Oguzhan Yazici

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Last Statements

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe dem bisher Gesagten inhaltlich eigentlich nicht mehr viel hinzuzufügen. Wir sind uns alle einig, dass Menschen, die zu einer Geldstrafe verurteilt worden sind, eigentlich nicht ins Gefängnis gehören. Da sind wir uns alle einig. Das war ja auch der Ausgangspunkt für uns, das als Auftrag zu sehen und das in den Rechtsausschuss mitzunehmen. Dort haben wir das Thema sehr ausgiebig und sehr intensiv mit einer Anhörung von Experten bearbeitet, die sich dazu eingelassen haben.
Wir haben auch hier in der Bürgerschaft dazu debattiert und unsere Positionen sind ausgetauscht. Ich möchte Ihnen noch einmal der Förmlichkeit
halber sagen, dass wir die Anträge ablehnen, den der Koalition und auch der FDP. Unsere Begründungen dazu liegen vor. Wir müssen aber auch weiter an diesem Thema festhalten, denn es ist, wie schon eingangs gesagt, ein zutiefst unbefriedigendes Gefühl, dass Menschen, die im Kern aus Not in diese Situation gekommen sind, im Gefängnis landen. Wir brauchen noch bessere, passgenaue Hilfemöglichkeiten für diese Menschen, damit sie erst gar nicht in die Situation kommen. Bremen ist da – das muss man sagen – vorbildlich aufgestellt.
Das StadtTicket ist in der Tat ein sehr gutes Instrument und wir begrüßen, dass es weiter ausgebaut worden ist. Hier muss man weitere Anstrengungen unternehmen. Da haben Sie auch die Fraktion der CDU an Ihrer Seite, wenn es darum geht, diesen Menschen Hilfestellungen an die Hand zu geben, aber an dem Instrument der Ersatzfreiheitsstrafen halten wir weiterhin fest.
Da heute der Tag des Dankes ist und des Abschiedes und so weiter, möchte auch ich mich ganz herzlich bedanken, vor allem bei meinen Kolleginnen und Kollegen im Rechtsausschuss und bei meiner geschätzten Kollegin Frau Aulepp als Vorsitzende unseres Rechtsausschusses. Der Rechtsausschuss hat stets sachlich getagt. Der Rechtsausschuss hat immer fair getagt.
Dann möchte ich mich auch bei Herrn Staatsrat Schulz bedanken, der noch einmal eine andere Perspektive in den Rechtsausschuss gebracht hat, die ich sehr begrüße, und ich möchte mich bei meinen Kolleginnen und Kollegen hier im hohen Hause bedanken und würde mich sehr freuen, wenn ich und wenn Sie und so viele Gesichter wie möglich auch das nächste Mal nach dem 26. Mai hier sind. Auch Sie, Herr Senkal. – Bis dahin, danke schön, auf Wiedersehen!
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir debattieren heute das vierte Mal innerhalb der letzten zweieinhalb Jahre zum Thema „Personalsituation bei der Bremer Strafjustiz“, wir debattieren dies also alle sechs Monate. Das Ressort hat sich bisher stets mit derselben Argumentation eingelassen: Gericht, Staatsanwaltschaft und Servicestellen seien im Bundesdurchschnitt auskömmlich ausgestattet, teilweise sogar über Bundesdurchschnitt. So viel zum Zahlenwerk. Fragen Sie einmal die Mitarbeiter der Justiz, die Anwälte, Zeugen und letztlich jeden Recht suchenden Bürger dieses Landes. Die spüren die Auswirkungen eines schlichten Befundes, den das Ressort offenbar nicht wahrhaben möchte. Der Rechtsstaat in Bremen erodiert nach und nach durch chronischen Personalmangel und das ist hausgemacht.
Bei der Staatsanwalt herrscht ein Dauerkrisenmodus. Das Missverhältnis zwischen Aufgabensteigerung und Personalbestand ist gravierend – mit der Folge, Herr Zenner hat die Zahlen genannt, eines enormen Anwachsens unerledigter Fälle. Die getroffenen Maßnahmen sind der berühmte Tropfen auf den heißen Stein, weil sie letztlich nur die Verwaltung eines Mangels sind, und die Folgen dieser verfehlten Haushaltspolitik sind nicht nur gravierend, sie sind auch tragisch, weil die Korrektur schwierig ist.
Herr Kuhn hat seinen Bedarf angemeldet. Wir als Fraktion der CDU unterstützen das. Es ist aber
mehr als fraglich, ob er jemals diese Unterstützung bekommt. Ich habe an dieser Stelle stets die „Benchmarkisierung“ der Justiz kritisiert, und deswegen werden wir uns auch dafür einsetzen, bei der Ermittlung der Personalausstattung PEBB§Y 1.0 zugrunde zu legen, weil das der Realität deutlich näher kommt als diese Ländervergleiche.
Dennoch haben wir seit 2018 sieben unbesetzte Stellen bei der Staatsanwaltschaft, weil wir keine geeigneten Bewerber finden. Insofern ist es schon fraglich, ob es Sinn macht, weitere 15 Stellen auszuschreiben, wenn wir die, die wir ausgeschrieben haben, nicht besetzen können. Insofern ist es so, dass alle gut ausgebildeten Juristen offenbar einen großen Bogen um die Staatsanwaltschaft in Bremen machen, weil die nun einmal keine Lust haben, für drei Leute mitzuarbeiten. Für diese verfehlte Personalpolitik trägt der Justizsenator die politische Verantwortung, meine Damen und Herren.
Im Servicebereich haben wir ähnlich große Probleme. Hier muss massiv in den Nachwuchs investiert werden. Das wird uns noch lange beschäftigen. Am Landgericht für Strafsachen sieht die Sache ähnlich düster aus. Wir können nicht einfach sechs Assessoren nehmen und zwei Strafkammern gründen. Da fehlen uns vier weitere Richter, nämlich zwei erfahrene Vorsitzende und zwei Stellvertreter. Woher nehmen? Abwerben aus anderen Bundesländern ist wohl kaum möglich. Also müssten wir schauen, was wir im Bestand haben. Das heißt, wir müssen Stellvertreter zu neuen Vorsitzenden ernennen, dann die Nummer drei zur Nummer zwei machen und den Rest mit unerfahrenen Assessoren auffüllen. Das kann man machen, dauert aber vielleicht einmal ein ganzes Jahr.
Eine Sache ist auch nicht unwichtig: Wir haben in Bremen bereits jetzt eine hohe Quote an sehr jungen Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden bei gleichbleibender Verteidigerlandschaft, die in Bremen auch nicht zu unterschätzen ist, und die nutzen das hemmungslos aus, auch das müssen wir uns vor Augen führen. So zeigt sich im Ergebnis, dass diese verfehlte Personalpolitik auch an die Struktur geht und vor allem auch zu einem schlechten Klima bei der Staatsanwaltschaft führt. Befreundete Staatsanwälte erzählen mir, dass das Klima ziemlich schlecht ist, denn dieser Dauerkrisenmodus sorgt für die Gefahr, dass die jungen Juristen auch verheizt werden können. Da wird eine Woche vorher gesagt, dass man umgesetzt wird. Das wird sachlich gut begründet, dennoch ist es für
junge Juristen natürlich eine enorme Belastung, wenn sie keinen dauerhaften Arbeitsplatz haben. Das ist auch für das Arbeitsklima problematisch, weil man so kein Vertrauen zueinander aufbauen kann. Man kann so nicht miteinander arbeiten, man arbeitet eher für sich, weil auch einfach der Chorgeist fehlt. Stabilität und Kontinuität bei der Staatsanwaltschaft? Fehlanzeige, meine Damen und Herren.
Zur Realität gehört auch, dass die Absolventenzahlen, darauf hat Frau Vogt hingewiesen, sinken, und der steigende Bedarf an Personal in ganz Deutschland führt zu einer weiteren Verschärfung des ohnehin vorhandenen Wettbewerbs um die besten Köpfe des Landes. Die Großkanzleien, die schon immer mehr gezahlt haben, die zahlen seit 2016 noch einmal mehr, sodass die Schere zwischen den Staatsanwälten und den Juristen in der Privatwirtschaft noch einmal weiter auseinandergegangen ist. Die haben sich auch bei den Themen Vereinbarkeit von Beruf und Familie, bei der Altersvorsorge stark verbessert. Damit hat die Justiz ja stets gewuchert. Da sind wir auch nicht mehr herausragend. Die bieten auch sehr gute Leistungen zur Weiterbildung an. Das wird Ihnen zwar kein Behördenleiter in Bremen sagen, aber Weiterbildungsmöglichkeiten sind in Bremen eigentlich völlig ausgeschlossen, weil wir keine Personalreserven haben. Auch das ist nicht wirklich attraktiv.
Interessant sind im Übrigen auch die enormen Unterschiede bei der Besoldung im Ländervergleich. Zwischen Bayern und dem Saarland bestehen beispielsweise 25 Prozent Unterschied.
So müssen wir uns vielleicht auch in Bremen die Frage stellen, ob wir mittelfristig die Eingangsvoraussetzungen noch einmal senken müssen, so wie in anderen Bundesländern auch, nämlich nicht mehr zwei Prädikatsexamen verlangen. Wir sind unlängst dazu übergegangen, noch eins zu fordern, und wir müssen uns vielleicht auch Gedanken darüber machen, ob wir die Besoldung weiter anheben müssen. Ansonsten sieht es wirklich schwierig aus, weil wir unbesetzte Stellen haben. Am Ende geht es schlicht um die Frage, was uns eigentlich ein funktionierender Rechtsstaat wert ist. Rot-Grün offenbar nicht so viel. Uns ist er teuer, weil wir wissen: Einen starken Rechtsstaat gibt es nur mit einer starken Justiz und dafür werden wir uns auch weiterhin einsetzen. – Dankeschön!
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wenn in der Öffentlichkeit – Frau Aulepp hat es angesprochen – über die Bremer Justiz gesprochen wird, dann geht es in der Regel um Richter und Staatsanwälte. Der Strafvollzug findet kaum Aufmerksamkeit, außer wenn Menschen ausbrechen oder es zu Meutereien kommt. Die alltägliche Arbeit, wenn alles funktioniert, wird weithin ignoriert. Dabei kann man es nicht oft genug sagen: Sicherheit und Ordnung sind nicht nur Sache der Polizei, sondern auch dem Justizvollzug kommt eine entscheidende Rolle zu. Deswegen ist der Dienst in der Anstalt nicht weniger wert, als die Arbeit der Polizei auf der Straße.
Diese Arbeit in der Anstalt wird immer komplexer, stellt die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor
enorme Herausforderungen, nicht nur, weil die Gefangenenzahlen seit 2015 rapide angestiegen sind, sondern vor allem auch, weil sich die soziale Konstellation der Gefangenen stark verändert hat. Wir haben Gefangene mit starken psychischen Störungen. 40 bis 70 Prozent der Gefangenen sind in psychischer oder psychiatrischer Behandlung, wobei erstere durch anstaltseigenes Personal betreut werden. Die psychiatrische Gesundheitsfürsorge wird durch den konsiliarischen ärztlichen Dienst im Krankenhaus Bremen-Ost sichergestellt.
Es gibt Menschen, die vom Maßregelvollzug kommen, weil sie dort als nicht mehr therapierbar gelten. Die gehören eigentlich in die Psychiatrie, aber bleiben in der JVA und stellen die Bediensteten vor enorme Herausforderungen. Das ist kein guter Zustand. Ich denke, dass deswegen in diesem Bereich der psychiatrischen Behandlung durchaus Verbesserungsbedarf besteht und man kann schon darüber nachdenken könnte, eine Psychiaterin oder einen Psychiater in der JVA einzustellen.
