Marianne Schieder
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Last Statements
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, so kennen wir Sie, unsere Ministerin: eine forsche Rede, strotzend vor Selbstbewusstsein, –
voll neuer Ankündigungen, voller Wohltaten.
Sie sollten vielleicht zum Schluss klatschen, das wäre angebracht.
Eine Rede voller neuer Ankündigungen und Wohltaten für unsere Schulen, –
die ihnen heute Morgen bestimmt schon per E-Mail zugesandt wurde, versehen mit der strengen Anweisung, dass sie auch gelesen werden muss.
Raus mit der Polemik, drauf auf die Landeshauptstadt München, drauf auf die anderen Bundesländer, drauf auf die Bundesregierung und auf die Opposition, ohne Rück
sicht auf Verluste und ohne Respekt vor den Leistungen und Bemühungen Anderer!
Man könnte meinen, es gibt niemanden außer der Bildungsministerin in diesem Land, der irgendetwas von der Politik versteht.
Frau Hohlmeier, Sie gaben heute mit dieser Rede allen jungen Menschen in diesem Land ein schlechtes Beispiel. Ihre Rede wird ihr Verständnis für eine faire demokratische Auseinandersetzung und die Notwendigkeit, in der politischen Diskussion gemeinsam um die richtigen Lösungen zu ringen, nicht verbessern. Sie wird auf junge Menschen eher abschreckend wirken, sich in der Politik zu engagieren.
Aber auch in der Sache ging Ihre Rede an der Realität vorbei. Sie können mir glauben: Ich würde gerne im Interesse der Sache und unserer Schulen und der jungen Menschen, die dort unterrichtet werden, aber auch der Lehrerinnen und Lehrer und der Eltern, mich hier herstellen und Ihnen zu einer positiven Bilanz Ihrer Arbeit gratulieren.
Ich kann das aber nicht tun, weil es mir so geht, wie vielen anderen Menschen, die an Bayerns Schulen, in der Jugendarbeit, in der Erwachsenenbildung, im Bereich des Sports und anderswo ihre Arbeit tun und einen Blick hinter die Kulissen wagen können, weil sie sich dort auskennen.
Ich kann keine solche positive Bilanz ziehen. Ich stelle nämlich tagtäglich fest, dass Sie sich viel zu wenig intensiv und viel zu wenig nachhaltig um die Sorgen und Nöte an unseren Schulen und in unseren Schulen kümmern und dass Sie an der außerschulischen Bildungsarbeit fast kein Interesse haben. Ich stelle tagtäglich fest, dass Sie sich weder konsequent noch engagiert den Herausforderungen der Zukunft stellen.
Wenn Sie es tun, wenn Sie die Herausforderungen der Zukunft im Bereich der Schulsozialarbeit, im Bereich der Ganztagsbetreuung, im Bereich der neuen Technologien an den Schulen erkannt haben, dann legen Sie Konzepte auf den Tisch, mit denen hauptsächlich Sie finanziell billig wegkommen und bei denen die Kosten für das Ganze zum allergrößten Teil anderen aufgebürdet werden, in den allermeisten Fällen den Kommunen.
Wenn Sie für sich in Anspruch nehmen, sich den Herausforderungen zu stellen, dann frage ich Sie: Warum tun Sie denn um Himmels willen nichts gegen den Lehrermangel, der an unseren Schulen schon vorhanden ist und der sich noch weiter verstärken wird?
Warum tun Sie nichts für eine gesicherte Versorgung unserer Schulen mit genügend Lehrerinnen und Lehrern? Sie wissen genauso gut wie ich, dass sich heute viel zu wenige junge Menschen für ein Lehramtsstudium entscheiden, und dass wir an den Haupt- und Realschulen, aber auch an den beruflichen Schulen bereits einen gravierenden Lehrermangel haben und dass wir ihn in wenigen Jahren auch an den anderen Schulen bekommen werden. Sie tun aber nichts oder so gut wie gar nichts.
Das ist keine Unterstellung von mir, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, sondern das ist meine Erkenntnis aus der Antwort auf eine meiner schriftlichen Anfragen zu diesem Thema. Die Antwort war mehr als dürftig und entlarvte die Untätigkeit. Auf die Frage, was Sie zu tun gedenken, räumten Sie zunächst einmal den Mangel ein, den ich auch analysiert habe. Dann schrieben Sie mir, dass Sie an den Prüfungsordnungen einiges geändert haben, dass Sie daran denken, außerbayerische Lehrerinnen und Lehrer anzuwerben, vor allen Dingen für die Realschulen – ich nehme an, dass die nicht in Bayern Abitur gemacht haben, was Sie ja sonst für bedauerlich halten –, und dass das Problem der mangelnden Lehrerinnen und Lehrer an den beruflichen Schulen kein bayerisches Problem ist.
Ja danke, wenn das Ihre Antworten sind, dann, meine ich, wird sich so schnell nichts tun. Machen Sie doch endlich verlässliche Prognosen für die Versorgung mit Lehrerinnen und Lehrern, und steigen Sie ein in eine Offensive für den Lehrberuf, und zwar in eine massive Offensive für den Lehrberuf, und gehen Sie doch den Ursachen auf den Grund, warum es zum Beispiel für die Hauptschulen keine Lehrerinnen und Lehrer mehr oder jedenfalls viel zu wenige gibt.
Gehen Sie endlich daran, dort die Arbeitsbedingungen zu verbessern, die Pflichtunterrichtstundenzahl herabzusetzen und die Besoldung heraufzusetzen; denn kein Mensch sieht doch mehr ein, warum es innerhalb der einzelnen Lehrämter solche Unterschiedlichkeiten gibt, wo doch jeder Lehrer und jede Lehrerin in einer ganz eigenen Art und Weise eine gleichbedeutende, enorme Leistung für unsere Schülerinnen und Schüler erbringt.
Was tun Sie? – Sie schränken die Antragsteilzeit ein. Ich warte auf den Tag, an dem Sie die Familienteilzeit einschränken; denn Sie stellen jetzt schon fest, dass diese Einschränkung der Antragsteilzeit eben nicht die angedachten Folgen nach sich zieht und eben weder als kurzfristige und erst recht nicht als langfristige Lösung die eigentlich angepeilten Erfolge bringen kann. Solche Dinge kann man machen, um eine kurzfristige Notlage zu überbrücken, man kann sie aber nicht anwenden, um einen so offensichtlichen und langfristig angelegten Mangel zu bekämpfen.
Ich frage Sie ernsthaft, weil es mir ein Anliegen ist – nicht nur mir, sondern vielen Eltern, vielen Schülerinnen und Schülern und vielen Lehrern; das entnehmen wir Briefen, das entnehmen wir Petitionen –: Wann tun Sie endlich etwas gegen den beträchtlichen und enormen Unterrichtsausfall an unseren Schulen?
Bei uns stehen – das betonen Sie so gerne – viele Stunden auf der Stundentafel, aber leider finden sie nicht statt. Sie geben in den Antworten auf unsere Anfragen an: zwei, drei, vier Prozent der Stunden fallen aus. Geben Sie endlich zu, dass es sich um mindestens fünf, sechs, sieben Prozent handelt, und rechnen Sie alle Stunden dazu, die fachfremd vertreten werden.
Für die Kinder mag es zwar interessant sein, wenn die Hausaufgaben schon in der Schule gemacht werden können, aber das ist nicht der Unterricht, der ihnen zusteht. Solange wir diesen Unterrichtsausfall nicht bekämpfen, werden wir zu keiner verbesserten individuellen Förderung gelangen, weil die Unterrichtszeit kaum ausreicht, um das zu lehren, was eigentlich nach den Lehrplänen gelehrt werden müsste.
Was tun Sie? – Sie sagen, es ist alles nicht so schlimm, rechnen es herunter und sagen dann auf Aufforderung von uns, Sie haben kein Geld, um mehr Lehrerinnen und Lehrer einzustellen. Ich habe gestern gelesen: Diese Forderungen entsprächen einer hilflosen Argumentation. – Ja, ich werde jetzt den Eltern und den Petenten zurückschreiben, dass ich mich leider gezwungen sehe, Ihnen zu sagen, dass es hilflose Politik ist, wenn man die berechtigte Forderung stellt, dass genügend Lehrerinnen und Lehrer eingestellt werden, um den nach der Stundentafel nötigen Unterricht auch wirklich erteilen zu können.
Sie wissen genau, dass die Mobile Reserve, die eigentlich dazu da wäre, Abhilfe zu schaffen, vielerorts nicht einmal ausreicht, um Mutterschutzvertretungen und Vertretungen für Schwangerschaftsausfälle zu gewährleisten, geschweige denn, ein oder zwei längerfristige Krankheitsfälle aufzufangen. Sie wissen so gut wie ich, dass die Budgets für die Gymnasien und die beruflichen Schulen leider so knapp bemessen sind, dass der Unterrichtsausfall vorprogrammiert ist, weil die Budgetlücke dazu führen muss.
Ich frage Sie heute zum wiederholten Male: Wann endlich wollen Sie den Schulen und den Schulaufwandsträgern sagen, wofür Sie die Millionen der Bundesregierung für die Ganztagsschulen verwenden wollen? Sie sagen, Sie haben lange nicht gewusst, wie das gehen soll. Jetzt wissen Sie es doch schon lange genug, tun aber wieder nichts.
Wenn man sich die jetzt intern gehandelten Richtlinien anschaut, dann muss man sagen: Einfacher geht es wohl nicht – das Geld nach unten reichen und sich in kei
ner Weise irgendwie daran beteiligen, geschweige denn, noch einmal darüber nachzudenken, ob es denn wirklich fair ist, den Kommunen im Rahmen der Ganztagsbetreuungsangebote 40% der Personalkosten und nichts darüber hinaus anzubieten.
Ich fordere Sie dringend auf: Legen Sie für die Ganztagsschulen eine kurzfristige und eine mittelfristige Bedarfsplanung auf den Tisch. Sie wissen, dass der Bedarf in keiner Weise gedeckt ist, dass die Nachfrage viel größer ist als diese 30 Ganztagsklassen, die Sie angeboten haben. Sie wissen aber auch, dass im Bereich der von Ihnen so genannten Betreuungsangebote noch viel mehr nötig ist, um den Bedarf zu decken. Ich fordere Sie auf: Beteiligen Sie sich in einem weit höheren Maß an den Personalkosten; denn die Schule ist Aufgabe des Landes.
Wenn Sie schon sonst auf Ihre Kulturhoheit so viel Wert legen, dann halten sie sich auch an die Verantwortung, die Ihnen daraus erwächst.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen alle miteinander, dass die beste Bildungspolitik der macht, der möglichst früh, möglichst intensiv und möglichst individuell fördert. Wir wissen alle, dass Erziehung, Betreuung und Bildung zusammengehören. Warum aber befindet sich dann der vorschulische Bereich nicht im Kultusministerium, sondern im Sozialministerium, und warum haben Sie nicht schon längst alles dafür getan, dass er wieder zum Kultusministerium zurückkommt, das für die Bildung zuständig ist?
