Ilona Deckwerth
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Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Parlament! Wir haben heute zum wiederholten Male einen Ge
setzentwurf vorliegen, der sich mit der Thematik der Inklusion beschäftigt. Ich erlaube mir, kurz noch mal auf den Punkt Inklusion zurückzukommen, damit man den Hintergrund und auch die Bedeutung einschätzen kann. Inklusion wird hier im Sinne von Zugehörigkeit zu der Gesellschaft, in der man lebt und an der man teilhaben möchte, verstanden. In diesem Sinne ist Inklusion ein Grundrecht. Sie ist kein Gnadenakt und keine Mildtätigkeit. Sie ist keiner Willkür unterworfen, je nachdem, ob wir jetzt mal Geld haben oder nicht. Stattdessen ist Inklusion ein Grundrecht, unabhängig von Herkunft, Alter, Geschlecht oder Vermögen. Inklusion ist ein Grundrecht, das in unserem Grundgesetz und unserer Bayerischen Verfassung begründet ist. Es ist natürlich auch durch die UN-Behindertenrechtskonvention noch einmal klar in Erinnerung gebracht und angemahnt. Weil Inklusion ein so wichtiges und zentrales Grundrecht ist, ist es Aufgabe und Verantwortung des Staates, dieses Recht zu realisieren und umzusetzen. Hieraus ergibt sich für den Staat die Pflicht zu handeln.
Heute wurde schon darauf eingegangen, dass vieles in Bewegung geraten ist: Teilhabegesetz, Bundesteilhabegesetz, Bayerisches Teilhabegesetz I. In diesem Prozess fehlt aber ein wichtiger Baustein, und das ist eben der Baustein des Teilhabegeldes, das einen generellen Nachteilsausgleich darstellen soll. Das ist leider nicht geschaffen worden. Wir haben es gerade gehört.
Man darf aber auch das Blindengeld in diesem Kontext betrachten. Das Blindengeld ist für Menschen, die eine Sehbehinderung haben, ebenso eine spezielle Form des Teilhabegeldes. Dieser Gesetzentwurf, der heute eingebracht wurde, könnte einen weiteren Baustein zur Umsetzung eines generellen Nachteilsausgleichs in Form eines Teilhabegeldes darstellen – könnte ihn darstellen, wenn man es denn zuließe.
Wir sind uns doch eigentlich einig, dass wir solch einen allgemeinen Nachteilsausgleich brauchen, sprich: das Teilhabegeld. Jetzt hätte man hier die Möglichkeit, zumindest für einen Teil der Betroffenen den Berechtigtenkreis zu erweitern, nämlich für die gehörlosen und schwerhörigen Menschen.
Es geht um diesen dauerhaften Nachteilsausgleich für diese Personengruppe. Das Problem besteht nicht erst seit gestern, sondern seit vielen Jahren. Wenn man mit von Hörbehinderung betroffenen Menschen zusammenkommt, dann wird dieses Anliegen vorgetragen. Die Menschen haben sich an uns gewandt, an einzelne Abgeordnete und an die Fraktionen hier im
Landtag. Über ihre Organisationen und Verbände, die im Netzwerk Hörbehinderung zusammengeschlossen sind, wurden wir alle, die wir uns mit solchen Themen befassen, umfassend informiert. Die Appelle, dass wir uns bewegen und vorankommen sollen, wurden an uns alle gerichtet.
Die gesamte Opposition unterstützt diesen Gesetzentwurf. Auch Sie, Herr Huber, haben Verständnis signalisiert. Sie sagten wörtlich, grundsätzlich stimme die CSU zu. Aber was ist ein solches Verständnis wert, wenn die CSU am Ende alles wieder ablehnt? Dann werden Worte über Werte inhaltsleer, und es machen sich Verständnislosigkeit und natürlich auch Enttäuschung breit.
Ich erinnere an die Worte, die wir heute von unserem Ministerpräsidenten gehört haben. Er möchte, dass wir uns ernst nehmen. Das heißt aber auch, dass wir dann diese Worte, die Verständnis äußern, ernst nehmen müssen. Jetzt hätte Ihre Fraktion die Chance, nicht nur Verständnis zu bekunden und nicht nur irgendetwas zu versprechen, was irgendwann in der goldenen Zukunft stattindet. Es geht darum, dass man nicht immer nur weitere Expertisen einfordert, sich aber eigentlich hinter diesen Expertisen versteckt. Sie stellen zwar immer wieder gute Fragen, diese aber werden eigentlich nur vorgeschoben, um das Handeln hinauszuzögern. Bei dem, was wir uns von Ihnen auch vor dem Hintergrund der Worte von Herrn Söder wünschen, geht es darum, dass man endlich Taten vollzieht, und zwar zugunsten von Menschen mit Hörbehinderung. Wir sollten den Baustein, den das Teilhabegeld darstellt, realisieren.
Innovation da, wo es nötig ist – diesen Spruch habe ich mir notiert. Ja, schließen Sie sich hier und heute der Opposition an. Sie haben dazu die Chance. Machen wir ein gemeinsames Gesetzeswerk und ermöglichen wir, dass Menschen mit Hörbehinderung die wichtige Chance erhalten, diese Form des Teilhabegeldes als Nachteilsausgleich für ihre Behinderung zu bekommen. Wir als SPD werden zustimmen.
(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Bayerischen Landtag! Ich hätte gerne, wie vorhin schon erwähnt, unseren Ministerpräsidenten zu dem Thema begrüßt; denn nachdem das Thema Inklusion in der Regierungserklärung nicht stattgefunden hat, ist es anscheinend auch
heute nicht wichtig genug, es in Regierungshandeln aufzunehmen. – Jedenfalls baut diese Gesetzesinitiative der GRÜNEN auf der Grundidee Inklusion auf, die Gesellschaft wesentlich konstituiert, also eine Idee, nach der jede und jeder, gleich welcher Herkunft, gleich welchen Alters oder Geschlechts, gleich welchen Vermögens, gleich welchen Aussehens, gleichberechtigtes Mitglied der Gesellschaft ist, konstituiert durch unser Grundgesetz und unsere Bayerische Verfassung. Darin ist betont und dargelegt, dass die Würde eines Menschen unantastbar ist und jeder Mensch ein besonderer Mensch, ein besonderes Wesen ist, das zu schützen auch staatliche Aufgabe ist. Nach dieser Idee ist Inklusion ein konstituierendes Merkmal unserer Gesellschaft. Die Aufgabe, diese Inklusion auch im Kontext von Menschen mit Behinderung sicherzustellen, hat uns die Behindertenrechtskonvention der UN noch einmal deutlich vor Augen geführt.
Bei dieser staatlichen Aufgabe, der wir uns stellen müssen, gibt es noch viel zu tun. Im Einzelnen haben wir hier auf staatlicher Seite in den letzten Jahren wichtige Schritte vollzogen; aber sie sind halt noch nicht ausreichend. Da nenne ich jetzt diesen einen großen Schritt, der sich Bundesteilhabegesetz nennt. Herr Kollege Huber, Sie haben darauf hingewiesen. Im Rahmen dieses Teilhabegesetzes kam der Gedanke hoch, dass Menschen mit Behinderung selber entscheiden können, wie sie eigenständig leben möchten, und dass die Unterstützung nicht nach einer pauschalierten Festlegung erfolgt, sondern dass Teilhabe heißt: Die Menschen artikulieren selber, was sie tun möchten. Die Frage ist, wie Gesellschaft unterstützen kann, dass die Teilhabe gelingt. Da war die Idee eines Teilhabegeldes ein ganz wichtiger Punkt, bei dem wir zutiefst bedauern, dass er nicht umgesetzt worden ist.