Hintergrund dieser psychischen Störungen sind vor allem auch der Konsum von synthetischen Drogen. Etwa 50 Prozent der Gefangenen haben einen Drogenhintergrund. 15 Prozent sind abhängig. Im letzten Jahr wurden 540 Disziplinarmaßnahmen wegen Besitz und Konsum von Drogen vollstreckt. Das ist eine sehr hohe Zahl. Ich denke, hier müssten weitere Anstrengungen unternommen werden, um diese Zahl deutlich zu senken.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal eine Sache deutlich machen. Aus der Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen geht der Wunsch hervor, Strafverfahren nach § 31a BtMG einzustellen, wenn bereits Disziplinarmaßnahmen vollstreckt worden sind. Wir als Fraktion der CDU haben hier eine klare Position: Wenn jemand beim Abbüßen seiner Freiheitsstrafe in der Haft eine weitere Straftat begeht, dann möchten wir das nicht auch noch honorieren, indem wir das Strafverfahren einstellen. Das wäre jedenfalls mit uns nicht zu machen.
Zu dem immer komplexer werdenden Arbeitsumfeld gehört auch der rapide Anstieg von ausländischen Insassen. Bei den Erwachsenen sind es etwa 40 Prozent, im Jugendvollzug schon 50 Prozent. Sprachliche Barrieren, neue kulturelle und religiöse Herausforderungen müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bewerkstelligen. Es gibt radi
kale religiöse Tendenzen, die Frau Aulepp angesprochen hat. Anlass zur Sorge gibt auch, wie ich finde, die Antwort auf Frage 40: Die Übergriffe auf die Bediensteten haben in den letzten Jahren um das Dreifache zugenommen. Das ist der Wert mit Stand Juli 2018. Hier ist vor allem die Anstaltsleitung gefragt, maximalen Schutz für die Bediensteten sicherzustellen.
Auch der Krankenstand ist seit 2013 kontinuierlich angestiegen. Die Gründe können wir noch nicht genau benennen, weil die Auswertung der Mitarbeiterbefragung noch aussteht. Die eben genannten neuen Herausforderungen sind, denke ich, ein zentraler Grund für diesen erhöhten Krankheitsstand. Es wird mehr gearbeitet, es gibt ein komplexeres Anforderungsprofil und das bei einer dünner werdenden Personaldecke. Zudem wirken sich der demographische Wandel und die guten Konjunkturbedingungen aus, was zu Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt und einem grundsätzlich schlechteren Niveau der Bewerber führt.
Diese Gemengelage ist aber nicht über Nacht hereingebrochen. Hier hat der Senat in der Tat eine Entwicklung übersehen. Das muss man auch so sagen. Es werden jetzt Anstrengungen unternommen – das sehen wir –, um die Attraktivität der Bremischen Justiz weiter zu stärken. Das ist auch bitter notwendig. Hier geht es in den folgenden Jahren vor allem um Fachkräftesicherung und Nachwuchsgewinnung, denn immer mehr Bewerber entscheiden sich gegen den Öffentlichen Dienst, weil auch die Attraktivität Bremens sinkt. Andere Bundesländer hier beispielsweise das Einstiegsgehalt von A7 auf A8 angehoben. Darüber sollte man vielleicht auch in Bremen nachdenken.
Von den LINKEN, sehr gut!
Vor allem müssen wir aber auch die potentiellen Bewerberinnen und Bewerber gezielt ansprechen, um sie für den Dienst zu gewinnen. Deswegen begrüße ich außerordentlich die Anhebung des Anwärterzuschlags von 50 auf 70 Prozent, das ist ein richtiges, ein gutes Signal. Wir erwarten weitere Initiativen, um dem Bewerbermangel entgegenzuwirken. Damit werden wir uns auch weiterhin im Rechtsausschuss intensiv beschäftigen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, wir sind uns alle in diesem Haus einig: Die Beförderungserschleichung muss Konsequenzen haben. Die Frage ist: Welche? Soll weiterhin das Strafrecht angewandt werden oder so, wie DIE LINKE das vorschlägt, eine Herabstufung auf das Ordnungswidrigkeitenrecht erfolgen? In Ihrem Antrag tragen Sie dann im Kern drei Argumente vor, die für Letzteres sprechen.
Ich möchte diese drei Punkte kurz benennen und unseren Standpunkt deutlich machen. Sie beklagen zunächst, haben Sie ja eben auch vorgetragen, die Kosten von etwa einer Million Euro im Jahr für die Strafverfolgung. Wir, als CDU-Fraktion, haben da eine klare Position: Personalpolitik im Justizhaushalt im Hinblick auf Strafrecht zu betreiben, ist der falsche Ansatz, meine Damen und Herren!
Haushälterische Argumente in diesem Kontext vorzutragen, wirft gleichzeitig auch die Frage auf, darauf hat Herr Leidreiter hingewiesen: Inwiefern sich möglicherweise auch die Verfolgung anderer Delikte für den Staat rechnet? Und ich warne eindringlich vor einer solchen Argumentation, weil das letztlich Tür und Tor für eine generelle Entkriminalisierung von sogenannten Bagatelledelikten öffnet. Mit uns als CDU-Fraktion ist so etwas jedenfalls nicht zu machen, meine Damen und Herren!
Ihr zweites Argument, das Sie eben nicht vorgetragen haben, ist der Vergleich der Beförderungserschleichung mit den Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr. Da schicke ich vorweg, dieser Vergleich ist völlig falsch. Das Schutzgut von § 256a StGB ist ja das Vermögen des Leistungserbringers. Und das ist ja gerade der zentrale Unterschied zu
den Ordnungswidrigkeiten, wenn jemand falsch parkt oder über Rot fährt, es also nicht zu einer Rechtsgutverletzung kommt. Deshalb handelt es sich hier um bloßes Verwaltungsunrecht, und deswegen ist es ausreichend, hier das OWiG anzuwenden, meine Damen und Herren.
Regelverstöße im Straßenverkehr, solange es freilich nicht zu einer Rechtsgutverletzung führt, sind etwas gänzlich anderes, als wenn jemand in einem hochsubventionierten Bereich auf Kosten der Allgemeinheit versucht, sich so ein bisschen durchzuschlängeln mit der Absicht, das Vermögen der BSAG zu schädigen. Das ist ein Unrechtsgehalt, das nicht mit jemandem zu vergleichen ist, der vergisst einen Euro in die Parkuhr hineinzustecken, meine Damen und Herren. Das können Sie nicht miteinander vergleichen.
Und schließlich führen Sie an, dass die Beförderungserschleichung, das ist eines Ihrer Hauptargumente, besonders die Menschen mit geringem Einkommen treffe. Das Argument wiegt durchaus schwer, darüber müssen wir reden, darüber werden wir auch reden. Aber ich möchte deutlich machen, dass die Frage Strafrecht oder Ordnungswidrigkeitenrecht, darüber reden wir hier, nicht die Baustelle werden darf, auf der wir niedrige Ausbildungsvergütung oder Armut in diesem Land reparieren. Das dürfen wir nicht miteinander vergleichen. Der Strafanspruch muss unabhängig davon durchgesetzt werden, was ein Mensch verdient oder nicht verdient. Das dürfen wir nicht vermischen.
Aber sie haben Recht: Die Menschen, die wegen Beförderungserschleichung in Ersatzhaft landen, sind Menschen mit vielen sozialen Problemen, wie Wohnungslosigkeit, Langzeitarbeitslosigkeit, Drogenabhängigkeit, soziale Isolation. Diesen Menschen kann man auch in der Tat, Herr Erlanson, kaum mit der Haft drohen. Diese Menschen brauchen Hilfestellungen, damit sie nicht zu Dauergästen in der JVA werden, und in Bremen gibt es auch schon wirklich gute Haftvermeidungsprogramme. Ziel muss es sein, diese Programme weiter vorzuhalten und gegebenenfalls auch weiter auszubauen, damit diese Ersatzfreiheitsstrafen, – die mittlerweile auch schon einen erheblichen Raum in der JVA einnehmen – diese Zahlen, reduziert werden.
Denn natürlich sehen auch wir, dass es ein unbefriedigendes Gefühl ist, wenn jemand, der zu einer Geldstrafe verurteilt wird, letztlich wegen etwa Suchtproblemen im Gefängnis landet. Da gehört er eigentlich nicht hin und deswegen müssen wir da etwas tun. Mit passgenauen Handlungsmöglichkeiten müssen wir versuchen, diese Fallzahlen zu reduzieren, und das haben wir uns auch auf die Fahnen geschrieben. Wir werden in naher Zukunft im Rechtsausschuss dieses Thema zielführend bearbeiten. Das ist aus unserer Sicht der richtige Ansatz und nicht die Herabstufung auf eine Ordnungswidrigkeit. Deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen, meine Damen und Herren. Und dem Antrag, den die Kollegin Frau Aulepp gleich vorstellen wird, wird der Rechtsausschuss zustimmen. – Danke für die Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! LayeAlama Condé ist in einer extrem entwürdigenden Form in staatlicher Obhut zu Tode gekommen. Wie konnte das geschehen? Wie konnte überhaupt 13 Jahre lang in Bremen ein Beweissicherungsverfahren angewandt werden, über das der Europäische Menschengerichtshof später urteilte, es verstoße gegen das Folterverbot. Diese und viele, viele weitere Fragen treiben noch immer Menschen um – nicht nur in Bremen. Vieles ist dazu gesagt und geschrieben worden. Dennoch bleibt ein unbefriedigendes Gefühl zurück und das liegt vor allem auch an dem Abschluss des Strafverfahrens gegen den Polizeiarzt gegen eine Geldauflage ohne den Sachverhalt erschöpfend, nach den vom Bundesgerichtshof nahegelegten Gesichtspunkten, zu ermitteln.
Herr Kollege Güldner hat auf die massive Kritik des Bundesgerichtshofs an den Bremer Urteilen hingewiesen. Das ist diskussionswürdig. Darauf hat das Landgericht aber seinerzeit auch selbst in einer Stellungnahme hingewiesen. Letztlich konnte dem Angeklagten die Schuld nachgewiesen werden. So wurde im Zweifel für den Angeklagten entschieden. Festzuhalten bleibt jedenfalls, dass die Brechmittelvergabe von Anfang an Gegenstand kontroverser Diskussionen war – nicht nur im politischen Raum, sondern auch im juristisch-medizinischen
Raum. Zu erinnern ist hier an das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt aus dem Jahre 1996, nach dessen Auffassung die zwangsweise Verabreichung von Brechmitteln nicht durch § 81a Strafprozessordnung gedeckt ist. Zehn Jahre später wurde diese strafprozessuale Problematik letztlich dann mit dem besagten Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum Abschluss gebracht.
Allerdings – und das muss man nüchtern feststellen – für die gesamte Republik hat eine strafrechtliche Aufarbeitung des Verhaltens derjenigen, die diese Brechmittel verabreicht haben, nicht stattgefunden. Strafverfahren wurden entweder gar nicht eingeleitet oder wurden eingestellt. So wurde auch im Fall Condé ausschließlich das individuelle Versagen überprüft. Doch was ist eigentlich mit der Verantwortung anderer Beteiligter? Darauf hat auch der BGH hingewiesen. Die beteiligten Polizisten beispielsweise, die die Prozedur angeordnet haben, sie haben Kopf und Arme von Condé festgehalten. Was ist mit dem damaligen Leiter des Beweissicherungsdienstes? Was ist mit dem Notarzt, der später dazu gestoßen ist? Lediglich in der Begründung der Einstellung hat das Landgericht gesagt, ein etwaiges Fehlverhalten Dritter oder auch ein Versagen der Politik – –. Allerdings waren da schon die in Betracht kommenden Delikte in die Verjährung gelaufen, meine Damen und Herren!
