Klaus Käppeler
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Last Statements
Sehr geehrter Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Man merkt an der „Aktualität“ der heutigen Debatte, dass der FDP/DVP die Themen ausge hen.
Herr Wacker versucht einen Rundumschlag – und trifft dabei nur sich selbst.
Aber ich nutze natürlich gern die Gelegenheit, ein weiteres Mal auf diesen historischen Erfolg der grün-roten Landesre gierung hinzuweisen.
Mit der Verankerung der Ganztagsschule im Schulgesetz ha ben wir in kurzer Zeit etwas umgesetzt, wozu Schwarz-Gelb jahrzehntelang der Mut fehlte.
Vertreter der kommunalen Landesverbände, Herr Dr. Kern, loben die gemeinsame Vereinbarung und betonen, dass Ver gleichbares mit Schwarz-Gelb niemals möglich gewesen wä re.
Ich bemerke aber, dass die FDP/DVP seit ihrer Abwahl dem Thema Ganztagsschule eine neue Bedeutung beimisst. Herr Rülke beschreibt den Erkenntnisprozess seiner Fraktion mit den Worten, man habe den Ausbau der Ganztagsschule in der eigenen Regierungszeit verschlafen.
Das gilt natürlich auch für die CDU.
Die heutige Debatte möchte ich daher zum Anlass nehmen, Herrn Dr. Timm Kern eine kostenlose kleine Nachhilfe anzu bieten –
„kostenlos“ deswegen, weil auch die Ganztagsschule kosten los ist, „Nachhilfe“ deshalb, weil die heutigen Ausführungen von Herrn Dr. Kern durchblicken lassen, dass es ihm trotz zahlloser Anläufe einfach nicht gelingen will, den rechtlichen Rahmen des Schulgesetzes vollumfänglich zu erfassen.
Sonst käme er nicht immer auf die gleichen falschen Schluss folgerungen, es gäbe einen Zwang zur Ganztagsschule, es gä be keine Wahlfreiheit und es gäbe keine Flexibilität.
Eltern haben die Wahlfreiheit, ob sie ihr Kind an einer Ganz tagsschule anmelden oder nicht.
Einen Ganztagsschulzwang gibt es nicht.
Eltern entscheiden als Teil der Schulkonferenz mit, ob die Schule überhaupt einen Antrag auf Ganztagsbetrieb stellt. Die Stärkung der Eltern- und Schülervertretung in der Schulkon ferenz ist, nebenbei bemerkt, auch ein Erfolg der grün-roten Landesregierung; das hat Ihnen Frau Boser gerade eben auch schon gesagt.
Schulen können bei der Ausgestaltung ihres pädagogischen Konzepts wählen. Sie bestimmen den Umfang des Ganz tagsangebots, und zwar sowohl die Zahl der Tage – drei oder vier – als auch den zeitlichen Umfang – sieben oder acht Stun den. Schulen entscheiden auch über die Form des Ganztagsan gebots. Und – an dieser Stelle bitte genau zuhören, lieber Herr Dr. Kern – Schulen können zwischen der Ganztagsschule in Wahlform oder in verbindlicher Form wählen.
Wahlform bedeutet, dass – wie an meiner Schule übrigens auch – ein verlässliches Ganztagsangebot organisiert wird, welches Eltern zu Beginn des Schuljahrs für ihr Kind wählen können oder nicht.
Das Gesetz sieht zudem vor, dass sich Schulen für eine ver bindliche Form des Ganztagsbetriebs entscheiden können. El tern können zum Zeitpunkt der Anmeldung entscheiden, ob sie diese Schule für ihr Kind wählen möchten oder nicht.
Ginge es nach den Vorstellungen der FDP,
erhielten Eltern völlige Wahlfreiheit.
Aber was bedeutet das für eine Schule, den Unterricht und für die Schulorganisation konkret?
Täglich würden Eltern ihre Kinder an- und abmelden,
am besten auch noch samstags.
Die Gruppengrößen würden ständig wechseln. Auf diese In formationen müssten Lehrer, Gruppenleiter und die Mensa re agieren. Dadurch würde ein riesiger Organisationsaufwand verursacht.
Die Folge: Die Umsetzung eines pädagogischen Konzepts mit hoher Qualität wäre unmöglich.
Mit anderen Worten: Der FDP geht es eigentlich nur darum, Kinder zu betreuen oder sie aufzubewahren.
Es geht ihr nicht um Qualität, nicht um Lernerfolg.
Das können sich dann wiederum nur die Wohlhabenden mit teurer Nachhilfe leisten.