Das ist ein entscheidender Baustein. Es freut mich natürlich, dass Sie das hier so betonen. Aber ich darf Sie erinnern: In dieser Regierung waren wir ja vereint, und leider konnten wir uns Ihnen gegenüber nicht durchsetzen. Gerade der Teil der Bundesregierung, der aus Bayern stammt, hat das Ganze leider mit geblockt.
Vielleicht schaffen wir es ja auf bayerischer Ebene, dass Sie auf Ihrer Seite einen neuen Weg mitgehen können, den wir schon seit Langem gehen wollen, damit eben ein solches Teilhabegeld als grundsätzlicher Nachteilsausgleich möglich wird. Nun gut, wir können hier nicht die Bundesebene darstellen.
Wir konzentrieren uns jetzt auf das, was wir in Bayern machen können. In Bayern gibt es das Bayerische Teilhabegesetz I. Dann gibt es für die Personengruppe blinder und schwer sehbehinderter Menschen die Möglichkeit, einen besonderen Nachteilsausgleich für besondere Mehraufwendungen zu erhalten, um die Lücken, die bei der Umsetzung der Inklusion noch vorhanden sind, zu schließen: das Blindengeld. Es berücksichtigt die besonderen Situationen. Wir haben erst vor Kurzem hier im Hause die Erweiterung des Kreises der Anspruchsberechtigten erreichen können. In diesem Kontext – es wurde aufgezählt und dargelegt – ist der Personenkreis, sofern er zu blinden und sehbehinderten Menschen gehört, aber auch Taube oder Schwerhörige, schon integriert.
Die Gesetzesinitiative der GRÜNEN – Frau Celina, Sie haben es dargelegt – versucht, den Berechtigtenkreis zu erweitern. Menschen, die einen höheren Grad der Behinderung haben, die taub oder schwerhörig sind, sind durchaus in einer vergleichbaren Situation wie blinde und schwer sehbehinderte Menschen, in der sie aufgrund ihrer Behinderung besondere Aufwendungen betreiben müssen.
Wir hatten als SPD-Fraktion unlängst am 22.03. hier im Landtag ein Treffen mit Mitgliedern des Netzwerks Hörbehinderung. Dabei wurde an ganz praktischen Beispielen deutlich vorgeführt, was man alles braucht, um teilhaben zu können, wenn man diese Behinderung hat. Insofern sehen wir hier absolut die Analogie zu den Menschen mit Sehbehinderung bzw. blinden Menschen und unterstützen daher die Idee einer Erweiterung des Blindengeldes um den Personenkreis der Gehörlosen.
Ich möchte hier nochmals betonen: Wir wünschen uns hier einen generellen Nachteilsausgleich, unabhängig von der Behinderungsart, zu erreichen. Das wurde auf Bundesebene bisher nicht erreicht. Vielleicht schaffen wir das ja in den Diskussionen im Sozialausschuss. Herr Huber, wir wären sehr froh, wenn Sie uns bei diesem Bemühen weiter begleiten könnten, unabhängig von der Art der Behinderung einen Nachteilsausgleich zu schaffen. Hier und heute wäre es aber ein weiterer Schritt, wenn man das wenigstens für die Personengruppe der hörbehinderten Menschen erreichen könnte. Insofern unterstützen wir das Vorhaben. Wir wünschen uns auch von Ihrer Seite breite Unterstützung. Ich freue mich auf hoffentlich ergebnisoffene Gespräche und den Austausch im Sozialausschuss.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Landtag! Wir haben heute zum wiederholten Male einen Gesetzentwurf mit der Thematik, dass Menschen mit Behinderung bzw. in diesem Fall Gruppen von Menschen mit Behinderung, die unter Vollbetreuung stehen, nicht automatisch vom Wahlrecht ausgeschlossen werden können. Frau Guttenberger, ich
muss einführend sagen: Ihre Stellungnahme hier war eine gebündelte Zusammenstellung von Gründen, warum man das nicht macht. Man könnte auch sagen, das war die verzweifelte Suche nach Gründen, dass man nicht hier und heute dieses Wahlrecht, das berechtigte Wahlrecht für Menschen mit Behinderung, mit entscheidet.
Hier darf ich darauf hinweisen – ich zitiere jetzt mal –:
Das Recht, zu wählen und gewählt zu werden, ist nicht irgendein Recht. In einem demokratischen Gemeinwesen ist das Wahlrecht das politische Grundrecht schlechthin.
Das hat ein Herr Leander Palleit in seinem Buch "Gleiches Wahlrecht für alle?" bereits 2011 veröffentlicht. Herausgeber war das Deutsche Institut für Menschenrechte. Das ist "die" unabhängige nationale Menschenrechtsinstitution in Deutschland. 2011 war das. Die EU-Menschenrechtskonvention spricht von einer unzulässigen Stigmatisierung – das ist ein Zitat – von Menschen mit Behinderung. Das heißt, wir haben eine an sich selbstverständliche Forderung, die Forderung, dass Menschen mit Behinderung bei Wahlen gleichberechtigt ihr Recht ausüben können sollen. Wir haben eine UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2006 gebraucht, um diese Forderung deutlich zu Papier zu bringen. Wir haben seither zwölf Jahre vergehen lassen müssen. Da war zwischendrin 2013 ein Anlauf auf Bundesebene. Der Bundesrat hat das empfohlen und auch eingefordert. Wir haben hier als Landtagsfraktion 2013 und 2014 zwei Anläufe gemacht, die abgelehnt wurden. Inzwischen haben mit Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein Bundesländer dieses Recht eingeführt.
Nur wir hier in Bayern haben die Situation, dass 2017, jetzt von den GRÜNEN, die Initiative wieder ergriffen wurde. Aber leider wurde das in der Ersten Lesung durch Sie von der CSU abgelehnt. Auch die Ausschussberatungen haben leider keinen Erfolg gebracht, wobei die Argumentationslinien in den Ausschüssen schon so interessant sind, dass man kurz darauf hinweisen muss. In dem Ausschuss für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen wurde von meinem Kollegen Herrn Arnold explizit dargestellt, dass bei einem Ausschluss vom Wahlrecht immer nur eine Einzelfallbetrachtung angebracht ist. Deswegen solle jemand nur durch Richterbeschluss vom Wahlrecht ausgeschlossen werden dürfen. Das ist ein ganz expliziter Punkt, der aber seitens Ihrer Fraktion leider nicht berücksichtigt wird.
Herr Arnold hat außerdem den Willküraspekt genannt. Der Willküraspekt liegt darin, dass wir hier eine Gruppe von Menschen, die unter Vollbetreuung stehen, ausschließen, dass aber genau die gleiche betroffene Gruppe, wenn vorher eine Patientenverfügung verfasst oder eine Vorsorgevollmacht ausgestellt wurde, sehr wohl ihr Wahlrecht behält. Das ist einfach widersprüchlich. Die einen bekommen es, die anderen nicht. Diese Form von Willkür, diese pauschale Form des Wahlrechtsausschlusses, muss endlich abgeschafft werden. Wir hatten dann leider in dieser Sitzung des Verfassungsausschusses die Ablehnung erfahren müssen.