Ja, hätte es nach dem Tod von Achidi John im Jahr 2001 in Bremen ein Umdenken gegeben, dann hätte Condé heute wahrscheinlich noch gelebt. Insofern war der Tod vermeidbar, weil dem eine tragische Fehlschätzung vorausgegangen war. Ja, wir wissen heute, dass das damalige Verfahren im Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte unrechtmäßige, staatliche Gewalt war. Aber diese Praxis wurde seinerzeit nicht nur in Bremen, sondern in zahlreichen anderen Bundesländern durchgeführt. Ich habe am Wochenende einige Stunden im Juridicum verbracht und mir die seinerzeitige strafrechtliche Diskussion noch einmal angeschaut. Diese Praxis wurde zur Tatzeit von der überwiegenden Meinung in der Rechtsprechung, dem überwiegenden Teil in der Literatur und von denen, die diese Praxis auch durchgeführt haben, die Mediziner, als von § 81a Strafprozessordnung gedeckt und die dadurch gewonnenen Ergebnisse auch als verwertbar angesehen, meine Damen und Herren.
Dieser Fakt darf bei einer ehrlichen Aufarbeitung der damaligen Ereignisse nicht außer Acht gelassen werden. Das Oberlandesgericht Bremen hat
zweimal dazu geurteilt, in den Jahren 1996 und 2000, und hat das Verfahren in Bremen als zulässig und verhältnismäßig angesehen. Darauf haben sich die Verantwortlichen von damals nicht nur in der Politik, sondern alle, die daran beteiligt waren, haben sich im Konsens für dieses Verfahren entschieden. Verschiedene Regierungen haben über Jahre hinweg dieses Verfahren als zielführend erachtet. Aber wir wissen, es war ein Fehler an dem Verfahren festzuhalten. Die damaligen Verantwortlichen haben das auch mittlerweile ehrlich und glaubhaft eingeräumt, aber das macht das Geschehene nicht rückgängig. Deswegen muss es darum gehen, den Fall Condé als eine Mahnung und als eine Lehre zu sehen, für die aktuell und in Zukunft handelnden Verantwortlichen. Staatliches Handeln, gerade im sensiblen Bereich der Gewaltanwendung, die Verfahren die dort laufen beziehungsweise die Handlungsanweisungen immer wieder und regelmäßig einer Prüfung zu unterziehen und die Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns auch immer sicherzustellen.
Lassen Sie mich das eine noch sagen: Gerade in Zeiten wie diesen, in denen sich Rechtspopulisten und Rechtsnationale in deutschen Parlamenten breit gemacht haben, ist es wichtiger denn je für die Politik, Ruhe zu bewahren, nüchtern zu handeln und nicht unbewusst Erfüllungsgehilfe einer scheinbar mächtigen öffentlichen Meinung zu sein, sondern Verhältnismäßigkeit –
muss die Handlungsmaxime sein und nicht das Hinterherlaufen von Angstmachern und damit nicht, wie mehrfach schon gesagt wurde, dass ein Mensch, ganz gleich, was ihm zur Last gelegt wird, in staatlicher Obhut zu Schaden kommt. – Danke für die Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn irgendetwas die Identität Deutschlands nach dem Zweiten Krieg geprägt hat, dann sicherlich die Erinnerung an die Schoah, das Eingeständnis deutscher Schuld und das Verhältnis zu Israel. Bekanntlich hat Angela Merkel das mit dem Begriff Staatsräson verknüpft.
Allerdings wächst die Diskrepanz zwischen einem staatstragenden Anti-Antisemitismus und dem, was breite Schichten in Deutschland denken und fühlen, und das nicht nur durch Migration und Flucht. Jeder fünfte Deutsche ist latent antisemitisch. Ich kenne diese Zahl schon aus meiner Schulzeit. Es ist erschreckend, dass dieser Wert offenbar auch jetzt nach ungefähr 20 Jahren konstant geblieben ist. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass Deutschland im Hinblick auf die Antidiskriminierung europaweit schlecht dasteht.
Eine EU-Studie aus dem Jahr 2015 sagt aus, dass es formalrechtlich zwar in Deutschland verboten ist, zu diskriminieren, dass es offenbar aber an entsprechenden Gremien und Einrichtungen für Betroffene fehlt und an dem Engagement fehlt, gegen Diskriminierung vorzugehen. Nach dieser Studie rangiert Deutschland auf Platz 22 im Ländervergleich, und zwar hinter Ländern wie Bulgarien, Rumänien und Ungarn.
„Wann wird es selbstverständlich sein, dass jemand mit den gleichen Noten die gleichen Aussichten bei einer Bewerbung hat, egal, ob er Yilmaz oder Krause heißt?“
Das fragte der damalige Bundespräsident Christian Wulff bei seiner Antrittsrede. Diese Frage ist auch heute, acht Jahre danach, aktueller denn je.
Über welche Themen reden wir eigentlich in Deutschland, was ist der O-Ton, der Taktgeber in München und Berlin? Gehört der Islam zu Deutschland oder haben wir eine Überfremdung in unserem eigenen Land? Für den einen oder anderen mag diese Frage politisch von Nutzen sein, aber gesellschaftspolitisch stagnieren wir, und das ist Gift.
Ich sage ganz klar, der AfD begegnen wir nicht, indem wir ihre Angstnarrative übernehmen. Ängstlichen, die es sicher gibt, helfen wir auch nicht damit, indem wir sie in ihren subjektiv empfundenen Ängsten bestärken. Wir müssen Ihnen vielmehr eine offene, ehrliche und auch auf objektivierbaren Fakten basierende Diskussion anbieten. Das fehlt in der gegenwärtigen Antisemitismusdebatte. Zu einer ehrlichen Debatte gehört es vor allen Dingen, anzuerkennen, dass das Völkische wieder Einzug in die deutsche Politik gehalten hat. Das ist eng mit dem Antisemitismus verknüpft. Das ist bitter, aber darüber müssen wir offen und ehrlich reden.
Zu einer ehrlichen Debatte gehört es auch – und das hat der Expertenkreis ausgeführt –, dass offenbar junge Menschen aus dem arabischen Raum für judenfeindliche Einstellungen anfälliger sind als junge Menschen ohne Migrationshintergrund. Das ist weniger religiös begründet, sondern sie speist sich vielmehr aus einer Identifikation mit dem Nahostkonflikt. Je eher ich mich mit dem Nahostkonflikt identifiziere, desto eher bin ich anfällig für judenfeindliche Einstellungen.
Problematisch ist vor allen Dingen die große Unkenntnis der Beteiligten. Hier kommt der Schule auch eine große Verantwortung zu, und zwar hier nicht nur genau zuzuhören und einzuschreiten, sondern vor allen Dingen auch das Wissen über diesen Konflikt und das Judentum an sich zu vermitteln.
Der sogenannte neue Antisemitismus ist ehrlicherweise aus deutscher Perspektive nicht so neu, denn er findet in Deutschland Anschluss an einen israelbezogenen Antisemitismus der Linken, den wir kennen. Wir müssen offen und ehrlich ansprechen, dass das eine unheilvolle Allianz ist, die es zu durchbrechen gilt, meine Damen und Herren.
Zu dieser Debatte gehört aber auch die Vorsicht, dass wir bei all der Diskussion über muslimischen Antisemitismus aufpassen müssen, dass wir nicht die tatsächlichen Ursachen verdecken. Es hilft uns nichts, nur mit dem Finger auf Muslime oder den Nahostkonflikt zu zeigen, sondern es muss auch grundlegend über den Antisemitismus als eine menschenverachtende Ideologie gesprochen werden.
Es muss gehen um den Mechanismus der Ausgrenzung und der Abwertung, der Identitätssuche und Unterschiedlichkeit, flankiert durch das Vermitteln von objektivierbarem Wissen und Empathie für unser Gegenüber. Das machen wir gemeinsam mit unseren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern und unseren muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern für ein friedliches Deutschland, zu dem wir alle gehören, ganz gleich, ob wir glauben oder nicht. – Danke schön!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Cannabisprodukte sind als Genussmittel in Deutschland verboten. Anbau, Besitz und Handel stehen unter Strafe, und das ist auch gut so!
Von keiner anderen illegalen Droge sind mehr Menschen hierzulande abhängig wie von Cannabis. Keine andere Droge in Deutschland füllt derart viele Suchteinrichtungen und Therapiemaßnahmen - -.
Illegale Droge! Keine andere illegale Droge! Wir reden hier über Cannabis, und keine andere Droge wird gleichzeitig derart verharmlost wie Cannabis, meine Damen und Herren!
Deswegen wehre ich mich entschieden gegen den gerade von Legalisierungsbefürwortern immer wieder erweckten Eindrucks, ein bisschen zu kiffen schade nicht! Meine Kollegin Frau Dertwinkel wird später zu den erheblichen gesundheitlichen Auswirkungen von Cannabiskonsum, gerade in der Pubertät, Stellung nehmen.
Wer bei diesen erschreckenden Befunden die Schuld des gesellschaftlichen und beruflichen Abdriftens von Cannabissüchtigen bei der Strafverfolgungsbehörde verortet und gleichzeitig die Legalisierung befürwortet, der verkehrt die Wirklichkeit ins Gegenteil, meine Damen und Herren! Wir haben hier eine andere Auffassung!
Sie behaupten, mit einem legalen Cannabismarkt könnten wir auch den Schwarzmarkt kontrollieren und damit den Jugendschutz besser durchsetzen. Schauen Sie sich den Alkoholmarkt an! Wir haben es bis heute nicht geschafft, Kindern und Jugendlichen den Zugriff auf Alkohol zu untersagen, weil es immer wieder Menschen gibt, die Alkohol für andere kaufen werden. Glauben Sie, dass sich das ändert, wenn Sie Cannabis freigeben?
Glauben Sie, dass die Dealer dann beim Arbeitsamt anstehen werden? Sie werden sich neue Wege auf dem Schwarzmarkt suchen, um die Konsumenten
zu bedienen, und jede Legalisierung hat bis jetzt auch dazu geführt, dass der Preis für Cannabis ansteigt. In Colorado beispielsweise ist der Cannabispreis erheblich angestiegen. Der Cannabispreis für medizinische Zwecke liegt in Deutschland bei 25 Euro, mehr als doppelt so viel wie auf dem Schwarzmarkt. Was glauben Sie also, wo sich die Konsumenten in Zukunft bedienen werden, meine Damen und Herren?
Deswegen ist die Forderung nach einer Legalisierung für uns absolut unverständlich und daher zurückzuweisen.
Von Ihnen kommt dann immer wieder das Argument, erwachsene, besonnene, verantwortungsvolle Menschen möchten einfach einmal nach der Arbeit einen Joint anzünden, das müsse doch möglich sein!
Ich verweise auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1994, das immer wieder von den Befürwortern falsch zitiert wird. Im Leitsatz steht nämlich, es bestehe kein Anspruch, kein Recht auf Rausch, und weiter führen die Verfassungsrichter aus, dass man Cannabis und Alkohol ungleich behandeln darf, das eine also verbieten und das andere legalisieren. Es ist nämlich rechtlich schon ein Unterschied, ob ich nach dem Essen einen Rotwein trinke oder einen Joint rauche, und ich sage ganz klar - -.
Das ist vielleicht für Sie Lifestyle, aber für mich ist der Schutz der Gesundheit von jungen Menschen wichtiger als der Lifestyle von Erwachsenen, meine Damen und Herren!
Mich überzeugt auch dieser Entkriminalisierungsbegriff nicht vollends, weil die Strafprozessordnung heute schon der Justiz einen breiten Spielraum einräumt, Strafverfahren gegen junge Menschen bei Eigengebrauch auch einzustellen, und davon wird auch regelmäßig Gebrauch gemacht beziehungsweise werden Suchttherapiemaßnahmen angeordnet.