Nun sehe ich zu meiner Freude, dass im CSU-Antrag gleich an vorderster Stelle steht, dass frühes Lernen gefördert werden muss. Was steht dann aber im Antrag? – Sie wollen spezielle Beobachtungsbögen austeilen. Mit den Bögen alleine – bitte fragen Sie die Erzieherinnen und Erzieher; ich habe es vor dieser Rede getan – wird es eben nicht getan sein. Sie müssen den Kindergärten und Kindertagesstätten schon auch personelle Unterstützung und Zeit gewähren.
Frau Ministerin, Sie sagen im Landtag das eine, tun draußen aber das andere. Sie kennen das Beispiel der Oberpfalz; denn ich habe es hier schon erwähnt. Wir hatten in der Oberpfalz eine hervorragende Versorgung unserer Kindergärten im Bereich der Sprachheilförderung, solange der Bezirk diese Aufgabe hatte. Dann wurde diese Aufgabe vom Freistaat Bayern übernommen. Sie hatten nichts Eiligeres zu tun, als ein Drittel der Stellen zu kürzen. Die Situation sieht heute so aus, dass von 56 Kindergärten allein im Landkreis Schwandorf ungefähr 5 versorgt sind; zu allen anderen kommt seit dieser Zeit kein einziger Mensch mehr, um die Kinder zu
diagnostizieren, den Eltern und den Erzieherinnen und Erziehern zu sagen, was getan werden muss, um die Defizite im sprachlichen Bereich ausgleichen zu können. Das ist ein typisches Beispiel dafür, dass Reden alleine und das Ausfüllen von Fragebögen alleine wahrscheinlich nichts bringen werden, sondern dass weit mehr notwendig ist.
Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang noch ein paar Bemerkungen zu dem CSU-Entschließungsantrag. Der Antrag nennt sich „Erste Schritte aus der Pisa-Studie“. Wenn Sie ihn durchgelesen haben, dann sollten sie ihn vielleicht betiteln mit „Erste Gedanken zur Pisa-Studie“; denn um wirklich Konsequenzen ableiten zu können, ist der Antrag viel zu dünn, viel zu unverbindlich und viel zu unkonkret.
Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen. In dem Antrag steht, das Übertrittsverfahren muss überprüft werden. Wie soll es denn überprüft werden? Soll es verschärft werden? Soll dem Elternwillen stattgegeben werden? Was soll denn gemacht werden? – Sie werden doch hoffentlich wissen, was Sie wollen. Dann schreiben Sie es auch hinein. Solange wir nämlich nicht wissen, was sich dahinter verbirgt, werden wir diesen Sätzen auch nicht zustimmen können.
Ich meine, Sie stehen mit der Forderung, erste Schritte einzuleiten, in einem klaren Gegensatz zu dem, was die Ministerin sonst sagt. Ich habe Sie schon x-mal hier sagen hören, dass sie schon längst Schritte als Konsequenz aus der Pisa-Studie eingeleitet hat. Jetzt sagen Sie, Sie möchten erste Schritte einleiten. Irgendwie passt das nicht zusammen.
Ein vorrangiges Anliegen muss es uns allen sein, die Grundschule in ihrer Bedeutung aufzuwerten und zu stärken; denn nicht erst seit der Pisa-Studie weiß man, dass die Grundschule als Fundament jeglicher Schullaufbahn eine ganz besondere Bedeutung hat und dass gerade in der Grundschule die Schülerinnen und Schüler wesentlich intensiver und individueller gefördert werden müssen. Dazu müssen die Grundschullehrer aber auch in die Lage versetzt werden.
Frau Hohlmeier, wenn wir das wirklich wollen – das wissen Sie so gut wie ich –, dann müssen wir jetzt die politischen Weichen dafür stellen. Sie wissen so gut wie ich, dass wir in einer Zeit leben, in der die Schülerzahlen zurückgehen werden. Sie wissen, dass es frei werdende Lehrerstellen gibt. Man hat berechnet, bis zu 5000 Lehrerstellen werden an den Grundschulen frei. Ich meine, vor diesem Hintergrund sollten wir gemeinsam den Kraftakt wagen und beschließen, wir lassen diese Stellen den Grundschulen und verwenden sie in den nächsten Jahren dazu, dass dort die Klassen kleiner werden, dass dort Zweitlehrkräfte zur Verfügung stehen und dass individuelle Förderung erfolgt.
Sie wissen genauso gut wie ich – deshalb wollen Sie die Wiedereinführung der Noten in der 2. Klasse –, dass die Grundschulen seit der Einführung der R 6 unter einem enormen Druck stehen und dass der Druck so groß geworden ist, dass die Kinder, die den Übertritt an die Realschule oder das Gymnasium nicht schaffen, sich vorkommen wie die wahren Schulversager. Das kann ja wohl nicht im Sinne des Erfinders sein. Auch um diesem Druck entgegenzuwirken, ist die von mir aufgezeigte Stärkung der Grundschule dringend notwendig. Wegen der frei werdenden Lehrerstellen ist sie auch finanziell leistbar. Dass die Noten von den Eltern gewünscht werden, um dem Druck standhalten zu können, kann ich nachvollziehen; aber pädagogisch ist das eindeutig der falsche Weg. Der Druck wird nach vorn verlagert, aber in keiner Weise geringer.
Ich halte die Wortgutachten immer noch für den richtigen Weg. Wenn Sie feststellen, dass diese Gutachten zu wenig Aussagekraft haben für die Lehrerinnen und Lehrer und vor allem für die Eltern, dann tun Sie etwas dafür, dass die Aussagekraft besser wird. Es hilft ja auch nicht, Aspirin zu nehmen, wenn man Zahnweh hat. In diesem Fall geht man besser zum Zahnarzt. So ist es auch in diesem Fall. Man kann an der Sache an sich etwas verbessern; da gebe ich Ihnen vollkommen Recht.
Ich frage zum wiederholten Mal: Wie soll es mit unseren Hauptschulen weitergehen? Wann tun Sie endlich das Nötigste, um dort die Schulsozialarbeit bedarfsgerecht und so, wie sie gebraucht wird, auszubauen? – Sie wissen, dass die Hauptschulen schon heute, obwohl die R 6 nicht flächendeckend eingeführt worden ist, unter den negativen Folgen in großem Ausmaß zu leiden haben.
Sie wissen, dass zahlreiche Teilhauptschulen vor der Schließung stehen. Sie wissen auch, dass mindestens die Hälfte aller bayerischen Hauptschulen und in dünner besiedelten Gebieten noch mehr – so schätze ich – die Einzügigkeit erreichen werden, weil die zweite 5. Klasse und die zweite 6. Klasse wegfallen. Sie sind nicht bereit, diesen Hauptschulen eine Bestandsgarantie zu geben. Im Gegenteil: Ich habe gelesen, in Niederbayern gibt es Schulamtsdirektoren, die sagen, nach der Wahl wird es eine massive Zusammenlegung der einzügigen Hauptschulen geben, weil der Hauptschullehrplan, den Sie nach der Wahl in Kraft setzen wollen, überhaupt nicht dazu geeignet ist, an einzügigen Hauptschulen umgesetzt zu werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist eine Ohrfeige in das Gesicht engagierter Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, die in den letzten Jahren sehr viel getan haben, um ihre Schulen gut auszustatten und vom Bestand her gut in Schuss zu halten.
Die Kollegen von der CSU haben nachher Zeit, ihre Meinung zu sagen.
Oh, Entschuldigung. Ich habe den Namen falsch verstanden.
Die erzieherischen Anforderungen an Lehrerinnen und Lehrer steigen. Sie wissen ebenso gut wie ich, dass es nicht hilft, diese Anforderungen wegzudiskutieren oder zu sagen, wir wollen nicht, dass diese Anforderungen auf die Schule zukommen, sondern dass es angebracht ist, den Schulen die nötige fachliche Unterstützung zur Verfügung zu stellen, so dass sie diesen Anforderungen gerecht werden können. Diese fachliche Unterstützung besteht in einem bedarfsgerechten Ausbau der Schulsozialarbeit. Das kennen Sie, und Sie kennen auch die positiven Ergebnisse der Modellversuche auf diesem Gebiet.
Natürlich kann ich nachvollziehen, dass Lehrerinnen und Lehrer, aber auch geplagte Mitschülerinnen und Mitschüler und Eltern sich wünschen, dass die so genannten Störer aus der Schule ausgeschlossen werden. Aber haben Sie diese Art der Politik auch zu Ende gedacht, Frau Ministerin? Was wollen Sie mit den jungen Menschen tun, wenn sie mit der 7. Klasse ihre Schulpflicht erfüllt haben? Wo wollen Sie sie denn hinstecken? Wann ist jemand überhaupt ein Störer, der ausgeschlossen werden muss? Wer soll das in den Schulen entscheiden? Ich glaube, eine vernünftige und an der Pädagogik orientierte Politik sollte darauf setzen, Schülerinnen und Schülern, die mit erzieherischen Defiziten in die Schule kommen, möglichst früh Hilfestellungen an die Hand zu geben und sie mit geeigneten Menschen zusammenzubringen, so dass diesen Defiziten möglichst früh begegnet werden kann, damit es gar nicht so weit kommt, dass sie aus der Hauptschule oder einer anderen Schule ausgeschlossen werden müssen.
Abschließend zu diesem Thema sage ich zum wiederholten Mal: Tun Sie bitte etwas, bevor die Hauptschulen kaputtgegangen sind; denn recht weit weg davon sind wir nicht, und da male ich nicht den Teufel an die Wand, sondern ich nehme die Realität zur Kenntnis. Dieser Realitätssinn scheint Ihnen zu fehlen.
Frau Hohlmeier, ich frage Sie auch: Welche Möglichkeiten werden Sie den Schulen zur Verfügung stellen, damit die dringend erforderliche individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern ermöglicht wird? Sie wissen so gut wie ich, dass 10% unserer jungen Menschen die Schule ohne Abschluss verlassen. Sie wissen auch, dass diese jungen Menschen Schwierigkeiten haben werden, mit dem Leben und einer beruflichen Tätigkeit zurande zu kommen. Sie wissen, dass 20% unserer Gymnasiasten die Schule vor dem Abitur verlassen, und Sie wissen, dass davon vor allem Kinder aus sozial
schwächeren Familien und aus so genannten bildungsfernen Elternhäusern betroffen sind, und Sie wissen, dass darin eine der Hauptursachen dafür liegt, dass wir erschrocken zur Kenntnis nehmen müssen, dass ein Facharbeiterkind zehnmal weniger Chancen hat, Abitur zu machen, als das Kind eines Akademikers. Sie wissen, dass darin auch eine Ursache dafür liegt, dass es die sozialen Disparitäten gibt, die wir im Bildungsausschuss alle miteinander anhand Ihrer Zahlen feststellen konnten und die nicht abzuleugnen sind.
Sie haben – das entnehme ich erfreut dem CSU-Antrag – jetzt endlich zur Kenntnis genommen und geben zu, dass viel zu viele Kinder die Klasse wiederholen müssen. Ich kann mich erinnern, dass Sie uns nach der Tagung in Irsee ausgelacht und gesagt haben, so ein Quatsch, Sitzenbleiben gibt es fast nicht mehr, und wenn, dann ist es völlig angebracht, da gibt es keine andere Methode. Siehe da, jetzt stellt man fest, dass die Zahl der Klassenwiederholer reduziert werden muss, indem die individuelle Förderung verbessert wird.
