Linus Förster
Appearances
Last Statements
Frau Präsidentin, sehr verehrte Kollegen und Kolleginnen! Leider ist Herr Kollege Lorenz, den ich vorhin gesehen habe, nicht mehr da; denn ich wollte ihn ganz direkt ansprechen. Herr Lorenz hat sich bereits vor 22 Tagen bei unserer Diskussion über das Wahlalter 16 darüber beschwert, dass er sich alle paar Jahre wieder mit den gleichen Themen auseinandersetzen und sich dabei die gleichen Fakten und Argumente anhören müsse. Das wird auch im Falle des Gesetzes zur Freistellung von Arbeitnehmern für Zwecke der Jugendarbeit der Fall sein.
Aber erlauben Sie mir bitte ganz kurz – ich weiß, dass das nicht üblich ist –, noch eine Bemerkung zum Wahlalter 16 nachzulegen, weil die CSU gesagt hat, sie könne bei einer Absenkung des Wahlalters keinerlei positive Effekte entdecken.
Der Brexit wird uns heute noch bei den Dringlichkeitsanträgen beschäftigen. Dieser Brexit hätte nicht stattgefunden, wenn in Großbritannien die 16- bis 18-Jährigen hätten wählen dürfen. Menschen, die über 65 Jahre sind, haben mit einem vergangenheitsbezo
genen Votum zu über 60 % für den Austritt gestimmt, während Menschen, die jünger als 25 Jahre sind, zu mehr als 73 % für den Verbleib in der EU gestimmt haben.
Angesichts der Anzahl der unter 25-jährigen Männlein und Weiblein in Großbritannien hätte sich somit das Ergebnis gewendet: auf 50,8 % für einen Verbleib in der EU und 49,2 % für einen Austritt. Britain would have remained in the European Union.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, das Wahlalter 16 ist heute nicht das Thema dieser Ersten Lesung, sondern das Gesetz zur Freistellung von Arbeitnehmern zum Zwecke der Jugendarbeit. Das ist ein völliges anderes Thema, aber gemeinsam ist beiden Themen, dass die CSU viele, viele Jahre lang mit der Aussage gekontert hat, dass immer die gleichen Argumente angeführt würden. Herr Kollege Lorenz hat das zuletzt vor drei Wochen getan. Ich sage bewusst: Wir diskutieren bereits seit dem Jahr 2007 über das Thema "Freistellung von Arbeitnehmern zum Zwecke der Jugendarbeit". Trotzdem hat sich nichts geändert.
Beim Thema "Freistellung von Arbeitnehmern zum Zwecke der Jugendarbeit" hat sich – wie prognostiziert – die CSU doch noch bewegt. Hierzu haben wir seit neun Jahren immer wieder die gleichen Argumente wiederholt. Im Jahr 2007 haben die Kolleginnen und Kollegen der CSU noch gesagt, alles solle so bleiben, wie es 1980 war, Veränderungen seien nicht nötig. Sie sehen also: Wir beschäftigen uns also nicht erst seit zwei Jahren, wie das der von mir hoch geschätzte Kollege im Amt des jugendpolitischen Sprechers Gerhard Hopp gesagt hat, mit einer besseren Regelung. Ich selbst habe bereits im Jahr 2007 einen diesbezüglichen Antrag eingebracht.
In den Jahren nach der Jugend-Enquete-Kommission 2008 wurde formuliert – obwohl es dort hieß, "zur Forderung nach Aktualisierung werde kein Handlungsbedarf gesehen" – dass auch 2010 kein Handlungsbedarf gesehen wurde, als die entsprechenden Anträge des Bayerischen Jugendrings in der 137. Hauptausschusssitzung verabschiedet wurden. Es gab zwar Bewegungen, aber keine tatsächlichen Veränderungen. Bewegung ist erst bei der Fortschreibung des Kinder- und Jugendprogramms der Bayerischen Staatsregierung 2013 entstanden. Ich möchte ein Zitat von der Seite 72 des Kinder- und Jugendprogramms anführen, nämlich zum rückwärtsgewandten
Blick auf die Empfehlungen der Jugend-Enquete im Jahr 2008:
Die Enquete-Kommission "Jungsein in Bayern" hat eine Aktualisierung des "Gesetzes zur Freistellung von Arbeitnehmern zum Zwecke der Jugendarbeit" empfohlen. Die Bayerische Staatsregierung wird prüfen, welche Maßnahmen realisiert werden können. Hierbei gilt es, auf einen bestmöglichen Ausgleich zwischen den Interessen der bayerischen Jugendarbeit und den Interessen der bayerischen Wirtschaft hinzuwirken.
Es ist schön, dass die Staatsregierung das prüfen wird. Sie braucht aber zwei Jahre dafür, obwohl wir schon seit 2008 über dieses Thema diskutieren. Das halte ich angesichts des sonst doch so schnellen Handelns der Bayerischen Staatsregierung für einen recht langen Zeitraum. Auf der Seite 64 findet sich eine kurze Beschreibung des Status quo von 1980. Dort ist immerhin ausgeführt, dass der Freistaat Bayern in solchen Fällen den bei ihm beschäftigten Ehrenamtlichen die volle Lohnfortzahlung bis zu fünf Tagen im Jahr gewähren sollte. Da waren wir in Bayern aber auch schon einmal weiter. Das waren schon einmal zehn Tage. Die Jugend-Enquete hat 2008 gefordert, zu dieser Zahl zurückzukehren.
Man hätte also alles schon viel früher haben können, wenn man den Empfehlungen der Jugend-Enquete von 2008 gefolgt wäre. Diese waren teilweise moderner als das Kinder- und Jugendprogramm der Staatsregierung von 2013.
Ich zitiere:
Die Enquete-Kommission ist der Auffassung, dass das Gesetz zur Freistellung von Arbeitnehmern für Zwecke der Jugendarbeit zu aktualisieren und den neuen Erfordernissen zur Unterstützung von Engagement anzupassen ist, um die tatsächliche Inanspruchnahme ohne Anrechnung von Erholungsurlaub zu erleichtern. Dazu soll überprüft werden, inwieweit die Freistellungsgründe (bisher nur Leitung und Teilnahme bei Freizeit-, Bildungs- bzw. internationalen Maßnah- men) auf ehrenamtliche Tätigkeiten in Mitwirkungsorganen des jeweiligen Verbandes bzw. der jugendpolitischen Gremien erweitert und stundenweise (bisher nur tageweise) Freistellungen durch Freistellungszeitkonten gewährt werden können.
Das stand 2008 im Jugend-Enquete-Bericht.
In Ihrem Gesetzentwurf, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, werden Sie wenigstens dem ersten
Teil teilweise gerecht und fordern in Artikel 1 Absatz 2 bei den Gründen für die Freistellung einen erweiterten Bereich. Kollege Gerhard Hopp hat dies auch entsprechend vorgestellt. Was ich aber nicht habe entdecken können – ich weiß nicht, ob dich falsch verstanden habe –, war die Möglichkeit, sich stundenweise freistellen zu lassen. Das finde ich im Text nicht. Ich glaube, dies ist eine sehr wichtige Forderung. Für die Tätigkeit in Vorständen, Gremien und sonstigen Organen der Jugendarbeit sind Freistellungen zu fordern. Dies gilt auch für die Teilnahme an Sitzungen von Vorständen, Gremien und entsprechenden Organen. Wir alle sollten doch einmal ehrlich sein – wir kennen das auch aus der parteipolitischen Arbeit –: Die Gremienarbeit wird immer wichtiger. Es ist nun einmal nicht mehr die Zeit von reinen Zeltlagern, sondern im Rahmen der Gremienarbeit ist auch sehr, sehr viel gesellschaftspolitisches Engagement nötig.
Deswegen haben wir dies im Gegensatz zur CSU in unserem Gesetzentwurf entsprechend formuliert. Die GRÜNEN zählen das übrigens auch in einer auf sechs Punkte erweiterten Aufzählung auf und sind auch dieser Meinung. Ich ergänze hier allerdings: Ich bin Gerhard Hopps Meinung, dass eine Freistellung für Erste-Hilfe-Kurse vielleicht nicht unbedingt sein muss. Vielleicht können wir uns aber darauf einigen, dass diese Erste-Hilfe-Kurse im Rahmen schulischer Verantwortung obligatorisch werden sollen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die gesetzliche Regelung aus dem Jahr 1980 entspricht, wie Gerhard schon gesagt hat, schon lange nicht mehr der Realität. Die Regelungen stammen einfach noch aus der Zeit, in der ich Jugendleiter war und es die berühmten Zeltlager an Ostern, zu Pfingsten und in den Sommerferien und über die Weihnachtstage vielleicht noch eine besinnliche Freizeit in einer verschneiten Berghütte gab.
Die Freistellung einfach auf zwölf Tage auszuweiten, reicht, glaube ich, aber nicht aus. Wir sind der Meinung, dass der ehrenamtlichen Jugendarbeit eine größtmögliche Flexibilisierung zugestanden werden sollte. Künftig sollte eine Freistellung in der Art eines Jahresfreistellungskontos gewährt werden; denn seien wir einmal ehrlich: Wenn zum Beispiel ein BDKJ-Jugendleiter aus Aschaffenburg, der angenommen im Einzelhandel arbeitet, im Landesvorstand tätig ist, müsste er einen ganzen Tag freinehmen, um rechtzeitig um 19.00 Uhr in München bei einer Sitzung des Landesvorstands zu sein. Wir sind der Meinung, dass er vielleicht nur drei oder vier Stunden Freistellung beanspruchen sollte und diese entsprechend flexibel über ein Jahresfreistellungskonto in Anspruch nehmen kann. Ich glaube, das ist eine ganz,
ganz wichtige Flexibilisierung, die wir unbedingt auch in die neuen Regelungen aufnehmen sollten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Debatte zum Wahlalter 16 habe ich gesagt, dass man gute Argumente öfter wiederholen muss, damit Sie diese auch aufgreifen und dann mit einem entsprechenden Antrag mit Ihrem Briefkopf in diesem Hohen Hause einbringen. Dies kann ich zu diesem Freistellungsgesetz auch sagen. Wir wiederholen gerne die Argumente, die ich 2007 hier vorgetragen habe – in Verbindung mit dem SPD-Antrag, in Verbindung mit der JugendEnquete, in Verbindung mit Forderungen des BJR zum Hauptausschuss 2010, in Verbindung mit Forderungen in einem weiteren Antrag, die von der SPD 2011 und zur Formulierung des Kinder- und Jugendprogramms 2013 erneut erhoben worden sind, in Verbindung mit einem entsprechenden Antrag, den die FREIEN WÄHLER eingebracht haben. Jetzt kommen von den GRÜNEN und der SPD noch einmal die entsprechenden Argumente.
Ich freue mich, dass Sie einen entsprechenden Entwurf vorgelegt haben. Ich glaube aber, er springt in einigen Punkten zu kurz, wofür ich jetzt einige Argumente angeführt habe. Ich gehe davon aus, dass auch die Sprecherin der GRÜNEN in diese Kerbe mit guten Argumenten hauen wird. Ich glaube, dass es dringend nötig ist, diese Korrekturen bei den Beratungen im Fachausschuss anzubringen. Ich freue mich genauso wie Kollege Gerhard Hopp auf die Diskussion.