Aber im Sozialausschuss vom 01.02. gab es eine sehr interessante Diskussion. Da beziehe ich mich jetzt auf den Beitrag von Herrn Reichhart. Er äußert sich in dieser Runde sinngemäß so, dass die CSU – das hat sie damals, am 01.02., auch gemacht – diese Gesetzesinitiative wieder ablehnt, aber er hat für sich persönlich die Notwendigkeit gesehen, dass etwas getan werden muss. Ja, Herr Reichhart, da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Es muss etwas getan werden. Es besteht wirklich dringend Handlungsbedarf. Da zitiere ich jetzt den Koalitionsvertrag, bei dem im Prinzip nur noch der Mitgliederentscheid der SPD abzuwarten ist. Aber die CSU hat damit entsprechend bestätigt, dass sie mit einsteigen will. Ich zitiere wörtlich:
Unser Ziel ist ein inklusives Wahlrecht für alle. Wir werden den Wahlrechtsausschluss von Menschen, die sich durch eine Vollbetreuung unterstützen lassen, beenden. Wir empfehlen dem Deutschen Bundestag, in seinen aktuellen Beratungen zu Änderungen am Wahlrecht, dieses Thema entsprechend umzusetzen.
Jetzt haben wir die Situation, dass wir in Bayern in einem halben Jahr wieder Wahlen haben. Ich appelliere einfach: Packen wir das doch sofort an! Wir müssen nicht warten, bis das in den nächsten vier Jahren vom Bundestag geändert wird. Lassen Sie uns jetzt dieses wirklich große Unrecht beenden! Beenden wir diesen pauschalen Wahlrechtsausschluss einer Gruppe von Menschen mit Behinderung. Sorgen wir dafür! Warten wir nicht, bis der Weg über die Bundesebene frei wird. Wie gesagt, in einem halben Jahr sind Wahlen, bei denen diese Menschen dann auch in Bayern ihr Recht bekommen können. Von daher bitten wir Sie um Ihre Unterstützung für eine gerechte Teilhabe. Das ist Demokratiestärkung. An einem Tag wie heute, an dem die Geschwister Scholl im Mittelpunkt standen, wäre der Zeitpunkt wunderbar, über seinen Schatten zu springen.
Ihre Eingangsbemerkung ist für mich nicht nachvollziehbar. Da habe ich jetzt keinen Zusammenhang, auf was Sie das beziehen. Mit meinen Äußerungen können Sie es jedenfalls nicht in Verbindung bringen.
Das Zweite ist: Sie bestätigen das noch einmal. Sie haben praktisch nur Hindernisse gesucht. Hier geht es aber um ein berechtigtes Wahlrecht, und zwar auf allen Ebenen. Wir brauchen in Bayern nicht zu warten, bis es in den nächsten Jahren auf Bundesebene realisiert wird. Wir haben hier als Parlament unser Recht und unsere Möglichkeit, dieses Recht zu schaffen. Es ist ein Grundrecht, ein demokratisches Grundrecht. Ich fordere auch die CSU auf mitzugehen.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Parlament! Ja, es ist ein guter Tag heute für Menschen mit Behinderung in diesem Land. Da gehe ich ganz d‘accord mit Ihnen, Herr Unterländer, dass wir das jetzt geschafft haben, dass das Bundesteilhabegesetz, das im Dezember 2016 auf Bundesebene verabschiedet wurde, in seinem Umsetzungsprozess in den Ländern und bei uns in Bayern so weit gediehen ist, dass wir hier und heute die Zweite Lesung machen können und dann rechtzeitig für 2018 die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen sind. Ja, insofern ist das ein guter Tag.
Im Besonderen – es ist wichtig, das zu erwähnen – ist das ein Gesetz, das entstanden ist durch die Initiative und mit Beteiligung von Betroffenen in Form der Selbsthilfegruppen der verschiedenen Verbände und Organisationen. Natürlich stehen wir als SPD hier in einer Reihe mit diesen und begleiten gerne diesen Weg, dass nämlich künftig die Unterstützung für Menschen mit Behinderung nicht mehr von der Prämisse geleitet wird, dass die Behinderung allein der Blickwinkel und Maßstab allen Denkens für Zuwendung ist, sondern dass es in der Frage, wie man Hilfe gibt, vor allen Dingen darauf ankommt, was der Mensch mit Behinderung braucht, um ein selbstständiges Leben führen zu können und an der Gemeinschaft teilhaben zu können.
Unser Bayerisches Teilhabegesetz enthält etliche spezielle Regelungen. Eine Besonderheit in Bayern ist, dass die Bezirke für alle Leistungen zuständig sind, dass das gut ausgebaute Frühfördersystem in Bayern in seiner bisherigen Art erhalten bleiben soll und dass die Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderung an den verschiedenen Verfahren und an den Schiedsstellenverfahren beteiligt werden. Alles das tragen wir gerne mit. Das ist auch eine deutliche Verbesserung. Dafür spreche ich auch ein Lob aus. Im ersten Halbjahr wurden die Betroffenen gut beteiligt
und konnten in Anhörungen diverse Anregungen geben. Das bleibt.
Umso mehr bin ich von Ihnen, Herr Unterländer und Ihrer gesamten Fraktion, enttäuscht. Nach dem hoffnungsvollen Start, bei dem wir so gut zusammengearbeitet haben, wurde bei den nachfolgenden Diskussionen im Sozialausschuss von den wichtigen Anregungen der Opposition zur Beseitigung von Schwachstellen, die auch in diesem Gesetzentwurf noch vorhanden sind, nichts, aber auch gar nichts angenommen. Sie, die CSU, haben diese Anregungen komplett abgelehnt. Jetzt haben Sie hier und heute noch einmal die Chance zuzuhören, auch wenn Sie, Herr Unterländer, schon angekündigt haben, dass Sie unsere Anregungen gar nicht gut finden. Vielleicht hören Sie uns trotzdem noch einmal zu. Im Einzelnen gibt es sehr wohl gute Gründe dafür, dass wir an diesem Gesetz noch etwas verändern müssen.
Damit gehe ich jetzt auf unsere Änderungsanträge ein. Wir, die SPD, haben zum einen den Antrag auf Drucksache 17/18909 eingebracht. Danach soll es ermöglicht werden, dass die Arbeitsgruppe, die das Instrument zur Bedarfserhebung entwickeln soll, also das eigentliche Prozedere dafür, wie Menschen mit Behinderung künftig ihre Unterstützung erhalten, durch wissenschaftlichen Sachverstand unterstützt wird. Uns ist es wichtig, dass diese Arbeitsgruppe frei darüber entscheiden kann, ob sie wissenschaftlichen Sachverstand hinzuzieht. Dafür braucht sie einen finanziellen Etat. Des Weiteren wollen wir, dass ein vom Staatsministerium für Arbeit und Soziales zu benennendes Mitglied als beratendes Mitglied an dieser Arbeitsgruppe teilnimmt, um den Sachverstand, der im Arbeitsministerium vorhanden ist, auch in diese Arbeitsgruppe einzubringen. Das wäre ein Änderungsantrag, der auch nicht viel kostet, aber ganz wichtige Qualitätsverbesserungen zur Folge hätte.
Mit dem zweiten Änderungsantrag auf Drucksache 17/18910 möchten wir erreichen, dass bei Schiedsverfahren, die Angelegenheiten einer Werkstätte betreffen, nicht nur die Möglichkeit besteht, betroffene Werkstattbeiräte hinzuzuziehen, sondern dass verpflichtend ein Mitglied der Werkstattbeiräte, die sehr erfahren sind, bzw. die zuständige Frauenbeauftragte hinzugezogen wird. Dieser Vorschlag ist auch kostenneutral, qualitativ bedeutet er aber eine erhebliche Verbesserung des Schiedsstellenverfahrens.