Wir respektieren den Wunsch der Eltern und der Schule, wenn diese an dem bisherigen Angebot festhalten möchten. Deshalb halten wir an unserer Zusage fest, die Landesförderung der Betreuungsangebote dort aufrechtzuerhalten, wo es noch kein Ganztagsschulangebot gibt.
Wir, die SPD, stehen für einen Ausbau der Ganztagsschule im Grundschulbereich und in den kommenden Jahren auch im Bereich der weiterführenden Schulen. Jede Schule soll die Möglichkeit erhalten, sich zu einer Ganztagsschule weiterzu entwickeln. Niemand muss,
jeder kann.
Entscheidend ist der Bedarf vor Ort, und dieser ist groß. Ich bin daher überzeugt, dass die Zahl der Ganztagsschulen in den kommenden Jahren erheblich steigen wird.
Lieber Herr Dr. Kern, Sie haben in der zweiten Runde die Möglichkeit, zum Besten zu geben, ob Sie etwas dazugelernt haben
und die Unterscheidungsmerkmale von Ganztagsschule in Wahlform und Ganztagsschule in verbindlicher Form nun wie dergeben können. Ich bin gespannt. Aber kommen Sie mir nicht wieder mit Ihrem liberalen Lieblingswort „Freiheit“.
Sie verwechseln dies oft mit Beliebigkeit.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr ge ehrten Kolleginnen und Kollegen! Kollege Traub und mit ihm die ganze CDU-Fraktion versuchten mit ihrem Antrag vom Mai 2014, bereits über ein Gesetz zu urteilen, das zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht in Kraft war. Ein bemerkenswerter Vorgang. Noch bemerkenswerter finde ich allerdings, dass Sie diesen Antrag heute im Plenum behandeln.
Geht es nach der CDU-Landtagsfraktion, werden Kommunen durch die regionale Schulentwicklung gegeneinander ausge spielt, aufgehetzt,
und im Übrigen wird der ländliche Raum geschwächt.
Nach knapp zwei Jahren praktischer Gesetzesausübung lässt sich bilanzieren, dass die Unkenrufe der Opposition weder da mals noch heute etwas mit der Realität gemein haben.
Ich wiederhole gern, was der Kollege Filius gerade eben vor getragen hat. 93 % von bislang 125 Verfahren zur regionalen Schulentwicklung erfolgten im Konsens unter den unterschied lichen Schulträgern. Das Gegenteil Ihrer Behauptung ist also der Fall.
Des Weiteren sind zum Schuljahr 2015/2016 bereits 271 Ge meinschaftsschulen in Betrieb, die überwiegende Mehrheit im ländlichen Raum. Somit bestätigt die Praxis das, was das Kul tusministerium bereits Mitte 2014 in der Stellungnahme zum vorliegenden Antrag dargelegt hat.
Aber ich vermute, das alles wollten und wollen Herr Traub und die CDU-Landtagsfraktion gar nicht hören. Wider besse res Wissen wiederholen Sie lieber Ihre Behauptungen und sor gen sich nicht um Fakten, Zahlen und die konkrete Situation vor Ort. Dazu möchte ich feststellen: Wenn Sie auf diesem Niveau weitermachen, verspielen Sie Ihren Kredit selbst in Ihren Hochburgen
und bereiten sich optimal auf weitere fünf Jahre Opposition vor.
Jetzt zu den konkreten Fakten auf der Laichinger Alb, einem Beispiel von vielen im ländlichen Raum, und auch zur Be hauptung, dass die Schülerzahlen bis zum Jahr 2011 stabil wa ren.
Wenn Sie die dortigen Schülerzahlen der 10- bis 16-Jährigen zusammenzählen, dann sehen Sie, dass es zum Stichtag 2012 in allen vier Gemeinden der Laichinger Alb zusammen durch schnittlich 236 Schüler pro Klassenstufe gab. Das ergibt zehn Klassen à 24 Schüler. Die Prognose für 2020 geht davon aus, dass die Schülerzahl weiter sinkt und nur noch acht Klassen mit je 24 Schülern gebildet werden können. In Prozent aus gedrückt: Laichingen verliert bis 2020 27,3 % – also mehr als ein Viertel – seiner Schüler, Berghülen mehr als 20 %, He roldstatt 14 % und Westerheim 12,7 %.
In absoluten Zahlen verliert diese ländliche Region in der Se kundarstufe binnen acht Jahren insgesamt sage und schreibe 323 Schüler. Dies entspricht der Größenordnung einer mittle ren oder von zwei kleineren weiterführenden Schulen.
Eine solche Entwicklung ist leider symptomatisch für viele Teile des ländlichen Raums. Auch ich habe Ihnen von dieser Stelle aus schon bei früheren Debatten die Zahlen meiner Re gion und meiner Schule aufgezeigt, in der die Entwicklung ähnlich wie auf der Laichinger Alb verläuft. Die Zahlen attes tieren eine Entwicklung, die man definitiv Grün-Rot nicht ans Bein binden kann. So ist es Fakt, dass es in Anbetracht der de mografischen Entwicklung allgemein weniger Kinder gibt und unter diesem Trend besonders der ländliche Raum zu leiden hat.
Wie hat die CDU-FDP/DVP-Regierung auf diese Entwick lung reagiert? Weggeduckt, die Schultern gezuckt, den Kopf in den Sand gesteckt und die Entwicklung dem Zufall über lassen. Mit anderen Worten: die Kommunen alleingelassen.
Wir hingegen haben ein Gesetz zur regionalen Schulentwick lung auf den Weg gebracht, das die Kommunen nicht bevor mundet, sondern auffordert, die aktuelle Entwicklung ihrer Schülerzahlen genau zu beobachten, sich zusammenzusetzen und gemeinsam zu überlegen, welche Schulstruktur für die je weilige Region nachhaltig ist. Ich empfehle Ihnen, Zahlen an zuschauen, bevor Sie solche Anträge schreiben.
An dieser Stelle möchte ich ein Zitat wiederholen, das der Kollege Stefan Fulst-Blei hier schon vorgetragen hat. Sie wis sen ja: Wiederholungen sind ein besonders bewährtes päda gogisches Prinzip.
Nicht mehr, Herr Kollege Wacker, keine Genehmigungen mehr.
Viele CDU-geführte Gemeinden haben das bereits erkannt und werben für die Gemeinschaftsschule. Deswegen das Zi tat, das von einem CDU-Kreisrat aus dem Enzkreis stammt. Dieser schrieb in seinem Internetblog am 18. August 2015:
Meinen Wolf, Hauk & Co., nur Wähler der Grünen und Roten schicken ihre Kinder auf Gemeinschaftsschulen? Es sind auch Schwarze, die sich ihre Schule nicht kaputt reden lassen...
Ich meine: Recht hat er.
Liebe CDU-Landtagsfraktion, hören Sie doch auf, uns den Niedergang des ländlichen Raums in die Schuhe schieben zu wollen.
Wenn ich noch ganz kurz ins CDU-Regierungsprogramm, das Sie kürzlich veröffentlicht haben, hineinschauen darf: Dort entdecke ich ein verstecktes Lob. In Zeile 476 schreiben Sie:
Schullandschaft im intensiven Dialog... weiterentwi ckeln...
Wir nennen das regionale Schulentwicklung und haben dies im Schulgesetz geregelt.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr ge ehrten Kolleginnen und Kollegen! Mit der heutigen Änderung des Schulgesetzes zeigen wir den Realschulen in unserem Land, dass diese einen festen Platz in unserem zukünftigen Zweisäulenmodell haben.
Denn sie sind Teil der integrativen Säule und bieten aufwach send ab dem nächsten Schuljahr neben dem Realschulab schluss auch den Hauptschulabschluss an.
Meine Damen und Herren, selten wurde in einer Legislatur periode so intensiv über die Realschule diskutiert, allerdings aus zwei recht unterschiedlichen Motivlagen: Während die CDU völlig unbegründet vor einer Abschaffung warnte und damit Angst und Verunsicherung in den Kollegien schürte,
stärkte die grün-rote Landesregierung die Schulart kontinu ierlich durch die Erhöhung der Zahl der Poolstunden:
erst 1,5, dann 2,2, in diesem Schuljahr sechs und bald zehn Poolstunden für die individuelle Förderung pro Zug. Herr Wa cker, sagen Sie dazu nicht, das wäre nichts.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, finden Sie es nicht paradox, dass Sie uns vorwerfen, wir würden ei ne erfolgreiche Schulart dadurch abschaffen, dass wir deren personelle Ausstattung massiv ausweiten? Ich finde, Sie soll ten etwas mehr Respekt vor der Leistung dieser Landesregie rung und unseres Kultusministers haben,
besonders in Anbetracht der Tatsache, dass Sie jahrzehntelang die Chance vertan haben, die Realschulen den anderen Schul arten gleichzustellen und mit zusätzlichen Poolstunden aus zustatten.
Dann ist da noch der stete Vorwurf, wir würden die Realschu le zu einer „Gemeinschaftsschule light“ weiterentwickeln.
Welch ein Unsinn!
Da hilft es auch nichts, dass Sie sogenannte Experten in die mündliche Anhörung einladen, die diesen Unsinn wiederho len.