Herr Kollege Taubeneder, der Antrag zielt vor allem auch darauf ab, dass das kostenlose Element auch in weiterführenden Schulen betont wird und dass es sehr wohl auch in Bayern Armut gibt. Das belegt der Armutsatlas, der erstellt worden ist. – Unser Antrag tritt auch hier für eine gesunde Ernährung ein. Sicherlich kennen Sie die entsprechenden Untersuchungen und Umfragen, denen zufolge vor allem von Familien, die in prekären Verhältnissen leben, hier eine besondere Schwelle zu überwinden ist. Ist Ihnen das bekannt? Und glauben Sie nicht, dass es gut wäre, auch und gerade den Ju
gendlichen aus diesen Familien in weiterführenden bzw. anderen Schulen den Nutzen dieses zusätzlich von der EU geförderten Schulobst- und Schulmilchprogramms zukommen zu lassen?
(Vom Redner nicht autori- siert) Frau Präsidentin, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Andreas Lorenz, in Ihrer Rede bei der Ersten Lesung der Gesetzentwürfe am 2. Februar dieses Jahres haben Sie sich freundlich darüber beschwert, dass Sie sich alle zwei Jahre mit diesem Thema auseinandersetzen und dabei immer die gleichen Argumente hören müssen. Dazu möchte ich nur sagen: Wir bringen aktuelle Aspekte und neue Erkenntnisse, und natürlich wiederholen wir auch das
eine oder andere Argument; denn diese Argumente waren nicht nur 2005, 2010 und 2012 richtig; sie sind es immer noch. Nur Sie von der CSU haben sie noch nicht verstanden.
Aus der Erfahrung in diesem Hohen Haus weiß ich, dass es bei bestimmten Themen nicht nur gute Argumente, sondern vor allem auch Zeit, Geduld und Beharrlichkeit braucht, bis die CSU einen Antrag als gut und richtig erkennt und ihn dann, wahrscheinlich auf eigenem Fraktionspapier, einbringt. Ich hoffe aber immer noch auf Ihre Zustimmung zu den Anträgen, die wir eingebracht haben; denn es geht nicht um einen Schaukampf hier im Plenum, sondern es geht um die jungen Menschen.
Die Absenkung des Wahlalters ist ein gesellschaftspolitisches Thema. Sie ist aber kein rein bayerisches und auch kein rein deutsches Thema. Dabei haben die meisten anderen deutschen Bundesländer schon nachgezogen. 10 von 16 Bundesländern haben die Absenkung des Wahlalters auf 16 schon vollzogen. Vorreiter war 1996 Niedersachsen unter einer SPDRegierung. Die Absenkung des Wahlalters ist längst ein europäisches Thema. In seinem im November 2015 verabschiedeten Reformvorschlag empfiehlt das Europäische Parlament nicht nur eine Vereinheitlichung des Wahlrechts in Europa, sondern auch eine Absenkung des Wahlalters. Gleiches empfahl der Rat der Gemeinden und Regionen in Europa, RGRE, bei seiner 29. Sitzung in Straßburg. Kollege Taubeneder und ich waren bei diesem wichtigen Termin als bayerische Vertreter dabei.
Die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 ist eine Chance zur Überwindung von Politikverdrossenheit. Darum geht es. Gerade mit Blick auf die EU ist es wichtig, dies wahrzunehmen; denn leider haben radikale oder gar extremistische Auswüchse in der EU immer mehr Zulauf. Die Bereitschaft der jungen Menschen in Europa, Parteien wie die Front National, die PiS oder bei uns die AfD zu wählen, entspringt nicht primär der Begeisterung für nationale Ideen, sondern beruht vielmehr auf der Enttäuschung junger Menschen über die etablierten Parteien, von denen sie sich nicht mehr wahrgenommen und vertreten fühlen. Das zumindest hat eine Studie der Landeszentrale für politische Bildung Bremen ergeben. Das ist eine neue Erkenntnis, dies sei extra für den Kollegen Lorenz gesagt.
Um dieser Enttäuschung entgegenzuwirken, hat die SPD ihren Antrag, das Wahlalter auch bei Europawahlen auf 16 herabzusetzen, hochgezogen, weil es
ihr um die europäische Dimension geht. Auch deswegen werbe ich um Ihre Zustimmung. Vor dem Hintergrund der sozio-ökonomischen Entwicklung in den letzten Jahrzehnten und der wachsenden Politikverdrossenheit ist ein niedrigeres Wahlalter in Europa, aber natürlich auch in den einzelnen Ländern, eine Frage des öffentlichen Interesses, dem wir verpflichtet sind. Mit der Senkung des Wahlalters wären wir, die politischen Verantwortungsträger, gezwungen, uns stärker an den Interessen der jungen Menschen zu orientieren.
Seien wir doch ehrlich: Wir machen hier Politik für die Älteren und verhindern damit, dass junge Menschen an Entscheidungen beteiligt werden können, die anders ausfallen würden, als wir es uns in der Vorstufe unserer Altersfreizeit erhoffen. Die letzten Jugendstudien – die Kollegin Stamm hat einige aufgeführt, egal, ob Shell, SINUS oder die Studien der Stiftungen der politischen Parteien – haben unisono die Sicht der jungen Menschen auf die Politik wiedergegeben. Abgeordnete und Parteien wollen gewählt werden, also sehen sie vor allem die Interessen derjenigen, die ihnen die meisten Stimmen bringen; das sind heute schon die Älteren, und dieser Trend wird sich aufgrund der Bevölkerungsentwicklung in Zukunft noch deutlich verstärken.
Dies sehen nicht nur die jungen Menschen so, sondern auch ältere Forscher. Ich zitiere aus dem Abschlussbericht des Kreisverwaltungsreferats München. Danach werden Themen der Jugendpolitik aufgrund der demografischen Überalterung der Wählerschaft nur peripher behandelt, wodurch das Desinteresse der Jugendlichen steigt. 69 % der Jugendlichen stimmten der Aussage zu, dass sich Politiker nicht darum kümmern, was Jugendliche denken. Kein Wunder, dass hier ein gewisser Frust aufkommt.
Überlegen Sie sich einmal, welche Signale wir bayerischen Politiker hier in diesem Hohen Haus aussenden. Ich nenne nur ein Stichwort: Jugendenquete! Wir waren uns einig, dass die 2008 veröffentlichten Ergebnisse der Enquetekommission in die Praxis umgesetzt und in der 16. Legislaturperiode hinterfragt werden sollten. Acht Jahre später ist wenig passiert. Ob wir das Hearing, mit dem wir die Bedürfnisse und Wünsche junger Menschen, wie Politik aussehen soll, abfragen wollen und das wir im Sommer letzten Jahres beschlossen haben, noch vor der Sommerpause 2016 durchführen können, wage ich zu bezweifeln. Das ist das Signal, das von uns ausgeht, wie wichtig uns die Meinung der jungen Menschen in Bayern ist.
Trotzdem wollen die jungen Menschen in Bayern mitgestalten und sich vermehrt politisch engagieren. Natürlich können sie es nur im Rahmen der Möglichkei
ten, die sie bei unserer Politik für sinnvoll sehen. Sie boykottieren Wahlen, unterschreiben Petitionen und nehmen auch an Demonstrationen teil. Die Identifikation mit und das Vertrauen in Parteien sind nicht vorhanden. So sehen es auch die drei Autorinnen einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung mit dem Titel "Lebensentwürfe junger Frauen und Männer in Bayern", die auch Kollegin Stamm schon erwähnt hat. Die Autorinnen leiten aus den Ergebnissen dieser Studie ebenfalls einen akuten Handlungsbedarf für die Politik ab, die ansonsten den Nerv dieser Generation nicht trifft. Wählen ab 16 wäre ein klares Signal, das wir senden könnten.
Natürlich muss die Absenkung des Wahlalters mit politischer Bildung innerhalb und außerhalb der Schulen und Jugendverbände kombiniert werden. Dadurch lässt sich dieses Ergebnis ausbauen. Das ist auch Bestandteil des Dringlichkeitsantrags auf Drucksache 17/9379. Dazu wollen wir eine namentliche Abstimmung durchführen, damit Sie auch nach außen zeigen können, wie wichtig Ihnen die Partizipation junger Menschen ist.
Die Relevanz politischer Teilhabe ist auch ein Bekenntnis zu unserem demokratischen System. Das bedeutet eine Abwehr von extremistischem und radikalem Gedankengut, das genau in dem Vakuum entstehen kann, das wir zulassen, wenn wir die jugendliche Partizipationsbereitschaft nicht in echte Teilhabe in Form von Wahlen münden lassen. Das bestätigt auch die Bertelsmann-Studie vom Dezember 2015, über die wir bereits in der Ersten Lesung der Gesetzentwürfe gesprochen haben. Kollege Lorenz, Sie kennen diese Studie. Mit Begeisterung zitieren Sie einen Part aus dieser Studie, wonach 80 % der Befragten gegen eine Absenkung des Wahlalters sind. Sie vergessen dabei aber zu erwähnen, dass dies 80 % der gesamten deutschen Bevölkerung waren. Das sind also die älteren Menschen.
Wie auch die Mehrheit dieses Hauses! Die jungen Leute wünschen zu mehr als 50 % mehr Mitsprache. Die sollten wir ihnen auch geben.
Junge Menschen werden in vielen Bereichen wie Erwachsene behandelt. Sie müssen Steuern zahlen. Sie können einer Beschäftigung nachgehen und haben gesetzliche Pflichten. Sie können entscheiden, welche Schulart sie wählen. Diese Argumente will ich aber schon wegen der Zeit gar nicht wiederholen. Ebenso wenig will ich die neuen entwicklungspsychologischen Erkenntnisse erwähnen. Ich könnte jetzt zwei Seiten mit Studien und Zitaten von Professoren und Institu
ten vorlesen, die einfach sagen: Junge Menschen sind bei uns schon ab 12, spätestens aber ab 14 sehr wohl in der Lage, entsprechende Entscheidungen zu treffen.
Auch die Ergebnisse unserer Jugend-Enquete, die Sie auf Teufel komm raus nicht behandeln wollen, haben klar nachgewiesen: Junge Menschen in Bayern wollen früher wählen. Bitte nehmen Sie doch endlich die Ergebnisse unserer eigenen Forschungen und Materialsammlungen im Landtag ernst; stimmen Sie für den Gesetzesantrag auf Absenkung des Wahlalters! Ich ende mit einem Zitat des Bayerischen Jugendrings:
Politik interessiert sich heute zu wenig für junge Menschen – und nicht umgekehrt. Junge Menschen wollen unsere Gesellschaft mitgestalten. Und das Interesse an gesellschaftlicher Teilhabe wächst mit den Möglichkeiten, an Entscheidungen mitzuwirken.
Das ist die Wahrheit.
(Vom Redner nicht autori- siert) Herr Staatssekretär, Sie haben erwähnt – es sind übrigens 10 von 16 Bundesländern, die die Absenkung des Wahlalters eingeführt haben –, dass keine euphorische Stimmung bei den Erstwählern erzielt worden sei. Das gebe ich zu. Das sagen alle vor
liegenden Forschungsergebnisse. Aber eine daraus folgende wesentliche Steigerung ist bei denjenigen, die ein zweites Mal wählen gehen, durchaus festzustellen. Es ist wissenschaftlich untermauert, dass man durch einen früheren Einstieg in die politische Auseinandersetzung, also in das Recht zu wählen, bereits früher einen intensiveren Kontakt zur Politik hat und sich dadurch aktiver und weitgehender mit der Politik beschäftigt. Ist Ihnen das Ergebnis dieser aktuellen Studie bewusst?