Der entscheidende Änderungsantrag, über den wir nachher auch namentlich abstimmen lassen wollen, ist der Antrag, bei dem es um den Arbeitsmarkt geht. Dazu muss ich ganz kurz ausholen. Wir haben in der vergangenen Woche die aktuellen Zahlen des Arbeits
marktes erhalten. Demnach liegen wir in Bayern in einem sehr guten Rahmen. Wir haben in vielen Regionen nahezu Vollbeschäftigung. Bei den Menschen mit Behinderung muss man jedoch festhalten, dass bei ihnen die Arbeitslosenquote über 9 % liegt. Sie ist dreimal so hoch wie der Durchschnitt. Dass wir es in einem Land, in dem wir zur Zeit so gute Arbeitsmarktbedingungen haben, nicht schaffen, für Menschen mit Behinderung adäquate Lösungen in ausreichendem Maße zu finden, ist ein Skandal.
Die Chance, einen Arbeitsplatz zu bekommen, hat zwei wichtige Aspekte. Zum einen hat man mit einem Arbeitsplatz eine Chance auf soziale Teilhabe. Wir sprechen hier von einem Teilhabegesetz. Im Berufsleben zu stehen und Kolleginnen und Kollegen um sich zu haben, ist aktive soziale Teilhabe. Zum anderen ist es auch ein Aspekt der Selbstständigkeit, wenn ich meinen Lebensunterhalt selbst verdienen und meine Existenz selbst sichern kann. Menschen mit Behinderung verdienen aber selbst dann, wenn sie Arbeit haben, in der Regel so schlecht, dass sie von ihrem eigenen Verdienst nicht leben können, sondern in hohem Maße auf Sozialtransfers angewiesen sind. Auch daran muss etwas geändert werden. Deswegen ist es für uns so wichtig, dass wir die betroffenen Menschen unterstützen.
Mit dem Budget für Arbeit wäre es auch möglich, einen großen Stein aus dem Weg zu räumen und die Menschen entsprechend zu unterstützen. Mit dem Budget für Arbeit könnten Menschen, die die Berechtigung für eine Arbeit in Werkstätten für Menschen mit Behinderung haben, auf den ersten Arbeitsmarkt gebracht werden. Herr Unterländer, Sie haben den Kompromiss nur in Zahlen dargestellt. Auf der einen Seite sind es 40 %, auf der anderen 80 %, also nehmen Sie eine Zahl dazwischen, nämlich 48 %. Begründet ist dieser Vorschlag durch nichts.
Die Begründung, dass wir 80 % brauchen, ist einfach und schlicht folgende: Der von Ihnen vorgeschlagene Anteil würde einen Zuschuss von 1.415 Euro monatlich bedeuten, wenn Menschen aus einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt kommen. Das ist ein Lohnkostenzuschuss, der zum Ausgleich einer dauerhaften Minderleistung des Beschäftigten am Arbeitsplatz gewährt werden soll. Wir haben aber oft auch Menschen mit höheren Qualifikationen. In Betrieben, für die wir kämpfen, weil sie tarifgebundene Löhne bezahlen, und in einer Region wie München, wo die Preise insgesamt höher sind, haben wir Lohnniveaus, die mit 1.400 Euro nicht ausreichend gefördert werden können. Deswegen verfolgen wir den Ansatz von 80 % oder, in Zahlen ausge
drückt, einen Zuschuss in Höhe von bis zu 2.356 Euro im Monat. Dieser Betrag ist viel wirklichkeitsnäher, weil damit die Menschen effektiv darin unterstützt werden können, auf diesem schwierigen Arbeitsmarkt eine adäquate Beschäftigung zu finden, mit der sie auch ihre Existenz sichern können.
Die Mehrkosten, die dadurch entstehen, fürchten wir nicht. Ich will gar nicht von den Summen sprechen, über die im Nachtragshaushalt verhandelt wird. Gemessen an der Zahl der Menschen, von denen wir ausgehen, ist diese Förderung so überschaubar, dass wir sie uns sicher leisten können. Deshalb ist das Beharren auf diesen niedrigeren Werten unverständlich.
Jetzt gehe ich noch kurz auf die Anträge der anderen Fraktionen ein. Den Antrag der GRÜNEN auf Drucksache 17/18991 können wir mittragen. Darin wird einer Forderung der Bezirkstage nachgekommen. Dass die örtlichen Träger der Sozialhilfe für bestimmte Fälle weiterhin sachlich zuständig bleiben, ist für uns völlig in Ordnung. Nicht mitgehen können wir beim Antrag der FREIEN WÄHLER, mit dem die zusätzliche Aufnahme der Lebenshilfe in die Arbeitsgruppe zur Entwicklung eines Instruments zur Bedarfsermittlung gefordert wird. Wir können diesen Antrag deshalb nicht mittragen, weil diese Arbeitsgruppe arbeitsfähig bleiben muss und nicht zu groß werden darf. Sie ist mit Vertretern von Betroffenengruppen sehr gut austariert. Deshalb würden wir es begrüßen, wenn es so bleibt, wie es ist, zumal die Lebenshilfe, wie Sie in Ihrem Antrag selbst formuliert haben, mit der Freien Wohlfahrtspflege eng und vertrauensvoll zusammenarbeitet. Lassen wir es also bei dem, und bringen wir dieses Gefüge nicht durcheinander.
Last but not least die beiden Änderungsanträge der CSU: Wir stehen bei Ihnen, wenn es wie im Änderungsantrag auf Drucksache 17/19212 darum geht, dass Berechtigte, die in Heimen leben, auch noch Anspruch auf Blindengeld haben. Wenn wir die Umsetzung des Bayerischen Teilhabegesetzes als einen Prozess sehen, müssen wir den natürlich auch aktiv begleiten, wie Sie es formulieren. Damit wir das gut begleiten können, muss darüber aber auch immer wieder berichtet werden. Da sind wir gerne dabei.
Insofern möchte ich zusammenfassen: Wir haben eine Gesetzesvorlage, die wir unterstützen. Wir wünschen uns, dass sie noch verbessert wird; denn Inklusion ist ein Grundrecht. Bei der Inklusion handelt es sich nicht nur um ein Wort, das man leicht dahinsagt. Dieses Grundrecht muss es uns wert sein. Wir können Teilhabe nicht zum Nulltarif verbessern. Wir müssen zusätzliche finanzielle Ressourcen bereitstellen.
Darauf zielen unsere Anträge. Der Neuansatz im Teilhabegesetz ist grundlegend. Er stellt eine große Herausforderung dar. Wenn wir das jetzt angehen, muss es von Anfang an gut gelingen. Darum bitten wir Sie inständig: Helfen Sie mit, die nötigen Verbesserungen, die wir jetzt noch brauchen, hier und heute einzuarbeiten. Wir möchten, dass die Umsetzung des Bayerischen Teilhabegesetzes von Anfang an ab Januar 2018 zum Wohle der betroffenen Menschen mit Behinderung gut gelingt, nicht erst mit Verzögerung.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind heute in der Zweiten Lesung eines wichtigen Gesetzes, bei dem es im Kern darum geht, dass der Kreis der Antragsberechtigten für das bayerische Blindengeld erweitert wird, und zwar um die Gruppe derer, die hoch
gradig sehbehindert und unter Umständen auch noch hochgradig hörgeschädigt sind. Diese Menschen sollen jetzt in den Genuss von 30 % des Blindengeldes kommen; das heißt in Zahlen ausgedrückt: bis zu 176 Euro monatlich als Minimum.
Diese Anpassung des Bayerischen Blindengeldgesetzes unterstützen wir als Fraktion der SPD sehr wohl. Wir freuen uns, dass es heute – immerhin haben wir schon vor sieben Jahren die erste Initiative dazu ergriffen – nun endlich so weit ist, dass wir uns in der Zweiten Lesung mit diesem Gesetz beschäftigen.
Eines kann ich jedoch nicht verhehlen: Wir bedauern zugleich zutiefst, dass wir dieses Gesetz erst heute so weit voranbringen. Wir hätten es schon vor drei Jahren zum 1. Januar 2015 verwirklichen können.
