es bedeutet, wenn Vater oder Mutter im Gefängnis sitzen und man selbst ins Kinderheim oder in eine staatstreue Familie gegeben wird, und das nur, weil die Eltern Westliteratur gelesen, in ihrem beruflichen oder privaten Umfeld politische Witze erzählt haben oder ausreisen wollten. Meine Kinder – diese Generation – können kaum nachvollziehen, wie Jutta Fleck am Checkpoint Charlie und an vielen anderen Orten in Europa für die Freiheit ihrer Kinder kämpfen musste.
Unsere Kinder sind keine Zeitzeugen mehr und werden das Leid vieler Betroffener nur aus den Geschichtsbüchern oder aus Erzählungen kennenlernen können – das Schicksal und das Leid Betroffener,die einen Bruder oder eine Schwester verloren haben: beim Grenzübertritt von Minen oder Selbstschussanlagen zerfetzt oder von Kugeln in den Rücken getroffen und verblutet. Ich nenne Peter Fechter, Chris Gueffroy oder auch Heinz-Josef Große in Schifflersgrund.
Danke, Frau Präsidentin. – Sie wissen nicht, dass mehrere Hundert Menschen sogar aus dem Westen über die Grenze verschleppt oder beim Grenzübertritt verhaftet wurden, wie etwa die Journalisten Karl Wilhelm Fricke oder Jörg Kürschner. Beide saßen in Berlin-Hohenschönhausen ein, nur weil sie kritisch über die SED berichteten oder Bücher von Rudolf Bahro oder Robert Havemann in die DDR mitbrachten. Beide engagieren sich jetzt im Förderverein und im Beirat der Gedenkstätte Hohenschönhausen, weil sie gemeinsam mit dem schon erwähnten Hubertus Knabe gegen das Vergessen kämpfen wollen.
Es ist ein Glück, dass unsere Kinder dieses Unrecht nur noch aus den Geschichtsbüchern kennen. Aber es muss uns alarmieren, wenn viele von ihnen den Unterschied zwischen Demokratie und Diktatur nicht erkennen und wenn sie die Freiheit und die Selbstbestimmung, in der sie leben dürfen, nicht mehr als Wert wahrnehmen.
Der Antrag von CDU und FDP würdigt zu Recht das Engagement der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung und des Schwerpunktprojekts zur politisch-historischen Aufarbeitung der SED-Diktatur unter der Leitung von Jutta Fleck. Ich will Herrn Dr. Heidenreich, seinen wissenschaftlichen Mitarbeitern, aber eben auch ganz persönlich Jutta Fleck für dieses Engagement danken.
Das ist nicht selbstverständlich, und es hilft uns bei der Vermittlung der Werte, über die wir hier heute Morgen sprechen.
Gleicher Dank gilt dem an vielen Stellen gezeigten ehrenamtlichen Engagement in dem Grenzmuseum Schifflersgrund oder in der Gedenkstätte Point Alpha. Ich will ausdrücklich sagen, dass die Hessische Landesregierung dieses Engagement weiterhin mit Nachdruck unterstützen wird.
Auch das muss an dieser Stelle gesagt werden: Ich bin den Kolleginnen und Kollegen aus Thüringen dankbar, dass sie das gleichermaßen mittragen. Denn wir haben ein gemeinsames Schicksal. Wir haben weiterhin die gemeinsame Verpflichtung der Aufarbeitung und der Erinnerung.
Dass Hessen dabei vor 20 Jahren maßgebliche Impulse gesetzt hat, ist, wie ich finde, mehrfach völlig zu Recht erwähnt worden. Ich will aber auch noch einmal sagen, dass die Hessen möglicherweise bewusst – vielleicht haben es viele aber auch eher unbewusst getan – Entscheidungen getroffen haben, die ebenfalls zu der gemeinsamen Aufarbeitung hinzugehören.
Das Glück, das ich persönlich als Minister im Bundesrat und als Hausherr der Hessischen Landesvertretung in Berlin empfinde, hat zum einen etwas mit der damit verbundenen Tätigkeit und den politischen Aufgabenstellungen zu tun. Es hat aber auch damit zu tun, dass ich jedes Mal, wenn ich dort bin, Demut und Dankbarkeit emp
finde, und zwar deshalb, weil diese Landesvertretung im sogenannten früheren Todesstreifen platziert ist.
Diese Landesvertretung ermöglicht insbesondere beim Schauen aus den Fenstern im 4. Stock den Blick auf den Deutschen Bundestag, den Bundesrat, das Kanzleramt, aber auch das Holocaust-Mahnmal. Insofern ist das, so finde ich, einer der historischsten Plätze unserer Republik. Dabei geht es um die Erinnerung an das Schicksal unserer Landsleute in der früheren DDR, aber auch um die Dankbarkeit und um Demut. Denn damit wird zu Recht immer wieder an das Schicksal erinnert, das wir in den letzten 20 Jahren hatten. Hoffentlich dürfen wir auch in Zukunft Einheit und Freiheit erfahren. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe.
Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe.