Protocol of the Session on December 12, 2001

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 78. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich zwei Glückwünsche aussprechen. Heute feiern Frau Kollegin Renate Schmidt und Herr Kollege Max Strehle Geburtstag. Im Namen des Hohen Hauses und persönlich gratuliere ich den Genannten sehr herzlich und wünsche ihnen alles Gute sowie Kraft und Erfolg bei der Erfüllung ihrer parlamentarischen Aufgaben.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 5

Gesetzentwurf der Staatsregierung

zur Änderung des Kirchensteuergesetzes (Drucksa- che 14/7029)

Zweite Lesung –

Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Als Redezeit pro Fraktion wurden zehn Minuten vereinbart, die aber nicht ausgeschöpft werden müssen. Erste Wortmeldung: Frau Kollegin Guttenberger.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die vorliegende Änderung des Kirchensteuergesetzes ist sicher nicht dazu geeignet, hier in eine Diskussion einzutreten, die in zeitlichen Abständen immer wieder aufkeimt und sich mit Sinn, Zweck und Notwendigkeit von Kirchensteuern befasst. Der vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung des Kirchensteuergesetzes findet seine Grundlage in erster Linie in der Änderung des § 51 a des Einkommensteuergesetzes, der die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Zahlung von Zuschlagssteuern – auch Ergänzungsabgaben genannt –, die sich nach dem Einkommen bemessen, festlegt. Diese Änderung berührt die Kirchensteuer mittelbar. Die Umsetzung bedarf eines Tätigwerdens des bayerischen Gesetzgebers, da dem Bund insoweit bekanntlich keine Gesetzgebungskompetenz zukommt.

Der Gesetzentwurf sieht neben den redaktionellen Änderungen – wir alle wissen, dass das Kultusministerium geteilt wurde und die Anpassung an den Euro erfolgen muss – eine Ermächtigungsnorm für die Schaffung eines besonderen Kirchgelds bei glaubensverschiedenen Ehen vor. Dabei wurde vor allem berücksichtigt, dass die Kirchen anders als bei den derzeit vorherrschenden Einzelregelungen zur Bemessung des besonderen Kirchgelds einen eigenen Ermessens- und Regelungsspielraum erhalten sollen.

Die Schaffung der Möglichkeit, bei glaubensverschiedenen Ehen ein besonderes Kirchgeld zu fordern, ist ein Wunsch der Kirchen, dem man im Zusammenhang mit der Änderung nachgekommen ist. Die gemeinschaftli

chen Steuerverbände können also – müssen aber nicht – unter besonderen Voraussetzungen ein besonderes Kirchgeld erheben, und zwar dann, wenn ein Ehegatte nicht umlagepflichtig ist – zum Beispiel weil er keiner Kirche, Religionsgemeinschaft oder weltanschaulichen Gemeinschaft angehört, die Körperschaft des öffentlichen Rechts ist –, beide Ehegatten gemeinschaftlich zur Einkommensteuer veranlagt werden und der umlagepflichtige Ehepartner über kein oder nur ein sehr geringes eigenes Einkommen verfügt.

Damit wird dem Grundsatz der Steuergerechtigkeit Rechnung getragen, denn letztlich bestimmt sich auch im Rahmen einer Ehe die Leistungsfähigkeit nach der Gesamtzusammenschau beider Einkommen. Das Bundesverfassungsgericht hat dies ausdrücklich zugelassen. Es wird ein Ausgleich dafür geschaffen, dass bei dem kirchensteuerpflichtigen Ehegatten keine oder eine geringe Kirchensteuer erhoben werden kann, weil das Gesamteinkommen unter den Möglichkeiten des Anknüpfungspunktes liegt, aber im Gegenzug durchaus Leistungen kirchlicher Art in Anspruch genommen werden können. Im Übrigen haben alle anderen Bundesländer bereits eine solche Ermächtigungsgrundlage geschaffen. Bayern zieht hier sozusagen nur gleich.

Ich betone noch einmal, ob und gegebenenfalls auf welche Art und Weise das besondere Kirchgeld tatsächlich zum Tragen kommen wird, bestimmt nicht der Landesgesetzgeber, sondern wird die jeweilige Religionsgemeinschaft oder Kirche bestimmen. Dies entspricht aus unserer Sicht dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht. Dem Wunsch der Kirchen, eine angemessene Rechtsgrundlage zu schaffen, die Inhalt, Zweck und Ausmaß entsprechend den verfassungsrechtlichen Anforderungen darlegt, wollen wir gern nachkommen. Ich bitte Sie deshalb, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.