Aber ich frage Sie: Wann werden dem Ganzen Taten folgen? In einer Presseerklärung des Philologenverbandes – das sind doch die Betroffenen am Gymnasium – habe ich gelesen, dass die Zahl der Klassen mit 33 und mehr Schülern leider nicht zurückgeht, sondern noch zunimmt, und dass man sich angesichts der hohen Schülerzahlen überhaupt nicht vorstellen kann, wie die individuelle Förderung praktiziert werden kann. Ich frage Sie: Warum geben Sie den Schulen nicht die Selbstständigkeit, die Sie ihnen gern zugestehen wollen, so wie Sie es heute dargestellt haben und wie es in dem CSU-Antrag steht? Warum begnügen Sie sich mit einem Modellversuch „MODUS 21“, der an sich nicht schlecht ist, aber nur in 22 von über 5000 Schulen durchgeführt wird? Warum trauen Sie sich nicht, umzusetzen, was Sie so gern tun würden, und leiten die Aktion endlich ein, anstatt noch Jahre darüber zu reden?
Sie können heute damit anfangen, indem Sie unserem Anliegen Rechnung tragen, nämlich die Zensur der Schülerzeitungen aufzugeben; denn diese ist eigentlich nirgendwo festgeschrieben. Mit ein bisschen mehr Toleranz durch die Schulleitung könnten sich da viele Probleme von selbst erledigen.
Ich frage Sie ernsthaft, welchen Beitrag der Freistaat Bayern im Bereich der Schulen leisten will, um dem Lehrstellenmangel zu begegnen. Selbstverständlich ist in erster Linie die Wirtschaft aufgefordert, Schulabgängern genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Aber wir alle miteinander wissen – das zeichnet sich doch ab –, dass dies nicht ausreichen wird und dass Tausende von jungen Menschen ohne Ausbildungsplätze dastehen werden. Herr Kollege Nöth, machen Sie es sich halt nicht so einfach, immer nur zu sagen, das seien die in Berlin. Sie sitzen doch auch in diesem Landtag und haben eine Aufgabe zu erfüllen. Sie sollten nicht immer die Verantwortung woanders hinschieben.
Sie wissen genauso gut wie ich, dass der Freistaat Bayern als Schulträger seinen Beitrag leisten muss und dass wir zusätzliche Berufsfachschulen brauchen; mit drei oder fünf Schulen mehr für Bayern wird es nicht getan sein, das ist nicht einmal eine Klasse pro Regierungsbezirk. Sie wissen auch, dass wir im Bereich der Berufsvorbereitungsjahre unseren Beitrag leisten müssen. Es will mir überhaupt nicht in den Kopf, dass Sie kultusministerielle Schreiben an die Regierung und die Berufsschulen richten und sie auffordern, keine solchen Klassen einzurichten und nicht mehr darüber nachzudenken, dass es solche Klassen geben könnte. Wenn Sie sich mit der Bundesregierung um den finanziellen Anteil, den jeder von Ihnen zu leisten hat, streiten wollen, tun Sie es bitte woanders, aber nicht auf dem Rücken junger Menschen.
Mit einer solchen Vorgehensweise werden Sie dem drängenden Problem junger Menschen nicht gerecht.
Ich frage Sie zudem, welche Folgerungen Sie aus der Erkenntnis, die wir alle miteinander im Bildungsausschuss gewinnen konnten, als uns die Zahlen vorgelegt wurden, ziehen wollen. Diese Zahlen haben eindeutig und erschreckend zutage gebracht, dass es in Bayern bei der Bildungsbeteiligung enorme Unterschiede gibt, dass in manchen Regionen über 60% der Grundschüler, aber in anderen Regionen gerade einmal 20% der Schüler an das Gymnasium wechseln. Wir haben zur Kenntnis genommen, dass es innerhalb Bayerns nicht nur ein Stadt-Land-Gefälle, sondern auch ein Nord-Süd-Gefälle gibt, und dass – ich zitiere Herrn Kollegen Schneider – die Bildungsreserven in keinster Weise ausgeschöpft werden. Aber dies wäre eigentlich unsere Aufgabe.
Ich bin zunächst einmal froh, dass Sie zur Kenntnis nehmen: Es gibt diese Unterschiede; denn lange Zeit wollten Sie nichts davon wissen. Es hat ja Jahre gedauert, bis Sie die Zahlen auf den Tisch gelegt haben. Dann mussten die Zahlen, die eigentlich vom ISP stammen – so wurde uns mitgeteilt –, im Ministerium auch noch überarbeitet werden. Mich würde interessieren, was darin vor der Herausgabe stand – ich befürchte noch viel Schlimmeres.
Wir müssen gemeinsam eine gründliche und offene Ursachenforschung betreiben. Ich weiß genauso gut wie Sie, dass es sich um ein Bündel von Ursachen handeln wird, das wir erforschen müssen. Ein Grund wird zum Beispiel die Tatsache sein, dass es in der näheren Umgebung kein leicht erreichbares Gymnasium gibt, sondern der Schulweg weit ist, und dass Eltern tradiert eingestellt sind. Aber wir müssen alles daransetzen, alle Bildungsreserven auszuschöpfen und jedes Kind gemäß seinen Eignungen und unabhängig von seinem Wohnort, seiner sozialen Herkunft, seinem Geschlecht und seiner Nationalität bestmöglich fördern. Dazu müssen die Schulen in die Lage versetzt werden.
Dazu, wann Sie endlich für die außerschulische Bildung etwas tun, haben Sie heute leider nicht Stellung genommen. Ich möchte die Erwachsenenbildung nennen. Es ist eigentlich nicht mehr nachvollziehbar, dass in Bayern die Zuschüsse für die Erwachsenenbildung nahezu zehn Jahre lang auf demselben Stand festgefroren wurden und in Wirklichkeit gekürzt werden, weil dort die Ausgaben gestiegen sind.
Ich weiß bis heute nicht, was Sie sich bei der letzten Beratung im Haushaltsausschuss gedacht haben, als Sie eine Kürzung in Höhe von einer Million e vorgenommen haben. Es ist absolut nicht nachvollziehbar, wie diese Politik mit den Sonntagsreden zusammenpasst, die Sie sonst bei Empfängen und Veranstaltungen halten, wo Sie als Rednerin gefragt sind.
Beinahe wäre es noch viel schlimmer gekommen; denn das Finanzministerium hatte den Wunsch, die Mittel nicht nur um diese eine Million e zu kürzen, sondern weitere drei Millionen e zu sperren. Man hat dies Gott sei Dank rückgängig gemacht, doch nicht aus der Überzeugung heraus, dass es die falsche Politik wäre, sondern weil sich manche Kollegen in Wahlkampfzeiten draußen frühzeitig aus dem Fenster lehnten, da sie Angst hatten, bei der Wahl ihre Quittung zu bekommen.
Ich möchte schon heute den Trägern der Erwachsenenbildung sagen, ich gehe davon aus, dass sofort nach der Wahl wieder mit Kürzungen begonnen wird. Ich befürchte, dass es nicht bei einer Million pro Jahr bleiben wird. Es wäre an der Zeit, darüber politische Diskussionen zu führen.
Die Finanznot geht bei den Sing- und Musikschulen weiter. Wie lange wollen Sie noch zuschauen, wie diese Einrichtungen herumkrebsen und mehr mit der Suche nach Finanzen beschäftigt sind als mit ihrer Aufgabe, jungen Menschen Musikunterricht zu erteilen? – Auch auf diesem Gebiet werden die Bezuschussungen für das Personal ständig weniger, und jede Haushaltskürzung verringert sie noch mehr. Wir brauchen für die Träger dieser Einrichtungen eine verlässliche Planungsgröße und einen über die 8% hinausgehenden Zuschuss. Wir sollten für das Personal 25% Zuschuss gewähren und dafür garantieren, dass die Höhe der Zuschüsse nicht alle Jahre geändert wird.
Sie kennen die Situation der Jugendarbeit. Auch dort plagt die Finanznot all diejenigen, die damit beschäftigt sind. In diesem Bereich reicht das Geld hinten und vorne nicht. Sie haben es noch unterlassen, im Haushalt Einsparungen vorzunehmen. Ich hoffe, das bleibt auch nach der Wahl so. Aber allein die Tatsache, dass die Zuschüsse nicht erhöht wurden und im Großen und Ganzen gleich geblieben sind, hat dort zu Kürzungen geführt.
Bei der Sportförderung zeichnet sich ein vollkommenes Chaos ab. Nicht nur die Wartezeiten sind sehr lang, sondern es kennt sich keiner der Sportfunktionäre und Vorstände vor Ort mehr aus, was eigentlich Sache ist und ob man sich auf die Bescheide, die man einmal bekommen hat, noch verlassen kann. Nicht einmal diejenigen, bei denen schon anfinanziert ist, wissen so recht, was passieren soll. Im Ausschuss wird uns gesagt, der Landessportverband hätte einen etwas unglücklich formulierten Brief versandt! Kümmern Sie sich halt um so klare Formulierungen, dass sie auch der Sportvereinsvorsitzende vor Ort verstehen kann. Geben Sie doch offen zu, dass Sie von der Bezuschussung weg und hin zu einer durch Darlehen finanzierten Sportstättenförderung wollen. Lassen Sie uns dann offen über die Bedingungen reden, die es dort geben muss.
Gehen Sie um Himmels willen davon ab, die Bürgschaft für die Darlehen den Kommunen aufzuhalsen. Sie wissen ganz genau, dass viele Kommunen aufgrund ihrer Verschuldung nicht in der Lage sind, eine solche Bürgschaftserklärung abzugeben, und dass es allein daran scheitern wird, dass die Sportvereine in den Genuss dieser Darlehen kommen. Kümmern Sie sich darum – ohne jetzt dumm dazwischenzureden, Herr Kollege Nöth und Herr Kollege Schneider –, dass diese Bürgschaft vom Freistaat Bayern übernommen wird, wenn sie denn schon sein muss.
Dass Sie dann den Kommunalpolitikern sagen, dann muss halt die Rechtsaufsichtsbehörde bei der Prüfung und Vorlage des Haushalts berücksichtigen, dass es nicht so richtig eine Verschuldung ist, wird weder uns noch der Rechtsaufsichtsbehörde weiterhelfen.
In Ihrem Antrag stehen noch einige andere Dinge, zum Beispiel die Zusammenarbeit zwischen Kindertagesstätten, Grundschulen und weiterführenden Schulen sowie gemeinsame Fortbildungsangebote in diesem Bereich. Man fragt sich, warum Sie dies nicht längst getan haben. Dies wird Ihnen im Ausschuss jahrein jahraus gesagt. Es ist Ihnen schon vor meiner Zeit von Herrn Irlinger und unter der Regie von Frau Radermacher gesagt worden, als Sie noch Mitglied dieses Ausschusses waren und hören konnten – wenn Sie es hören wollten –, was eigentlich gefragt wäre. Es ist ein gewisser Fortschritt, dass Sie es jetzt zu Papier bringen. Aber dem Text müssen dann auch Taten folgen.
Dasselbe gilt für die Festlegung von verbindlichen Standards, der Evaluierung und landeseinheitlichen und verbindlichen Tests. Gegen Tests an sich ist nichts zu sagen. Aber dem Test müssen ebenfalls Taten folgen; denn was hilft es, wenn einem Kind zum hundertsten Male gesagt wird, du hast eine Schwäche in Mathematik oder im Lesen, aber es weder für die Kinder noch für die Eltern und Schulen Angebote gibt, diesem Defizit begeg
nen zu können, außer dem Hinweis, dass man sich privatfinanzierten Nachhilfeunterricht leisten kann?
Sehr interessant ist für mich, dass Ihr Fraktionsvorsitzender jetzt in verschiedenen Erklärungen einräumt, dass die Durchlässigkeit des Schulsystems zu wünschen übrig lässt.
Ich gratuliere zu dieser Erkenntnis. Das ist etwas, das seit langem von allen Seiten bedauert wird. Sie haben diese Durchlässigkeit – das sagt Frau Radermacher zu Recht – durch die R 6 noch verschlechtert. Erst gestern hat mich in dem Parlamentsseminar eine Realschullehrerin gefragt, wie man sich nun eigentlich seitens der Politik die Eingliederung – oder wie immer man es bezeichnen will – der Gymnasiasten vorstellt, die jetzt – so wie es immer war – nach der 6. Klasse vom Gymnasium an die Realschule wechseln wollen. Sie können nämlich nicht mehr von vorn beginnen mit den Realschülerinnen und Realschülern, die aus den Hauptschulen kommen, sondern sie sollen jetzt in den laufenden Schulprozess eingegliedert werden. Ich habe geantwortet, dass ich es nicht weiß. Ich habe die Frau Ministerin zwar schon einmal danach gefragt, aber sie hat es mir nicht erklären können. Ich bin gespannt, Frau Ministerin, was Sie am Donnerstag mit dem Antrag tun werden, die Deckelung bei den Wirtschaftsschulen aufzuheben. Sie sehen doch, dass wahr ist, was alle sagen, dass wir nämlich eine schulische Einrichtung brauchen, die man auch noch nach der 6. Klasse besuchen kann, um die mittlere Reife zu erwerben.
Sie haben gemeint, das mit der Deckelung könnten Sie bequem in den Griff bekommen.
Frau Präsidentin, ich glaube, man könnte doch die Gespräche auch irgendwo anders führen und nicht während der Diskussion über die Regierungserklärung.
Der Tatsache, dass Sie jetzt als einen besonderen Beitrag zur Verbesserung der Durchlässigkeit die Einführung eines 13. Schuljahres an der FOS und an der BOS anstreben, kann man nichts entgegenhalten. Aber es wird hoffentlich nicht die einzige Aktion bleiben, mit der Sie diese Durchlässigkeit weiter verbessern wollen. Ich halte es für durchaus diskussionswürdig, so wie es die Lehrer an den beruflichen Schulen auch tun, hier zwei unterschiedliche Richtungen für den Zugang zur allgemeinen Hochschulreife aufzubauen und in gewisser Weise das allgemeine Abitur dadurch, wenn nicht gleich
zu entwerten, aber jedenfalls doch in einen gewissen Misskredit zu bringen.
Darüber werden wir ja dann zu diskutieren haben. Ich hoffe natürlich, nachdem Sie das nicht erst heute, sondern schon vor Monaten angekündigt haben, dass Sie die entsprechenden parlamentarischen Schritte einleiten werden, um das Ganze in die Tat umzusetzen, und dass wir Gelegenheit bekommen, all die Fragen, die in diesem Zusammenhang diskutiert werden müssen, auch diskutieren zu können.
Natürlich, Sie haben Recht, Frau Werner-Muggendorfer. Auch die Lehrerinnen und Lehrer müssen hier mit einbezogen werden.
Frau Ministerin, Sie sagen in Ihrer Regierungserklärung, dass Sie den Erziehungsauftrag unterstützen wollen und dass Sie eine bessere Verzahnung und Intensivierung der Zusammenarbeit von Elternhaus und Schule anstreben. Es ist dabei von schulhausinterner Erziehungshilfe, Jugendsozialarbeit und Krisenintervention in Stütz- und Förderkursen die Rede. Warum, um Himmels willen, tun Sie es nicht? Jeder Schulleiter wird Ihnen schon hundertmal gesagt haben, dass man eine bessere Verzahnung und Zusammenarbeit braucht.
Aber nicht einmal das haben Sie bislang auf die Reihe gebracht, obwohl das mit der Kostenexplosion und dergleichen, was Sie sonst noch immer als Gegenargumente ins Feld führen, nichts zu tun hat.
Alles in allem gibt es wirklich noch viel zu tun. Ich habe mir die Mühe gemacht, Frau Staatsministerin, auch Ihre Rede von 1999 genau durchzulesen. Zu meinem Erstaunen habe ich darin Folgendes gelesen: „Es geht mir in erster Linie nicht um Details und Einzelmaßnahmen, sondern um das Gesamtkonzept.“ – Hört, hört! Was ich von dem mitbekomme, was Sie tun, sind Einzelmaßnahmen und Arbeiten am Detail.
Sie sagen dann in dieser Rede weiter, die Bildung entscheide über die Zukunftschancen der Menschen. Bildung und Wissen könne man nicht umverteilen. Man brauche gleiche Startchancen für alle.
Und Sie sagen weiter, jeder müsse sich seiner Persönlichkeit gemäß entfalten können. Jeder müsse seiner Begabung und seinen Talenten gemäß gefördert werden, um sich bestmöglich entwickeln können.
Ja, ja! Es heißt dort weiter: „Wir brauchen das individuell Beste für jeden.“
Herr Dr. Bernhard, wenn Sie jetzt allen Ernstes davon überzeugt sind, dass dies alles umgesetzt wird, und nicht nur etwas sagen, um Ihre Ministerin in Schutz zu nehmen, dann glaube ich, Sie haben sich zu wenig mit der Schulpolitik beschäftigt.
Es tut mir sehr, sehr Leid, Ihnen das sagen zu müssen.
Die Zahlen, die das Ministerium vorgelegt hat, sagen etwas anderes.
Dann möchte ich noch Folgendes hinzufügen: Frau Ministerin, unterstellen Sie uns nicht immer, dass wir nur auf das Abitur schielen und es uns immer nur um die Übertrittsnoten gehe.
Wir haben im Bildungsausschuss einen Antrag eingebracht, in dem Sie aufgefordert wurden, Zahlen über das Bildungsgefälle in Bayern vorzulegen. Sie haben aber keine einzige Zahl zum Thema Hauptschule vorgelegt. Es fand sich keine einzige Aussage darüber, wie viele Hauptschülerinnen und Hauptschüler über den zweiten Bildungsweg oder über welchen Bildungsweg auch immer ein Universitätsstudium oder dergleichen erreichen. Sie haben uns die nackten Übertrittszahlen vorgelegt, betitelt mit der Überschrift „Bildungschancen in Bayern“. Da frage ich Sie, wer von uns beiden den eingeschränkten Blick hat. Sie wollen ja nur davon ablenken und ein Argument dafür finden, dass Sie so vielen jungen Menschen, die eigentlich die Begabung dazu hätten, den Weg zum Abitur verwehren.
Dafür sollten Sie sich schämen und sich nicht hier verteidigen. Sie sollten den Weg zur Chancengleichheit in Bayern öffnen, damit dies anders wird.
Zum Schluss möchte ich all denen danken, die an unseren Schulen Dienst tun, allen, die im außerschulischen Bereich der Bildung eine ungeheuere Leistung erbringen sowohl für die jungen Menschen als auch für die Erwachsenen. Und danken möchte ich auch allen anderen, die in irgendeiner Art und Weise ihren Beitrag dazu leisten, dass wir alle miteinander stolz auf die Leistungen unserer Schülerinnen und Schüler sein können. Wenn nun auch noch die Staatsregierung den Weg finden
könnte, sich in aller Ernsthaftigkeit einmal den Sorgen und Nöten der Schule, aber auch den Problemen im außerschulischen Bildungsbereich zu widmen, und wenn dort beherzt den Reden auch Taten folgen würden, dann könnten wir alle miteinander vielleicht in der nächsten Legislaturperiode eine positive Bilanz ziehen.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat nun der Herr Kollege Schneider.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe schon in meiner Rede heute Vormittag einiges zu diesem Dringlichkeitsantrag gesagt und möchte meinen Beitrag deswegen möglichst kurz fassen. Ich habe Ihnen schon vorgeschlagen, das Ganze nicht „einen ersten Schritt bezüglich Konsequenzen aus der Pisa-Studie“ zu nennen, sondern „Erste Gedanken zur Pisa-Studie“. Ich bedaure es sehr, dass dieser Dringlichkeitsantrag trotz der vielerorts vorhandenen richtigen Gedanken an Unverbindlichkeit und mangelnder Konkretheit nicht zu überbieten und insgesamt einfach zu dünn ist. Ich würde meiner Fraktion gern empfehlen, zuzustimmen, kann das aber leider nicht tun, weil man die Katze nicht im Sack kaufen soll.
Ich will gern noch einmal ein paar Beispiele nennen. Unstrittig ist, dass frühes Lernen gefördert werden muss und dass in den Kindergärten und Kindertageseinrichtungen vor allem der Sprachentwicklung besondere Bedeutung beigemessen werden muss. Unstreitig zwischen uns ist auch, dass es eine Art Dokumentation geben muss, die der Grundschule zur Verfügung steht. Aber leider kann ich mir unter einem speziellen Beobachtungsbogen zur Sprachentwicklung relativ wenig vorstellen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es für die Erzieherinnen und Erzieher so einfach ist, in dieser Art und Weise Diagnosen zu stellen. Es werden auch keine Aussagen darüber gemacht, wie die gezielten Sprachfördermaßnahmen aussehen sollen.
Zur Zusammenarbeit zwischen Kindertagesstätten und Grundschulen habe ich schon einiges gesagt. Auch was die Unterstützung des Erziehungsauftrags betrifft, kann man grundsätzlich sagen, hier muss etwas getan werden, und – wie heute Morgen schon erwähnt – es muss die Zusammenarbeit zwischen Schule, Erziehungshilfe, Jugendhilfe usw. verbessert werden. In dem Antrag steht viel darüber, was die Stärkung der Eigenverantwortung der einzelnen Schulen betrifft, aber auch hier sind die
Ausführungen nicht konkret. Es ist vieles aufgezählt, aber mir erschließt sich aus dieser Darstellung nicht, wie das wirklich aussehen soll und wie die Sache vor Ort funktionieren soll. Das wäre aber wichtig zu wissen, um zustimmen zu können.
Im letzten Absatz auf der ersten Seite, wo es um die verbindlichen Ziele und Standards geht, steht zum Beispiel, es soll geprüft werden, ob bestehende Dienststellen so umgestaltet werden können, dass durch diese die wissenschaftlich fundierte externe Evaluation organisiert werden kann.
Welche Dienststellen sollen da jetzt umgestaltet werden und in der Lage sein, eine externe – noch dazu wissenschaftlich fundierte – Evaluation zu organisieren? Diese Formulierung ist wirklich nichts sagend, unverbindlich und unkonkret. Wahrscheinlich wird sich in der Umsetzung herausstellen, dass es etwas ganz anderes ist, als viele derjenigen, die darüber reden, meinten.
