Protocol of the Session on May 15, 2014

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte, die Plätze einzunehmen, damit wir mit der heutigen Plenarsitzung und damit auch mit unserer Arbeit beginnen können. Die, die bei der Eröffnung der Landesausstellung zugegen waren, sind auch da. Wir können also jetzt mit der 17. Vollsitzung des Bayerischen Landtags beginnen. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde wie immer erteilt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde gem. § 65 GeschO auf Vorschlag der CSU-Fraktion "Bayerns Erfolgsgeschichte fortschreiben - den Freistaat zur Leitregion für den digitalen Aufbruch weiterentwickeln"

Für die heutige Sitzung war die CSU-Fraktion vorschlagsberechtigt. Ich darf jetzt die Rednerinnen und Redner bitten. Als Erster hat Herr Kollege Blume für die CSU-Fraktion für zehn Minuten das Wort. Herr Kollege, bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir befinden uns im digitalen Zeitalter. "Alles, was digitalisierbar ist, wird digitalisiert, und alles, was vernetzbar ist, wird vernetzt" - so jedenfalls Telekom-Chef Höttges vor wenigen Wochen zu dem, was insbesondere seine Branche bewegt.

Wenn wir die Medien im Moment aufmerksam verfolgen, sehen wir derlei Schlagzeilen viele. Axel-Springer-Chef Döpfner hat vor einigen Wochen in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" bekannt: "Wir haben Angst vor Google." - Zeitungsverleger waren bei uns im Bayerischen Landtag und haben ihr Herz ausgeschüttet wegen der Entwicklungen, die auch etablierte Geschäftsmodelle bedrängen. Heute lesen wir, dass europäische Internet-Konzerne überlegen, Google zu verklagen. Andere Unternehmen, auch bayerische, reagieren mit Veränderungen. Siemens hat gerade angekündigt, sich bei dem großen Konzernumbau auch entlang des Themas Digitalisierung ausrichten zu wollen und einen Schwerpunkt auf die digitale Fabrik zu legen.

Wir erleben die Digitalisierung als gewaltige Veränderung, die sich hier im Land und international breitmacht. Wir, die CSU-Fraktion, glauben, dass wir darauf mit dem Selbstbewusstsein des bayerischen Löwen reagieren sollten; denn Angriff ist die beste Verteidigung. Deshalb ist es richtig und wichtig – das ist auch der Anlass für die Aktuelle Stunde -, dass der

Ministerpräsident und die Staatsregierung mit dem ITGipfel in der vergangenen Woche deutlich gemacht haben, dass dieses Thema auf der politischen Agenda Bayerns ganz oben steht, weil es unser Land in den nächsten Jahren mit am meisten verändern wird. Auch wir als Fraktion haben die Bedeutung dieses Themas bereits vor eineinhalb, zwei Jahren gesehen und mit "Bayern 3.0" erste Grundlagen gelegt.

(Zuruf von der SPD)

- Herr Kollege, immer noch früher als alle anderen Länder in Deutschland. Ich möchte Ihnen schon sagen, dass wir gerade die BITKOM bei uns in der Fraktion zu Gast hatten. Dabei ist uns bestätigt worden, dass das, was Bayern zu diesem Thema in den letzten Jahren gemacht hat, Blaupause für die Regierungen aller anderen Länder in Deutschland ist. Das ist der Maßstab für die Richtung, in die es hier geht.

(Beifall bei der CSU)

Warum ist die Entwicklung so fundamental? Oder sollen wir uns überlegen, ob wir da wirklich dabei sein wollen, weil die Risiken zu groß sind? Ich bin der festen Überzeugung, dass die Digitalisierung die Kraft hat, die Spielregeln für viele Bereiche, für die Wirtschaft, die Politik und die Gesellschaft, fundamental zu ändern. Was wir erleben, wird häufig mit dem Wort Disruption umschrieben, nämlich geradezu mit einer Plattenverschiebung der Grundkonstanten, an denen man sich bislang festgehalten hat.

Wir sehen, dass etablierte Geschäftsmodelle von neuen Gründern überformt werden, die eine gute Idee haben und mit dieser Idee, zum Teil mit gar nicht großem Kapitaleinsatz, ganze Konzerne ins Wanken bringen. Ich erinnere an den amerikanischen Fall Kodak: Früher waren dort 150.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und heute ist das Unternehmen nur noch ein Schatten seiner selbst. Durch die neuen Geschäftsmodelle wird es weitere Veränderungen geben. Bei Big Data, der Revolution durch große Datenmengen, stehen wir erst am Anfang und können uns wahrscheinlich noch gar nicht genau vorstellen, was da alles kommen wird.