(Vom Redner nicht autori- siert) Frau Präsidentin, liebe Kollegen und Kolleginnen! Wer mich kennt, weiß: Ich liebe Studien, vor allem Studien, die sich mit der Situation und den Bedürfnissen junger Menschen auseinandersetzen. Ich glaube, nur so kommt man zu brauchbaren Ergebnissen; denn die Jugend ist nun mal anders als der durchschnittliche Erwachsene. Da spielen nicht nur Hormone, die Pubertät oder das Bedürfnis, sich von der Generation der Eltern abzusetzen, eine Rolle, sondern auch die Jugend an sich verändert sich ständig: von der APO-Generation zu den Hippies, zu den Ökos, zur Null-Bock-Generation und zur Generation XYZ bis hin zur heutigen Spezies. Wir brauchen Studien, um zu verstehen, was diese Menschen bewegt, anleitet und beschäftigt; denn schon nach zehn Jahren gibt es eine vollkommen neue Generation von jungen Menschen, und die vorangehende Jugendgeneration versteht diese oft schon nicht mehr. Aufgrund dieser Erkenntnis haben wir hier im Hohen Hause im
Jahr 2005 ein Gremium beschlossen, das sich mit den jungen Menschen in Bayern auseinandersetzt, die Enquete-Kommission "Jungsein in Bayern".
Liebe Kollegen und Kolleginnen, zu Beginn der großen Jugendkulturen stand immer fest, dass Provokation und das Bedürfnis, sich von den Eltern abzugrenzen und anders zu sein, das Wesentliche sind. So habe ich das seit der Shell-Jugendstudie 1987 verfolgen können. Ich habe zu dieser Thematik immerhin dreimal selber publiziert. Das hat mich immer beschäftigt. Deswegen ist es für mich schon komisch, dass ich ausgerechnet heute feststellen muss: Die jüngsten Studien, zum Beispiel die Shell-Studie 2015 und die brandaktuelle Sinus-Studie, belegen, dass die Jugend im Jahr 2016 – zumindest laut Umfragen – anders tickt. Provokante Subkulturen gibt es da kaum mehr. Die Autoren der Sinus-Studie fassen die Erkenntnisse wie folgt zusammen:
Die Mehrheit der Jugendlichen ist sich … einig, dass gerade in der heutigen Zeit ein gemeinsamer Wertekanon von Freiheit, Aufklärung, Toleranz und sozialen Werten gelten muss, weil nur er das "gute Leben", das man in diesem Land hat, garantieren kann.
Viele Menschen im Alter zwischen 14 und 17 Jahren, die befragt werden, wollen so sein wie alle, sogar wie ihre Eltern. Das ist das Neue.
Dieser Kuschelkurs überraschte selbst die Macher der Studie: Rebellion war gestern: Teenager in Deutschland suchen den engen Schulterschluss mit der Elterngeneration.
Angesichts dessen könnten wir doch sagen: Wunderbar! Alles paletti! Endlich können die mittelalten und die älteren Herrschaften – und Damenschaften – hier im Parlament wieder ganz frei für die Jugend reden, weil die Jugend von heute so sein will wie wir. – Nein, nicht "wie wir", wenn sich "wir" auf uns im Hohen Hause, das heißt auf uns Politiker bezieht; denn es gibt keine Identifikation dieser jungen Menschen mit uns, den Politikern und den Parteien. Wir sind aus ihrer Sicht weder Kumpel noch Freund oder Freundin. Wir sind stattdessen Leute, die viel reden, viel versprechen, aber nichts halten. Die Shell-Studie von 2015 kam zwar zu dem Ergebnis, dass sich über die Hälfte der jungen Menschen für Politik interessiert; ihr Anteil steigt sogar. Aber diese jungen Menschen wollen nichts mit den Parteien zu tun haben bzw. wollen sich nicht in Parteien organisieren. Sie wollen mit Politikern und Politikerinnen auch nur in Ausnahmesituati
onen ein Bier trinken gehen. Nur 4 % der 15- bis 25Jährigen können sich überhaupt vorstellen, sich in parteipolitischen Gruppen zu engagieren und einzubringen.
Warum ist das so? – Wir betonen hier im Parlament zwar oft, wie wichtig uns die Jugend ist. Wir fordern sie zum Engagement auf und wollen ihre Meinung erfahren. Dann aber bleiben wir auf halbem Wege stehen. Wir haben Schülerparlamente eingerichtet; das war ein Schritt in die richtige Richtung. Aber oft haben Gemeinde- bzw. Stadträte verhindert, dass die Jugendparlamente tatsächlich etwas entscheiden können bzw. sich auf eine verbindliche Grundlage für Entscheidungen berufen können. Sie dürfen beraten, aber ihre Ideen werden oft nicht umgesetzt. Seien wir ehrlich: Normalerweise reden wir lieber über Jugendliche, als dass wir ihnen zuhören und uns von ihnen sagen lassen, was eigentlich ansteht.
Das war im Jahr 2005 anders, liebe Kolleginnen und Kollegen. Damals hieß es in wunderbarer Übereinstimmung hier im Landtag: Wir brauchen diese Expertise. Wir wollen mit den jungen Menschen reden. – In der Folge haben wir eine Enquete-Kommission einberufen, die sich mit Jugendlichen, Jugendverbänden und der Jugendhilfe über die Frage auseinandergesetzt hat, was wichtig ist und was zur Lösung ansteht. Als Ergebnis unserer Arbeit haben wir einen Forderungskatalog entwickelt, den wir umsetzen wollen.
Um sicherzustellen, dass wir immer up to date bleiben und den Forderungskatalog fortschreiben können – zum Wohle der Jugend und zur Verbesserung der Jugendpolitik in Bayern –, haben wir in dem Abschlussbericht, Drucksache 15/10881, auf Seite 226 ausdrücklich festgehalten, dass die Staatsregierung einen Umsetzungsbericht hier im Hohen Hause erstatten soll, und zwar "zur Mitte der Legislaturperiode"; gemeint war die 16. Legislaturperiode. Das wäre im Frühjahr 2011 gewesen. Ich erwähne das auch deshalb, weil Kollege Hopp im Ausschuss etwas anderes gesagt hat. – Sie sehen, die Berichtsanträge der GRÜNEN und der SPD sind insoweit nichts anderes als die Bekräftigung dessen, was wir damals einstimmig beschlossen hatten.
In unserem Antrag gehen wir noch etwas weiter als die GRÜNEN. Unter Punkt 3 regen wir an, die Ausschussberatung über den Bericht unter Beteiligung unserer Partner – das sind die Mitglieder der damaligen Enquete-Kommission, weitere Experten, Institutionen und Verbände – durchzuführen; denn wir wollen auch sie nach ihrer Meinung fragen. Wir brauchen diesen Bericht zum Status quo, um auf dieser Grundlage diskutieren zu können, wie wir auf die neuen Herausforderungen reagieren sollten. Wir müssen auch
Vertreter und Vertreterinnen der Jugend anhören, um sie das beurteilen zu lassen, was die Staatsregierung als "gelungene Politik" bezeichnet. Die Vertreterinnen und Vertreter der Jugend sollen uns darlegen, was aus ihrer Sicht fehlt bzw. was es an Positivem zu vermelden gibt.
Die Arbeit der Enquete-Kommission hat gezeigt, wie wichtig Jugendarbeit ist. Es ist auch deutlich geworden, dass ihre Weiterentwicklung dringend nötig ist. Was ist beispielsweise zugunsten der Unterstützung der im Jugendbereich ehrenamtlich Tätigen und der Jugendorganisationen geschehen? Welche Jugendbildungsmaßnahmen sind gefördert worden? Was hat sich verändert? – Ganz sicher haben sich einige Rahmenbedingungen verändert; das wissen wir alle. Ich nenne nur das Stichwort Integration von Flüchtlingskindern, insbesondere unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge. Insoweit hat sich viel Gutes getan. Die CSU-Fraktion könnte dem Antrag doch selbstbewusst zustimmen. Ich erwähne beispielhaft das Programm "Aus Flüchtlingen werden Freunde". Die Staatsregierung kann auf diesen Erfolg verweisen.
Worum geht es uns? – Wir wollen abchecken, was noch fehlt, aber auch hervorheben, was schon erreicht worden ist. Unser Dringlichkeitsantrag ist nicht dazu da, die Staatsregierung in irgendeiner Art und Weise vorzuführen, lieber Kollege Hintersberger. Wir wollen mit Ihnen gemeinsam überlegen, was wir noch brauchen und wo wir noch nachlegen müssen.
Ich komme zu dem Bereich "Jugendkultur und Medienarbeit". Als wir die damalige Jugend-Enquete-Kommission eingesetzt hatten – das ist gerade einmal ein paar Jahre her –, war Facebook noch nicht relevant. Im Bereich der Medienarbeit gibt es ungeheuer viel zu tun. Da müssen auch wir einiges leisten.
Ich würde es begrüßen, wenn uns regelmäßig wie auf Bundesebene ein Bayerischer Kinder- und Jugendbericht vorgelegt würde. Auf einer guten Datengrundlage können regionale Differenzen berücksichtigt und Jugendpolitik, Jugendarbeit und vor allem Jugendhilfe professionell weiterentwickelt werden. Hätten wir einen solchen Bericht bereits, müssten wir den Antrag auf Berichterstattung heute nicht stellen.
Aus den vielen offenen Themen will ich nur noch eines herausgreifen, das Thema "Jugendliche mit Behinderung". Wir hatten den Mut, uns einzugestehen, dass das, was wir in der Enquete-Kommission dazu recherchiert haben, und das, was uns die Verwaltung zu diesem Thema zur Verfügung stellen konnte, unzureichend war. Wir wollten die Erkenntnisse fortschreiben. Was ist insoweit passiert? – All diesen Fragen
wollen wir uns stellen. Deswegen brauchen wir den Bericht.
Im Jahr 2014 haben Claudia Stamm und ich einen entsprechenden Antrag gestellt und mit den jugendpolitischen Sprechern der anderen Fraktionen diskutiert. Gerhard Hopp hat dann mit Herrn Kollegen Unterländer beraten und eine entsprechende Vereinbarung geschlossen. Als Termin wurde der 12. Februar 2015 genannt. Es ist aber noch nicht alles paletti, wenn heute, 15 Monate später, unsere Partnerinnen und Partner aus der Jugendarbeit immer noch auf die Umsetzung warten.
Wir von der SPD-Fraktion haben ein jugendpolitisches Fachforum zu diesem Thema veranstaltet, um uns wenigstens vorab informieren zu können. Ich kann Ihnen nur sagen: Die Jugendverbände und alle, die sich in der Jugendarbeit engagieren, brennen darauf, mit uns darüber zu diskutieren, was fehlt und was fortgeschrieben werden muss. Sie werden auch das eine oder andere loben; das wissen auch Sie von der CSU. Lassen Sie uns den Berichtsantrag heute beschließen und damit das klare Signal setzen, dass wir an der schnellstmöglichen Umsetzung der Empfehlungen der Enquete-Kommission interessiert sind.
(Vom Redner nicht autori- siert) Lieber jugendpolitischer Kollege Hopp! Ich habe jetzt sehr aufmerksam zugehört und kann den meisten Aussagen sogar zustimmen. Ich sehe auch die positive Bilanz. Uns geht es nicht darum, dass wir irgendjemand vorführen wollen. Wir wollen versuchen, die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen. Dazu gehört auch das Festhalten an einem Status quo. Überhaupt nicht kapiert habe ich aber den Schlussappell: Wir halten das für richtig, das wird gemacht, und deswegen stimmen wir dagegen. Diese Logik habe ich nicht kapiert. Fakt ist, dass die Jugendverbände selbst auf einen Beschluss aus der Mitte der vorherigen Legislaturperiode, aus dem Jahr 2011, hingewiesen haben, wonach ein solcher Bericht gegeben werden soll. Das ist auch nichts Neues, du bist genauso wie ich bei sehr vielen Veranstaltungen der Jugendverbände und des Bayerischen Jugendrings. Gerade wegen der vielen Aufgaben ist es sehr wichtig, einen Abgleich zu machen, ein Resümee zu ziehen und neue Forderungen aufzustellen.