Nun aber ist die Perspektive der 1. Januar 2018.
Wir bedauern noch einen weiteren Punkt, nämlich die Diskussion um die Anrechnung des Pflegegeldes auf das Blindengeld. Ich bedauere sehr, dass bei Ihrer Fraktion, Herr Unterländer, bei der CSU, keinerlei Bewegung in die Diskussion um diese Frage gekommen ist und dass Sie trotz aller Diskussionen und Gespräche weiterhin an den 20 Euro als Sockelbetrag festhalten. Das heißt, mit der Anrechnung des Pflegegeldes auf das Blindengeld bleiben den Betroffenen nur noch 20 Euro übrig. Alle Fraktionen haben in der Ersten Lesung am 30.05.2017 die Anrechnung des Pflegegeldes auf das Blindengeld gerügt. Ich habe mir die Reden von damals noch einmal angeschaut. Niemand im Haus fand das gut. Im Sozialausschuss haben wir zwar darüber beraten, jedoch sind die Verbesserungsvorschläge von den GRÜNEN und von uns unisono von der CSU abgelehnt worden. Herr Unterländer, an dieser Stelle möchte ich Sie persönlich ansprechen. Im Rahmen der Ersten Lesung haben Sie signalisiert, dass wir im Sozialausschuss gut beraten können. Was ist aber gut daran, alle von uns vorgebrachten Argumente an Ihrer Fraktion abprallen zu lassen und die dringend notwendige Unterstützung auf 20 Euro einzudampfen?
Um einschätzen zu können, wovon wir eigentlich reden, möchte ich auf die Referenzzahlen eingehen. Herr Unterländer, Sie haben behauptet, unsere Forderung würde Mehrkosten verursachen. Mit Ihrer Zahl gehe ich nicht d‘accord. Legt man die Zahlen aus Ihrem Gesetzentwurf zugrunde und streicht die Anrechnung des Pflegegeldes auf das Blindengeld komplett, käme man auf eine Summe von 10 Millionen Euro an Mehrkosten. Das ist aber nicht unser Antrag.
Dies wäre nur bei kompletter Streichung der Anrechnung des Pflegegeldes auf das Blindengeld der Fall.
Gestern hat das Kabinett über eine Pressemitteilung bekannt gegeben, dass im Regierungsentwurf des Nachtragshaushalts eine Milliarde Euro für Investitionen und zusätzliches Personal vorgesehen sind. Ich frage Sie: Gibt es eine bessere Investition als in Menschen mit einer Behinderung, denen mit etwas mehr Unterstützung Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht werden kann?
Wir reden über eine Personengruppe von rund 8.500 Menschen. Sie schätzen selbst, dass 49 % dieser Menschen Pflegegeld erhalten. Somit hätten rund 4.200 Menschen, die Pflegegeld erhalten, auch Anrecht auf Blindengeld. Aufgrund der Anrechnung des Pflegegeldes wird das Blindengeld reduziert. Wir reden von über 4.200 Menschen, denen wir den Alltag erleichtern könnten. Angesichts der großen Haushaltsüberschüsse ist dies eine vergleichsweise geringe Summe. Die Summe wird noch kleiner, da mit dem Antrag der SPD nicht die komplette Streichung der Anrechnung gefordert wird. Am Ende soll nur etwas mehr Blindengeld für die Betroffenen zur Verfügung stehen. Das ist ein Hilfsantrag. Es geht um ein paar Millionen Euro mehr.
Werte Kolleginnen und Kollegen von der CSU-Fraktion, wollen Sie 4.200 Menschen eine dringende Unterstützung von wenigen Millionen Euro vorenthalten? Ich appelliere an Sie: Geben Sie Ihrem Herzen einen Ruck. Herr Unterländer, gerade haben Sie gesagt, dass wir es den Menschen schuldig seien. Wir bekennen uns klar zum Blindengeld. Bitte stimmen Sie dafür, dass 4.200 hochgradig sehbehinderte Menschen, die auch Pflegegeld beziehen, ein höheres Blindengeld erhalten. Auf diese Weise können sie besser am Leben in dieser Gesellschaft teilhaben. Bitte geben Sie sich einen Ruck, und gehen Sie mit. Wir stimmen dem Gesetzentwurf zu und hoffen, dass unser Änderungsantrag eine Mehrheit findet.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Landtag! Das Bundesteilhabegesetz ist im Dezember 2016 verabschiedet worden, und zwar auf Initiative von Selbsthilfegruppen und Verbänden. Sie haben hier etwas in Bewegung gebracht, und auch die SPD hat es auf Bundesebene stark unterstützt. Folgerichtig sind wir auch hier in Bayern mit unserer Fraktion gerne dabei, den Prozess der Umsetzung auf die Länder zu unterstützen. Vorneweg darf ich ein Kompliment machen: Vieles an diesem Gesetzentwurf zum Bayerischen Teilhabegesetz I ist gut gelungen. Sowohl im Geset
zestext als auch bei der Entstehung wurde vieles gut gemacht, beispielsweise was die umfangreiche Beteiligung der Verbände und der Selbsthilfegruppen im ersten Halbjahr 2017 anbelangt. In diesem Rahmen wurden viele Anregungen und Forderungen aus diesen Reihen berücksichtigt. Zuletzt wurden am Wochenende zwei weitere Anregungen eingearbeitet.
Im Bundesteilhabegesetz haben wir einen Paradigmenwechsel vorgenommen. Nicht die Behinderung ist im Blickwinkel, sie ist nicht mehr der Maßstab für die Zuwendung, sondern es geht nun ausschließlich darum, was ein Mensch mit Behinderung braucht, um sein Leben möglichst selbstständig führen zu können und um auch an der Gesellschaft teilhaben zu können. In diesem Sinne haben wir einen gewaltigen Paradigmenwechsel, der große Anforderungen dahin gehend stellt, dieses Gesetz von Anfang an so gut umzusetzen, dass sich die betroffenen Menschen darauf verlassen können; denn sie sind darauf angewiesen, dass die Unterstützung gut funktioniert.
An dieser Stelle möchte ich allerdings auf einige Punkte hinweisen, die wir in dem verbleibenden Prozess noch übernehmen und mit denen wir uns näher beschäftigen müssen. Da steht zum einen in der Präambel: keine finanziellen Mehrbelastungen für die Bürgerinnen und Bürger, Leistungsträger und Kostenträger, und nur eine geringe finanzielle Mehrbelastung des Staatshaushalts soll dabei geschehen. – Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen: Inklusion ist ein Grundrecht. Inklusion muss es uns wert sein, dass wir das gelingend umsetzen, dass wir das gut umsetzen.
Darum kann Teilhabe, wenn sie gelingen soll – wir wollen für die Betroffenen Verbesserungen erreichen –, nicht ohne zusätzliche finanzielle Ressourcen erfolgen.
Darüber müssen wir uns im Klaren sein. Sonst ist es nur eine halbe Sache.