Auch das Gemeinwesen und der Staat sehen sich mit Fragestellungen konfrontiert, mit denen wir uns bisher noch gar nicht auseinandersetzen konnten und auf die wir deshalb auch noch keine Antworten geben können. In praktisch allen Bereichen, vom Bildungswesen bis zum Gesundheitsbereich, erleben wir einen gewaltigen Modernisierungsschub und viele neue Möglichkeiten, diese Technologie nutzbar zu machen.

Bei der ersten Welle der Digitalisierung, als die großen Internetkonzerne entstanden sind, mit denen wir

uns heute auseinanderzusetzen haben, war Europa zugegebenermaßen nicht dabei. Das hat viele Gründe, auf die wir heute nicht näher eingehen wollen. Entscheidend ist, was bei der zweiten Welle passiert, wenn es jetzt an die industriellen Kerne und an die Bereiche geht, in denen wir in Bayern und in Deutschland stark sind, an den Maschinenbau, den Fahrzeugbau usw. Wir wollen dabei sein, wir müssen dabei sein, und wir werden dabei sein. Das hat vier Gründe.

Zum Ersten können wir auf etwas aufbauen. Wir fangen in Bayern nicht bei null an. Sie wissen – damit meine ich insbesondere die Kollegen der Opposition -, dass Bayern ein Paradies ist. So hat es unser Ministerpräsident öfter gesagt.

(Zurufe: Eine Vorstufe! – Falsch zitiert!)

- Wenn katholische Bischöfe im Raum waren, hat er das mit der Vorstufe etwas variiert,

(Markus Rinderspacher (SPD): Es ist bei ihm öfter so, dass er variiert!)

also Paradies oder Vorstufe zum Paradies. Fakt ist, dass die Europäische Kommission in einer umfangreichen Studie gerade belegt hat, dass München das europäische Spitzenzentrum der IKT-Branche ist, hundert von hundert möglichen Punkten erreicht und damit London und Paris auf die Plätze verwiesen hat.

Wir haben – zweitens – die Weichen bereits richtig gestellt, und hier ist ganz entscheidend: Wir können zwar viel über die Digitalisierung und über die künftigen Möglichkeiten reden, aber wir müssen insbesondere die Menschen befähigen, von diesen Möglichkeiten zu profitieren. Das heißt zuallererst, für schnelles Internet zu sorgen. Der Kraftakt, den Bayern hierbei geleistet hat – 1,5 Milliarden Euro für schnellstes Internet; der zuständige Staatsminister Söder wird dazu sicherlich noch mehr sagen –, kann sich europaweit sehen lassen. Aber nicht nur beim Ausbau der Infrastruktur, sondern auch im Bildungsbereich erbringen wir eine gewaltige Kraftanstrengung im Bereich digitales Lernen. Den Wissenschaftsbereich möchte ich dabei nicht ausklammern. Auch hier geht es darum sicherzustellen, dass wir die Talente in Zukunft zu uns locken, vor allem auch hier bei uns ausbilden.

Drittens geht es jetzt darum, die Dinge anzugehen, bei denen wir auch die Chance haben, weltweit ganz vorne mitzuspielen, die Bereiche, in denen wir als Freistaat Bayern weltweit ein Alleinstellungsmerkmal haben. Dort wird die Energie sicherlich zuerst darauf zu richten sein, Exzellenz und Vernetzung sicherzustellen, um damit auf der weltweiten Landkarte zu dem Hotspot für den digitalen Aufbruch werden zu können. Was ist dazu notwendig? - Wir müssen zu

nächst einmal den Strukturwandel und die Unternehmen begleiten und uns auf die Stärken konzentrieren, die unser Land in den letzten Jahren groß gemacht haben. Wenn wir über Maschinenbau und Industrie sprechen, dann heißt die neue Formel "Industrie 4.0": digitale Fabriken, digital vernetzte Produktion – all diese Themen. Unsere Antwort, die Antwort der Wirtschaftsministerin darauf ist, ein Zentrum für digitale Produktion einzurichten.

Wir müssen uns mit der Frage auseinandersetzen: Was ist mit der vielleicht wichtigsten Branche in diesem Land, der Fahrzeugindustrie und dem Automobilbau? In der Kombination von Fahrzeugbau und IT haben wir unglaublich gute Voraussetzungen, um über vernetzte Mobilität und neue Konzepte nicht nur nachzudenken, sondern sie bei uns im Land entstehen zu lassen. Auch dies soll durch eine eigene Plattform gefördert werden.