Insgesamt hat sich doch unser generalpräventiver Ansatz europaweit bewährt, das ist unsere Position, und deswegen sind wir gegen einen Alleingang Bremens bundesweit, meine Damen und Herren!
Deshalb werden wir Ihre Forderung nach einer staatlich kontrollierten Vergabestelle, Ihre Forderung nach einer Anhebung der Bagatellgrenze und vor allem Ihre aus meiner Sicht wirklich abenteuerliche Forderung, in den eigenen vier Wänden Cannabispflanzen anzubauen, ablehnen. Das ist nicht nur ein Bürokratiemonster, Sie bleiben uns vor allem die Antwort schuldig, wie Sie das kontrollieren wollen. Wollen Sie in Zukunft weniger Staatsanwälte und Richter einstellen, um Gewächshäuser zu kontrollieren, oder wie soll das funktionieren?
Die Idee des Heimanbaus ist nicht nur ein verheerendes Signal, weil Sie die jungen Menschen quasi dazu auffordern, sich zu Hause in den eigenen vier Wänden auszuprobieren, es wäre auch ein unkontrollierter Markt, weil Sie keinen Zugriff hätten, und die Gefahren sind hier viel zu groß, als dass wir das mitmachen könnten.
Mit der schlichten Anhebung der Bagatellgrenze haben Sie eigentlich auch nicht viel gewonnen, außer dass Sie den Konsum für weitere Personen interessanter machen, denn die Strafverfolgungsbehörden sind nach Paragraf 163 StPO weiterhin dazu angehalten, die Straftaten zu verfolgen. Das heißt, mit der schlichten Anhebung der Geringfügigkeitsgrenze werden Sie weder die Polizei entlasten noch die Konsumenten entkriminalisieren. Sie werden allenfalls die Staatsanwaltschaft entlasten, aber das steht nicht im Verhältnis zu den Gefahren, die sich aus der Legalisierung ergeben.
Ich komme zum Schluss.
Wir haben auch eine klare Position, was den THCWert im Straßenverkehr angeht. Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2005 einen Grundwert festgelegt. Oberverwaltungsgerichte in Deutschland halten sich an diese Rechtsprechung, auch das OVG Bremen, und deswegen sehen wir auch politisch überhaupt keinen Bedarf, gerade mit Blick auf
die jüngst vom BGH wiederholte Feststellung, dass jemand auch dann fahrlässig handelt, wenn er nicht einmal vor Fahrtantritt Cannabis konsumiert hat. Deswegen gibt es für uns auch keine politische Notwendigkeit, hier einen neuen Grenzwert festzulegen. Deshalb werden wir Ihre Anträge ablehnen. Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag! - Danke schön!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir debattieren heute zum dritten Mal innerhalb der letzten 18 Monate das Thema Personalsituation bei der Bremer Strafjustiz, heute ist das zweite Mal im Rahmen einer Aktuellen Stunde. Der Anlass sind erneut Entlassungen aus der Untersuchungshaft wegen Überlastung der Strafkammern.
Das Ressort hat in den letzten 18 Monaten Maßnahmen unternommen, um die Probleme bei der Bremer Justiz im Allgemeinen und in der Strafjustiz im Besonderen anzugehen. Nach dem Stand von heute sind im Jahr 2017 mehr Richter beschäftigt als im Jahr 2016. Das ist erfreulich, aber mein Fazit fällt dennoch ernüchternd aus: Sie verwalten weiterhin einen Mangel. Ihr sogenannter Ausnahmezustand ist längst zu einem Dauerzustand geworden.
Alles ist auf Kante genäht, und es gibt ganz offensichtlich keine Spielräume mehr. Die Haftentlassungen sind leider ein Beispiel dafür.
Von den neun Strafkammern haben sieben Überlast angezeigt, nur noch zwei laufen im Haftturnus. Es ist eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis auch eine dieser beiden Kammern Überlast mit zahlreichen Folgen anzeigt, aber vor allem wächst der Bestand. Im Bestand befinden sich etwa 35 bis 40 Altfälle, die schon über zehn Jahre schlummern. Es sind keine Kleinkram-Fälle, sondern zum Teil schwere Gewalt- und Sexualdelikte, meine Damen und Herren! Das habe ich gesagt, und das sage ich noch einmal, das ist eine Blamage für die Justizpolitik.
Man muss kein scharfsinniger Analytiker sein, um zu verstehen, dass das mit der wachsenden Anzahl der Haftsachen nur mit zusätzlichem Personal geregelt werden kann. Deswegen haben wir vor etwa fünf Monaten eine seriöse Forderung formuliert, nämlich sechs zusätzliche Richterstellen zur Verfügung zu stellen. Im Übrigen ist das auch eine Forderung der FDP.
Wir haben hier darüber beraten. Die einhellige Meinung ist gewesen, dass wir diese Verstärkung
brauchen. Die Koalition hat gesagt, dass wir unseren Antrag noch einmal im Rechtsausschuss beraten wollen, und deshalb haben wir ihn überwiesen. Letztlich ist er dort beerdigt worden. Frau Kollegin Aulepp hat die Situation gestern anders dargestellt, und deshalb möchte ich Folgendes deutlich machen: Sie haben unseren Antrag im Rechtsausschuss mit dem Hinweis abgelehnt, dass eine Strafkammer in Bremerhaven eingerichtet werden wird. Das war die Begründung, aber nicht irgendein Programm „Sichere Stadt“.
Wir haben sechs zusätzliche Richterstellen gefordert. Die Kammer in Bremerhaven ist aus dem internen Pool besetzt worden. Wir haben das natürlich hinnehmen müssen, weil Sie den Antrag abgelehnt haben.
Ich möchte noch einmal deutlich machen, dass diese Strafkammer Altverfahren in Bremerhaven abarbeiten sollte und dass es durch den Wegfall von Reisetätigkeiten auch zu einer Ressourcensteigerung kommt. Wir haben das hingenommen und haben gesagt, wir schauen uns das an, denn Sie haben auch zugesagt, dass Sie eventuell nachsteuern. Das ist die Theorie. In der Praxis hat diese Strafkammer in Bremerhaven nach nur zwei Wochen Überlast angezeigt, aber nicht, weil sie durch die Bearbeitung der Altfälle überlastet gewesen wäre, sondern weil bei ihr fünf Haftsachen und ein riesengroßer Fall eingegangen sind, in dem es um Kokainschmuggel in einer Größenordnung von 800 Kilogramm und sechs Angeklagten geht. Bis zum Heiligabend wird fast täglich verhandelt, aber nicht in Bremerhaven, sondern in Bremen, weil die Sicherheitsstandards in Bremerhaven nicht ausreichen. Meine Damen und Herren, so viel zu Ihren Effektivierungsmaßnahmen durch Wegfall von Reisetätigkeiten und den Abbau von Altfällen!
Mit dieser Maßnahme, die nach zwei Wochen jämmerlich verpufft ist, haben Sie unsere seriöse Forderung nach sechs zusätzlichen Richterstellen abgewürgt, meine Damen und Herren! Deswegen bleibt sie auch weiterhin bestehen.
Sie bleibt auch weiterhin trotz Ihres Programms „Sichere Stadt“ bestehen, denn diese Stellen sind keine dauerhaften Stellen. Sie sind nur bis zum
Jahr 2019 finanziell hinterlegt und sind eine temporäre Maßnahme, um über diese Krisenzeit einmal wieder hinwegzukommen. Wir brauchen aber eine dauerhafte Lösung für die Strafjustiz, meine Damen und Herren!
Sie arbeiten ganz offensichtlich nach dem Prinzip Hoffnung: Möglicherweise gehen die Haftzahlen zurück. Möglicherweise können wir mit den bestehenden Haftsachen zukünftig die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts einhalten. Vielleicht ergeben sich auch neue Kapazitäten durch den Wegfall eines großen Falles. Vielleicht bekommen wir keinen neuen Fall mehr in den nächsten zwei Jahren. Vielleicht spielt Werder ja auch demnächst in der Champions League.
Wenn Sie so weitermachen, dann steigen Sie eher in die zweite Liga ab, denn mit dem Prinzip Hoffnung kann man weder in der Bundesliga verweilen noch einen funktionierenden Rechtsstaat aufrechterhalten, meine Damen und Herren! Das ist sehr, sehr ärgerlich!
Ich kann vor allem die Polizistinnen und Polizisten in Bremerhaven sehr gut verstehen, die verärgert und frustriert sind, dass sich insbesondere solche Typen, die der Polizei seit Jahren auf der Nase herumtanzen, in sozialen Netzwerken dafür abfeiern lassen, weil sie angeblich den deutschen Rechtsstaat in die Knie gezwungen haben. Dass wir vor solchen Typen diese Schwäche zeigen, das ist kaum zu ertragen, meine Damen und Herren!
Selbstverständlich ist das Thema auch emotional. Wenn wir das Verhalten dieser Typen auf die rein juristische Ebene herunterbrechen, dann handelt es sich um Vergehenstatbestände. Dafür waren die Angeschuldigten bereits fünf Monate lang in Haft. Mit zunehmender Untersuchungshaftdauer vergrößert sich auch das Gewicht des Freiheitsanspruchs gegenüber dem Anspruch des Staates auf Durchführung eines Strafverfahrens - so das Bundesverfassungsgericht -, und entsprechend hat die Generalstaatsanwaltschaft entschieden.
Sie hat zunächst die Haftbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen, um ihr dann drei Wochen später stattzugeben, weil nunmehr die Haftfortdauer mit Blick auf den Beschleunigungsgrundsatz nicht mehr verhältnismäßig gewesen ist. Das Oberlandesgericht ist dieser Rechtsauffassung gefolgt, hat die Haftbeschwerden aufgehoben und die Entlassung angeordnet. Meine Damen und Herren, das ist rechtlich unproblematisch. Umso irritierter war ich, als ich zur Kenntnis nehmen musste, dass Herr Staatsrat Schulz diese normative Entscheidung des Oberlandesgerichts öffentlich kritisiert hat. Meine Damen und Herren, in diesem Hause steht es niemandem zu, unseren Richtern Empfehlungen zu geben, wie sie ihre Fälle zu entscheiden haben, und erst recht nicht einem Justizstaatsrat.
Nein, das machen wir nicht dauernd! Das hat bei mir schon einen Déjà-vu-Effekt ausgelöst.
Als nämlich im Mai 2016 die ersten Angeschuldigten aus der Untersuchungshaft entlassen worden sind, hat der „Weser-Kurier“ bei Herrn Professor Stauch, dem Vorgänger von Herrn Schulz, angefragt, ob demnächst weitere Haftentlassungen anstehen würden. Professor Stauch hat geantwortet - ich zitiere -: „Das Landgericht bemüht sich, das zu verhindern.“ Man sei im Vergleich zu anderen Bundesländern personell ordentlich ausgestattet, bedauerlicherweise sei das ein Organisationsproblem des Gerichts.
Heute argumentiert das Ressort, Personalprobleme seien nicht das Problem, dieses Mal auch nicht die Selbstorganisation des Gerichts, sondern die zweifelhafte Entscheidung des Oberlandesgerichts. Meine Damen und Herren, persönliche, politische Verantwortung kann man nicht so einfach von sich weisen.
Sie haben von einem Fingerspitzengefühl gesprochen. Ich finde, Sie haben dieses Fingerspitzengefühl vermissen lassen, als Sie diese Entscheidung kritisiert haben. Ich war deshalb irritiert, weil ich Sie im Rechtsausschuss anders wahrnehme, breiter
aufgestellt und nicht als Verfechter der Benchmarkisierung der Justiz. Deswegen bin ich optimistisch, dass Sie auch weiterhin die drängenden Probleme gerade in der Strafjustiz im Rechtsausschuss seriös und sachlich angehen, und zwar so, wie wir es im Rechtsausschuss übrigens immer zu tun pflegen.