Außerdem ist in diesem Entwurf die Frage der Assistenzen noch nicht geklärt, jedenfalls noch nicht so, dass man vernünftig damit umgehen kann. Es gibt bei der Finanzierung von außerschulischen Assistenzen keine Klärungen in Bezug auf erforderliche Qualifikationen oder die Entgeltbereiche. Das gilt im Übrigen zum großen Teil auch für die schulischen Assistenzen. Wir erleben schon seit Jahren, wie Inklusion in der Schule zwar beabsichtigt sein mag, aber wie sie
schlecht umgesetzt wird. Die mangelhafte Umsetzung der Inklusion in der Schule basiert auf unzureichender personeller Ausstattung, die Inklusion oft verhindert. Wir brauchen in der Schule, um bei dem Beispiel zu bleiben, mehr qualifizierte Pädagoginnen und Pädagogen, die die Kinder in kleinen Gruppen entsprechend fördern können; aber das Kultusministerium stellt keine ausreichenden Ressourcen bereit und spart sich damit letztendlich das Geld. Die Eltern greifen in ihrer Not auf die Möglichkeit zu, über Schulbegleitungen die Unterstützung zu bekommen, damit ihre Kinder in der Schule entsprechend gefördert werden. Diese schulischen Assistenzen fallen aber in den Bereich des Teilhabegesetzes. Deswegen brauchen wir hier noch eine ausführliche Debatte. Es bleibt dabei: Diese Assistenzen müssen von Anfang an in Bezug auf Qualifikation und Entgelt klarer definiert werden.
Ich komme zu einem weiteren Punkt, nämlich den Bezirken als allzuständige Träger der Leistungen. Das ist von den Verbänden so begrüßt und gewünscht worden. Aber wenn das gelingen soll, dann muss diese gewaltige Aufgabe von Anfang an gut gelingen. Das heißt, das ist eine Frage der personellen Ausstattung und der Umstrukturierung im Bereich der Bezirke. Man hat dem Rechnung getragen, dass das eine große Aufgabe ist, und in den Entwurf reingeschrieben, dass die Bezirke Aufgaben noch bis zum 01.03.2018 an die bisherigen Träger delegieren können. Aber ich möchte auf Folgendes hinweisen. Ich wurde von mehreren Seiten angesprochen und darf hier Isabell Zacharias zitieren, die mir gesagt hat, dass sie auf Anfragen an die Bezirke hin weder einen Vermerk bekommen hat, dass man diese Anfrage überhaupt bekommen hat, noch eine Antwort oder eine befriedigende Lösung, weil offensichtlich eine Überforderungssituation da ist. Das dürfen wir uns nicht leisten. Wir müssen die Bezirke so ausstatten, dass sie ihre Aufgabe wahrnehmen können.
Insofern kündige ich hier zwei Änderungsanträge an. Es sind zwei weitere Punkte, und zwar einmal zum Artikel 66b Absatz 2. Wir möchten einen Änderungsantrag zur Erhöhung beim Budget für Arbeit einbringen. Es ist richtig: Wir haben hier statt 40 % 48 % der Referenzgröße eingetragen; aber gleichzeitig steht drin, dass die Assistenzleistungen auch aus diesem Budget bezahlt werden sollen. Das führt zu einer Überforderung des Budgets. Unser Antrag lautet, dass die Assistenzleistungen zusätzlich finanziert werden müssen.
Der zweite Änderungsantrag betrifft den Artikel 41e: Hier wollen wir, dass die Schiedsstellen durch Mitglieder von Werkstatträten und Frauenbeauftragten ergänzt werden. Sie sollen nicht nur mitberaten, sondern auch mitbestimmen dürfen. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass der Prozess der Umsetzung weiterhin so konstruktiv verlaufen möge und auch unsere Anträge Gehör finden mögen.
Das ist mein letzter Satz. – Wir möchten, dass die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes im Rahmen dieses Bayerischen Teilhabegesetzes I und dann folgend in II gut gelingt, von Anfang an zum Wohle der betroffenen Menschen mit Behinderung.
Sehr geehrter Herr Präsi dent, liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Landtag! Die Thematik, mit der wir uns befassen, hat auch einen starken Bezug zu unserem Haus. Es geht um das Wahlrecht. Der Landtag ist ja praktisch Symbol für gelebte Demokratie.
Ich möchte noch ganz kurz auf den Aspekt Demokra tie eingehen. Demokratie ist die Herrschaft des Staatsvolkes. In der Demokratie geht die Macht vom Volk mittels Wahlen aus. Dieses Volk soll aber alle Bürgerinnen und Bürger umfassen, unabhängig vom Geschlecht und vom Vermögen. Heute haben wir aber aufgrund des Gesetzentwurfs der GRÜNEN und der Diskussion erlebt, dass, was den Volksbegriff an geht, beim Wählen ausgewählt wird. Wählen dürfen nur ausgewählte Menschen. Menschen, die im We sentlichen in allen Angelegenheiten unter Betreuung stehen bzw. Menschen, die aufgrund einer Straftat in psychiatrischen Krankenhäusern sind, werden – die sen Begriff muss ich schon benutzen – pauschal aus geschlossen. Es ist nämlich nicht so, Herr Lorenz, dass es Einzelfallentscheidungen gibt, sondern dem jenigen, der unter Vollbetreuung steht bzw. eine Straf tat begangen hat und sich in einem psychiatrischen Krankenhaus befindet, wird das Wahlrecht pauschal entzogen.
Es kann nicht sein, dass diesen Menschen auf allen Ebenen das Wahlrecht vorenthalten wird, dass sie also bei Kommunalwahlen, bei Volksentscheiden, Bürgerentscheiden oder auch bei den Landtagswah len im nächsten Jahr ausgeschlossen sind.
Ich erlaube mir zu empfehlen, den Artikel 29 der UN Behindertenrechtskonvention genauer anzusehen. Vielleicht hilft dies, um in dieser Richtung weiterden ken zu können. Darin wird ausdrücklich gesagt, dass Menschen mit Behinderung ihre politischen Rechte, insbesondere das Wahlrecht, gleichberechtigt mit an deren wahrnehmen können. Darüber hinaus verpflich tet die Konvention die Vertragsstaaten, dass Men schen mit Behinderung im Bedarfsfall und auf Wunsch
zu erlauben ist, sich von einer Person ihrer Wahl bei der Stimmabgabe unterstützen zu lassen.
Werte Kolleginnen und Kollegen aus diesem Hause, mit diesen Vorgaben ist es einfach unvereinbar, dass Menschen, die unter Betreuung stehen, oder, wie schon erwähnt, straffällig gewordene Menschen in psychiatrischen Krankenhäusern automatisch vom Stimm und Wahlrecht ausgeschlossen werden.
Frau Celina, Sie haben es erwähnt: Auf Bundestags ebene ist schon vieles besprochen, aber leider noch nicht vollzogen worden. Ich erwähne zur Ergänzung nur, dass der Bundesrat schon im Jahr 2013 darauf hingewiesen hat, dass Handlungsbedarf besteht. Es gab entsprechende Anträge von GRÜNEN und SPD, die leider abgelehnt wurden. Im Koalitionsvertrag haben wir den Vorsatz gehabt, dass diese rechtlichen Hemmnisse bei der Ausübung des Wahlrechts abzu bauen sind. Dass dies nicht geschehen ist, bedauern wir zutiefst. Wir sind aber auch nur ein Teil einer Koa lition gewesen. Die SPDBundestagsfraktion hat be reits im Januar 2017 ein eigenes Positionspapier he rausgebracht, in dem dies explizit gefordert wird.