Wir haben den Mega-Bereich IT-Sicherheit. Hier öffnet sich nicht nur ein besonderer Weg zum Umgang mit den Risiken, sondern er kann auch ein positiver Wirtschaftsfaktor sein. Nirgendwo sonst in Europa gibt es eine solche Dichte von Sicherheitsunternehmen wie bei uns in Bayern. Mit dem Sicherheitscluster haben wir hier bereits gute Voraussetzungen. Wir wollen das auch weiter bespielen und die Möglichkeiten durch ein eigenes Zentrum weiter ausbauen.

Die Reihe lässt sich weiter fortsetzen mit dem großen Thema Big Data. Europas schnellster Computer steht in Garching. Big Data ist ein Megabereich, der in Zukunft viele positive Anwendungen ermöglichen wird, vielleicht gerade auch im Gesundheitsbereich. All dies heißt Stärken stärken, worauf wir einen Schwerpunkt legen möchten.

Wir müssen auch die Gründungsdynamik anregen. Deshalb begrüßen wir außerordentlich, dass die Wirtschaftsministerin eine Gründungsoffensive angekündigt hat – nicht irgendeine, sondern eine, mit der wir es wirklich schaffen, ein digitales Ökosystem aufzubauen, das auf der weltweiten Landkarte einzigartig ist im Kampf um Talente, um Kapital, aber auch um die besten Ideen. Das heißt auch: Wir müssen Orte schaffen, an denen die Menschen zusammenkommen können. Dort können sich nicht nur die neuen Talente, sondern auch die etablierten Industrien einfinden und entsprechende Schnittstellen bieten sowie als Ansprechpartner zur Verfügung stehen.

Ein vierter und letzter Punkt: Wir wollen diese Chancen verantwortungsvoll nutzen, denn nichts ist schlimmer, als blindlings zu sagen, neue Technik sei per se gut, und dabei möglicherweise einer Zukunft entgegenzusehen, in der die Technik die weitere Entwick

lung dominiert. Dem müssen wir etwas entgegensetzen. Das bedeutet zunächst einmal: Wir müssen sicherstellen, dass unser Gemeinwesen ein moderner Staat ist. Deshalb weise ich an dieser Stelle – auch der Herr Minister wird sicherlich etwas dazu sagen – auf das Projekt Montgelas 3.0 hin. Es gibt eine Antwort auf die Frage: Was macht modernes Bayern aus?

Aber wir brauchen auch die Bewertungskompetenz, um mit diesen neuen Technologien verantwortungsvoll umgehen können. Deshalb ist für uns als CSUFraktion ganz entscheidend, dass wir es schaffen, in Bayern ein Institut, einen Thinktank aufzubauen, der sich genau mit diesen Fragen auseinandersetzt: Was macht den Menschen in der digitalen Welt aus? Was ist begrenzend für diese Technologien zu sagen? Wir werden beispielsweise beim Thema vernetzte Mobilität sehr schwierige ethische Fragestellungen haben. Wir werden auch industriepolitische Fragen haben. Um diese Fragen interdisziplinär zu beantworten, meinen wir, ist die richtige Antwort, einen entsprechenden Thinktank auf den Weg zu bringen.

Insgesamt haben wir hier einen Kraftakt vor, den wir als Politik nicht allein stemmen können. Wir brauchen die Industrie. Wir werden es allein nicht schaffen. Wir brauchen alle Kräfte in diesem Land. Dabei brauchen wir nicht Leute, die nur an der Seitenlinie stehen und beleidigt sind, weil sie entweder die Idee nicht hatten oder die Entwicklung nicht sehen oder vielleicht lieber erst einmal einige Jahre lang alle denkbaren Risiken diskutieren. Wir haben uns dazu entschieden, die Chancen verantwortungsvoll zu nutzen. Wir wollen den digitalen Aufbruch und werden deshalb eine Digitalisierungsoffensive auf den Weg bringen, die für künftigen Wohlstand, Arbeitsplätze und soziale Sicherheit sorgt.

(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄH- LERN)

Vielen Dank, Herr Kollege Blume. – Für die SPD-Fraktion hat nun Frau Kollegin Karl das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die digitale Zukunft Bayerns wird kommen, sie ist zum großen Teil schon da. Den technischen Fortschritt kann und will niemand aufhalten.