Wir müssen uns natürlich über viele Fragen unterhalten, auch über die Ökonomisierung der Abläufe und der Prozesse an den Gerichten. Vor allen Dingen müssen wir uns aber über die Frage unterhalten, wie eine angemessene Personalausstattung der Justiz auszusehen hat, denn Sie sind uns immer noch die Antwort auf die Frage schuldig, wie die Altfälle abgebaut werden sollen, meine Damen und Herren!
Mit dem von Ihnen aufgelegten Programm, das nur bis 2019 gilt, können Sie keine dauerhafte und planbare Strategie auszeigen. Deswegen halten wir nach wie vor an unserer Forderung der Einrichtung von seriösen sechs zusätzlichen dauerhaften Stellen in der Strafjustiz fest, weil das die Mindestvoraussetzung ist, um endlich an die Altfälle herangehen zu können, meine Damen und Herren! - Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Ihnen vorliegenden Großen Anfrage möchten wir auf ein sehr wichtiges Thema hinweisen, nämlich Gewalt und sexualisierte Gewalt gegenüber Kindern und Frauen. Ein Thema, das sehr, sehr lange tabuisiert worden ist. Erst in den Anfängen der 70er-Jahre des 20. Jahrhunderts haben Frauenhäuser damit begonnen, das Thema überhaupt öffentlich zu machen. Wir kennen eine Studie aus dem Familienministerium, wonach jede Frau im Alter ab 16 Jahren mindestens einmal in ihrem Leben Gewalt oder sexuelle Gewalt erfahren hat. Die Zahl liegt bei 40 Prozent. Das ist eine erschreckende Zahl. Als Risikofaktoren werden immer wieder Trennungen, Trennungsabsicht oder auch Gewalterfahrung in der Kindheit oder in der Jugend angegeben. Jede Erfahrung von Gewalt, ob psychischer oder physischer Art, ist eine Verletzung der Integrität, der Würde der Frau, und wir müssen hier mit entsprechenden Maßnahmen diesen Frauen eine entsprechende Unterstützung anbieten.
Gewalt gegenüber Kindern und Frauen wird überwiegend in der Partnerschaft ausgeübt, und das macht es auch so schwierig, einzugreifen und auch entsprechende Hilfsangebote anzubieten, weil die Partnerin den Partner auch nicht teilweise anzeigen möchte oder auch aufgrund von Scham gar nicht erst um Hilfe ersucht bei der Polizei. Die geschädigten Frauen geben häufig an, dass sie nicht das erste Mal Gewalterfahrungen machen, und meine Gespräche mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in Bremen zeigen, dass Frauen, die Gewalterfahrungen erlebt haben, so schlimm sich das auch anhört, sich bewusst oder unbewusst immer wieder einen Partner suchen, der schlägt. Da ist tiefenpsychologisch von Fall zu Fall zu schauen, was
das bedeutet. Es zeigt aber die enorme Bedürftigkeit dieser Frauen auf sowie die Notwendigkeit, hier einzugreifen und auch entsprechende passgenaue Hilfemaßnahmen anzubieten.
Das Gleiche gilt auch für Kinder, die Gewalt in der Familie erfahren. Sie erleben das als Normalität und geben es selbst dann weiter von Generation zu Generation. Das ist ein Teufelskreis, meine Damen und Herren! Frauen fühlen sich hilflos und wissen nicht so recht, wie sie mit dem Erlebten umgehen sollen. So berichten viele Mitarbeiter in Bremen. Viele sprechen mit niemandem über die erlebte Gewalt, und wenn sie sich einmal jemandem anvertrauen, dann meist im familiären Umfeld, und diese Personen sind dann selbst auch ein Stück weit hilflos und wissen nicht wohin mit dem, was sie erfahren haben. Das zeigt noch einmal, dass staatliche Einrichtungen und Hilfsorganisationen angehalten sind, noch mehr ihre Angebote auch in die Öffentlichkeit zu tragen, damit möglichst viele Menschen auch von den guten Angeboten, die wir auch in Bremen haben, in Kenntnis gesetzt werden.
Die Unkenntnis hat auch etwas mit einem großen Problem zu tun im Bereich der Sanktionierung der Täter. Es gibt eine bedauerliche Tendenz, dass es bei sexualisierter Gewalt gegenüber Kindern, Jugendlichen und Frauen nur sehr selten zu einer Anklage kommt, geschweige denn zur Eröffnung einer Hauptverhandlung. Die Anzeigebereitschaft ist sehr gering. Die Aufklärungsrate ist sehr gering. Das ist insbesondere dem Umstand geschuldet, weil bei dieser Tatzeit eben nur Täter und Opfer anwesend sind, und die Frauen entscheiden sich dann manchmal aus Angst oder manchmal auch, weil sie mit dem Partner, der geschlagen hat, wieder in einer Beziehung stehen, dagegen, vor Gericht oder bei der Polizei entsprechend auszusagen.
Das Dunkelfeld ist auch deshalb so schwierig zu ermitteln, weil die Statistiken gar nicht erst vorliegen beim Senat. Das können wir auch aus diesen Antworten ersehen, meine Damen und Herren! Es werden bei der Statistik ausschließlich häusliche Gewalt, nur Ehepartner oder Lebenspartner geführt, und der gesamte andere Bereich Gewalt in Beziehungen wird völlig ausgeklammert. Ein riesiger Bereich, den wir nicht erfassen können.
Ein weiteres Problem ist, wie überhaupt dies Angebot von den Opfern angenommen wird. Auch darüber haben wir keinerlei Erkenntnisse, und auch da müssten wir eigentlich entsprechende Anstrengungen unternehmen, um Erkenntnisse darüber zu
erlangen, wie diese Angebote überhaupt angenommen werden.
Ein letzter Punkt ist mir ein besonderes Anliegen. Frau Müller hat es eben in Bezug auf die jungen Männer angesprochen. Wir haben in Bremen wirklich kaum, so gut wie überhaupt keine Angebote für Männer, die von häuslicher Gewalt betroffen sind. Seriöse Studien sprechen von etwa 20 Prozent der Opfer. Das ist nicht wenig. Viele Männer trauen sich genauso wenig wie Frauen, über diese Verletzungsoffenheit auch zu sprechen, weil die Gesellschaft Männer ja eher dazu erzieht, stark und kräftig zu sein. Deswegen sollten wir hier Anstrengungen unternehmen, noch weitere Angebote für Männer, die von Gewalt betroffen sind, in Bremen anzubieten. Hier ist Nachholbedarf, meine Damen und Herren!
Ganz entscheidend ist natürlich die Sensibilisierung der Gesellschaft für diese Phänomene, um diese Verletzungsoffenheit und Hilfslosigkeit der Männer, Frauen und Kinder auch sichtbar zu machen, und auch diesem Ansinnen diente diese Große Anfrage. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zwei Mordfälle im Raum Freiburg aus dem Herbst des Jahres 2016, die auch sehr breit diskutiert worden sind, haben die Frage aufgeworfen, ob insbesondere die StPO-Regelungen zur molekulargenetischen Untersuchung noch zeitgemäß sind.
Seit der erstmaligen Einführung der Paragrafen 81e und f hat sich die Wissenschaft unbestreitbar enorm weiterentwickelt, und die beiden Verbrechen an den Mädchen haben auch die natürlichen Grenzen der DNA-Analyse nach der bestehenden StPO-Regelung deutlich gemacht. Wenn wir nämlich die DNAIdentifikationsmuster mit der DNA-Datenbank des Bundeskriminalamtes abgleichen und es zu keinem Treffer führt, dann führen die Ermittlungsergebnisse erst einmal ins Leere, obwohl ja den Wissenschaftlern im Labor alle weitergehenden Informationen zum Erbgut des Täters vorliegen. Wir dürfen nur nicht darauf zugreifen, weil die gesetzlichen Grundlagen fehlen.
Das ist aus unserer Sicht mittlerweile untragbar, und das ist vor allem auch den Opfern und den Angehörigen von schweren Verbrechen überhaupt nicht mehr vermittelbar, meine Damen und Herren. Deswegen fordern wir auch, eine entsprechende erweiterte DNA-Analyse einzuführen. Es drängt sich nämlich geradezu auf, die Fortschritte der Wissenschaft aufzugreifen und den Weg für DNA-Analysen zu bereiten, die äußerlich erkennbare Merkmale und auch die biografische Herkunft erfassen.
Dabei sind natürlich Grenzen zu beachten, verfassungsrechtliche Grenzen und Grenzen der Menschenwürde. Sie ergeben sich primär aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, und sie sind dann betroffen, wenn der Kern
Landtag 4064 52. Sitzung/09.11.17
dieses Persönlichkeitsrechts angetastet wird. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn Feststellungen über Charaktereigenschaften getroffen werden oder aber charakterbezogene Persönlichkeitsmerkmale. Im Gegensatz dazu werden bei der Feststellung der Hautfarbe, der Augenfarbe oder auch des Alters lediglich äußerlich erkennbare Merkmale festgestellt, die für jedermann ersichtlich sind, und die zum Teil auch im Personalausweis niedergeschrieben sind. Somit sehen wir mit Blick auf die Garantie der Menschenwürde im Grundgesetz bei einer Erweiterung des Paragrafen 81e keinerlei Bedenken.
Gleiches gilt auch für die Feststellung der biografischen Herkunft. Sie führt ebenso wenig zu einem Persönlichkeitsprofil, aber natürlich ist auch hier, wie bei der Bestimmung der Hautfarbe, gerade im besonderen Maße darauf zu achten, dass die Ermittlungen vorurteilsfrei und nicht stigmatisierend und geradezu in einen Racial Profiling münden. Dazu müssen natürlich Verhältnismäßigkeitsgrundsätze gewahrt werden und Vorkehrungen, damit festgestelltes Material eben nicht zur Ausforschung der Persönlichkeit führt.
Wir reden hier natürlich von einem Wissenschaftsthema. Ich habe mir im Vorfeld die Argumente angeschaut, und ich möchte sie auch nicht von der Hand weisen, vor allem auch die Kritik im Hinblick auf die Zweifel bei der Erforschung der Herkunft. Aus meiner Sicht aber sind sie nicht vollends überzeugend, und vor allem haben sie auch nicht das Gewicht, um das Persönlichkeitsrecht zu tangieren. Ich möchte den Kritikern entgegenhalten, dass die Eingrenzung des Täters zum Schutz der Persönlichkeitsrechte von unbeschuldigten Menschen führt.
Der eine oder andere mag sich vielleicht an den Fall im Jahr 2003 in den Niederlanden erinnern. Dort ist in unmittelbarer Nähe in einer Flüchtlingsunterkunft ein Mord begangen worden. Die Stadt hat gleich automatisch die Flüchtlinge beschuldigt. Die ganze Stadt war in heller Aufruhr, es herrschte eine enorm vergiftete Stimmung, und die Staatsanwaltschaft war geradezu aufgefordert zu handeln. Sie haben ohne gesetzliche Grundlage eine erweiterte DNA-Analyse angeordnet, und sie führte zu dem Ergebnis, dass der Täter ein Nordeuropäer ist. Das hat die Situation beschwichtigt, und dadurch kann man, wie man an diesem Fall sieht, Persönlichkeitsrechte von unbeteiligten Menschen schützen.
Daran halten wir fest, meine Damen und Herren, und werden den Änderungsantrag der SPD ablehnen. Genauso wie wir auch den
Änderungsantrag der FDP ablehnen, weil sie den Anwendungsbereich der erweiterten DNAAnalyse, der wir grundsätzlich zustimmen, zu stark eingrenzen will. Wenn es nach der FDP geht, würden - -.
Genau, aus Ihrer Sicht eingrenzen, eine Eingrenzung, die ich nicht für sinnvoll erachte! Wenn es nach der FDP geht, würden zum Beispiel Wohnungseinbrüche nicht mehr in den Anwendungsbereich fallen, und gerade mit Blick auf die Probleme, die das Land Bremen mit Serientätern hat, kann das überhaupt nicht überzeugen, meine Damen und Herren!
Unsere Grenze sind die Bagatelldelikte, beispielsweise Fahrraddiebstahl, oder Antragsdelikte, wie Beleidigungen. Bei allen Straftaten, die oberhalb dieser Bagatellgrenze liegen, soll grundsätzlich eine erweiterte DNA-Analyse angewendet werden, natürlich nach erfolgloser Treffersuche bei der BKA-Datenbank.
Letztendlich, und das möchte ich zum Abschluss sagen, ist die DNA-Analyse kein Allheilmittel. Sie ist aber eine sinnvolle Hilfe für die Ermittlungsbehörden, und sie hat eine geradezu überragende Indizwirkung. Deswegen bitte ich um die Zustimmung zu unserem Antrag. - Danke schön!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Markt für Glücksspiel in Deutschland ist traditionell streng reglementiert und staatlich dominiert, und das ist auch gut so, Herr Professor Dr. Hilz.
Wir sind weiter gegen die uferlose Öffnung des Glücksspielmarktes für private Anbieter,
weil für uns die Gefahren der Spielsucht im Fokus stehen. Wir können dem nicht begegnen,
indem wir einfach den Markt komplett für alle Anbieter öffnen.
In Bremen leben schätzungsweise 6 000 bis 8 000 spielsüchtige Menschen, bundesweit sind es etwa eine halbe Million Menschen. Die Allermeisten davon haben ein Problem mit Automaten. Sie sorgen für 60 bis 80 Prozent des Gesamtumsatzes. Das ist das Geschäftsmodell dieser Betreiber, das muss man in aller Deutlichkeit sagen. Mit Gelegenheitsspielern jedenfalls kann man einen solchen Betrieb nicht aufrechterhalten.
Darauf zielt auch das Bremer Spielhallengesetz. Die Mitarbeiter sind angehalten, diese Spieler zu sehen, sie auf ihr Verhalten aufmerksam zu machen und sie gegebenenfalls dabei zu unterstützen, sich sperren zu lassen.
Dabei scheint in der Praxis einiges nicht richtig zu laufen. Darauf verweist eine aktuelle Studie in Bremen. Einige Betreiber in Bremen scheinen es mit der Kontrolle nicht so ernst zu nehmen. Das muss man in aller Deutlichkeit ansprechen, meine Damen und Herren.
Am Ende geht es, wie so oft, um wirtschaftliche Interessen der Betreiber auf der einen Seite und den Schutz der Spieler auf der anderen Seite. Natürlich wirken sich die Einschränkungen seit Juli 2017 negativ auf die Rentabilität der Spielhallen aus. Aber das Grundgesetz gewährleistet keine Rentabilität für Spielhallen, und so hat - zu Recht, wie ich denke - das Bundesverfassungsgericht in seinem Spielhallenbeschluss deutlich gemacht, dass diese Beschränkungen - etwa das Abstandsgebot - mit Blick auf den Spielerschutz verfassungsgemäß sind. Das begrüßen wir außerordentlich.
Eben diese Abstandsregelung von 250 Metern wird dazu führen, das Angebot zu reduzieren. Dadurch steigert sich auch automatisch die Chance, diesen Markt dauerhaft kontrollieren zu können. Das setzt natürlich voraus, dass die Gesetze umgesetzt werden. Dabei scheinen in der Tat momentan Vollzugsprobleme sichtbar zu werden. Jedenfalls kann man im Bundesgebiet nicht von massenhaften Schließungen von Spielhallen sprechen. Im Gegenteil, es werden weiterhin großzügig Gnadenfristen erteilt und von Härtefallregelungen sowie von sogenannten Duldungsvereinbarungen Gebrauch gemacht, die rechtlich problematisch sind, da das Verwaltungsrecht ein solches Konstrukt nicht kennt, und das trotz fünfjähriger Vorlaufzeit.
Stadtbürgerschaft 3622 47. Sitzung/23.08.17
Das ist schon ein ernüchterndes Ergebnis. Das ist der legale Bereich.
Bauchschmerzen bereitet auch der illegale Bereich. Dort haben wir einen Zuwachs von 20 bis 30 Prozent. Herr Professor Dr. Hilz, Sie haben recht, seriöse Studien sprechen von 18,6 Milliarden Euro Umsatz im letzten Jahr. Über 200 Internetanbieter bieten über das Internet illegales Glücksspiel an. Über 400 deutschsprachige Seiten können von Bremen aus abgerufen werden. Es gibt keinen Spielerschutz, keinen Jugendschutz und keine gemeinsamen Sperrdateien. Wenn wir den Glücksspielstaatsvertrag ernst nehmen, dann müssen wir ihn auch wehrhaft machen.
Das Argument, dass die Betreiber im Ausland sitzen, zieht nicht wirklich, denn es ist möglich, diese Finanzströme zu kappen. Bwin beispielsweise musste sich wegen Paymentblocking komplett aus Griechenland herausziehen. Das ist auch in Deutschland möglich. Im Glücksspielstaatsvertrag 2012 ist das manifestiert. 16 Bundesländer haben es unterschrieben. Die Banken und Kreditinstitute können verpflichtet werden, die Geldströme trockenzulegen. Es ist also rechtlich möglich, es ist technisch möglich, und es ist vor allem unter Wahrung datenschutzrechtlicher Gesichtspunkte möglich. Dass es nicht getan wird, ist ein Vollzugsdefizit, das geradezu dazu ermuntert, den illegalen Markt weiter auszudehnen. Das ist ein großes Problem.
Ich komme zum Schluss! Trotz dieser kritischen Stimmen möchten wir die Evaluation abwarten und die notwendigen Konsequenzen ziehen. Wir werden jedenfalls dem Änderungsantrag in dieser Form zustimmen. - Danke schön!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zentraler Anlass dieser Großen Anfrage war die Tatsache, dass das Landgericht Bremen im letzten
Landtag 3477 46. Sitzung/15.06.17
Jahr fast ausschließlich Haftsachen verhandelt hat. Alle neu eingegangenen Strafsachen blieben unerledigt und kamen auf den ohnehin schon großen Berg unerledigter Verfahren, 208 aktuell, und davon sind etwa 50 Prozent Sexual- und Gewaltdelikte.
Eines davon ist durch die Presse gegangen, das Delikt des Sexualstraftäters aus Bremerhaven. Sein Fall datiert aus dem Jahr 2003, und bis heute ist keine Eröffnung des Hauptverfahrens erfolgt. In diesem Zusammenhang ist das passiert, was eigentlich das Schlimmste ist: Dieser Mann ist dringend tatverdächtig, sich im letzten Jahr zweimal an demselben Mädchen sexuell vergangen zu haben. Meine Damen und Herren, wenn schlichter Personalmangel am Landgericht dazu führt, dass in diesem Land Kinder sexuell missbraucht werden, dann erschüttert das nicht nur das Vertrauen in den Rechtsstaat, sondern das ist auch eine tiefe Demütigung der Opfer! Das ist unentschuldbar!
Mich ärgert das, und mich ärgert gewaltig, wenn ich sehe, wie der Senat auf meine Anfrage reagiert, ich zitiere: „Der in der Anfrage genannte beim Landgericht Bremen anhängige Fall lässt keine Rückschlüsse auf die Personalsituation beim Landgericht zu.“ Ja, was denn sonst? Da hat doch keiner Däumchen gedreht! Ich meine, welcher Richter lässt denn über Jahre so einen Fall einfach liegen? Diese Rhetorik ist dieselbe wie im letzten Jahr, als die Richter des OLG zwei Haftbefehle aufheben mussten, weil die Sechsmonatsfrist wegen Personalmangels nicht eingehalten werden konnte.
Wir können uns natürlich - und Frau Goldmann hat das im Rechtsausschuss ausführlich dargestellt - auch kontrovers über die Frage der internen Organisation unterhalten, aber etwas anderes ist es, wenn sich ein Justizsenator, der persönlich in der politischen Verantwortung für diesen Bereich steht, einfach der Verantwortung entledigen möchte, indem er lapidar sagt, das sei eine interne Organisation im Rahmen der richterlichen Unabhängigkeit. Das ist zu einfach, meine Damen und Herren!
Fakt ist nämlich, dass es im Kernbereich der Justiz seit Jahren kontinuierlich steigende Eingangszahlen gibt, beim Landgericht ein Rekordhoch. Trotz herausragender Erledigungszahlen in einigen Bereichen sind wir seit einem Jahrzehnt deutschlandweit Nummer eins. Das heißt,
die Richter und Staatsanwälte arbeiten seit Jahren richtig fleißig, und dennoch wächst der Bestand, meine Damen und Herren, am Landgericht 59 Prozent über dem Bundesschnitt, bei der Staatsanwartschaft 39 Prozent und selbst beim Amtsgericht für Zivilsachen 30 Prozent über dem Bundesschnitt. Die Verfahrensdauer liegt ebenfalls über Jahre hinweg drei bis vier Monate über dem Bundesschnitt. Das zeigt doch, dass wir über Jahre hinweg - das ist kein Sonderfall, und das ist auch nicht über Nacht über uns hereingebrochen - an Substanz verlieren und der Justizsenator verpasst hat, hier personell nachzusteuern.
Das ist nicht gottgewollt, das ist eine politische Entscheidung, meine Damen und Herren! Deswegen tragen Sie auch die politische Verantwortung dafür!
Weil Sie gebetsmühlenartig immer wieder Statistiken bedienen, sich auf die Eingangszahlen versteifen und sagen, das Landgericht wäre im Bundesvergleich in Bezug auf die Eingangszahlen gut ausgestattet: Wenn man das isoliert betrachtet, haben Sie ja auch recht, aber Sie blenden die gelebte Realität am Landgericht aus! Viele kleine und große Probleme machen das Gesamte erst zur Realität, und Sie können auch nicht einfach die Bestände, die nämlich auch Arbeit machen, einfach so ignorieren! Die Menschen haben natürlich einen Anspruch darauf, dass ihre Sache verhandelt wird, und Altbestände verursachen einen Aufwand. Die Eingangszahlen von heute können Sie auch nicht so einfach mit den Eingangszahlen von vor zehn Jahren vergleichen, weil die Fälle viel komplexer geworden sind und Strafkammern über Jahre blockieren. Deswegen ist die tatsächlich anfallende Arbeit auch statistisch sehr schwer zu messen.
Der Senat hat das eigentlich erkannt und schlägt auch vor, was man unternehmen sollte. Ich habe das im Positionspapier der SPD aus dem Januar 2017 gefunden, unterschrieben vom Justizsenator und vom Innensenator, ich zitiere: „Dem Bedürfnis nach mehr Sicherheit werden wir Rechnung tragen, indem wir auf die bereits jetzt deutlich gestiegenen Fallzahlen bei der Polizei und Justiz mit einer angemessenen Personalaufstockung reagieren und die Strafjustiz signifikant verstärken.“ Signifikant verstärken, meine Damen und Herren, das bedeutet für den Senat 1,1 Richterstellen bis Ende des Jahres. Wollen Sie uns eigentlich veralbern,
Landtag 3478 46. Sitzung/15.06.17
oder scheitern Sie am eigenen Anspruch?