Immer wieder wird gesagt, wie sehr man die Jugendverbände und die Jugend einbinden will. Sie warten
darauf. Die SPD hat dazu eine Veranstaltung durchgeführt. Bei allen Veranstaltungen des Jugendrings wird immer wieder betont: Bitte redet mit uns. Was ist jetzt so schwierig daran, dieser Bitte nachzukommen und sich einen Bericht geben zu lassen? – Das, was du gemacht hast, war schon ein großer Teil des Berichts, den man vielleicht noch mit ein paar Fakten und Zahlen untermauern muss. Dann sollten wir zusammen mit der Opposition und den jungen Menschen, die davon betroffen sind, überlegen, was wir noch leisten können. Vor allem wollen wir auch nicht vergessen, was das immense Ehrenamt in der Jugendarbeit für Bayern leisten kann. Hier zu lange zu warten, ist vielleicht auch nicht gut für Bayern; denn das, was die Jugendarbeit für Bayern leistet – dagegen wird keiner etwas sagen – ist immens und bringt uns um einiges voran. Vielleicht brauchen wir das bald oder schon jetzt bei diesen großen Problemen. Dabei möchte ich die immense Arbeit, die euer Ausschuss leistet, nicht in Abrede stellen. Ich habe großen Respekt vor dieser Arbeit und danke auch allen Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen dafür. Die Expertise und das Engagement der jungen Menschen wären aber dringend notwendig.
(Vom Redner nicht autori- siert) Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich heute früh nach dem Frühstück hingesetzt und habe mir meine Rede noch einmal überlegt. Sie ist mir sehr, sehr wichtig. Sie ist mir schon sehr lange wichtig. Mitwirkungsrechte und Mitwirkungschancen junger Menschen begleiten mich nämlich schon, seit ich 15 Jahre alt bin.
Na ja. Ich hatte viele gleichaltrige Freundinnen und Freunde, die die gleichen Anliegen hatten wie ich. – Als ehrenamtlicher Jugendleiter in der Jugendarbeit und als Bezirksschülersprecher von Schwaben habe ich mich damals mit Gleichaltrigen für die SMV meiner Schule eingesetzt, für den Erhalt eines Jugendzentrums, für bessere Bildungspolitik etc. Bei den Wahlen habe ich meiner Oma gesagt, was und wen sie wählen soll. Ich glaube sogar, dass meine Oma das so gemacht hat, weil sie im Großen und Ganzen der Meinung war, ihr sei es eigentlich egal, wer Deutschland regiert, die CSU und die SPD hätten gleichermaßen anständige Leute. – Gut, die FDP war ihr unsympa
thisch, und mit den GRÜNEN hatte sie ein bisschen Probleme wegen der Länge der Haare.
Genau. Deswegen sind Ihre Haare jetzt kurz. – Ich habe nie verstanden, warum meine Oma wählen durfte und ich nicht. Deswegen ist es seitdem fast zu einer Obsession von mir geworden, dass ich hier in diesem Hohen Hause für eine Absenkung des Wahlalters werbe – gemeinsam mit dem Bayerischen Jugendring, den Jugendverbänden, mit der Landesschülervertretung, allen möglichen Organisationen, in denen sich junge Menschen unter 18 Jahren politisch betätigen. Jeder der hier anwesenden Abgeordneten lobt sie zwar an allen Ecken und Enden für ihr politisches Engagement, aber man war doch bis heute noch nicht dazu bereit, ihnen das angemessene Wahlrecht zukommen zu lassen.
Ich denke, dass der richtige Zeitpunkt gekommen ist, über dieses Thema zu reden. Auch der Rat der Gemeinden und Regionen Europas – RGRE – in Straßburg hat eine Empfehlung ausgesprochen, Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, am politischen Geschehen zu partizipieren. Der Beschluss war einstimmig. Der CSU-Kollege Taubeneder hat gemeinsam mit mir, mit der deutschen Delegation, über alle parteipolitischen Grenzen hinweg zugestimmt.
Doch, doch. Ich habe das beobachtet. Ich hab’s mit dem Handy fotografiert.
Auch die politischen Erfahrungen mit dem Wahlalter 16 auf kommunaler Ebene, zum Beispiel in NordrheinWestfalen, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt oder Schleswig-Holstein, verdeutlichen, dass Jugendliche mit politischen Entscheidungskompetenzen sehr wohl umgehen können.
Also habe ich mich heute Morgen sehr gut vorbereitet. Meine Mutter hat mich zufällig angerufen.
Ich habe versucht, das Telefonat abzuwürgen; ich habe meiner Mutter gesagt: Du, Mutter, ich muss mich vorbereiten, ich muss heute zum Wahlalter 16 reden. Dann fragte sie mich: Habt ihr keine anderen Probleme im Bayerischen Landtag? –
Sie sagte: All die armen Flüchtlinge, Pegida, AfD – müsst Ihr nichts gegen die Petry und gegen die ganze Brandstiftung machen? – Dann habe ich zu meiner Mutter gesagt: Doch, Mama, genau deswegen muss ich heute zu einer Absenkung des Wahlalters reden.
Es besteht nämlich ein Zusammenhang zwischen Wahlbeteiligung und Politikverdrossenheit. Es besteht auch ein Zusammenhang zwischen Politikverdrossenheit und der Bereitschaft, radikal zu wählen. Die grassierende Politikverdrossenheit ist nämlich nicht nur Produkt einer ermüdeten Demokratie, sondern – und diese Diagnose ist nicht von der Hand zu weisen – auch einer immer stärkeren Entfremdung von Politik und Wählern bzw. von Politikern und Politikerinnen und Wählern.
Dem verbreiteten und Verdruss erzeugenden Eindruck des alternativlosen Vollzugs technisch-ökonomischer Zwänge durch die Politik muss wieder die Pluralität politischer Entwürfe entgegengestellt werden dürfen. Ansonsten droht ein Schwund an konstitutionellen Werten, hinter denen wir – mit ganz unterschiedlichen Positionen – doch alle stehen, zugunsten von antipolitischen Momenten einer Erregungs- und Empörungsgesellschaft, für die AfD und Pegida stehen. Das können wir ja wohl nicht wollen.
Zu einer Pluralität der Lebenswelten gehört vor allem die Welt der Jugendlichen und der jungen Erwachsenen, die in unserem politischen Gefüge, in unserem politischen Entscheiden und Handeln immer weniger zum Zuge kommt. Das erzeugt eben diese Politikverdrossenheit, also die Verdrossenheit im Hinblick auf die Politik sowie die Politikerinnen und Politiker. Im schlimmsten Fall erzeugt sie eine Bereitschaft zu Radikalismus und politischem Extremismus. Im besseren, aber immer noch negativen Fall führt sie zu Wahlund Partizipationsverweigerung.
Die seit Jahren sinkende Wahlbeteiligung auf allen staatlichen Ebenen schadet der Demokratie. Die Studie der Bertelsmann Stiftung "Wählen ab 16" hat sich ganz intensiv damit beschäftigt. Ich wiederhole jetzt nicht, was Claudia Stamm zu diesem Thema gesagt hat. Diese Studie zeigt deutlich, je früher und je häufiger sich Erst- und Jungwähler beteiligen, umso höher sind langfristig die Wahlbeteiligung und die Akzeptanz der gewachsenen demokratischen Strukturen. Auch eine für diese Studie durchgeführte Simulationsrechnung zeigt deutlich – deswegen macht es schon einen Unterschied, lieber Kollege, ob wir zwei Jahre früher oder später starten –, bei einer Steigerung der Erst
wahlbeteiligung um weniger als ein Drittel würde man die Gesamtwahlbeteiligung auch irgendwann einmal wieder auf über 80 % erhöhen. Wählen mit 16 ist deshalb nicht nur jugendpolitisch ein wichtiges Thema, sondern auch mit Blick auf die Stabilisierung der Wahlbeteiligung und der Demokratie in unserem Land.
Ich habe online gelesen, dass Minister Herrmann im "Bayernkurier" gesagt hat, er möchte Wahlrecht und Volljährigkeit nicht voneinander trennen. Beides gehört für ihn unweigerlich zusammen, das kann man nicht trennen. Daran sieht man, er ist ein studierter Jurist und ein Beamter. Wäre er Politologe oder Historiker, wüsste er nämlich, dass dieses Argument historisch nicht gilt. Bei der Bundestagswahl 1972 durften erstmals die damals noch nicht volljährigen 18- bis 20-Jährigen wählen. Das Alter der Volljährigkeit lag damals noch bei 21 Jahren. Es lag also schon einmal auseinander. Ich denke, das kann man bei uns auch entsprechend gestalten. Johanna Werner-Muggendorfer gehört zu der Generation, die hier quasi Nutznießer war.
Der Minister hat allerdings eine qualifizierte Zuarbeit in seinem Ministerium. 2006 hat das Innenministerium seine Fachfrau zur Verfügung gestellt, als wir in einem Hearing der SPD-Fraktion über die Absenkung des Wahlalters auf 14 Jahre debattiert haben. Diese Juristin hat damals ganz klar festgestellt – Sie können es im Protokoll nachlesen –, es gibt keine juristischen Bedenken dagegen, das Alter auf 14 Jahre zu senken. – Aber wir fordern hier ja gar keine Absenkung auf 14, sondern eine Absenkung auf 16 Jahre.
Mit der eingeschränkten Geschäftsfähigkeit, aber auch der Anwendung des Jugendstrafrechts auf Jugendliche über 14 Jahren sowie der ab 14 Jahren eintretenden Religionsmündigkeit und der Befugnis zur Entscheidung darüber, bei welchem Elternteil man im Scheidungsfall leben will, wird Jugendlichen bereits ein sehr hohes Maß an Verantwortung und überlegter Entscheidungsfindung abverlangt. Auch die Entscheidung hinsichtlich der Schul- und Berufswahl bedeutet für Jugendliche unter 18 Jahren eine enorme Verantwortung, die wir ihnen aufbürden. Ich denke mir, wenn man als junger Mensch mit 14, 15 oder 16 Jahren die Entscheidung treffen muss, ob man auf dem Gymnasium bleibt, auf die Realschule geht oder eine Lehre macht, soll man auch mitreden dürfen, wie wir in der Politik Bildung definieren.
Bildung als Stichwort; auch das hat Claudia Stamm schon gesagt: Wenn wir das Wahlalter absenken,
muss die Bildung an einer Qualifizierung mitarbeiten. Das Argument, Wählerinnen und Wähler unter 16 Jahren hätten für Wahlen nicht das nötige Wissen, wird von diesen gar nicht unbedingt geleugnet. Das ist der große Unterschied zu allen im Alter darüber: Je älter die Wähler werden, desto überzeugter sind sie, dass sie die Weisheit mit Löffeln gefressen haben. Junge Menschen sagen das gar nicht, aber sie möchten mehr politische Bildung im Schulunterricht haben. Es ist doch auch eine tolle Möglichkeit: Wo kann man besser breit diskutieren als im Schulunterricht? Man kann darüber sprechen, welche Wahlentscheidungen anstehen. Man kann Wahlprogramme lesen. Da würden sich manche Lehrer freuen; denn da kann man gut didaktische Konzepte umsetzen.