Zur Zahl der Klassenwiederholer habe ich schon einiges gesagt. Es ist selbstverständlich auch unser Ziel, die Anzahl der Klassenwiederholer zu reduzieren. Natürlich war dieses Ziel immer mit der Forderung verbunden, an den Schulen die individuelle Förderung zu verbessern. Herr Schneider, Sie tun so, als wäre Ihnen das nicht bewusst gewesen und wir hätten verlangt, das Sitzenbleiben müsste abgeschafft werden. Sie wissen genau, dass dies nicht stimmt, sondern dass es immer um die Tatsache ging, dass wir eine enorm hohe Zahl an Wiederholern haben, was nicht nur Geld kostet, sondern auch für die Lernmotivation der Kinder nicht besonders erfreulich ist, was wir schon immer anmahnten. Nur: Sie hielten es bisher nicht für nötig, sich darum zu kümmern. Dies ist der Weg, der gegangen wurde.
Jetzt wird das Anliegen Gott sei Dank aufgenommen. Es steht zwar im Antrag, ein Förderplan solle erstellt werden, die Schule solle Angebote schaffen. Aber wie wollen Sie diese Angebote schaffen? Wir haben heute gehört, dass Sie keinen einzigen zusätzlichen Lehrer einstellen und nicht mehr Geld ausgeben wollen. Der Philologenverband sagte erst kürzlich, die Gymnasien seien durch das Budget eingeengt und könnten in dessen Rahmen nicht mehr leisten. Wir haben die höchsten Klassenstärken. Also müsste man in den Antrag schreiben, welches Angebot denn geschaffen werden und wie die Schülerinnen und Schüler unterstützt werden sollen. Dasselbe gilt für das Übertrittsverfahren, das neu gestaltet werden soll.
Ferner wird gefordert, die Diagnosekompetenz der Lehrkräfte zu stärken und ein Übertrittsverfahren zu wählen, das die jeweiligen Begabungspotenziale intensiver ausschöpft. Aber wie soll das ausschauen? Schreiben Sie es halt rein; denn ich hoffe, dass Sie sich grundlegendere Gedanken gemacht haben und diese Sätze nicht einfach hingeschrieben haben.
Zur Durchlässigkeit wurde auch schon etwas gesagt. Über ein 13. Schuljahr an der Fachoberschule kann man mit uns reden. Aber das 13. Schuljahr kann nicht das einzige sein, womit Sie das Schulsystem insgesamt verbessern wollen. Da gibt es noch viele andere Ansatz
punkte, die kein Geld kosten, sondern lediglich voraussetzen, dass man im Kultusministerium das Schubladendenken aufgibt, eine vernetzte Denkweise schafft und dafür sorgt, dass der eine vom anderen weiß, was getan wird. Denn wir erleben doch in jeder Sitzung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Sport, dass man selbst bei der Behandlung von Petitionen manchmal drei, vier, fünf Leute braucht, um wirklich zu wissen, was Sache ist, weil jeder Vertreter einer bestimmten Abteilung fragt, wie er das wissen könne, er sei nicht für die Gymnasien und die Berufsschulen zuständig. Dieser Zustand hat auch bei der CSU-Fraktion schon oft für Verärgerung gesorgt. Da kann höchstens einmal der Anfangspunkt gesetzt werden.
Ich bitte Sie, in den Punkten, die ich eben aufgezeigt habe und bei denen es Gesprächsbereitschaft gibt, wirklich konkret zu werden. Wir freuen uns, dass Sie auf diesem Gebiet ein Stück weiter auf dem Weg sind als bisher, und dafür wurde es auch Zeit. Wenn Sie möchten, dass wir zustimmen, sollten Sie die Sache konkret auf den Tisch legen, ohne sich in nebulösen Formulierungen zu ergehen. Bedauerlicherweise können wir dem unverbindlich und unkonkret formulierten Antrag nicht zustimmen.
Trifft die Darstellung eines Kollegen der CSU-Fraktion, der auch Mitglied des Arbeitskreises Bildung ist, die er anlässlich einer Besprechung mit Bürgermeistern und Vertretern der Schulen sowie des Schulamtes im Juni 2002 abgegeben hat zu, wonach vom Kultusministerium die Aussage getroffen worden sei, dass einzügige Klassen zukünftig nicht mehr gewünscht seien und Schulen, die Bestand haben wollten, zweizügig sein müssten und warum beteuerte dann Herr Staatssekretär Freller noch vor wenigen Monaten in Amberg bei einer Begegnung mit Kommunalpolitikern etwas anderes?
Antwort der Staatsregierung: Die gesetzlichen Grundlagen zur Volksschulorganisation sind jetzt in Art. 32 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen enthalten. Entscheidungen zur Volksschulorganisation orientieren sich ausschließlich an diesen vom Gesetzgeber erlassenen, seit der Volksschulreform im Jahr 1969 nahezu unveränderten Grundsätzen, die sich in der langjährigen Praxis bewährt haben und flexible Entscheidungen zulassen, die den jeweiligen örtlichen Verhältnissen angemessen Rechnung tragen.
Nichts anderes bedeuten die Äußerungen des Herrn Staatssekretärs Freller in der genannten Begegnung mit Kommunalpolitikern in Amberg.
Frau Kollegin, teilen Sie meine Auffassung, dass der Herr Minister Schwierigkeiten mit dem Einmaleins oder mit der Redlichkeit seiner Argumente hat, sonst müsste er wissen, dass es sehr wohl einen Zusammenhang zwischen der Refinanzierung der Ausgaben für kommunale Schulen, z. B. der Personalausgaben, und dem gibt, was die Städte auf die Landkreise an Gastschulbeiträgen umlegen müssen, denn wer für seine Personalkosten nur 61% bekommt, muss die anderen 39% – in Wahrheit sind es oft mehr – selbstverständlich im Rahmen der Gastschulbeiträge eintreiben. Da fehlt es nicht bei mir, sondern beim Herrn Minister am Grundwissen.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir alle, jedenfalls diejenigen, die sich mit Bildungspolitik beschäftigen, wissen, dass es einen enormen Bedarf an Ganztagsangeboten an Schulen gibt. Gerade hier in Bayern haben wir einiges aufzuholen, wenn wir wirklich ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsschulen aufbauen wollen, wenn wir wirklich wollen, dass überall dort, wo Eltern, Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer dieses wünschen, ein derartiges Angebot zur Verfügung steht. Dafür gibt es ein Investitionsprogramm der Bun
desregierung mit dem Titel „Zukunft Bildung und Betreuung“. Damit werden den Ländern erhebliche Finanzmittel zur Verfügung gestellt. Auch das Land Bayern wird von diesen Mitteln einen – beträchtlichen – Teil erhalten.
Nun ist es wirklich an der Zeit, dass die Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern auch vom Land Bayern unterzeichnet wird. Man darf sich hier nicht hochnäsig zurücklehnen und sagen, dass man das Geld vom Bund nicht wolle, dass man sich nicht dreinreden lassen wolle, sondern man muss dieses Angebot der Bundesregierung wirklich annehmen und sich ein Konzept überlegen, wie dieses Geld bei uns sinnvoll eingesetzt werden kann.
Dieser Antrag zielt darauf ab, dass dem Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport, also dem zuständigen Fachausschuss, ein solches Konzept vorgelegt wird und dass die Kommunen und Schulträger umgehend davon unterrichtet werden, wann und unter welchen Umständen dieses Geld beansprucht werden kann. Ich betone: Dabei geht es uns nicht darum, wie uns manchmal unterstellt wird, flächendeckend Ganztagsschulen einzurichten, sondern wir wollen bedarfsgerecht Angebote schaffen; wir wollen, dass dort Ganztagsschulen eingerichtet werden, wo sie gewünscht und benötigt werden.
Es ist eine hervorragende Leistung der Bundesregierung, dafür Geld zur Verfügung zu stellen. Dieses Geld sollte nun auch in Anspruch genommen werden. Erst am Dienstag hatten wir eine Sitzung des Schulausschusses unseres Kreistags, wo ein Vertreter der Regierung der Oberpfalz bestätigt hat, dass diese Angebote dort, wo sie bestehen, von den Schülern, den Eltern und den Lehrern hervorragend angenommen werden, dass bei den Lehrkräften dort eine viel größere Berufszufriedenheit herrscht, dass Schülerinnen und Schüler Schule anders erleben und auch die Eltern eine gewisse Erleichterung erfahren, wenn sie wissen, dass der Unterricht, der am Vormittag erteilt worden ist, am Nachmittag vertieft werden kann, und dass es nach Schulende zu Hause keinen Stress durch Hausaufgaben gibt.
Ich appelliere an Sie, ein derartiges Konzept zu erarbeiten – die Sache ist dem Ministerium und der Staatsregierung schon lange bekannt – und es dem Ausschuss vorzulegen. Dem Ausschuss soll konkret dargelegt werden, wie diese Mittel eingesetzt werden können, so dass der Fachausschuss darüber diskutieren kann und die Schulträger und Kommunen den Aufbau eines derartigen Angebots in Angriff nehmen können.
Herr Staatssekretär, wenn Sie so deutlich zwischen Fachleuten, also denen, die etwas davon verstehen – so wie ich Sie interpretiere – und den Politikern unterscheiden: Wozu zählen Sie denn die Ministerin und den Staatssekretär?
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Aus der Rede von Frau Staatsministerin Hohlmeier könnte man durch
aus den Eindruck gewinnen, dass in Bayerns Schulen die Welt in Ordnung wäre.
Auch in der Jugendarbeit sowie in der Erwachsenenbildung gäbe es überall höchste Zufriedenheit.
Selbstverständlich ist Bayern, wie immer, das Musterland in der Bundesrepublik und ein Vorbild für die Welt. Überall wird alles schlechter gemacht.
Das freut mich, dass Sie so begeistert sind. Ich hoffe, diese Begeisterung hält weiter an.
All das, was woanders positiver läuft, zum Beispiel die Integration von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf, bleibt offensichtlich im Filter der schwarzen Brille hängen.
Wer tagtäglich mit Bildungspolitik zu tun hat,
wie unsere Schülerinnen und Schüler, deren Eltern und Lehrkräfte oder die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Jugendarbeit und Erwachsenenbildung, weiß, dass die Realität anders ist. Die Realität zeigt nämlich, dass keines der seit Jahren von den Betroffenen angemahnten relevanten bildungspolitischen Probleme auch nur annähernd gelöst worden ist. Ein Teil davon wurde gar nicht erst in Angriff genommen oder wird nicht in Angriff genommen.
Sie müssen alle Verlautbarungen des Herrn Dannhäuser lesen und nicht nur das, was Ihnen gerade in den Kram passt, Herr Kollege Kaul.
Die Schülerzahlen müssen meist herhalten, wenn begründet werden muss, warum zu wenig oder gar nichts getan wird. Entweder sind die Schülerzahlen gerade so stark im Steigen, dass man damit einfach nicht rechnen konnte und Abhilfe so schnell nicht geschaffen werden kann, siehe FOS und BOS, oder sie werden sich in den nächsten Jahren so stark nach unten entwickeln, dass man mit Rücksicht darauf wiederum nicht viel tun kann.
Schülerzahlen sind also für Begründungen immer gut. Warum man sie nicht genau berechnen kann, entzieht sich seit meiner Zugehörigkeit zu diesem Hohen Haus wirklich jeder nachvollziehbaren Begründung.