Wie wollen Sie diese kontinuierlich gestiegenen Eingangszahlen und den riesigen Berg von Altverfahren eigentlich mit einer zusätzlichen Stelle bis zum Ende des Jahres bewältigen? Deswegen fordern wir Sie auf: Produzieren Sie keine Papiertiger, sondern hinterlegen Sie diese richtige Forderung auch mit vernünftigen Zahlen in den Haushaltsberatungen! Wir haben hier einen Vorschlag gemacht, damit wir endlich von diesem unmöglichen Verfahrensstau wegkommen, der auch dazu führt, dass just in diesem Moment draußen potenzielle Sexualstraftäter herumlaufen und eine Gefahr darstellen. Deswegen hilft es nicht, einfach nur zu reden, sondern wir müssen mit sechs zusätzlichen Richterstellen konkret handeln. Das ist unsere Forderung, und wir freuen uns, wenn Sie uns zustimmen, meine Damen und Herren! - Danke!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen und wo ich aufhören soll! Also, mir fällt da zuerst einmal nur ein, wenn man das Argument nicht angreifen kann, dann greift man die Person an!
Auch ich schätze Sie, Frau Aulepp, nach wie vor, aber Sie haben vor Kurzem noch eine Robe getragen, und dass Sie in dieser kurzen Zeit so die Haftung zu Ihren ehemaligen Kolleginnen und Kollegen verloren haben, das ist schon bemerkenswert!
Anders kann ich mir Ihren Vortrag nicht erklären, liebe Frau Aulepp!
Zu Ihnen, Frau Dogan: Sie haben offenbar meinen Vortrag nicht ganz - -. Irgendwie waren Sie vielleicht weg oder so. Schauen Sie noch einmal im Protokoll nach! Ich habe natürlich nicht gesagt, dass dieser Mann trotz dringenden Tatverdachts noch etwas gemacht hat, das lesen Sie bitte nach! Ich habe natürlich auch nicht verschwiegen, dass die Eingangszahlen über Jahre hinweg so sind, wie sie sind, das habe ich auch nicht verschwiegen.
Wenn Sie aber von Verstärkungen sprechen - Sie haben von sechs Verstärkungen im letzten Jahr gesprochen -, dann müssen wir uns auch genau anschauen, welche Verstärkungen das sind. 50 Stellen sollen es sein. Das sind Haushaltsstellen. Für uns als Haushaltsgesetzgeber ist das natürlich wichtig, aber was kommt tatsächlich beim Gericht an? Das sind im letzten Jahr 42,5 Stellen gewesen, 18 Zivilrichter, 25 Strafrichter, und diese wurden 2016 auch kräftig
von der Zivilkammer in die Strafkammer umgeschichtet. Das können Sie sehr gut in dem Bericht zur Lage der Justiz nachlesen, den wir dankenswerterweise nun endlich bekommen haben. Dort in der Anlage - wir werden es morgen ausführlich besprechen - sehen Sie die absoluten Zahlen bei der Zivilkammer in den Jahren 2015 und 2016, die nahezu identisch sind.
Wenn Sie weiter vorn schauen, dann sehen Sie, dass es bei den Erledigungen pro Richter allerdings einen enormen Ausschlag gibt, und das zeigt, dass dort die Kolleginnen und Kollegen über die gesamten Quartale umgeschichtet worden sind. Das kann man natürlich so machen, und das ist auch richtig, weil die Strafjustiz im Fokus der Öffentlichkeit steht, aber wenn Sie auf der einen Seite bei den Haftsachen ein Feuer löschen wollen, dann entfachen Sie auf der anderen Seite ein weiteres Feuer. Das sehen wir bei den unerledigten Verfahren bei der Zivilkammer: Die Zahlen sind auch nach oben geschossen, denn Umschichtungen sind keine Personalverstärkung, meine Damen und Herren! Wenn Sie die Feuer wirklich löschen wollen, dann müssen Sie Personal verstärken!
Jeder Wechsel in der Kammer führt zwangsläufig zu mehr Arbeit, und die Bestände wachsen. Wir haben eine enorme Personalfluktuation. Wir haben viele Proberichter, die ständig Stellen wechseln. Wir haben - und das haben wir abgefragt - eine enorme Anzahl an Halbtagsstellen, am Landgericht ein Drittel, am Amtsgericht ebenfalls ein Drittel. Wir haben viele Frauen, die in Elternzeit gehen, und wir haben Abordnungen. Alles das ist Gift für Kontinuität, und das muss bei einer glaubwürdigen Personalplanung auch mit berücksichtigt werden, meine Damen und Herren!
Ich weiß jetzt nicht genau, was Sie damit meinen, ich hätte hier aus irgendwelchen geheimen Akten zitiert oder so etwas, dieser Fall aus Bremerhaven ist doch öffentlich! Ich habe hier aus keiner nicht öffentlichen Sitzung zitiert. Bitte klären Sie mich auf, was ich hier falsch gemacht haben könnte, Herr Erlanson!
Mit Verlaub - und das muss ich hier auch in dieser Deutlichkeit sagen -: Sie tun fast so, als würde es sich bei der Richterschaft um eine dubiose Gruppe handeln, die Ihnen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen Richterstellen aus der Tasche ziehen wolle, obwohl sie sie gar nicht braucht! Was glauben Sie denn? Wovor haben Sie denn Angst? Dass Sie einen Richter einstellen und er dann im Gericht Däumchen
Landtag 3486 46. Sitzung/15.06.17
dreht? Die werden Jahre brauchen, um die Altbestände abzuarbeiten! Machen Sie das doch einfach!
Herr Zenner, zu den Servicestellen und Referendarstellen, Punkt zwei und drei: Bei den Servicestellen wurde lange Zeit eine Entwicklung verschlafen, keine Frage. Im letzten Jahr wurde das erkannt, aber Ausbildung braucht nun einmal Zeit, und die Servicestellen sind ein Nadelöhr. Wenn da eine Akte nicht kommt, zu spät oder falsch kommt, dann kostet das auf jeden Fall Zeit, und das hält den gesamten Betrieb auf! Wenn der Senat hier schreibt, die Ausstattung im Servicebereich liege im Bereich der durchschnittlichen Ausstattung im Bundesvergleich, dann muss ich sagen, dass wohl unerwähnt bleibt, dass das Landgericht schon lange dazu übergegangen ist, Referendare dazu abzuordnen, in den Verhandlungen Protokolle zu schreiben, weil die Servicestellen nicht mehr hinterherkommen, meine Damen und Herren! Das gehört auch zur Realität, und das hat Auswirkungen auf die Arbeit der Richter, wenn sie nämlich montags zur Arbeit kommen und sich die Akten selbst ziehen müssen, anstatt dass ihnen zugearbeitet wird.
Was die Referendarstellen betrifft, darüber müssen wir reden, dort sind die Bewerberzahlen von 100 auf zehn heruntergegangen! Da bewerben sich fast ausschließlich Frauen. Sie sind hervorragend qualifiziert, keine Frage, aber Frauen gehen auch eher in Elternzeit,
und wenn sie zurückkommen, haben sie Halbtagsstellen, wie wir es auch im Landgericht mit einem Drittel der Stellen sehen. Deswegen müssen wir auch den Pool derjenigen Kandidaten weiter verstärken, die für uns in Betracht kommen, indem wir wieder auf drei Jahrgänge steigern, denn wenn man Bremen zum Beispiel mit Bayern vergleicht,
dann rekrutiert Bayern etwa 44 Prozent aus dem eigenen Nachwuchs, in Bremen liegen wir bei 15 Prozent, und das ist nicht nur eine aktuelle Frage, sondern auch eine Frage, die in die Zukunft gerichtet ist im Kampf um die besten Juristen des Landes. Ich kann nicht auf alles eingehen. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Staatsrat, es haben sich mittlerweile 40 Altfälle angesammelt, und wie wir wissen, liegen einige davon jetzt schon seit fast zehn Jahren. Meine Frage ist: Welche Konsequenzen hat diese Nichtbearbeitung im Hinblick auf die Qualität der Zeugenaussagen und für die Ermittlungen der Strafverfahren?
Sie haben eben gesagt, dass das Gericht auch die Möglichkeit hatte, die Altverfahren anzugehen, es aber nicht konnte. Würden Sie sagen, dass dies ein Problem der internen Organisation ist und nicht einer chronischen Unterbesetzung der Gerichte?
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Schutzkonzept des Waffengesetzes beruht im Kern auf der Erlaubnispflichtigkeit des Schusswaffengebrauchs, soweit dieser nicht gänzlich verboten ist.
Voraussetzung dafür ist die Erteilung einer Erlaubnis, grundsätzlich Volljährigkeit, Zuverlässigkeit, die persönliche Eignung, die Sachkunde und das Bedürfnis für den Gebrauch der Schusswaffe. Registrierte Waffenbesitzer, meine Damen und Herren, müssen sich Schränke kaufen, einen Schrank für die Waffe, einen separaten Schrank für die Munition. Kontrolliert wird das jährlich, so die Theorie, durch das Stadtamt. Seit 2012 wird dafür eine Kontrollge
bühr von 139 Euro erhoben. Der vorsätzliche Verstoß gegen diese Aufbewahrungspflicht wird sogar mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bedroht.
Meine Damen und Herren, das Deutsche Waffengesetz ist seit dem Austritt von Großbritannien aus der EU, das schärfste Waffengesetz in der ganzen Europäischen Union und mit das Schärfste auf der ganzen Welt. Das Kernproblem beim deutschen Waffenrecht, das im Übrigen in den letzten zehn Jahren immer wieder angepasst und auch verschärft worden ist, sind nicht die vermeintlich laschen Regelungen, sondern die Menschen, die sich nicht an dieses Gesetz halten.
Der uns hier vorliegende Gesetzesentwurf fordert eine weitere Verschärfung des Waffengesetzes. Es sollen nämlich halb automatische, kriegsähnliche Schusswaffen gänzlich verboten werden. Dem liegt der Gedanke zugrunde: weniger Waffen, mehr Sicherheit. Ich möchte diese Gleichung einmal offenlassen.
Fakt ist allerdings, und das hat Frau Steiner auch schon angedeutet, Kriminelle und Terroristen gelangen viel einfacher an illegale Waffen als legale Waffenbesitzer an ihre Waffen. Dass Sie diesen Bereich des illegalen Waffenhandels komplett aus Ihrer gesetzlichen Initiative ausklammern, das kann ich aus sachlichen Gründen wirklich nicht nachvollziehen, meine Damen und Herren. Die Schusswaffe für das Attentat in München im letzten Jahr stammte aus dem Darknet. Vor diesem Hintergrund sich hier allein auf die legalen Waffenbesitzer zu fokussieren, ist etwas zu kurz gegriffen, meine Damen und Herren.
Des Weiteren sehe ich auch ein rechtliches Problem bei der Wiedereinführung der sogenannten Anscheinswaffenreglung. Sie galt ja nach Paragraf 37 des alten Waffengesetzes bis 2003. Das Problem, das wir hatten, war die objektive Feststellbarkeit der Kriegswaffenähnlichkeit. Das hat zu widersprüchlicher Rechtsprechung geführt und war ein zentraler Grund, weshalb der Bundestag und der Bundesrat von dieser Regelung Abstand genommen haben, und zwar vor allem auch im Hinblick auf das verfassungsrechtlich garantierte Bestimmtheitsgebot.
Der Rat für Justiz und Inneres hat diese Problematik offenbar ebenfalls gesehen und ist dem Vorschlag der Kommission nicht gefolgt. Sie möchten diesem Vorschlag aber folgen. Ich halte das für zumindest diskussionswürdig.