Seien wir doch einmal ehrlich: Wenn es uns passt, haben wir kein Problem damit, bei der politischen Arbeit unter das Alter von 18 Jahren zu gehen. Jeder von uns sieht doch gern junge Gesichter in seiner Partei. Jeder von uns schätzt es, wenn die 14-Jährigen in unsere Partei eintreten, Wahlkampf machen, Unterschriften sammeln und an den Info-Tischen stehen. Aber widersinnnigerweise sollen sie nicht mit darüber entscheiden dürfen, welche Politiker letztendlich ihren Willen vertreten. Vielleicht ist das ja das Problem: ihren Willen vertreten.
Auch die Entwicklung, wie viele junge und ältere Menschen wir haben, hat Claudia Stamm angeführt. Die Zahl der sogenannten Best Ager wird gewaltig zunehmen, und wir wünschen allen ein gutes und lebenswertes Leben. – Aber das muss finanziert werden. In einer Studie hat der internationale Forschungsverbund Population Europe laut einem Bericht in der "WELT" festgestellt – Zitat –: "Je älter die Menschen sind, umso weniger heißen sie es gut, dass öffentliche Gelder an Familien und Kinder fließen, und umso mehr fordern sie zusätzliche Mittel für Rentner." Es könnte also zu einem generationsbedingten Verteilungskonflikt kommen. Machen wir uns deswegen zu Lobbyisten der Älteren? – Nein, wir müssen gerade im Generationenvertrag Lobbyisten für die Jüngeren sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir fordern deshalb Gleichberechtigung für Jugendliche bei Wahlen, Volksbegehren, Volksentscheiden, Volksbefragungen sowie Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden, aber wir wollen keinen Ausnahmetatbestand. Deshalb brauchen wir auch kein Jugendbeteiligungsgesetz, wie es im Titel des Gesetzentwurfs der GRÜNEN genannt wird, sondern einfach das Recht auf Beteiligung der Jugendlichen unter 15 Jahren.
Der Entwurf der GRÜNEN enthält ein paar interessante Ideen, teilweise schießen sie über das Ziel hinaus.
Wir haben aber heute die Erste Lesung und können in den Ausschüssen entsprechend diskutieren. Wir von der SPD freuen uns auf diese Diskussion. Wir sind sicher, dass es, wenn wir diesen Dialog ernsthaft führen wollen, spannende Diskussionen werden, die hoffentlich das richtige Ergebnis nach sich ziehen, nämlich eine Absenkung des Wahlalters.
(Vom Redner nicht autori- siert) Herr Kollege, es freut mich sehr, dass Sie im Zusammenhang mit dem Thema "Absenkung der Volljährigkeit" das Thema "Absenkung des Wahlalters" vielleicht doch angehen wollen. Das ist ein Zeichen
dafür, dass wir in einen Dialog und in eine Diskussion einsteigen.
Wir haben uns bei unserem Antrag auf die Absenkung des Wahlalters konzentriert. Aber Sie müssen doch selber zugeben – Sie haben es selber genannt –: Wir kommen zwar immer wieder mit diesem Thema, aber wir bringen auch immer wieder neue Argumente, neue Studien, immer wieder neue Aspekte, die belegen, dass der Antrag der GRÜNEN und der SPD richtig ist.
Könnten Sie mir bitte sagen, warum Sie sich kontinuierlich weigern? Wie lauten denn da Ihre neuen Erkenntnisse? Wenn Sie alte Protokolle nachlesen, werden Sie feststellen, dass das Thema "Absenkung des Wahlalters von 21 auf 18" auch über mehrere Jahre hinweg immer wieder thematisiert wurde. Irgendwann fiel diese Grenze dann doch.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 18. Juli dieses Jahres wurde mit der "Augsburger Allgemeinen" die Beilage "Familienbunt", herausgegeben vom Familienbund der Katholiken im Bistum Augsburg, veröffentlicht. Sie erinnern sich, das war ein Thema hier im Hohen Haus. In dieser Beilage stand ein ganz eindeutig homophober Artikel, der unterstellte,
dass Menschen, die Homosexualität akzeptieren, auch Inzest befürworten könnten. Aber nicht nur der Artikel war untragbar; die gesamte Publikation war darauf angelegt, in ganz verschiedenen Bereichen der Sozial- und Familienpolitik Positionen zu vertreten, die wir eigentlich nur von Menschen wie den sogenannten Besorgten Eltern und Anhängern von AfD und Pegida zu hören bekommen. Trotzdem wurde die Beilage vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration gefördert.
Spätestens hier wird jedem deutlich, dass es bayernweit noch sehr viel zu tun gibt, wenn wir uns für Selbstbestimmung und die Akzeptanz sexueller Vielfalt einsetzen und sämtlichen Formen der Homo- und Transphobie entgegenwirken wollen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, ich unterstelle niemandem irgendetwas. Ich will nur anhand des genannten Beispiels zeigen, dass es Intoleranz gibt, dass dadurch Menschen diskriminiert werden, und das sogar in bei uns anerkannten gesellschaftlichen Organisationen, also nicht nur in der AfD und bei Pegida, die wir alle hier im Hohen Haus ablehnen.
Ich warne davor, dass diese Entwicklung partiell immer mehr menschenverachtende und teilweise volksverhetzende Bahnen zieht. Vor diesem Hintergrund halten wir Sozialdemokraten ebenso wie die GRÜNEN eine Koordinierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen für dringend notwendig, auch um die Kooperations- und Vernetzungsstrukturen zwischen Organisationen der queeren Community in Bayern aufzubauen und zu pflegen.
Sowohl die kommunalen Beratungsstellen als auch die Beratungsstellen der vielen nichtstaatlichen Träger leisten hervorragende Arbeit. Dennoch halten wir eine landesweite Koordinierungsstelle für unbedingt erforderlich, da einige Aufgaben, zum Beispiel die Sensibilisierung der Polizei, nur der Staat wahrnehmen kann und die staatlichen Aktivitäten im Queer-Bereich einer Koordinierung bedürfen.
Herr Huber, Ihren Gegenargumenten kann ich nicht folgen. Sie haben gesagt, wenn sich eine Zuständigkeit des Staates ergebe, beispielsweise bei Straftatbeständen, gebe es entsprechende Stellen im Justizministerium und im Innenministerium: das Kultusministerium nehme die Aufgabe der Sensibilisierung von Schülerinnen und Schülern wahr. Der Jugendbericht, auf den Frau Kollegin Stamm bereits Bezug genommen hat, besagt aber, dass die staatlichen Aktivitäten unzureichend sind. Wenn überhaupt sensibilisiert wird, dann meist nur für die Belange von Schwulen und Lesben. Transgender kommt in diesem Zusammenhang nicht vor; die Probleme dieser Menschen werden nirgends behandelt. Ich habe niemanden gefunden, der mir gesagt hat, dass er Transgender in der Klasse thematisiert hätte.
Herr Huber, Sie haben ferner auf die Angebote in kommunaler Hand verwiesen. Es freut mich sehr, dass Sie explizit München und Nürnberg hervorgehoben haben. Das sind nämlich rot geführte Städte. Die machen es richtig. Es wird schon einen Grund dafür geben, dass Sie auf diese beiden Städte verwiesen haben, Herr Huber. In der drittgrößten bayerischen Stadt Augsburg – dort ist übrigens ein CSU-ler Oberbürgermeister und jetzt auch stellvertretender Parteivorsitzender – gibt es eine solche Stelle schon nicht mehr. Aber Sie haben zu Recht gefordert, dass er sich ein Beispiel an den roten Städten nehmen solle.
Wenn Sie auf die Bundesstelle verweisen, dann entgegne ich: In diesem Hohen Hause wird so oft von Subsidiarität gesprochen. Vonseiten der CSU heißt es doch immer, Bayern solle dies machen und könne das machen; der Bund solle nur eingreifen, wenn Bayern versagt hat. Wenn Sie die Bundesstelle als optimal bezeichnen, dann ist das doch das Eingeständnis von Ihnen, dass die CSU insoweit versagt hat. Ihre Haltung zur Subsidiarität kann ich übrigens mit genügend Zitaten von Kollegen belegen.
Sie sprechen davon, dass die sexuelle Idi – – die sexuelle Identität privat sei.
Ja, das ist schwierig. Das ist ein Thema, bei dem meine Emotionen hochkochen. Wir geben für so viele Vorhaben Geld aus – warum dann nicht für ein Vorhaben, das so wichtig ist? Wir dürfen junge Menschen, die auf der Suche nach ihrer Identität sind, nicht allein lassen. Es gibt zwar schon entsprechende Beratungsstellen in kommunaler Hand, aber diese brauchen noch viel mehr Unterstützung. Die Stellen, die es bereits gibt, und die, die – hoffentlich – noch geschaffen werden, bedürfen der Koordinierung.
Ich komme auf Ihre Auffassung zurück, das sei Privatsache. Das ist okay. Ich akzeptiere, wenn in der CSU und bei den FREIEN WÄHLERN das Familienmodell "Mutter – Vater – Kind" vorherrscht und dass Sie darauf Ihre Politik gründen. Ich kann daher auch akzeptieren, dass Sie zum Beispiel den Familienbund fördern – wir sind uns einig, dass die Broschüre, die er herausgegeben hat, nicht im Sinne des Ministeriums ist –, um Ihr Bild von Familie zu verbreiten. Ich verstehe allerdings nicht, warum Sie Minderheitenvorstellungen nicht fördern wollen. Gerade insoweit sind doch Aufklärung und Unterstützung dringend notwendig.
Die Frau Ministerin hat mir auf meine Anfrage geantwortet, dass nicht beabsichtigt sei, einen Leitfaden herauszubringen, und dass im Sinne der weiteren Unterstützung von Transgender, Lesben und Schwulen nichts geplant sei. Warum nicht? Warum beschränken Sie Aufklärung auf den Bereich des Mainstreams?
Meine sehr verehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie sich gegen Diskriminierung und für die Selbstbestimmung und die Akzeptanz sexueller Vielfalt einsetzen, dann geben Sie sich einen Ruck und stimmen Sie dem GRÜNEN-Antrag auf Einrichtung einer Beratungsstelle für queere Persönlichkeiten zu.
Herr Kollege Freller, da ich Sie seit vielen Jahren kenne, auch aus gemeinsamer Arbeit im Bereich der Jugendpolitik, fasse ich Ihre Frage so auf: Stimme ich Ihnen zu, dass es zusätzliche Aufgaben geben wird, die zusätzliche Kräfte binden werden, um Meinungen, die wir sicherlich nicht haben wollen, die aber in unsere Gesellschaft einströmen, zu begegnen? – Dass es diese zusätzlichen Aufgaben geben wird, will ich gar nicht leugnen. Daher brauchen wir erst recht jemanden, der die Koordinierung übernimmt. Deswegen danke ich Ihnen für Ihre Anregung, dieses Argument mit aufzunehmen.
Liebe Kollegin Stamm, auch Sie haben sicherlich gehört, dass Herr Kollege Freller in seinen einleitenden Worten betont hat, dass er die
ses Thema sehr ernst nehme und dass er ihm sehr wohl etwas abgewinnen könne. Eine historische Betrachtung zeigt, dass es für die CSU sicherlich nicht leicht gewesen ist, den einen oder anderen Schritt in diese Richtung zu gehen. Aber die CSU ist diese Schritte gegangen. Ich bin zuversichtlich, dass die Kolleginnen und Kollegen von der CSU genau dieses Argument für die Koordinierungsstelle vermisst haben, was sicherlich dazu führen wird, dass der eine oder andere Kollege dem Antrag der GRÜNEN zustimmen wird.