Wir als SPDLandtagsfraktion haben schon zweimal – Frau Celina, Sie haben darauf hingewiesen; danke – einen Entwurf eingebracht. Deswegen kämpfen wir auf dieser Seite weiter. Der erste Anlauf erfolgte 2013. Beim zweiten Versuch wurde unser Gesetzentwurf am 9. April 2014 behandelt. Auch damals wurde festge stellt, dass dieser pauschale Wahlrechtsausschluss – man muss immer wieder sagen, dass dies eine Form eines pauschalen Ausschlusses ist – nach den Grundsätzen der Menschenrechte nicht zu rechtferti gen ist. Er bedarf einer Neubewertung. Für diese Neubewertung, Herr Lorenz, haben Sie verschiedene Experten herangezogen. Ich will Ihnen ein paar Ex perten nennen, die zu einem anderen Ergebnis kom men. Im Laufe der letzten Jahre gab es Statements vom Deutschen Institut für Menschenrechte; das ist die offizielle MonitoringStelle für die UNBehinderten rechtskonvention. Es kritisiert ausdrücklich den pau schalen Wahlrechtsausschluss. Der UNFachaus schuss für die Rechte von Menschen mit Behinderung hat im April 2015 empfohlen, dass alle Gesetze und sonstigen Vorschriften aufzuheben sind, durch die Menschen mit Behinderung das Wahlrecht vorenthal ten wird. Ebenso urteilen auch der Europäische Ge richtshof und die UNMenschenrechtskommission. Sie sprechen sogar von einer unzulässigen Stigmatisie rung von Menschen mit Behinderung. Für unser Land ist es sowohl auf Bundesebene wie auch in Bayern blamabel, dass wir uns das immer noch vorhalten las sen müssen.
Noch kurz zum Willküraspekt. Frau Celina, Sie haben den Willküraspekt gut dargestellt. Sie, Herr Lorenz, müssen ihn auch wahrnehmen. Es kann nicht sein, dass jemand, der im Vorfeld eine Vorsorgevollmacht oder eine Patientenverfügung erstellt hat, ganz nor mal sein Wahlrecht behält, während Menschen, die diese Vorsorge nicht getroffen haben, automatisch ausgeschlossen sind; ich sage wieder: automatisch ausgeschlossen sind. Das ist einfach Willkür. Dass es, wie man uns gezeigt hat, von Bundesland zu Bun desland große Unterschiede gibt, kann nicht im Sinne des Gesetzgebers sein, der ja alle Menschen in unse rem Lande mit gleichen Rechten ausstatten muss.
Ich mache es kurz: Deshalb müssen diese pauscha len Ausschlüsse abgeschafft werden. Wir haben Bun desländer wie NordrheinWestfalen und Schleswig Holstein, die uns das schon vorgemacht haben. Dort wurde dies umgesetzt. Wir in Bayern sollten nicht warten, bis uns das so viele andere vormachen, dass wir gar nicht mehr anders können, als dies auch zu machen. Bayern muss nämlich auch in diesem Zu sammenhang endlich Recht schaffen. Das ist eine Frage der Grundrechte und der Gerechtigkeit für alle.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, heute ist ein schöner Tag, ein Tag, an dem wir uns alle miteinander freuen können; denn heute ist die Erste Lesung eines Gesetzentwurfs der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Blindengeldgesetzes. Darauf haben viele schon lange gewartet. Deswegen freuen wir uns darüber, dass dieses Thema heute endlich auf der Tagesordnung steht.
Es ist höchste Zeit anzuerkennen, dass Menschen, die hochgradig sehbehindert oder zusätzlich auch noch taub sind, besser unterstützt werden müssen. Diese Menschen brauchen zur Kommunikation und zur Bewältigung ihres Alltags mehr Assistenzleistungen als andere Menschen. Dies wird, wie der vorliegende Gesetzentwurf dokumentiert, nun auch von der CSU so gesehen. Dazu kann ich nur sagen: Endlich haben wir es geschafft, dass auch Sie von der CSU das wahrnehmen.
Es ist höchste Zeit, dass den hochgradig sehbehinderten Menschen ein finanzieller Ausgleich ermöglicht wird. Mit dem Gesetz ist in Aussicht gestellt, dass, wie Herr Staatssekretär Hintersberger ausgeführt hat, ab dem 1. Januar 2018 30 % des Blindengeldes an alle hochgradig Sehbehinderten ausbezahlt werden. Wer außerdem taub ist, bekommt das Doppelte.
Wir sagen: Es ist höchste Zeit. Die Menschen bedürfen dieser Unterstützung. Endlich, nachdem wir schon so lange darauf gewartet haben, wird sie Wirklichkeit.
Es ist höchste Zeit, weil es bereits einen entsprechenden Gesetzentwurf vom 29. Oktober 2014 gibt. Es war, in gleicher Titulierung wie heute, ein Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Blindengeldge
setzes, eingebracht von der SPD-Fraktion. Damals schon hatten wir jene Forderungen erhoben, die im Kern nun auch in dieser Vorlage enthalten sind. Diese Forderungen betrafen die Erweiterung des Berechtigtenkreises und die Höhe der Unterstützungsleistung, nämlich 30 % des Blindengeldes für Sehbehinderte bzw. der doppelte Betrag für zusätzlich taube Menschen. Diese Forderungen sind nun – das ehrt uns – der Kern der heutigen Gesetzesvorlage. Es ist nun zweieinhalb Jahre her, dass wir unsere Vorlage eingebracht haben. Wir hätten dieses Gesetz gerne schon zum 1. Januar 2015 in Kraft gesetzt gesehen. Jetzt kommt es zum 1. Januar 2018. Es hat also drei Jahre länger gedauert. Das sind drei verlorene Jahre für die Betroffenen, die nun endlich zu ihrem Recht kommen.
Wir werden dieses Gesetz natürlich mittragen. Allerdings wünschen wir uns an dieser Gesetzesvorlage noch eine Änderung bzw. eine Ergänzung. Sie betrifft das Thema des Pflegegeldes. Beim Pflegegeld und Blindengeld gibt es gegenseitige Anrechnungen. Hier muss man genauer hinschauen. Im Extrem kann es nämlich dazu kommen, dass das Blindengeld so auf das Pflegegeld angerechnet wird, dass gar nichts mehr vom Blindengeld übrig bleibt. Dies ist ab der Pflegestufe 3 möglich. Es kann aber nicht sein, dass das Blindengeld komplett mit dem Pflegegeld verrechnet wird. Schließlich soll mit dem Blindengeld doch zum Ausdruck gebracht werden, dass blinde Menschen aufgrund ihrer spezifischen Behinderung eine erhöhte Bedürftigkeit haben.
Hier muss noch nachgebessert werden. Hier werden sicherlich auch Anträge von anderen Fraktionen kommen. Ebenso müssen wir in unserer gemeinsamen Arbeit im Ausschuss um gute Ergebnisse bemüht sein.
Heute beraten wir in Erster Lesung den Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Blindengeldgesetzes. Die SPD-Fraktion wird diesen Gesetzentwurf natürlich unterstützen. Wir freuen uns darüber, dass auch hochgradig sehbehinderte und taube Menschen in absehbarer Zeit, das heißt in ein paar Monaten, besser unterstützt werden. Ich kann dazu nur sagen: endlich!
Verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Das Thema der Freistellung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern für Zwecke der Jugendarbeit ist heute Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens – ein Verfahren, das von allen Fraktionen im Hause im positiven Sinne angestoßen wurde. Heute befinden wir uns in der Zweiten Lesung. Es ist höchste Zeit, dass wir dieses Gesetz voranbringen; denn das derzeit noch gültige Gesetz stammt aus dem Jahr 1980. Das war ein ganz anderes Zeitalter. Die Enquete-Kommission "Jungsein in Bayern" hat schon 2008 Vorschläge erarbeitet und Maßnahmen zur Verbesserung eingefordert. Heute, neun Jahre später, wird es höchste Zeit, dass wir etwas tun.
Wir haben von allen Fraktionen Entwürfe vorliegen. In allen Gesetzentwürfen wird der Tatsache Rechnung getragen, dass sich das Aufgabenfeld in der Jugendarbeit gehörig verändert hat. Nun geht es nicht mehr nur um Zeltlager, Jugendherbergen oder Grenzlandfahrten, wie das 1980 noch üblich war. Nein, heute besteht ein breites Spektrum, das von den Themen Inklusion und Integration über Drogenprävention bis hin zur Gleichstellung reicht. Es ist ungeheuer viel, was heute in der Jugendarbeit verlangt wird. Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns gemeinsam auf den Weg machen, hier etwas zu verändern. Die CSU ist zwar mit uns den Weg gegangen, hier Veränderungen vorzunehmen, sie hört dabei aber zu früh auf und bleibt bei ihrem Gesetzentwurf zu früh stehen.