Meine Damen und Herren, wir als CDU-Fraktion respektieren die Belange der Sportschützen und Jäger, die sich freilich in einem strengen Rahmen bewegen müssen. Wir plädieren für ein restriktives Waffenrecht, bei dem jedoch ein angemessener Ausgleich zwischen dem Gefahrenpotenzial auf der einen Seite
und dem Interesse an einem privaten Besitz auf der anderen Seite geschaffen werden muss. Sinnvolle Maßnahmen aus dieser EU-Feuerwaffenrichtlinie, wie etwa der europaweite Datenaustausch in Form der Datenregister, klare Richtlinien zur Deaktivierung von sogenannten Doku-Waffen – wir wissen ja, dass in Paris solche Waffen eingesetzt worden sind –, aber natürlich vor allem das Bemühen bei der Bekämpfung des illegalen Marktes.
Wir begrüßen ausdrücklich, wenn es zu einer Vereinheitlichung des Waffenrechts auf europäischer Ebene kommen würde. Denn gerade wir als Deutsche haben ein herausragendes Interesse, dass die zurecht hohen Standards, die bei uns in Deutschland gelten, auch europaweit angesetzt werden würden. Jede weitere Absenkung der Standards würde automatisch auch zu einem Sicherheitsverlust bei uns in Deutschland führen. Dafür sollten wir uns auch bei den Mitgliedsstaaten einsetzen, meine Damen und Herren.
In diesem Zusammenhang müssten wir natürlich auch Mittel und Wege finden, wie wir dann dieses EU-Recht bei Staaten absichern, die eben nicht zur Europäischen Union gehören. Vor dem Hintergrund der offenen Grenzen werden wir sonst dort enorme Probleme bekommen. Vollautomatische Kriegswaffen aus dem Balkangebiet sind beispielsweise zuhauf auf dem deutschen Schwarzmarkt erhältlich.
Natürlich ist der Kampf gegen die illegalen Waffen – und damit komme ich zum Schluss – und den damit umgehenden Tätern deutlich komplexer und vor allem personalintensiv. Bei uns mangelt es ja leider beim Stadtamt teilweise schon an der Wahrnehmung der Pflichtaufgaben. Deswegen wäre es auch hier angebracht, diese Gesetzesinitiative mit einer ausgewogenen Personalausstattung beim Stadtamt zu flankieren, damit die jährlichen Kontrollen auch wirklich durchgeführt werden können, meine Damen und Herren.
Zwei Sätze noch zu dem Antrag der FDP! Wir beantragen die getrennte Abstimmung. Der Ziffer drei werden wir zustimmen, weil es eine alte Forderung der CDU ist. Bei den Ziffern eins und zwei werden wir uns enthalten, weil Ihr Antrag zwar richtige Feststellungen enthält, aber ich ehrlicherweise sagen muss, dass ich den sachlichen Zusammenhang zu dem hier eigentlich interessierenden Thema Deutsches Waffenrecht nicht wirklich erkennen konnte. Sie sprechen hier von der deutschen Sicherheitsarchitektur und bedienen gleichzeitig Begriffe wie Behördenversagen, Staatsversagen im Rahmen des Attentats in Berlin.
Das sind gewiss wichtige Fragen, aber ich hätte mir gewünscht, dass Sie dazu vielleicht einen gesonderten Antrag stellen, sodass wir eine gesonderte Debatte führen können. Dann würde ich mich dazu auch eingehend einlassen, meine Damen und Herren. – Danke!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Alle sieben Sekunden heiratet irgendwo auf der Welt ein Mädchen unter 15 Jahren einen wesentlich älteren Mann – das ist das Ergebnis einer Studie der Kinderschutzorganisation „Save the Children“.
(Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Schrecklich!] 2015 – so die Prognose – werden schätzungswei- se 1,2 Milliarden Mädchen dieses Opfer bringen. Von besonderer Bedeutung für uns ist der geradezu explosionsartige Zuwachs an Kinder- und Minder- jährigenehen in Syrien. Frau Dogan hat darauf hin- gewiesen: vor dem Krieg etwa 13 Prozent; aktuell über 50 Prozent. Durch Zuzug dieser Minderjähri- gen, auch aus Afghanistan und dem Irak, hat dieses Thema auch Deutschland erreicht. Die Frage ist – ich möchte mich, da Sie schon vieles vorweggenommen haben, auf rechtliche Aspekte konzentrieren –: Wie gehen wir in Deutschland mit im Ausland wirksam geschlossenen Ehen um? Die Rechtslage in Deutschland ist so, dass nach Pa- ragraf 1303 das Ehemündigkeitsalter 18 Jahre ist; eine Ausnahme ist für 16- bis 18-Jährige geregelt. Mit den ausländischen Ehen gehen wir momentan so um, dass wir über Artikel 14 EGBGB einfach das ausländische Recht hier anwenden; das läuft auto- matisch ohne Probleme. Das ist ehrlicherweise eine Privilegierung, denn wir wenden nicht den Standard an, den wir aus Paragraf 1303 kennen, sondern wir gehen großzügiger damit um. So kam es zu dem Fall beim Zweiten Familiensenat im OLG Bamberg, dass dort der Senat die Ehe zwischen einer 14-Jährigen und einem 21-Jährigen anerkannt hat, was eigent- lich nach deutschem Recht nicht möglich ist. Wir als CDU-Fraktion möchten in Zukunft auch solche Ehen aus dem Ausland unter Minderjährigen, die unter 16 Jahre alt sind, verboten sehen. (Beifall CDU, LKR)
In der Praxis geht es aber in erster Linie um die Fälle 16 bis 18; die machen etwa zwei Drittel aus. Das geht auch aus der Antwort des Senats hervor, und dort ist es so, dass wir ja eine Ausnahmeregelung in 1303 haben und die Diskussion dahin geht, entweder
auch dort pauschal ohne Ausnahme die Ehen nicht anzuerkennen – mit der Folge, dass beispielsweise jegliche Unterhaltsansprüche aus der Ehe nicht geltend gemacht werden können oder dass Kinder, die bereits in der Ehe sind, unehelich wären, und die Rückkehr in die Heimat würde für viele Frauen erschwert, für einige vielleicht sogar unmöglich gemacht. Deswegen denke ich, dass wir in diesen Fällen, wo die Minderjährigen 16 bis 18 sind, quasi analog 1303 Härtefallregelungen möglich machen, wo im Einzelfall konkret geprüft wird, was das Beste für das Kindeswohl ist und was das Beste für die Integration dieser jungen Menschen ist.
Hier müssen natürlich Vier-Augen-Gespräche mit dem Mädchen von dafür geschultem Personal geführt werden – in erster Linie sind es Mädchen –, wie sie zu dieser Ehe steht, wie die Ehe zustande gekommen ist, wie sie zu ihrem Mann steht und vor allem, was sie möchte: Möchte sie alleine weiter oder mit ihrem Mann? – Ob es uns dann vielleicht genehm ist oder nicht – wenn dieses Mädchen glaubwürdig und sicher sagt, sie bleibe bei ihrem Mann, weil sie ihn liebt oder einfach bei ihm bleiben möchte, dann muss auch unsere Rechtsordnung das respektieren und diese Ehe bei uns in Deutschland anerkennen.
Wenn wir die Umstände, die zu dieser Ehe geführt haben, analysieren, dann dürfen wir auch – das ist meine Meinung – unsere Kultur nicht als Maßstab nehmen. Denn interkulturelle Verhaltensweisen müssen auch immer im Licht der jeweiligen Kultur und des Wertesystems gesehen werden. Das ist auch keine kulturrelativistische Traumtänzerei, sondern das ist ein verantwortungsvoller Umgang deutscher Behörden und Gerichte mit unterschiedlichen Lebensentwürfen und Biografien dieser bei uns Zuflucht suchenden Menschen, und dem müssen wir Rechnung tragen. Dem werden wir am ehesten gerecht, wenn wir Einzelfallentscheidungen treffen und nicht pauschal ohne Ausnahme all diese Ehen nicht anerkennen.
Deshalb möchten wir – das wäre unser Wunsch – in Zukunft alle Ehen, die im Ausland wirksam geschlossen werden, hier nach deutschem Recht behandeln. Aber auch alle ausländischen Staatsbürger, die in Deutschland die Ehe schließen möchten, sollen dem deutschen Recht unterworfen werden, damit wir hier Klarheit haben. Vor allem darf eine Berufung auf Rechtsnormen anderer Kulturkreise nicht möglich sein. Das schafft auch Rechtssicherheit.
Ich komme zum Schluss. Natürlich müssen wir in diesem Zusammenhang auch die entsprechenden In-Obhut-Nahme-Maßnahmen auf diese Neuentwicklung in Deutschland vorbereiten, und wir müssen auch vermehrt in den Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen für dieses Thema sensibilisieren und die Mädchen auch direkt ansprechen, sie über ihre Rechte in Deutschland aufklären und ihnen deutlich machen, dass sie bei uns die Wahl haben, den Weg allein oder mit ihrem Ehemann weiter zu gehen. Wir müssen in die Familie gehen, wenn es konkrete Verdachtsmomente von Zwang und Gewalt gibt; dann nehmen wir das Kind in Obhut. Aber wenn das Kind glaubwürdig in der Familie bleiben möchte, dann wird ihre Ehe anerkannt und sie darf bei uns in Deutschland mit ihrem Mann friedlich und glücklich leben. – Danke schön!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine Bemerkung vor weg, damit es nicht zu Missverständnissen kommt: Wir haben eine leistungsfähige Bremer Justiz mit engagierten, hochmotivierten Richterinnen und Rich tern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten, die gewissenhaft seit Jahren ihrer Arbeit nachgehen.
Bei den Amtsgerichten stehen wir im Bundesschnitt sowohl bei den Eingängen als auch bei den Erledi gungen ganz oben an der Spitze. Aktuell, das ist ja auch angeklungen, haben wir extrem hohe Belas tungszahlen bei den Strafkammern. Um die Fristen für Haftsachen einzuhalten, arbeiten diese Menschen teilweise fünf Tage die Woche bis spät abends, und die Strafkammern verhandeln drei Verfahren parallel, die Strafkammer 6 sogar sieben Verfahren parallel. Obwohl wir hohe Erledigungszahlen haben, steigt der Bestand stetig, und es gibt keine Puffer. Die Justiz ist seit Jahren am Limit. Darunter leidet natürlich auch das Image, und das ist für die betroffenen Personen nicht schön. Über das Persönliche hinaus geht es hier auch um das Ansehen der Bremer Justiz und damit auch um das Ansehen unseres Rechtstaates. Es gibt Gründe für die Schieflage, und ich möchte sie kurz skizzieren.
Richtig ist zunächst, dass das Landgericht über die letzten Jahre eigentlich ordentlich ausgestattet worden ist. Bis 2015 lag die Belastung im Bereich der Straf kammern etwa im Bundesdurchschnitt. Richtig ist aber auch, dass wir, wenn wir die aktuelle Schieflage richtig erfassen wollen, einen größeren Bogen span nen müssen. Dann müssen wir auch die Kürzungen in der Vergangenheit einbeziehen, die sich heute immer noch bemerkbar machen. Die Bremer Justiz kämpft vor allem mit hochkomplizierten Fällen, die ganze Strafkammern über Jahre lahmlegen und daher statistisch nicht so einfach messbar sind.
Im Zivilbereich ist es zum Beispiel durch außerge richtliche Streitschlichtungen zu einer spürbaren Entlastung gekommen, aber abgearbeitet wurden hier vor allem die einfachen Fälle, liegengeblieben sind die komplizierten, die vor allem sehr viele Ressourcen über einen längeren Zeitraum binden. Daher müssen wir uns die Verfahren in einer Gesamtschau ansehen und nicht allein auf Eingang und Erledigung. Das ist das eine. Das andere ist, dass von 1993 bis 2011 etwa 20 Prozent des Mitarbeiterstamms weggekürzt worden sind. Darunter leidet, wie gesagt, die Justiz noch heute.