Super ist stets aber die Art und Weise, wie die zuständige Ministerin vorgibt, mit den Problemen und steigenden Anforderungen fertig zu werden. Zu allen Themen werden große, tatenversprechende Presseerklärungen abgegeben nach dem Motto: Hauptsache, das Thema ist besetzt, die Aktivität ist angekündigt und man ist im Gespräch. Es gibt ein Modellprojekt mehr da, selbstverständlich mit entsprechender Vermarktung; dann hat man etwas gemacht, und bis zum Ablauf der Modellphase ist das Thema erst einmal vom Tisch. Es gibt ein bisschen neue Methode dort – siehe Sprachlernklassen –, selbstverständlich mit hohen konzeptionellen Ansprüchen ausgestattet und von einem entsprechenden bürokratischem Aufwand begleitet, und das alles unter der ständigen und absoluten Kontrolle der Staatsregierung. Aber eines stimmt immer, nämlich die Show.
Bei genauer Betrachtung erkennt man allerdings, dass all das, was neu gemacht wird, zumeist aus dem vorhandenen Fleisch – wie es der Präsident des BLLV ausgedrückt hat – geschnitten wird und es dafür eben keine zusätzlichen Ressourcen gibt. Die tollen Vorschläge führen vor Ort zu zusätzlichen Belastungen, ohne dass es dafür einen Ausgleich gibt. Es heißt dann auf unsere Anfragen, nicht die Quantität wurde verbessert, dafür aber die Qualität im Rahmen der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten. Das meiste hilft nur wenigen und dient mehr der Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums und der Ministerin als den Betroffenen vor Ort. Und das meiste muss von anderen bezahlt werden, siehe Schulsozialarbeit oder Ganztagsschulangebote.
Die von mir anfangs geschilderte Realität spiegelt sich auch im Haushalt wieder. Die großen Ankündigungen, gerade bei den Schulen den Rotstift nicht anzusetzen, sind weniger auf ein besonderes Bekenntnis zur besonderen Wertigkeit von Bildung zurückzuführen als vielmehr auf das Einsehen, dass mit noch weniger Mitteln der Mangel nicht mehr verwaltet werden kann.
Oder wollen Sie noch mehr Klassen mit mehr als 30 Schülerinnen und Schülern? Denn davon gibt es immer noch genügend. Allein für die Herstellung eines Zustandes, in dem es nicht mehr als 30 Schülerinnen und Schüler pro Klasse gibt, bräuchte man zusätzlich 1875 Lehrerstellen. Wollte man die Klassen mit jeweils höchstens 25 Schülern besetzen, müsste man 8200 zusätzliche Planstellen einrichten. Mir ist klar, dass ein solcher Kraftakt nicht in einem Doppelhaushalt gemeistert werden kann; doch es wäre nötig, wie immer wieder von uns gefordert, endlich zumindest einen Stufenplan zu entwickeln, um dem Ziel kleinerer Klassen wirklich näher kommen zu können.
Sie verkünden zwar zu Schuljahresbeginn immer wieder, dass die Klassen mit einer Schülerzahl von über 30 weniger geworden sind, doch dieser Erfolg ist meines Erachtens weniger der Erfolg Ihres gezielten Handels als vielmehr das Resultat des sich von selbst ergebenden Schülerrückgangs, der da und dort zu kleineren Klassen führt. Besonders wichtig wäre es für mein Dafürhalten, gerade in den Eingangsklassen keine Klasse mit mehr als 25 Schülerinnen und Schülern zu bilden.
Besonders zu Beginn der Schullaufbahn sollten Lehrerinnen und Lehrer genügend Zeit haben für jedes einzelne Mädchen und jeden einzelnen Buben. Kein Kind sollte das Gefühl bekommen dürfen, sozusagen in der Masse unterzugehen. Das wäre auch der große Wunsch der Eltern, wie die zahlreichen Petitionen, die uns vor Schuljahresbeginn immer wieder vorliegen, zeigen.
Eine Grundschulklasse ist zudem – das wird meines Erachtens in der Diskussion zu wenig beachtet – eine doch sehr inhomogene Gruppe, in der hochbegabte Kinder, die schnell unterfordert sind, genauso gefördert werden müssen wie Kinder, die dem Unterricht nur sehr schwer folgen können und dringend zusätzliche Unterstützung und Förderung bräuchten.
Sicher ist die Klassenstärke nicht der alleinige Schlüssel zum Erfolg, aber vieles geht doch leichter mit weniger Kindern in der Klasse. Der von mir eben beschriebene Spagat, den Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer bewältigen müssen, wird in einer Klasse mit über 30 Schülern nur schwer gelingen.
Nicht erst seit der Einführung der R 6, aber durch diese verstärkt, prägt für Schülerinnen und Schüler genauso wie für deren Eltern und Lehrerinnen und Lehrer ein enormer Auslesedruck das Leben und das Bewußtsein an unseren Schulen. Die Motivation, zu lernen, ist mehr gelenkt von der Angst vor dem Schulversagen als von der Freude am Lernen und von der Hoffnung auf Erfolg.
Wir können aber auf Dauer von unseren Kindern nicht nur fordern, sondern wir müssen zuerst fördern. Es wäre endlich an der Zeit und nach Pisa mehr denn je angezeigt, die Grundschule als Fundament jeder Schullaufbahn zu stärken und dafür Sorge zu tragen, dass es dort eine möglichst individuelle und intensive Förderung der Kinder gibt.
Dass dies Erfolge bringt, zeigt das Beispiel Finnland. Die Bayerische Staatsregierung tut seit Jahren das Gegenteil und hat der Grundschule immer wieder Stunden weggenommen, um Lehrerstellen einzusparen, und nur einen geringen Teil davon zurückgegeben. Tatsache ist auch, dass die öffentlichen Ausgaben für die Grundschu
len in Bayern nur circa 60 % der Gelder ausmachen, die in den OECD-Staaten im Schnitt dafür zur Verfügung gestellt werden. In Bayern entfallen auf einen Grundschüler pro Schuljahr lediglich 3000 e. In der Schweiz zum Beispiel investiert man jährlich über 7000 e pro Grundschüler, in Österreich knapp 7000 e und in Finnland 5000 e. Es ist uns wiederum klar – ich möchte das noch einmal betonen –, dass man die zusätzliche Förderung der Grundschule nicht von heute auf morgen aus dem Boden stampfen kann. Hier rächt sich natürlich die Politik der Vergangenheit.
Es wäre aber – so meine ich – durchaus möglich und dringend erforderlich, wiederum im Rahmen eines Stufenplans jetzt damit anzufangen, die durch den sich anbahnenden Schülerrückgang frei werdenden Ressourcen zu nutzen und kontinuierlich aufzustocken und so der Grundschule eine neue und höhere Wertigkeit zu geben.
Tatsache ist doch, dass das, was in den Grundschulen versäumt wird, später nur schwer nachgeholt werden kann.
Auch bei der Hauptschule können Sie gar nicht weniger tun, Frau Staatsministerin. Sie tun nämlich sowieso schon fast nichts. Das ist die Realität. Gehen Sie doch hinaus an die Hauptschulen, fragen Sie die Lehrerinnen und Lehrer, nehmen Sie deren Bedenken und Sorgen ernst und wischen Sie sie nicht weg. Sie sehen zu, wie mit der Einführung der R 6 Zug um Zug die Hauptschulen leerer werden und sogar wegsterben. Sie sehen zu, wie die Arbeit dort immer schwerer wird, und wollen nichts mehr wissen von Ihren Versprechen, die Sie den Hauptschulen zu Zeiten des Volksbegehrens gegeben haben.
Ich muss Ihnen genauso wie viele Lehrerinnen und Lehrer und viele Kommunalpolitiker vor Ort unterstellen, dass Ihnen dieses Hauptschulsterben gerade recht kommt; denn dann können Sie Schulen zusammenlegen und noch mehr Lehrer einsparen, als Sie es jetzt schon tun.
Auch an den Hauptschulen haben Sie in den letzen Jahren Stunden gestrichen und keine davon zurückgegeben. Die Hauptschule ist in Bayern ebenso unterfinanziert wie die Grundschule. Hier betragen die Ausgaben ebenfalls nur circa 60% dessen, was in den OECD-Staaten dafür verwendet wird. Circa 10% der Schülerinnen und Schüler verlassen in Bayern die Schule ohne Abschluss. In starkem Maß betroffen sind die Hauptschülerinnen und Hauptschüler. Das kann doch nicht im Ernst so bleiben. Hier muss über neue Konzepte nachgedacht werden, genauso wie über eine stärkere finanzielle Förderung dieser Schulart.
Ich bitte Sie: Tun Sie doch endlich etwas zur Optimierung der Förderung der Schülerinnen und Schüler an den Hauptschulen, zur Förderung der Persönlichkeitsentwicklung und zur Stärkung des Selbstbewusstseins der Hauptschülerinnen und Hauptschüler ebenso wie für die Sicherung und den Ausbau der beruflichen und sozialen Integration. Dabei ist es mit den Praxisklassen allein nicht getan. Das wissen Sie ganz genau. Das ist wieder eines dieser vielen Projekte, die man gut verkaufen kann, die aber die Probleme vor Ort nicht wirklich lösen.
Tun Sie etwas, damit Hauptschulen ein attraktives Schulartprofil entwickeln können und die Akzeptanz dieser Schulart bei den Eltern verbessert wird. Wichtig scheint es mir gerade in den Hauptschulen, aber nicht nur dort, eine Unterstützung für die zu bewältigenden erzieherischen Aufgaben anzubieten.
Es werden an unseren Schulen nämlich – ich muss es Ihnen immer wieder ins Gedächtnis rufen – Kinder unterrichtet, und nicht nur Fächer.
Es sind Kinder, die ihre Sorgen und Nöte nicht an der Schultür abladen können, sondern mit in die Schule bringen.
Die nötige Unterstützung wäre mit einem flächendeckenden Ausbau der Schulsozialarbeit, erfolgreich erprobt in Modellversuchen, gut möglich. Allerdings wird dieser Ausbau nur gelingen, wenn Sie endlich damit aufhören, diese Unterstützung den Jugendhilfeträgern aufbürden zu wollen, indem Sie dies als Jugendsozialarbeit an den Schulen bezeichnen. Bekennen Sie sich zu Ihrer Verantwortung. Nennen Sie das Kind beim richtigen Namen, und richten Sie in ausreichendem Maße vom Freistaat Bayern finanzierte Schulsozialarbeit ein.
In sehr vielen Fällen ist mangelnde Sprachkompetenz die Hauptursache für den mangelnden Schulerfolg. Endlich, sehr geehrte Frau Ministerin, nehmen Sie sich dieses Problems an, aber das, was Sie tun, ist wirklich viel zu wenig, um nicht zu sagen ein Tropfen auf den heißen Stein. Oder halten Sie im Ernst angesichts der Tatsache, dass es in Bayern 35604 Schulklassen und 88470 ausländische Schülerinnen und Schüler gibt – die deutschstämmigen Spätaussiedlerkinder, die der deutschen Sprache ebenfalls oft zu wenig mächtig sind, kommen noch dazu – 100 Sprachlernklassen für ausreichend?