Frau Kollegin, ich wollte Sie etwas fragen. Ich war überzeugt davon, dass ich gesagt habe, dass Ihre Fraktion mehrheitlich dieses Familienbild vertritt. Ich habe nicht gesagt, dass dies in Ihrem Parteiprogramm steht. Deswegen wollte ich Sie fragen: Habe ich "mehrheitlich" gesagt? – Falls nein, tut es mir leid. Ich wollte nicht alle Mitgliedern der FREIEN WÄHLER in ein pauschales Familienbild unterstellen. Falls ja, falls ich "mehrheitlich" gesagt habe, wollte ich Sie fragen: Sehen Sie das nicht so? Stehen die FREIEN WÄHLER nicht mehrheitlich für dieses Familienbild?
(Vom Redner nicht autori- siert) Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der heutigen Sitzung beginnt die sitzungsfreie Zeit des Parlaments, und ich hoffe, dass Sie alle ein wenig Zeit haben, sich zu erholen.
Der eine oder die andere von Ihnen wird das vielleicht mit seinem Ehepartner oder seiner Ehepartnerin tun. Haben Sie sich schon einmal überlegt, was Ehe, Ehepartnerin und Ehepartner für Sie bedeuten? Ehe bedeutet Weitergabe von Leben, zumindest, wenn man der Definition einer aktuellen Publikation des Familienbundes der Katholiken im Bistum Augsburg folgen mag. Es wird befürchtet, dass diese Bedeutung geändert werden könnte; denn in der Publikation heißt es:
Es deutet … viel darauf hin, dass die Ehe in ihrer Bedeutung geändert werden soll. Nicht mehr Weitergabe des Lebens, sondern das Gefühl soll Grundlage der Ehe werden.
Einmal abgesehen davon, dass ich ein hoffnungsloser Romantiker bin und das Gefühl als Grundlage einer Ehe gar nicht so schlecht finde, hat es schon seinen Grund, warum ich mit Ihnen über dieses Zitat bzw. die Publikation sprechen möchte, aus der dieser Artikel stammt. Der Autor argumentiert nämlich weiter damit, dass eine allein auf die Weitergabe des Lebens ausgelegte Ehe von Natur aus nur für Heterosexuelle gedacht ist. In diesem Eheverständnis ist natürlich auch kein Platz mehr für späte Ehen oder für Ehen zwi
schen Menschen, die wissen, dass sie keine Kinder bekommen können oder wollen.
Das entspricht nicht den Vorgaben unseres Bürgerlichen Gesetzbuches; denn nach dem BGB kommt eine Ehe durch Willenserklärung vor einem Standesbeamten zustande und verpflichtet die Ehepartner zum gegenseitigen Unterhalt, zur ehelichen Lebensgemeinschaft und zu Verantwortung füreinander. Das klingt aus meiner Sicht nicht unbedingt romantisch, sondern nach Recht und Verpflichtung. Aber wir sollten nicht vergessen, dass die Entscheidung für Ehe und Familie eine im Grunde zutiefst wertorientierte Entscheidung ist, die der Staat aufgrund der gegenseitigen Übernahme von Verantwortung stützen und nicht verhindern sollte. Das gilt für uns unabhängig davon, ob das eine hetero- oder eine homosexuelle Übernahme von Verantwortung und Pflichten ist. Gleiche Pflichten verdienen auch gleiche Rechte.
Deswegen setzen wir von der SPD uns schon seit Langem für die volle Gleichberechtigung und ein modernes Familienbild ein. Die Publikation kann ruhig eine andere Position beziehen, wäre da nicht der Ton, in den sie dann verfällt.
Ich habe nur noch 23 Sekunden Zeit und sage Ihnen kurz und bündig, dass das Pamphlet ganz fürchterlich ist. Ich erzähle Ihnen dazu später beim Kaffee mehr, zumal jetzt so viele draußen beim Kaffee sind. Schlimm war für mich eines: Als ich das Pamphlet gelesen habe, habe ich rechts unten gesehen, dass es vom Staatsministerium für Familie und Soziales gefördert wird. Ich sage Ihnen, dass das für mich ein Schock war; denn das Papier ist homophob. Ich erkläre es Ihnen, wie gesagt, nachher draußen.
Ich habe auch unter den Leuten, denen ich es gegeben habe, niemanden gefunden, der dementiert hätte, dass darin Äußerungen enthalten sind, die weit über das Ziel hinausschießen. Ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass unsere Ministerin Emilia Müller, die leider nicht da ist und die ich gerne direkt angesprochen hätte, hinter solchen Aussagen stehen kann, wie sie in dem Pamphlet getroffen werden. Weil wir uns das nicht vorstellen konnten, haben wir uns gedacht: Na ja, wenn die Staatsregierung das gefördert hat, hat sie entweder nicht gewusst, was darin steht – das wäre schlimm; denn was ist dann die Grundlage der Förderung, selbst auch einer institutionellen Förderung des Familienbundes? –, oder sie wusste es. Dann aber wüsste ich von der Staatsregierung gerne, ob sie die in diesem Pamphlet enthaltenen Äußerun
gen akzeptieren oder tolerieren kann; denn diese sind hart an der Grenze.
Deswegen haben wir die Staatsregierung im Dringlichkeitsantrag aufgefordert, mündlich und schriftlich darüber zu berichten, ob sie das kannte und, wenn ja, ob sie das Menschen- und Gesellschaftsbild, das in dieser Veröffentlichung dargestellt wurde, teilen und akzeptieren kann und in welcher Höhe der Familienbund gefördert wird.
Ich sehe: Meine Redezeit ist zu Ende.
(Vom Redner nicht autori- siert) Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, dass zwei der Autoren dieses Pamphlets mehrfach in Pegida-Veröffentlichungen publiziert haben und dass eine Autorin Mehrfachautorin bei "Kath.Net" ist, das vom Pressesprecher des Bistums Augsburg sogar als Tummelplatz für rechtes Gedankengut bezeichnet worden ist?
Des Weiteren möchte ich feststellen: Wir von der SPD sind nicht dagegen, dass die Arbeit von Institutionen gefördert wird, die ihre Meinung gemäß dem Prinzip der Meinungspluralität darlegen. Wir sind der Meinung, dass es sehr wohl das Recht von Institutionen ist, aufgrund ihrer Glaubensüberzeugung eine Position einzunehmen. Es geht aber um ein Zitat, das besagt: Wenn das Gefühl der Liebe statt der Möglichkeiten der Weitergabe des Lebens unabhängig und jenseits von allen natürlichen Gegebenheiten normbildend zum Recht wird, dann wird ein Vater fordern können, seine Tochter oder gar seinen Sohn heiraten
zu dürfen, und ein Bruder seine Schwester oder seinen Bruder; das Inzestverbot würde dadurch ausgehöhlt und aufgehoben werden. - Ein solches Zitat erfüllt vielleicht schon den Tatbestand einer Volksverhetzung.
Solche Publikationen dürften damit auf keinen Fall mit öffentlichen Mitteln subventioniert werden.
Lieber Herr Kollege Aiwanger, auf die Gefahr hin, dass Sie gleich wieder hoch
gehen und laut werden: Wir von den Sozialdemokraten haben uns auch gefragt, wie schlimm es um die FREIEN WÄHLER stehen muss, dass sie einen solchen Antrag einbringen.
Wir haben uns natürlich überlegt: Vielleicht gibt es einen Grund für eine solche Art organisierter Verantwortungslosigkeit in einem solchen Antrag.
Vielleicht hat Ihnen Dr. Fahn berichtet, dass wir in der letzten Sitzung des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie regionale Beziehungen einen Antrag der CSU behandelt hatten, den wir auch etwas seltsam fanden, der die Staatsregierung aufgefordert hat, sich für die vereinbarten Konsolidierungsmaßnahmen und Reformen in Griechenland einzusetzen. Dieser Antrag war aber geschickter gemacht. Auch darin werden bestimmte populistische Bedürfnisse der Bevölkerung befriedigt, aber so geschickt, dass man darüber ordentlich verhandeln kann, auch wenn ich – entschuldigen Sie, Herr Finanzminister, dass ich das so sage – schon etwas Angst bekommen habe, weil ich gedacht habe, dass Ihre Partei glaubt, Herr Schäuble brauche Ihren expliziten Rat, weil Sie ihm sonst nicht vertrauen würden.
Unsere Überlegung war: Vielleicht stellen Sie diesen Antrag, um die CSU in die Bredouille zu bringen, fordern eine namentliche Abstimmung und erwarten, dass die CSU Ihrem Antrag folgt. Dann hätten Sie ihn aber anders formulieren müssen, nicht in dieser seltsamen Art und Weise. Wir neigen eher dazu anzunehmen, dass die FREIEN WÄHLER meinen, dass, wenn es rechts von der CSU eine Partei geben sollte, dies in Bayern nicht die Pegida-Bewegung sein soll, sondern die FREIEN WÄHLER.
Man kann die Europäische Union und die damit verbundene Währungsunion für gut oder schlecht halten – Fakt ist, dass sie existiert. Wenn wir nicht wollen, dass sie an sich scheitert, müssen wir schwachen Staaten wie Griechenland auch helfen. Ich meine, Herr Kollege Aiwanger, auch wenn Ihnen die persönlichen Belange der meisten Griechen relativ egal sind und was dabei herauskommt,
sollten Sie sich einmal überlegen, was Sie so flapsigfalsch versucht haben, hier im Plenum zu sagen. Griechenlands Schulden sind inzwischen bis zu 90 % Schulden bei anderen EU-Staaten, auch bei uns Deutschen. Wenn Sie genauso wenig wie wir oder die CSU einen Schuldenschnitt zulasten der Steuerzahler wollen, sollten Sie daran interessiert sein, die Problematik Griechenlands anderweitig zu lösen;
denn bei einer erneuten Ablehnung der Gelder für Griechenland bekommen Sie Ihr Geld sicher nie wieder zurück. – Sie sagen hier "Zweitwährung". Damit verhält es sich in etwa so wie bisher mit den Kreditkosten. Griechenland musste fast das Zehnfache an Zinsen zahlen als zum Beispiel Unternehmer in Deutschland. Deswegen sind einige Reformen in Griechenland auf den Weg gebracht worden. Es ist nicht so, dass in Griechenland nichts passiert ist. Die IfG wurde zur Unterstützung des griechischen Mittelstands gegründet, damit Unternehmer an günstigere Kredite kommen. Privatisierungen wurden vorangetrieben. Es ist nicht so, dass nichts passiert wäre, Herr Kollege Aiwanger. Lassen Sie mich feststellen, dass die Griechen bislang alle Kredite, die sie entsprechend der Margen bekommen haben, zurückgezahlt haben. Von den 240 Milliarden Euro des letzten Rettungspaketes
sind nur 11 % in Griechenland gelandet, der Rest ging in die Schuldentilgung. Obwohl dem Land nur lächerliche 11 % geblieben sind, hat es Griechenland dennoch geschafft, einen Primärüberschuss zu erzielen. Deswegen, lieber Herr Kollege Aiwanger und liebe Kollegen von den FREIEN WÄHLERN: Geben Sie den Griechen die Chance – wir geben ihnen die Chance -, im Rahmen dessen, was vereinbart worden ist, weiter zu verhandeln. Sie sprechen von Seriosität, machen aber flapsige Bemerkungen über Drogensucht etc. und arten in Polemik aus. Lassen Sie uns vernünftig darüber reden.