(Beifall bei der CSU)

Nächster Redner ist Herr Kollege Dr. Hahnzog.

Herr Präsident, Hohes Haus oder Häuschen! Ich finde, es ist ein Skandal, dass bei der Behandlung eines Gesetzentwurfs der Staatsregierung weder die Ministerin noch der Staatssekretär hier ist. Wenn das einreißt, können wir dieses Haus zumachen. Auch sonst ist von der Staatsregierung niemand hier, der die Ministerin vertreten könnte.

(Haedke (CSU): Aber von der SPD-Fraktion sind viele da! – Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Wir haben den Gesetzentwurf nicht eingebracht!)

Wer etwas von diesem Haus will, sollte zumindest hier sein. Ich bitte, das zu Protokoll zu nehmen. Das Präsidium des Bayerischen Landtags bitte ich, in diesem Fall bei der Staatsregierung vorzusprechen. Ich will die Ministerin oder den Staatssekretär nicht herbeizitieren, denn das hat keinen Zweck.

(Frau Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Schon ist der Herr Staatssekretär da!)

Dieses Gesetz bedarf einer Verwirklichung durch die Kirchen, die hier vom Staat bestimmte Befugnisse bekommen. Sie bekommen die Befugnis, Kirchgeld als Zwangsabgabe – das ist dann nicht mehr freiwillig wie bisher – zu erheben. Ein Punkt ist aus meiner Sicht hier sehr diskussionsbedürftig – Frau Guttenberger hat das schon angesprochen: das Kirchgeld bei glaubensverschiedenen Ehen. Wenn ein Ehepartner evangelisch und der andere Ehepartner katholisch ist, dann wird das erhöhte Kirchengeld nicht erhoben. Wenn der eine evangelisch ist und die Kirche die Regelung anwendet, der andere aber keiner Kirche angehört, dann wird das erhöhte Kirchengeld erhoben.

Es gibt noch die Situation, dass der eine etwa evangelisch ist und der Ehepartner sehr wohl einer Kirche angehört, diese aber keine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist. Dann muss auch der evangelische Ehepartner das erhöhte Kirchgeld bezahlen, obwohl sein Ehepartner freiwillig, weil er besonders gläubig ist, an seine Kirche ebenfalls Abgaben leistet.

Ich glaube, das ist ein Strickfehler. Der Gesetzgeber hat nicht vorgegeben, dass eine Kürzung des höheren Betrages eintritt, falls der Ehegatte einer nicht öffentlichrechtlichen Kirche angehört. Ich habe im Verfassungsausschuss erwogen, einen Ergänzungsantrag zu stellen. Auf meine Anregung hin, hat die Staatsregierung – nicht die Frau Staatsministerin und nicht der Herr Staatssekretär – während der Beratung mit der evangelischen Kirche, die Hauptinitiatorin dieser Sache ist, Kontakt aufgenommen. Ich habe als Antwort erhalten – ich zitiere aus dem Protokoll des Verfassungsausschusses vom 29. November 2001:

Inhaltlich wolle die evangelische Kirche der im Umformulierungsvorschlag des Abgeordneten Dr. Hahnzog vorgegebenen Tendenz in ihren Kirchensteuerordnungen Rechnung tragen und sich entsprechende Formulierungen überlegen. Die evangelische Kirche wolle damit denjenigen Mitgliedern entgegenkommen, deren Ehepartner einer Kirche ohne Körperschaftsstatus angehören.

Ich habe mich zunächst damit zufrieden gegeben, und deshalb haben wir zugestimmt. Wir werden aber im Auge behalten, wie das in der Umsetzungsphase durch die evangelische Kirche – der ich auch angehöre – gehandhabt wird. Ich erwarte das nicht nur aus verfassungsrechtlichen Gründen wegen des Gleichheitsgrundsatzes von ihr. Ich erwarte das von einer Kirche, die immer stolz sagt, sie stehe im engen Kontakt und im Dialog mit anderen Kirchen. Es kann nicht der gemeinsame Nenner sein, dass die anderen Kirchen nur die öffentlichrechtlichen Körperschaften sind. Dort finden sich Gläubige zusammen, um sich in ihrer Kirche zu betätigen und eine Gemeinschaft zu bilden.

Das ist der Grund, warum ich darauf wert gelegt habe, dass das noch einmal im Plenum behandelt wird. Sonst treten diejenigen, die an der Weisheit dieses Gesetzes zweifeln, an den Landtag heran und sagen: Das habt Ihr gar nicht behandelt. Das müssen wir sehr stark herausstellen. Wenn die Kirchen von der Regelung Gebrauch machen und das nicht abfedern, dann sind dort noch

mehr Austritte zu erwarten. Das sagen auch hochrangige Mitglieder der evangelischen Kirche. Das ist aber nicht unsere Angelegenheit, sondern das ist deren Angelegenheit. Das wollte ich hier noch einmal herausstellen.

Unsere Zustimmung steht unter dem Vorbehalt – jedes Gesetz kann man mit einem Abänderungsantrag versehen, wenn die Regelungen nicht funktionieren –, dass wir gegebenenfalls einen Gesetzentwurf zur Abänderung des geänderten Kirchensteuergesetzes einbringen werden.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Rednerin: Frau Kollegin Stahl.

Herr Präsident, meine Herren und Damen! Wir hätten uns gewünscht, dass sich die Kirchen, insbesondere die evangelische Kirche, auf deren Wunsch hin dieser § 22 wohl in den Gesetzentwurf aufgenommen worden ist, etwas selbstbewusster gezeigt hätten und selbstbewusster gehandelt hätten. Wir hätten uns gewünscht, dass man sich anstatt der Ausweitung von Ermächtigungsgrundlagen für die Erhebung von Kirchensteuern eigentlich einmal mit der Modernisierung des Reichskonkordats oder der evangelischen Kirchenverträge von 1924 beschäftigt und überlegt, ob die in der heutigen Zeit anzupassen sind. Stattdessen hat man hier neue Privilegien geschaffen, die ausschließlich den beiden großen Kirchen zugute kommen.

Für die Erhebung von Kirchensteuern gibt es ein Gesetz. Die Erhebung ist möglich in Form von Kircheneinkommen- und -lohnsteuer, es können Kirchengrundsteuer und Kirchgeld erhoben werden. Dafür gibt es schon gesetzliche Grundlagen. Im Ausschuss haben wir darüber gesprochen, dass einige Änderungen im Kirchensteuergesetz notwendig sind, die Klarstellungen im Verhältnis zum Einkommensteuergesetz enthalten und die der Euro-Anpassung dienen. Der berühmte § 22, der hier vom Kollegen Dr. Hahnzog schon angesprochen wurde, der hat es jedoch in sich. Es stimmt nicht, Frau Guttenberger, dass das nur aufgrund des § 51 a des Einkommensteuergesetzes geändert werden muss.

Kirchgeld soll in glaubensverschiedenen Ehen durch die gemeindlichen Steuerverbände künftig von demjenigen erhoben werden dürfen, der gar nicht dieser Kirche oder der Religionsgemeinschaft angehört, etwa weil er oder sie aus der Kirche ausgetreten sind oder einer Gemeinschaft angehören, die keine Steuern nach dem Kirchensteuergesetz erheben darf oder will. Dieser Ehegatte wird zukünftig, wenn die Religionsgemeinschaften zu unserem Bedauern von ihrer Ermächtigung Gebrauch machen, für den anderen Ehegatten, der kein eigenes Einkommen hat, herangezogen.

Die Regelung ist an Bedingungen geknüpft, zum Beispiel, dass die Ehegatten steuerlich gemeinsam veranlagt sein müssen und das Einkommen eine bestimmte Höhe haben muss.

Ich muss sagen: Es wird eine ganze Reihe von Ehegatten treffen. Für uns ist es letztendlich so, als müsste ich jetzt als GRÜNE für meinen Ehegatten in einer schwarzen Mischehe mit der CSU plötzlich die Mitgliedsbeiträge übernehmen. Ich denke, es kann nicht sein, dass man in glaubensverschiedenen Ehen für die Mitgliedsbeiträge des anderen aufkommen muss.

(Gabsteiger (CSU): Wir würden das schon akzeptieren!)