Abgesehen davon – das werden Ihnen Schulleiterinnen und Schulleiter an Brennpunktschulen und anderen Schulen bestätigen – ist dieses Konzept, so gut es auch gemeint sein mag, nur schwer umsetzbar und hilft vielerorts nichts, wo ebenso dringender Handlungsbedarf
bestünde. Viel sinnvoller wäre es, Sie würden den Schulen, bei denen dieser Bedarf besteht, Lehrerstunden und Mittel zur Verfügung stellen und es diesen Schulen gestatten, nach ihrem Bedarf und nach einem eigenen Konzept auf ihr Problem zu reagieren.
Es muss doch nicht wirklich an allen Schulen Bayerns dieselbe Sache gemacht werden. Es kann doch in diesem Bereich damit angefangen werden, den Schulen Eigenständigkeit und Freiräume einzuräumen.
Auch an den Gymnasien gebe es Anlass zum Handeln. Es fehlen dort laut Presseerklärung des Philologenverbandes mindestens 120 Lehrerinnen und Lehrer. Nötig wäre es dringend, das den Schulen zugewiesene Budget so anzuheben, das den Schulen wirklicher Handlungsspielraum bleibt, um tatsächlich von eigenen Gestaltungsspielräumen sprechen zu können. Das ist bei der momentanen Lage vielleicht beabsichtigt, aber mangels Ressourcen nicht möglich.
Man weiß, dass circa 20% aller Gymnasiasten in Bayern das Gymnasium vorzeitig verlassen, also im Grunde dort scheitern. Deshalb muss alles getan werden, um auch an den Gymnasien die Möglichkeit für zusätzliche Förderung der Kinder und jungen Menschen zu verbessern. Leider wurden mangels Kapazitäten alle diese Möglichkeiten in den letzten Jahren nahezu gegen Null gefahren. Erhebliche zusätzliche finanzielle Mittel wären auch für die Realschulen notwendig. Um dem dort herrschenden Lehrermangel beizukommen, meinte die Staatsregierung sogar, den Realschullehrerinnen und Realschullehrern zusätzliche Unterrichtsverpflichtungen verordnen zu können. Zu Recht haben sich die Betroffenen massiv dagegen gewehrt;
denn wie in so großem Ausmaß Schulstrukturen verändert, wie Sie es mit der R 6 getan haben, muss wissen, dass diese Sache viel Geld kosten wird, und der muss bereit sein, die erforderlichen Mittel bereitzustellen, und darf nicht etwa für eine Kostenreduzierung auf dem Rücken der Lehrerinnen und Lehrer sorgen wollen, und zwar noch mehr, als es schon bei den sonstigen Belastungen, die den Lehrern aufgebürdet werden, der Fall ist.
Wenn es eine politische Lüge gibt, Kolleginnen und Kollegen, dann waren es die Aussagen der Staatsregierung und von Teilen der CSU zu den Kosten der R 6-Reform.
Von vollkommener Kostenneutralität war ebenso die Rede wie von einigen Millionen. Inzwischen sind wir bei Milliarden angekommen. Immer mehr Betroffene erkennen, dass die ganze Aktion viel Geld verschlingen wird, Geld, das auch zu Lasten anderer Schularten eingespart
wird, wie ein neuerlicher Brief des Präsidenten des Philologenverbandes an den bayerischen Ministerpräsidenten aus der Sicht der Gymnasien richtigerweise feststellt.
Völlig an den Tatsachen vorbei argumentieren Sie, Frau Ministerin, wenn Sie Kommunalpolitikern, die sich ursprünglich gegen die R 6 ausgesprochen hatten, vorwerfen, später eine möglichst schnelle Umsetzung der R 6 in ihrem Bereich gefordert zu haben. Das ist doch die Anerkennung demokratisch zustande gekommener Entscheidungen und das Bemühen, sich vor Ort als Verantwortungsträger so zu verhalten, dass das, was beschlossen wird, auch den Schulen vor Ort zukommt. Diese Kommunalpolitiker haben nicht die Boshaftigkeit, die die Staatsregierung tagtäglich gegenüber der Bundesregierung an den Tag legt, indem sie das, was erreicht worden ist, schlecht machen. Diese Kommunalpolitiker vernachlässigen nicht die Interessen ihrer eigenen Schulen.
Außerdem würden die Kosten im Landkreis Freising, über die sich der dortige Landrat zu Recht beschwert, in zwei Jahren genauso ausfallen wie heute und nicht mit dem zusammenpassen, was Sie ursprünglich erzählt haben, als Sie für die R 6 geworben haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU-Fraktion, Sie werden in Ihren Reden nicht müde, den besonderen Wert der beruflichen Bildung zu betonen, lassen jedoch auch hier Ihren Worten nur spärlich Taten folgen. Auch wenn die Budgetliste von FOS und BOS von 10% auf 6,8% heruntergefahren wurde, ist das Loch noch groß genug.
Es kann vielerorts lediglich der Pflichtunterricht stattfinden. Auch hier wäre es dringend nötig, die Budgetlücke zu schließen. Das vielfach in diesem Zusammenhang verwendete Argument, man könne in bestimmten Bereichen die Lehrer nicht einstellen, weil es zu wenige davon gebe, greift nicht überall. An vielen Orten hätte man die Lehrerinnen und Lehrer und könnte sie beschäftigen, wenn man das nötige Geld dazu hätte.
Richtig ist dennoch, dass gerade die beruflichen Schulen in bestimmten Bereichen mit massivem Lehrermangel zu kämpfen haben. Dieser personelle Engpass hat sich allerdings über Jahre abgezeichnet, ist jedoch von der Staatsregierung in keiner Weise ernst genommen worden. Auch jetzt sind Sie nicht bereit, sich dieses Problems anzunehmen, gezielte Werbeaktionen zu starten und das Lehramt wieder attraktiv zu machen. So wäre es durchaus möglich, mit der Einführung von Anwärtersonderzuschlägen zu reagieren, um zumindest die größten Löcher zu stopfen. Stattdessen setzen Sie auf wenig geeignete Schnellkurse, um sie einmal so zu bezeichnen, für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger.
Mit Sorge blicke ich auf die geplante Errichtung von Kompetenzzentren an den Berufsschulen. Diejenigen, die sich diesen Plan ausgedacht haben, haben wohl vergessen, dass es sich beim Freistaat Bayern um einen Flächenstaat handelt.
Warum dieses Bewusstsein nicht vorhanden ist, weiß ich nicht. In der Oberpfalz geht man davon aus, dass sich die Hälfte unserer Berufsschüler lange auf der Straße befinden wird, bis sie endlich die Berufsschule erreichen, an denen sie zur Schule gehen müssen. Das kann nicht Sinn und Zweck der Sache sein. Die Sache wird enden wie bei der R 6. Mancherorts werden gut ausgestattete Räumlichkeiten leer stehen, weil die Schülerinnen und Schüler an ein Kompetenzzentrum abgezogen werden. Dort aber muss neu gebaut werden, weil die vorhandenen Ressourcen nicht ausreichen. Der Freistaat Bayern strebt durch die mit der ganzen Aktion verbundenen Zusammenlegungen meines Erachtens Kosteneinsparungen an. Das ist die oberste Triebfeder des Ganzen, und er wird einen Weg finden, die Kosten wieder bei den Kommunen abzuladen.
Ein beachtlicher Lehrermangel bahnt sich auch für andere Schularten an. Ich fordere Sie auf: Nehmen Sie sich dieses Problems rechtzeitig an, um nicht wieder auf Schnellschüsse angewiesen zu sein oder die Stellen gar nicht mehr besetzen zu können. Auch Ihr Umgang mit dem Lehrerarbeitsmarkt und die Erstellung der Prognosen ist im Grunde ein Trauerspiel. Ich habe vor 20 Jahren Abitur gemacht. Damals ist uns gesagt worden, man brauche das Lehramt nicht zu studieren, weil niemand eingestellt werde. Als diejenigen, die es trotzdem gewagt haben, mit ihrem Studium fertig waren, wurden sie alle eingestellt. Jetzt werden Realschullehrerinnen, die seit 15 Jahren nicht mehr in der Schule waren, angerufen und gefragt, ob sie nicht bereit wären, Stunden zu geben, und zwar egal in welchem Ausmaß und egal an welcher Schule. Es will mir nicht in den Kopf, dass es nicht gelingen kann, verlässlichere Planungen über den Bedarf an Lehrerinnen und Lehrern aufzustellen.
Es herrscht auch nur Mangelverwaltung, wenn es um den enorm hohen Unterrichtsausfall geht, der alle Schulen betrifft und noch dramatischer anwachsen wird, wenn Sie nicht bald etwas dagegen tun. Seit Jahren fordern wir, die mobile Reserve besser auszustatten, denn in weiten Bereichen steht dort nicht einmal das Personal zur Verfügung, das notwendig wäre, um alleine die Mutterschutzvertretungen in ausreichendem Maße gewährleisten zu können. An Krankheitsvertretungen ist gar nicht mehr zu denken. Das Ganze wird etwas verdeckt, weil anstatt des erkrankten Lehrers die Stunde von einem Kollegen oder einer Kollegin überbrückt wird, damit die Stunde halt nicht so richtig ausfällt, damit die Kinder betreut werden; aber geholfen ist damit den Kindern natürlich nicht, und der Unterrichtsausfall ist deswegen genauso da.
Endlich hat man seitens der Staatsregierung erkannt, dass im Bereich der Lehrerfortbildung mehr getan werden muss. Mit der Neueinführung einer Fortbildungsverpflichtung für Lehrerinnen und Lehrer in Form von zwölf Belegtagen innerhalb von vier Jahren ab dem Schuljahr 2002/2003 müssen im Haushalt auch die Mittel zur Verfügung gestellt werden. Bei 100000 Lehrerinnen und Lehrern ergibt sich ein Bedarf von 300000 Belegtagen pro Jahr. Das derzeitige Fortbildungsangebot entspricht laut „Schule in Bayern 2000“ zwar in seiner Gesamtheit einem Angebot von 2,9 Teilnehmertagen pro Lehrkraft und Jahr, doch gibt es schulartbezogen große Unterschiede; vor allem die Gymnasien haben einen hohen Fehlbedarf. Um qualitativ hochwertige Fortbildungsmaßnahmen auf Dauer anbieten zu können, ist es dringend nötig, darüber hinaus für alle Schularten zusätzliche personelle wie auch räumliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen und die Institutionen der Fortbildung besser auszustatten.
Vollmundig angekündigt haben Sie – ich zitiere – „den Ausbau der ganztägigen Betreuungsangebote für Schüler“. „Ziel ist es“, schreiben Sie dort weiter, „bis zum Jahr 2006 ein bedarfsgerechtes Netz an Betreuungsangeboten für rund 16000 Schüler zur Verfügung zu stellen“. Abgesehen davon, dass man bei einem Angebot für 16000 Schüler sicher nicht von einem bedarfsgerechten Angebot sprechen kann und die Richtlinien vollkommen undurchschaubar sind, reichen die im Haushalt dafür vorgesehenen Mittel bei weitem nicht aus. Sie glauben, wie bei der Schulsozialarbeit auch, sich entlasten zu können, indem Sie einen großen Teil der Kosten wieder bei den Kommunen abladen. Das Angebot heißt daher nicht etwa Ganztagsschule oder Ganztagsschulangebot, sondern Ganztagsbetreuung, und es landet so wieder beim Jugendhilfeträger oder beim Sachaufwandsträger.