Die auslaufenden Hilfsprogramme sollen jetzt erneut mit dem Ziel verlängert werden, die letzte Programmüberprüfung erfolgreich abzuschließen und die Mittel innerhalb der vereinbarten Programmbedingungen – das ist nämlich das Wichtige, worauf auch die Kollegen von der CSU verwiesen haben – bestmöglich zu nutzen. Das soll gemeinsam mit den Institutionen, wie man die Troika jetzt bezeichnet, durchgesetzt werden.
Ich meine, wir sollten diesen Weg – Kollege Weidenbusch hat es ausgeführt – im Rahmen dessen gehen, was vorgegeben und verhandelt wurde.
Lassen Sie mich zur Wahl der Syriza-Regierung etwas sagen. Fragen Sie Insider. Wir haben zum Beispiel gestern Abend bei der Veranstaltung "Eurospektiven", die wir im Bayerischen Landtag immer durchführen,
mit Leuten gesprochen, sowohl mit anwesenden Griechen, aber auch – das war uns wichtig und für uns ausschlaggebend - mit der Fachfrau Christiane Schlötzer von der "Süddeutschen Zeitung", die die ganze Zeit über in Griechenland war und berichtet hat. Sie hat gesagt, dass im Rahmen der sozialen Möglichkeiten die Wahl der Regierung keine linksoder rechtsextreme Entscheidung gewesen ist, sondern eine Entscheidung gegen die Korruption des alten Systems war. Das war eine Entscheidung hin zu vertretbaren Reformen mit der realen Chance, nicht, wie Sie in Ihrem Antrag schreiben, ein Bekenntnis gegen die EU oder – diese Formulierung in Ihrem Antrag fand ich unterirdisch – gegen die Bundesrepublik Deutschland.
Das ist ein Sprachstil, den wir hier nicht unbedingt brauchen. Solche Feindbilder brauchen wir nicht aufzubauen.
Wenn Sie das schon nicht aus einem Solidaritätsgedanken heraus machen wollen, dann seien Sie wenigstens angesichts des bayerischen Steuerzahlers so vernünftig und nehmen Sie diesen unsäglichen Antrag zurück; denn Ihr Geld, liebe Kollegen von den FREIEN WÄHLERN, sehen Sie ganz sicher nicht wieder, wenn wir die Griechen aus der EU entlassen.
Lieber Herr Kollege Vogel! Als Sie sich gemeldet haben, habe ich mir gedacht: Gut, dass Frau Gerlach gesagt hat, dass das Thema "Gewalt gegen Frauen" auch Männer angeht und sich auch ein Mann gemeldet hat. Sie haben hier eigentlich ganz gut angefangen. Was Sie am Anfang gesagt haben, war sicherlich richtig. Sie können es aber einfach nicht. Der Reflex, mich zu Wort zu melden, als ich gesehen habe, dass Sie reden, war berechtigt. Ich dachte zwar, dass hier ein Spruch wie "Gott, Herr, schütze uns vor Feuer, Wasser, Schmutz und Graus, vor GRÜNEN, SPD und einem Frauenhaus" von Ihnen kommen würde, aber es war diesmal doch etwas diffiziler.
Frau Gerlach hat es ganz richtig gesagt. Das ist ein Thema, das auch uns Männer angeht.
Deswegen wäre es vielleicht richtig, wenn die Kollegen und Kolleginnen von der CSU sagen, dass all das, was wir fordern, ja sowieso gemacht wird, dass Sie – und ich spreche hier ganz speziell die Männer in der CSU-Fraktion an – ein Zeichen setzen und mit Ihren männlichen Stimmen für die richtigen Anträge stimmen. Es kann nicht falsch sein, wenn Sie es ohnehin umsetzen.
Falls Sie sich nicht sicher sind, ob die Staatsregierung das alles schon tut, wäre es vielleicht wichtig, dass Sie sich einmal überlegen, was das Thema Gewalt bedeutet. Es ist dann wichtig, sich dabei zu überlegen, ein Zeichen gegen Gewalt zu setzen und Mittel zu investieren. Es ist eine Schande, wenn in einem Land wie dem unseren Gewalt gegen Frauen angewendet wird. Dann lautet die primäre Frage nicht, wer dafür zahlt, sondern wer es verhindert.
Kollege Vogel, wenn Sie mit Subsidiarität kommen, dann müssten Sie sagen: Nein, die Kommunen müssen auch nicht zahlen. Soll doch der Mann oder die Frau auf der Straße handeln, weil das dann ausrei
chend ist. Wir sind dazu da, Defizite zu beseitigen. Nicht jede Kommune ist dazu in der Lage. Warum sollen wir nicht ein Zeichen setzen? Wenn wir Gewalt gegen Frauen verurteilen, dann werden wir dafür auch etwas investieren können.
(Vom Redner nicht autori- siert): Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Aiwanger hat natürlich bei ein paar Punkten recht, sieht aber leider ab und zu drüber hinweg und vermischt manche Dinge, die in dieser Ausführung nicht ganz richtig sind. Das wird diesem wirklich sehr wichtigen Thema nicht richtig gerecht. Da haben Sie vollkommen recht.
Wir werden als SPD-Fraktion dem Dringlichkeitsantrag der FREIEN WÄHLER auf Drucksache 17/4175 nicht zustimmen, auch wenn die Sache richtig und die Begründung des Dringlichkeitsantrags bis auf den letzten Satz wirklich gut und vorbehaltlos richtig ist. Aber wir beschließen nicht den Begründungstext, sondern den Antragstext. Hier haben wir von der SPD eine andere Meinung als die FREIEN WÄHLER; denn die in Ziffer 1 formulierte Aufforderung an die Staats
regierung, sich ohne Wenn und Aber, ohne Differenzierung und ohne Blick auf den exakten Text oder eine Positionierung für eventuelle Nachbesserungen für eine Ablehnung der Unterzeichnung im Rat der Europäischen Union einzusetzen, kommt einer Ablehnung von Freihandelsabkommen per se gleich. Das ist nicht unsere Meinung. Eigentlich hat Herr Kollege Aiwanger gesagt, Freihandelsabkommen seien nicht grundsätzlich schlecht. Freihandelsabkommen können sehr wohl einen positiven Beitrag zu nachhaltigem Wachstum und zur Beschäftigung in Europa leisten. Manche der Punkte, die er genannt hat, haben in unseren Augen auch einen sehr positiven Effekt. In CETA werden auch Qualitätsregelungen genannt, die dafür sorgen, dass wir nicht mit irgendwelchem Schund überschwemmt werden. Da muss man den Text genau anschauen.
Auch wenn Sie ein reflektierender Globalisierungsgegner sind, auch wenn Sie qualitatives Wachstum und quantitatives Wachstum einander gegenüberstellen wollen, müssen Sie doch zugeben, dass Globalisierung im positiven Sinne weitestgehend auch über Handelsabkommen vorangebracht und nachhaltig positioniert werden kann. Ein Freihandelsabkommen ist also an sich nichts Negatives.
Herr Kollege Aiwanger, seit dem Vertrag von Lissabon ist das nicht mehr Sache von Nationalstaaten, die weiterhin mit Kanada Handel treiben, sondern eine klare EU-Aufgabe. Auch das müssen Sie endlich verstehen. Es kommt auf jeden Fall auf den Inhalt an.
Wir Sozialdemokraten haben immer auch klargemacht, dass wir Investoren-Staats-Schiedsstellen zwischen zwei Staaten mit entwickelten Rechtssystemen nicht für notwendig halten. Unsere Genossen in Brüssel haben das in einem Brief an Kommissar de Gucht klar und deutlich zum Ausdruck gebracht. Die Kommission sollte CETA durch diese unnötigen Klauseln nicht gefährden. ISDS muss aus diesem Vertrag heraus.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den FREIEN WÄHLERN, in diesem Sinne sind wir der Auffassung, dass CETA, genau wie Sie sagen, in dieser Fassung nicht zustimmungsfähig ist.
Wir werden aber ein Freihandelsabkommen mit Kanada sicher nicht per se ablehnen, wie es im Antrag der FREIEN WÄHLER gefordert ist.
Unter "1." steht einfach: Ablehnung.
Deswegen fordern wir in unserem Antrag die Bayerische Staatsregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada nachverhandelt wird. Dabei wird vor allem das Investitionsschutzkapitel, so wie es zurzeit noch im Vertragstext steht – da hat Herr Kollege Aiwanger recht –, abgelehnt. Das ist auch Beschluss des Hohen Hauses vom 1. Juli dieses Jahres, in dem wir bei Enthaltung der FREIEN WÄHLER mit den Stimmen der CSU und der SPD die Teilnahme an der Online-Konsultation der EU-Kommission im Investitionsschutzkapitel im Rahmen der TTIP formuliert haben. Ich muss es nicht nochmals formulieren, der Herr Kollege Aiwanger hat es bereits gemacht. Das galt für die TTIP. Wir sagen aber, das muss auch für das CETA gelten. Wir hoffen, dass sich an dem Beschluss dieses Hohen Hauses nichts geändert hat.
CETA wurde im September abschließend verhandelt, aber nicht paraphiert. Nun folgt eine juristisch einwandfreie und somit diskutierbare und erschließbare Übersetzung des Vertragstextes in alle EU-Sprachen. Dieser Vorgang wird ungefähr sechs bis acht Monate in Anspruch nehmen. Die anschließende Behandlung und eventuell der Abschluss des Abkommens finden dann aufgrund eines Ministerratsbeschlusses in der EU statt und können somit frühestens Ende des zweiten, Beginn des dritten Quartals 2015 erfolgen.
Nach der Unterzeichnung übermittelt der Rat den Text voraussichtlich im dritten, vierten Quartal offiziell an das Europäische Parlament, und dieses entscheidet im Plenum über dessen Annahme oder Ablehnung.
Da wir der Überzeugung sind, dass es sich um ein gemischtes Abkommen handelt, müssen im Anschluss noch die nationalen Parlamente das Abkommen ratifizieren. Diese Zeit kann und soll, ja, sie muss sogar real zur Nachverhandlung über die Inhalte genutzt werden.
Frau Malmström hat vor zwei Tagen klargemacht, dass die Position von Wirtschaftsminister Gabriel, dass neu verhandelt werden müsse, zu Neuverhandlungen geführt hat und dass der Einspruch Deutschlands Richtung Schiedsgerichtsverfahren zu Nachverhandlungen geführt hat. Auch das sollte man wahrheitsgemäß wiedergeben.
Bei diesen Nachverhandlungen soll laut unserem Antrag – Kollege Aiwanger hat diesen Beschluss genannt – der Beschluss des Bayerischen Landtages Teilnahme des Landtags an der Online-Konsultation der EU-Kommission zum Investmentschutzkapitel im Rahmen der TTIP - analog in CETA Berücksichtigung finden. Zudem ist sicherzustellen, dass Arbeitnehmerrechte, Verbraucherschutz, Sozial- und Umweltstan
dards, die kommunale Daseinsvorsorge und die kommunale Selbstverwaltung sowie Zuständigkeiten der regionalen Gebietskörperschaften für kulturelle und regionale Vielfalt nicht angetastet werden.
Das werde ich jetzt nicht weiter ausführen, zumal Herr Aiwanger in seinen Ausführungen schon darauf eingegangen ist. Ich verweise vielmehr auf den Forderungskatalog auf Drucksache 17/400, welchen wir bereits mit Blick auf TTIP mit Nachdruck zum Ausdruck gebracht haben. Dieser Antrag wurde bereits im Februar dieses Jahres einstimmig im Plenum angenommen und die Forderung der SPD im Interesse der bayerischen Bürgerinnen und Bürger als bayerische Position übernommen.