Die digitale Zukunft Bayerns ist allerdings eine große Herausforderung; denn es geht um die Frage: Wie wird diese Digitalisierung eine Erfolgsgeschichte für den Standort Bayern, vor allen Dingen aber für die Menschen in Bayern? Denn die Möglichkeiten der Digitalisierung führten und führen zu unzähligen disruptiven Innovationen, die bestehende Technologien,

Produktionsformen und Dienstleistungen völlig verdrängen und Wertschöpfungsketten massiv verändern; das Thema Zeitungsmarkt ist eben schon angesprochen worden. Es gibt große Auswirkungen auf Arbeitsplätze, auf Formen der Arbeit und auf die Qualität von Arbeit, und wie bei allen großen technologischen Umwälzungen in der Vergangenheit bieten sich riesige Chancen, aber es bestehen auch Risiken und die Gefahr großer sozialer Spreizungen.

Das erste dieser Themen war sicher die Mechanisierung der Webstühle vor langer, langer Zeit; aber es gibt auch andere Beispiele. Angesichts der hohen Bedeutung dieses Themas ist es richtig und wichtig, dass die bayerische Politik diesem Bereich einen herausragenden Stellenwert zumisst, ähnlich wie dem Thema Energiewende.

Leider zeigen sich bei der Umsetzung der Energiewende bei der Staatsregierung vor allem zwei Verhaltensmuster: Zunächst werden in vielen wohlgesetzten Worten und schönen Bildern weitreichende Ankündigungen gemacht. Grundsätzlich kommt jeder denkbare Superlativ zum Einsatz. Startschüsse werden abgegeben – zur Not auch mehrmals, falls man einen überhört hat –, Signale werden gesetzt, am liebsten in jede Richtung eines.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Zweitens. Nach den vielen Ankündigungen passiert dann erst einmal gar nichts. Man stellt überrascht fest, dass schöne Worte eine effektive Politik nicht ersetzen. Das große Projekt Energiewende wird mittlerweile zerrieben zwischen Kompetenzstreitigkeiten zwischen Staatsministern und dem Versuch, es auch noch jedem potenziellen Wähler recht zu machen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das muss besser gemacht werden.

Damit hier kein Missverständnis aufkommt, sage ich: Wir begrüßen die Ankündigung der Staatsregierung, 1,5 Milliarden Euro in den Breitbandausbau und weitere Millionen in Forschungsprojekte zu stecken. Wir begrüßen die Ankündigung der Gründung neuer Zentren für Internet und Digitalisierung sowie die Auflage eines Wachstumsfonds, an dem sich nach unserer Meinung auch die Wirtschaft beteiligen muss. Kollege Blume hat das alles dankenswerterweise noch einmal brav referiert. Dafür gibt es später sicher Fleißbildchen. Wie gesagt: Die finanziellen Grundlagen und die möglichen Strukturen für das Projekt der Digitalisierung sind da. Das wollen wir in keiner Weise kleinreden.

Die Frage ist: Reicht das? Wo ist der Plan, die Strategie für den Bereich der Digitalisierung, außer der Strategie, dass jeder der fünf Minister, die irgendwie mit dem Internet befasst sind, ein eigenes Spielzeug in Form eines Projekts bekommt? - Minister Söder den Breitbandausbau, Frau Aigner die digitale Wirtschaft, Herr Herrmann die Cyberkriminalität, Frau Huml die Telemedizin und Herr Spaenle die Schulen und Hochschulen 4.0. Hier handelt es sich eher um die Strategie eines Fußballtrainers, jedem Spieler einen Ball zu geben, damit keiner das Raufen anfängt.

(Beifall bei der SPD)

Ob das effektiv ist, um Digitalisierung durchzusetzen, ist eine andere Frage.

Wir sind der Meinung: Das allein reicht nicht. Als Erstes ist nötig, vom – sagen wir: - Watzmann der digitalen Blütenträume in das Tal der profanen Realität, sozusagen in das Wimbachtal der Digitalisierung, hinabzusteigen. Der Weg ist dort sehr schön, aber manchmal auch schwer begehbar.

Zweitens brauchen wir einen Fokuswechsel weg vom alleinigen Bezug auf die Technologie hin zu den Menschen, die Akteure und gleichzeitig Betroffene dieses Prozesses sind.

Ich komme zur profanen Realität. Der Breitbandausbau, der nach dem ersten Startschuss schon 2011 abgeschlossen sein sollte, dümpelt vor allem im ländlichen Raum weiter vor sich hin. Ob die noch nicht beschlossenen Erleichterungen im Breitbandförderprogramm weiterhelfen, wird sich zeigen; da darf man Zweifel anmelden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, 1,5 Milliarden Euro im Haushalt nützen nichts, wenn das Geld nicht bei den Kommunen ankommt, weil das Programm nichts taugt.