Ihr Gesetzentwurf muss verbessert werden. Die Freistellung muss auch für die ehrenamtliche Tätigkeit in Vorständen und Gremien sowie sonstigen Organen der Jugendverbände und der Jugendvereine beansprucht werden können. Gerade die Vorstandsarbeit, die Gremienarbeit ist ungeheuer wichtig, wenn man eine gute Jugendarbeit haben möchte. Wenn man das will, dann muss man die Strukturen der Jugendarbeit verbessern. Das bedeutet nichts anderes, als dass sichergestellt werden muss, dass man Vorstandsarbeit auch wirklich leisten kann. Wenn wir Gruppierungen haben, die auch überregional tätig sind, dann bedeutet das für Menschen im ländlichen Raum, dass die Tätigkeit mit einem erheblichen Fahrtaufwand verbunden ist. Wir brauchen deshalb dringend Entlastung.
Die Vorstandsarbeit als solche ist auch eine Chance, Demokratie zu lernen und zu üben. Das ist gerade in Zeiten wie den unseren enorm wichtig. Unsere Zeit ist voll von Populisten, sogenannten alternativen Fakten. In solchen Zeiten ist es notwendiger denn je, Demokratie zu lernen und zu üben. Dafür brauchen wir die ehrenamtlichen Gremienstrukturen. Wir brauchen die Vorstände auf regionaler, auf Bezirks- und auf Landesebene, um dort Übungsfelder für die Demokratie zu haben.
Die Jugendlichen, die jungen Leute können dort den Umgang miteinander lernen. Sie können das in Form von Diskussionen und in der Meinungsbildung. Sie können lernen, Kontra zu geben, aber auch so lange zu ringen, bis man gemeinsam eine Entscheidung fällen kann. Dieses Lernen von Demokratie ist heute wichtiger denn je.
Schließlich: Vorstandsarbeit bedeutet auch Teilhabe und die Chance zur Partizipation. Das ist ein Thema, das Jugendverbände allenthalben immer wieder zu Recht einfordern. Gerade in den Vorständen der Gremien haben Jugendliche und junge Leute die Chance, hautnah mitzuerleben, wie es ist, wenn man sich einbringt, wie sich aufgrund der Entscheidungen etwas verändert, wie man sein Umfeld gestaltet. Die klassische Form der Partizipation passiert also über diese simplen Vorstandstätigkeiten. Darum ist es auch so wichtig, dass wir die Freistellung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in diesem Bereich für die Vorstandsarbeit ermöglichen.
Wir haben aber noch weitere Verbesserungsvorschläge zu dem vorliegenden Gesetzentwurf. Ein Vorschlag betrifft unter anderem die Regelungen zur zeitlichen Dimension der Freistellung. Wir haben wie Sie in der CSU-Fraktion ein Jahresfreistellungskonto in der Planung. Das heißt, dass der Freistellungsumfang das Dreifache einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit betragen kann. Auch wir wollen, dass es nicht nur ganztägige Freistellungen gibt, sondern dass man auch stundenweise Freistellungen erhalten kann.
Der große und wirklich entscheidende Unterschied ist aber: Wir wollen die Zahl der Veranstaltungen, für die man eine Freistellung beantragen kann, nicht auf zwölf im Jahr deckeln, sondern das muss ohne Obergrenze möglich sein. In diesem Bereich kann es nämlich sehr viele Veranstaltungen, Möglichkeiten und Anlässe geben. Das darf man nicht deckeln. Es reicht die Stundenzahl im Jahresfreistellungskonto, ansonsten muss man den jungen Leuten individuell die Chance geben, das auch zu nutzen.
Wir haben noch zwei weitere wichtige Verbesserungswünsche. Zum einen müssen wir den Kreis der Antragsberechtigten über diese vier starren Gruppen, die im Gesetzentwurf der CSU-Fraktion gegeben sind, hinaus ausweiten. Zum anderen müssen wir das Verfahren für den Kreis der Antragsberechtigten vereinfachen.
Wenn wir uns die Ablehnung einer beantragten Freistellung anschauen, sehen wir, dass es hier als großer Unterschied um Frist und Form geht. Bei einer Ablehnung darf es also nicht genügen, einfach mit einer Mail Bescheid zu geben. Wir verlangen vielmehr die Schriftform, eine Textform, weil nur damit Rechtssicherheit für die Betroffenen besteht, dass sie nachhaken und für sich eine Freistellung einfordern können.
Diese Vorschläge, die wir als SPD-Fraktion unterbreiten, verursachen keine Mehrkosten. Wie schon erwähnt, der Gesamtumfang der Freistellung je Beschäftigten ist gleich. Von daher entstehen keine weiteren Kostensteigerungen, weder für Staat noch für Kommunen, Wirtschaft oder Bürgerinnen und Bürger, wenn sich interessierte Ehrenamtliche freistellen lassen wollen. Was wir aber für diese Gruppe bieten, das sind ein wesentlich höheres Maß an Flexibilität und wesentlich mehr Möglichkeiten für die betroffenen Ehrenamtlichen, sich für Jugendliche im Rahmen der Jugendarbeit einzusetzen.
Darum der große Appell an Sie alle, die Sie hier sitzen, überhaupt an unser Haus: Wir haben einen Weg eingeschlagen, um die Jugendarbeit auf bessere Beine zu stellen, die Freistellung von Beschäftigten zu erleichtern. Lassen Sie uns diesen Weg auch wirklich bis zum Ziel gehen und nicht schon vor der Ziellinie stoppen und aufhören. Lassen Sie uns auf kundige Ratgeber hören. Man kann diese Ratgeber hören, wenn man den Jugendverbänden im Land einmal genau zuhört. Lassen Sie uns sie auch ernst nehmen. Genau das wünschen sich nämlich die Jugendverbände, dass diese Vorstandsarbeit mit Freistellung belegt werden kann. Gehen Sie mit uns, und stimmen Sie für unseren Entwurf, für eine praktikable Freistellung zugunsten einer guten und engagierten Jugendarbeit.
Vor diesem Hintergrund werden wir als SPD-Fraktion bei den Gesetzentwürfen der GRÜNEN und der FREIEN WÄHLER mitgehen.
Zu Ihrem Gesetzentwurf, liebe CSU, können wir uns leider nur enthalten. Sie haben sich zwar auf den Weg gemacht, Sie gehen ihn aber einfach nicht zu Ende.
Es bleibt aber noch die Hoffnung, dass wir vielleicht gemeinsam die Ziellinie überqueren.
Ich bin erst seit zwei Monaten in dem für mich schönen Zustand, dass ich jetzt hauptberuflich Politikerin sein kann. Ich habe aber vorher 35 Jahre lang diese Arbeit ehrenamtlich erledigt.
Deswegen sage ich Ihnen: Es ist so wichtig, dass wir auch in diesem Bereich Freistellungsmöglichkeiten durch die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen bekommen; denn die Samstage gehen irgendwann zur Neige, und man braucht, auch wenn man in der Jugendarbeit tätig ist, einmal die Chance, am Wochenende frei zu haben. Deswegen ist es eine Unterstützung von Jugendarbeit und auch eine Aufwertung, wenn man es ermöglicht, interessierte Ehrenamtliche im Rahmen der Arbeit freizustellen.