Wir bleiben dabei: Ein Freihandelsabkommen mit Kanada ist grundsätzlich keine schlechte Sache. Es wäre falsch, das grundsätzlich infrage zu stellen und abzubrechen, zumal der paraphierte Text in seiner endgültigen Übersetzung noch nicht vorliegt. Das wäre auch zu einfach.
Die FREIEN WÄHLER fordern uns unter der Ziffer 1 auf, diesen Antrag zurückzuweisen, obwohl wir die Klausel selbst schon mehrfach zurückgewiesen haben. Wir sagen an dieser Stelle aber auch ganz klar: Wir brauchen und wollen keine privaten Schiedsgerichte. Unsere Position geht dahin, nicht das gesamte Abkommen wegen dieses Punktes infrage zu stellen; denn wir sind überzeugt, dass das Abkommen wichtig ist. Deshalb sind wir durchaus bereit, Nachbesserungen zu verhandeln.
Die zurzeit noch in Englisch gehaltenen Texte enthalten auf den Seiten 164 bis 182 eindeutig noch Regelungen zu diesem Investor-Staats-Schiedsverfahren. Mit diesen Klauseln wird es CETA mit uns nicht geben. Wir suchen jedoch nach Lösungen, unseren Forderungskatalog in CETA abzubilden und diesen auf Basis unserer sehr guten rechtsstaatlichen Prinzipien abzuändern. Hiermit fordern wir den Bayerischen Landtag auf, unserem Antrag zuzustimmen.
Lieber Kollege Pohl, ich bin da anderer Meinung als Sie hinsichtlich der Annahme, dass keine Nachverhandlungen mehr möglich sind.
Auch die Kommissarin Malmström hat ganz klar gesagt, dass der Druck, den Deutschland gerade hinsichtlich des Schiedsgerichtsverfahrens ausgeübt hat, dazu führt, dass man nachverhandeln wird.
Ein Investorenschutz kann auch auf der Basis unserer bestehenden Rechtslage erfolgen. Sie wissen: Das ist der Beschluss des Hohen Hauses. Wir haben beschlossen: Auf der Basis unseres funktionierenden guten Rechtssystems wollen wir diese Diskussion führen. In diesem Sinne glauben wir, dass ausreichend Schutz für Investoren gegeben ist. Und ja: Wenn ein Schutz für Investoren aufgrund unseres Rechtsstaats gegeben ist, dann ist das ein Investorenschutz.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich mit meiner Rede beginne, möchte ich mich an dieser Stelle entschuldigen. Ich möchte mich bei den Kollegen und Kolleginnen der CSU entschuldigen, denen ich in der letzten Plenarsitzung mit meinem Crystal-Meth-Vergleich zu nahe getreten bin oder die ich damit verletzt habe. Zu keinem Zeitpunkt wollte ich Sie als Drogenjunkies diskreditieren oder beleidigen.
Aber ich bitte Sie um Verständnis, dass das Temperament auch bei einem wie mir, der sonst in solcher Hinsicht eher zurückhaltend ist, durchgehen kann.
Ein Vergleich mit Drogenjunkies ist unter dem Niveau der parlamentarischen Auseinandersetzung; das gebe ich zu. Aber es fällt mir leichter, dies zuzugeben, weil einige Kolleginnen und Kollegen der CSU, die mir hinterher ihre Meinung gesagt und ihre Empörung geäußert haben, gesagt haben, dass ich mich mit diesem Vergleich genau auf das Niveau von Markus Ferber begeben habe, dessen Nürnberger Vergleich mit Martin Schulz als Geschäftsführer der Schlepperbanden das war, was mich so erzürnt hatte. Das war in ihren Augen genauso niveaulos und unterste Schublade wie mein Beitrag.
Ich betone das ebenso. Aber ich entschuldige mich hier und hoffe, Frau Wittmann, dass wir damit das gute Klima im Europaausschuss vielleicht wiederherstellen können und künftig wieder gemeinsam für das Wohl Bayerns in Europa und das Wohl Europas in Bayern streiten können.
Ich hoffe, dass Herr Ferber ebenso die Größe hat, sich für seinen Ausfall gegenüber Martin Schulz zu entschuldigen,
zumal er als Vorsitzender einer proeuropäischen und überparteilichen Organisation wie der Europa-Union mehr als alle anderen an einem guten, gemeinsamen proeuropäischen Stil interessiert sein müsste. Ohne eine Entschuldigung ist er meiner Meinung nach als Landesvorsitzender nicht mehr tragbar.
- Ich habe mich entschuldigt.
In dem proeuropäischen Geiste der Europa-Union – ich erlaube mir, das in dieser Runde zu sagen; in der letzten Legislaturperiode waren immerhin 78 von 187 Abgeordneten Mitglied der Europa-Union – bitte ich Sie, heute in der Aktuellen Stunde ein Zeichen für Europa zu setzen, ein Zeichen, dass wir das EU-Europa mit all seinen Risiken, den vorhandenen Fehlern und den dringend korrekturbedürftigen Regelungen schätzen und wollen. In der Tat ist Europa teilweise in keinem guten Zustand. Es ist in vielen Teilen zu bürokratisch, zu ineffektiv und zu unsozial.
Somit ist die Europawahl 2014 die wichtigste Europawahl seit Langem und vielleicht die wichtigste überhaupt; denn es geht darum, Vertrauen in die europä
ische Idee zurückzugewinnen. Die anstehende Frage, wie sich Europa entwickeln soll, ist somit eine Richtungsentscheidung. Es geht für die Bürgerinnen und Bürger um ihr Einkommen, ihre Arbeitsbedingungen, ihre Bildung und ihre Umwelt.
Aber ich bin überzeugt, dass die Menschen das EUEuropa wollen. Sie wissen, wie wichtig ein geeintes und starkes Europa ist. Doch sie haben nun einmal das Gefühl, dass einiges falsch läuft. Die Leute sind es leid, dass die EU regelt, wie hoch der Wasserverbrauch bei der Toilettenspülung und die Wattzahlen des Staubsaugers und der Glühbirne sind. Sie sind es leid, dass mit ihren Steuergeldern marode Banken gerettet werden, wenn andererseits Geld fehlt, um etwas gegen die fürchterliche Jugendarbeitslosigkeit zu tun. Sie sind es leid, dass sich Vermögende und Großunternehmer durch Steuerhinterziehung oder Steuerflucht ihrer Verantwortung für die Allgemeinheit entziehen, und sie sind es leid, dass der freie Wettbewerb oft mehr zählt als ihre Löhne und Arbeitnehmerrechte.
Wir, liebe Kollegen und Kolleginnen, sollten deshalb die Europawahl nutzen, um mit möglichst vielen Menschen darüber zu sprechen, was ihnen am heutigen Zustand der EU Sorgen bereitet, wo sie Veränderungsbedarf sehen und welche Zukunftshoffnung sie mit Europa verbinden. Dazu gehört, dass wir den Blick nicht primär auf wirtschaftliches Wachstum und Gewinnmaximierung richten und unsere Sorgen nicht primär dem Erhalt von Banken und der Absicherung von Finanzgeschäften gelten. Der Mensch muss im Fokus unseres Handelns stehen. Wir müssen von einer reinen europäischen Wirtschaftsunion weg und hin zu einem sozialen Europa kommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin überzeugt, dass wir in diesem Haus in der Sache gar nicht so weit auseinanderliegen. Natürlich haben wir unterschiedliche Schwerpunkte und Konzepte, und ich bin der Überzeugung, dass das sozialdemokratische Programm für das Europa der Zukunft das Richtige ist.
Doch ich bin der Meinung, dass wir uns bei aller unterschiedlichen Auffassung in einer Sache einig sind, nämlich dass am 25. Mai nationalistische und offen antidemokratische Kräfte im Europäischen Parlament nicht stärker werden dürfen.
Laut einer Studie des Thinktanks Deutsche Bank könnte uns das nämlich drohen; diese Kräfte könnten in Europa auf 27 % kommen. Um das zu verhindern, sind wir alle aufgefordert, im Endspurt des Wahl
kampfs nicht mit Schlamm- und Beschimpfungskampagnen zu arbeiten, sondern für Europa zu werben. Darum bitte ich Sie.
(Vom Redner nicht autori- siert) Frau Vorsitzende, meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 25. Mai sind die Wahlen zum Europäischen Parlament. Diese Europawahl ist eine der wichtigsten Europawahlen seit Langem. Es geht darum, Vertrauen für die europäische Idee zurückzugewinnen. Viele Menschen sehen Europa mittlerweile zwiespältig. Die anstehende Frage, wie sich Europa entwickeln soll, damit es seine Bürgerinnen und Bürger wieder mitnimmt, ist eine Richtungsentscheidung. Wer die EU zukunftsfest machen will, muss sie vom Kopf auf die Füße stellen. Es lohnt sich, darüber zu diskutieren, gerne auch streitig zu diskutieren. Denn Frau Merkel hat nicht recht. Ihre Politik ist nicht alternativlos, und die Vorstellung Frau Merkels von einer marktgeprägten Demokratie ist nicht alternativlos; sie ist schlicht und einfach grundfalsch, sogar brandgefährlich.
Wer Europa wirklich zukunftsfest machen und seinen Gegnern am rechten und linken Rand des Spektrums nicht seine Zerstörung überlassen will, muss es jetzt vom Kopf auf die Füße stellen. Aus sozialdemokratischer Sicht gehört neben vielen anderen Maßnahmen die Schaffung eines zweiten Standbeins, eines sozialen Europas, dazu, damit die EU bei den Arbeitnehmern wieder mehr Zuspruch erhält.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies hat unser Dringlichkeitsantrag zum Inhalt, für den ich hier um Ihre Zustimmung bitten möchte. Es gibt Alternativen. Wir brauchen einen Wechsel hin zu einem gerechten und demokratischen Europa, zu einem Europa mit Sozialstaatlichkeit und Mitbestimmung, zu einem Europa, in dem die Menschen in Würde leben und arbeiten können. Wir erwarten, dass diese Politik auf die Menschen, nicht vorrangig auf die Märkte ausgerichtet wird; denn Europa hat sich in den europäischen Verträgen das Ziel gesetzt, die Lebens- und Arbeitssituation der Menschen zu verbessern.
In diesem Sinne haben wir beschlossen, mit unserem Dringlichkeitsantrag ein Zeichen zu setzen. Ja, noch vor diesem 25. Mai 2014 legen wir einen thematisch klaren Antrag vor, der viele Punkte enthält, wie wir uns das zukünftig bessere Europa vorstellen. Wir haben uns bewusst auf ein Thema konzentriert, anders als die FREIEN WÄHLER, die mit ihrem Antrag einen Blumenstrauß an Forderungen erhoben haben.
- Das stimmt. Wir wollten aber ein Zeichen setzen, indem wir konkret und klar an einem Thema dranbleiben und es nicht nur anreißen. Dies passiert in diesem Wahlkampf mit sehr vielen Themen, bei denen Teilinformationen zu ganzen Kampagnen führen. Diese schaden unter dem Strich nur Europa und Bayern und erschweren uns das politische Arbeiten unnötig. Hier waren wir uns am Dienstag im Europaausschuss weitgehend einig.
Heute bringen wir einen Dringlichkeitsantrag mit einem klaren Bekenntnis des Landtags zu einem starken und sozialen Europa ein. Wir fordern faire Löhne für gute Arbeit. Machen Sie sich darauf gefasst: Das ist nur der Anfang. Wir werden auf ebenso gründliche Art und Weise qualifizierte Anträge für Freizügigkeit, für die Gestaltung der neuen Finanz- und Bankordnung, für die europäische Klima- und Energiestrategie und zum bunten Europa nachreichen.