Ich möchte Sie sehen, wenn Sie für Ihre GRÜNE Ehefrau plötzlich in unsere Parteikasse einzahlen müssten. Das würde Ihnen nicht gefallen.

(Heiterkeit bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abgeordneten Gabsteiger (CSU))

Ich kenne diese Form von Mischehen. Unterschätzen Sie das nicht. Die Wertkonservativen finden sich.

(Heiterkeit)

Beim vorliegenden Gesetzentwurf handelt es sich nicht um einen Beitrag zur Ökumene. Im Gegenteil: Es werden Einzelne bevorteilt.

Wir halten den Entwurf insofern für bedenklich, weil er unter Umständen doppelte Belastungen für einzelne Ehepartner bringt. Damit wird das Gesetz ungerecht. Das halten wir nicht für richtig. Es kann beispielsweise nicht sein, nur weil Muslime keine Kirchensteuer zahlen müssen, dass plötzlich der eine Ehepartner für das Kirchengeld des christlich orientierten anderen aufkommen muss, obwohl dieser selbst Beiträge für die eigene muslimische Glaubensgemeinschaft zahlt, diese Glaubensgemeinschaft jedoch nicht in dem Katalog der anerkannten Glaubensgemeinschaften enthalten ist.

Es geht hier nicht um horrend große Beträge. Ich meine, sie werden sich in einem gewissen Rahmen halten. Es geht hier schlicht und einfach ums Prinzip. Muss ich wirklich neue Steuern erheben, die vom Staat mit den dazugehörigen Sanktionsmöglichkeiten eingezogen werden können und sollen? Wie weit darf ich eine Ungleichbehandlung und Bevorzugung Einzelner zulassen?

Der Anlass für dieses Gesetz war doch wohl der Rückgang der Kirchensteuereinnahmen, welche zwischen 1993 und1995 ihren Tiefststand erreicht haben. Seit 1997 steigen sie jedoch wieder an, weshalb es für mich nicht ganz einleuchtend ist, dass man das Kirchgeld zwangsweise einziehen muss. Das kann doch kein ausreichender Grund dafür sein, dass eine bisher höchstpersönliche und freiwillige Leistung zwingend auch für Andersgläubige eingeführt wird.

Natürlich ist es nachvollziehbar, dass die Kirchen sehr viele soziale Einrichtungen zu unterhalten und zu betreiben haben. Das tun sie auf sehr gute Weise, und sie tun es auch für die Gesellschaft. Das ist ein sehr wichtiger Beitrag. Jede Gemeinschaft und jeder Verein kann aber nur so viele Unternehmungen bezahlen, wie er Geld von

seinen Mitglieder dafür einnimmt. Wenn das nicht reicht, muss ich andere Wege gehen, entweder muss ich Mitglieder werben – das tut die evangelische Kirche im Moment –, oder ich muss Aufgabenkritik üben und eventuell Aufgaben abbauen. Auf jeden Fall haben wir in keinem anderen europäischen Land solche Privilegien und eine solche Art der Gesetzgebung bei der Kirchensteuer. Das wäre auch einmal einen Vergleich Wert. Wir sagen, dass mit diesem Gesetz der falsche Weg beschritten wird. Die Kirchen selbst tun sich damit keinen Gefallen. Wir werden deshalb das Gesetz ablehnen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Der Abstimmung liegen der Gesetzentwurf auf Drucksache 14/7029 und die Beschlussempfehlung mit Bericht des federführenden Ausschusses für Bildung, Jugend und Sport auf Drucksache 14/8133 zugrunde. Der federführende Ausschuss empfiehlt die unveränderte Annahme. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Fraktionen der SPD, der CSU und Herr Kollege Hartenstein. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. – Die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Damit ist das Gesetz so beschlossen.

Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, treten wir gemäß § 60 der Geschäftsordnung unmittelbar in die Schlussabstimmung ein. Ich schlage vor, sie in einfacher Form durchzuführen. – Widerspruch erhebt sich nicht. Wer dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. – Das ist die Mehrheit des Hauses. Gegenstimmen bitte ich auf die gleiche Weise anzuzeigen. – Das sind die Kolleginnen und Kollegen der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN. Der Gesetzentwurf ist damit angenommen. Er hat den Titel „Gesetz zur Änderung des Kirchensteuergesetzes“. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt abgeschlossen.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 6