Das ist eine Vorgehensweise, die nicht angehen kann, weil allen Beteiligten klar ist, dass es mit ein bisschen Betreuung am Nachmittag nicht getan sein kann. Ich will hier nicht die Debatte, ob gebundene oder offene Form der Ganztagsschule führen, fest steht aber, dass die Schule in jedes Angebot, das den Anspruch erhebt, eine angemessene Qualität zu beinhalten, eingebunden sein muss. Es bedarf der unterrichtsergänzenden und der unterrichtsvertiefenden Angebote unter der Leitung von Lehrerinnen und Lehrern.
In diesem Sinne bieten Ganztagsschulangebote eine sehr gute Möglichkeit der intensiven und individuellen Förderung für Kinder, und gerade auch für Kinder aus so genannten bildungsfernen Elternhäusern. Es ist dann nicht mehr vom Geldbeutel der Eltern oder von deren Bereitschaft, in Nachhilfe zu investieren, abhängig, ob auch Kinder, denen der Anschluss an den Unterrichts
fortgang nicht auf Anhieb gelingt, ihre Bildungschancen wahren können.
Nicht nachvollziehbar ist die Tatsache, dass die Grundschulen für den Aufbau solcher Ganztagsschulangebote nicht in Betracht kommen sollen. Dies widerspricht doch der inzwischen unbestrittenen Auffassung, dass die Förderung von Kindern nicht früh genug beginnen kann und gerade in der Grundschule wesentlich mehr für diese Förderung getan werden muss. Dazu sollte auch die Förderung über Ganztagsschulangebote gehören.
Sie meinen, und das haben Sie, Frau Ministerin, auch heute wieder betont, auf die Angebote des Bundes, dem Freistaat Bayern für einen Ausbau der Ganztagsschulangebote im Zeitraum von 2003 bis 2007 eine zusätzliche Unterstützung in Höhe von 500 Millionen e anzubieten, nicht angewiesen zu sein. Dies halte ich für arrogant und vollkommen unangebracht. Nehmen Sie das Geld dankbar an und setzen Sie es zum Wohle unserer Kinder und unserer Familien sinnvoll ein!
Bekennen Sie sich auch hier zu Ihrer Verantwortung. Erarbeiten Sie sinnvolle Konzepte und stellen Sie die für die Umsetzung nötigen Finanzmittel zur Verfügung.
Erschüttern muss uns alle miteinander das Ergebnis der Pisa-Untersuchung, dass es in keinem vergleichbaren Land Europas einen engeren Zusammenhang gibt zwischen der sozialen Herkunft der Kinder und den Schulabschlüssen, die sie erreichen, und den Berufswegen, die sie einschlagen als in Deutschland und auch in Bayern. Dies bedeutet doch, dass unser Schulsystem eine soziale Auslese bewirkt, die nicht länger so hingenommen werden kann.
Hier muss über eine verbesserte individuelle und intensive Förderung aller Schülerinnen und Schüler in allen Schularten Abhilfe geschaffen werden und über gezielte Angebote gerade auch den Kindern und jungen Menschen geholfen werden, die aus so genannten sozialschwachen Milieus oder so genannten bildungsfernen Elternhäusern kommen. Einer Pressemeldung von Herrn Fraktionsvorsitzenden Glück konnte ich entnehmen, dass dieses Problem auch bei der CSU bekannt ist und ebenfalls sehr ernst genommen wird. Von konkreten Maßnahmen aber, wie dem beigekommen werden kann, habe ich bislang nicht viel bemerkt.
Die von mir angesprochene möglichst frühe Förderung der Kinder muss natürlich schon im Vorschulalter in den Kindertagesstätten beginnen. Kindertagesstätten, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind Bildungseinrichtungen.
Daher halte ich es nach wie vor für falsch, die Kindertagesstätten dem Sozialministerium zuzuordnen, und ich meine, es wäre endlich an der Zeit, diese Entscheidung zu revidieren.
Zum Zuständigkeitsbereich des Kultusministeriums gehören aber die schulvorbereitenden Einrichtungen. Hier ist es für mich ein Skandal – ich sage es ganz bewusst, weil es mir wirklich an die Nieren gegangen ist bei meinen Besuchen in meinem Landkreis – und ein Verbrechen an den Kindern, dass es bislang nicht möglich ist, den Gruppen neben der heilpädagogischen Förderlehrerin oder dem Förderlehrer eine zusätzliche feste zweite Kraft zur Verfügung zu stellen.
Man ist in der Praxis auf Praktikanten angewiesen, die aber einen beträchtlichen Teil der Zeit in der Schule verbringen und daher eben nicht vor Ort sind. Die Förderlehrerin ist in der Folge häufig mit 10 bis 13 Kindern, die alle einen erheblichen sonderpädagogischen Förderbedarf haben, allein gelassen. Angesichts dieser Lage kann man nur all jenen Frauen und Männern vollen Respekt zollen und danken, die in unseren SVEs dennoch Großartiges für unsere Kinder leisten.
Wer es aber ernst meint mit der frühkindlichen Förderung, hätte unserem Haushaltsantrag zustimmen müssen. Vielleicht können Sie sich doch noch einmal dazu durchringen, diesem Anliegen im Interesse der betroffenen Kinder, aber auch im Interesse der betroffenen Eltern Rechnung zu tragen.
Unzureichend ist das Engagement auch in der vorschulischen Sprachförderung. Oder glauben Sie es wiederum angesichts von 125971 Schulanfängern ernsthaft, über die Schaffung von 60 so genannten Vorkursen zur Deutschförderung zwischen dem Zeitpunkt der Schuleinschreibung und dem Schulbeginn dem Bedarf an dieser vorschulischen Förderung Rechnung tragen zu können? Ich meine, das ist doch viel zu wenig.
Als schon unverschämt muss man die Tatsache betrachten, dass dafür keine einzige Lehrerstunde zusätzlich zur Verfügung gestellt wurde, sondern die nötigen Ressourcen einfach der Grundschule abgezwackt wurden.
Begrüßenswert ist die Entscheidung der Staatsregierung, wirklich einmal den Versuch zu unternehmen, den Schulen mehr Eigenständigkeit und mehr Freiraum einzuräumen. Doch auch hier frage ich Sie, sehr geehrte
Frau Ministerin, halten Sie es angesichts der Tatsache, dass es in Bayern über 5000 Schulen gibt, wirklich für ausreichend, in diesen Genuss nur 22 Schulen kommen zu lassen? Da gilt, was ich am Anfang gesagt habe: Ein Modellprojekt muss her, während des Zeitraums der Modellphase hat man das Thema vom Tisch, und alle anderen können warten.
Es wäre generell an der Zeit, in diese Richtung tätig zu werden und allen Schulen mehr Freiräume zu verschaffen und sie in ihrer Eigenständigkeit zu stärken.
Erschreckend ist die hohe Zunahme der Schülerzahlen an den Förderschulen. Alleine im Jahr 2001 ging dort die Schülerzahl von 42361 auf 63700 nach oben. Diese Zahl erhöhte sich auch im Jahr 2002 um 790 Schülerinnen und Schülern.
Frau Hohlmeier, ich erschrak wirklich, als Sie heute in der Haushaltsrede diese Schulen als „Ausleseschulen“ bezeichneten. Sie haben es uns unterstellt. Aber Sie – nicht wir – haben diesen Begriff gebraucht, und das halte ich für einen Skandal.
Diese Entwicklung ist vor allem auch auf die mangelnde Bereitschaft der Staatsregierung zurückzuführen, Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in die Grundschulen zu integrieren und den Schulen die dafür nötigen Mittel zur Verfügung zu stellen. Mit dieser Frage hat sich der Bildungsausschuss nun mehrere Monate sehr intensiv beschäftigt. Die Staatsregierung glaubte zunächst, das Ganze im Hauruckverfahren und ohne Beteiligung von Experten und den mit der Materie vertrauten Verbänden erledigen zu können, was angesichts der Tragweite des Vorhabens und der Komplexität des Themas von wenig Einfühlungsvermögen zeugte.
Der Druck von allen Seiten führte zu einer Abkoppelung des Integrationsteils und eines Teils des Schulfinanzierungsgesetzes sowie zum Beschluss, zu den vorgelegten Gesetzentwürfen eine eigene Anhörung durchzuführen. Dadurch konnte sehr viel Sachverstand mit in unsere Beratungen einfließen. Leider waren aber weder die Staatsregierung noch die CSU-Fraktion bereit, die massive Kritik der Experten am Gesetzentwurf der Staatsregierung anzunehmen und ihre grundsätzlich ablehnende Haltung bezüglich einer besseren Integration von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf aufzugeben. So wurde zwar eine Verbesserung der bisherigen Rechtslage beschlossen, die Chance jedoch vertan, wirklich einen Schritt nach vorn zu wagen.
Die Vorgänge im Zusammenhang mit dem Erziehungsund Unterrichtsgesetz wurden für mich aber auch in anderer Hinsicht zu einem Erlebnis der ganz besonderen Art. Bereits bei der angesprochenen Anhörung haben die kommunalen Spitzenverbände vom Kultusmi
nisterium eine detaillierte Kostenberechnung verlangt, die im Gesetzentwurf mit dem Hinweis, sie sei nicht möglich, nicht enthalten war. Als der Gesetzentwurf im Ausschuss abschließend beraten wurde, gab es diese Kostenberechnungen immer noch nicht.
Zum Schulfinanzierungsgesetz wurden heftige Diskussionen über die zukünftige Höhe der Zuschüsse zu den Lehrpersonalkosten für kommunale Schulträger geführt. Die Staatsregierung war sich nicht zu dumm, hier einen Vorschlag zu machen und einen Gesetzentwurf vorzulegen, in dem es heißt, man möge den Kostenersatz von 60 auf 61% erhöhen. Frau Staatsministerin, das müsste Ihnen peinlich sein und nicht etwa das, was Sie uns heute dazu vorgetragen haben.
Nach einer heftigen Geschäftsordnungsdebatte im Rechtsausschuss wollte die CSU-Fraktion – warum auch immer – zunächst verhindern, dass die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände noch einmal Gelegenheit bekommen, ihr Anliegen vorzutragen.
Herr Klinger, freilich stimmt das, ich war dabei. Wie sich Teile Ihrer Fraktion benommen haben und was Herrn Kreuzer alles eingefallen ist, war peinlich und in keiner Weise mehr vertretbar. Sie haben Recht, schließlich wurde es dann gemacht. Gott sei Dank hat das Ganze etwas bewirkt; denn auch die Kolleginnen und Kollegen der CSU-Fraktion waren sehr betroffen von den dort gemachten Ausführungen des Landkreis- und des Städtetages. Ich hoffe nun, dass bei der nächsten Beratung auf diese Bedenken eingegangen wird und dass sie gerade im Zusammenhang mit der Diskussion über das Konnexitätsprinzip ernst genommen werden.
Kommunale Schule: Wer wirklich will, dass Kommunen Schulen unterhalten, muss ihnen die Personalkosten ersetzen.
Frau Ministerin, Sie haben erwähnt, dass Sie eigene staatliche Fachoberschulen und Berufsoberschulen errichten oder zumindest ausbauen mussten. Dies zeigt genau, wo das Problem liegt, nämlich dass Sie, wenn es die Kommunen nicht täten, diese Aufgaben übernehmen und 100% der Lehrpersonalkosten zahlen müssten.