Wie Ihnen bekannt sein sollte, ist jede Schule zusammen mit dem Schulträger maßgeblich selbst verantwortlich, ob und wann sie sich auf den Weg zur Gemeinschaftsschule macht.
Herr Kollege Dr. Kern, wenn Sie eine Zwischenfrage stel len wollen, fragen Sie bei der Präsidentin nach. Sie erteilt Ih nen das Wort oder nicht.
Nein.
Herr Dr. Kern, Sie dürfen – so, wie Sie das auch handhaben – gern am Ende meiner Ausführungen zu Ihrer Frage kom men. Diese beantworte ich Ihnen dann.
Jetzt sage ich Ihnen Folgendes:
Fakt ist: Die Realschule wurde und wird von Schülerinnen und Schülern mit unterschiedlichen Lernbiografien und Leis tungspotenzialen nachgefragt. Dieser Herausforderung wird man allerdings nicht gerecht, wenn man Kinder und Jugend liche im Gleichschritt unterrichtet, Leistungsstärkere dadurch unterfordert und Leistungsschwächere überfordert, in der Fol ge abschult. Wir möchten durch den Hauptschulabschluss an Realschulen hingegen erreichen, dass man Schülerinnen und Schülern ein differenziertes Lernangebot macht und ihnen die Möglichkeit eröffnet, an der Schule einen Abschluss zu ma chen, die sie bereits in der Eingangsklasse besuchen.
Die CDU hat dies in Teilen erkannt und spricht nun selbst von einer Realschule, die auch den Hauptschulabschluss anbietet und die eine gemeinsame Orientierungsstufe in Klasse 5 und 6 vorsieht – oder vielleicht auch nicht; das wissen wir noch nicht ganz so genau, Herr Wacker.
Worum geht der bildungspolitische Streit also im Detail? Fak tisch unterscheidet sich unser Konzept von den Vorstellungen der CDU nur in einer zentralen Fragestellung. Diese lautet: Wollen wir die Schülerinnen und Schüler nach Klasse 6 wie der in eine Schublade stecken?
Oder wollen wir ihnen die Möglichkeit geben, ihren Bildungs weg möglichst lange offenzuhalten?
Halten wir an einem gegliederten Schulsystem fest und ver treten die Auffassung, dass zu Verlierern gestempelte Schüle
rinnen und Schüler eine höhere Lernmotivation besitzen, wenn sie unter ihresgleichen sind?
Oder vertreten wir die Auffassung, dass Lernen in heteroge nen Lerngruppen den Schwächeren und den Stärkeren nützt?
Glauben wir, dass Eltern sich von der Hauptschule abwenden und sich in Klasse 6 mit einer erneuten Hauptschulempfeh lung abfinden werden?
Die grüne und die rote Landtagsfraktion haben da eine klare Position, und diese heißt: Längeres gemeinsames Lernen nutzt den Leistungsschwächeren und den Leistungsstärkeren. Wir stehen für mehr Bildungsgerechtigkeit und nicht für weniger.
Das sehen übrigens auch die Realschulrektoren, die GEW als die stärkste Interessenvertretung der Realschullehrer sowie die internationale Forschung gleichermaßen.
Abschließend möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich bei Kultusminister Andreas Stoch und seinen Mitarbeitern im Kultusministerium zu bedanken. Sie haben mit diesem Ge setzentwurf ein weiteres Mal die richtigen Weichen für eine nachhaltig positive Entwicklung der Schullandschaft in Ba den-Württemberg gestellt.
Die Änderungsanträge der CDU lehnen wir ab. Sie sind der neuerliche Versuch, die unsägliche und verkorkste Kampag ne „Wir sind die Retter der Realschule“ nachträglich zu recht fertigen.
Den Änderungsantrag der FDP/DVP lehnen wir ebenso ab. Er zeigt einmal mehr, dass diese Partei Freiheit mit Beliebigkeit verwechselt.
Die SPD-Fraktion stimmt dem Gesetzentwurf in der vorge legten Fassung zu.
Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr ge ehrten Kolleginnen und Kollegen! Heute beraten wir in ers ter Lesung ein Gesetz, das sich mit einer Schulart befasst, die gerade uns Sozialdemokraten sehr am Herzen liegt, nämlich mit der Realschule – auch wenn die Opposition mit Unwahr heiten versucht, der Öffentlichkeit das Gegenteil zu suggerie ren.
Die Realschule stellt seit Jahrzehnten eine tragende Größe un seres Schulsystems dar.
Die Realschule ist eine Schulart, die sich schon immer mit großer Heterogenität auseinandergesetzt hat; das haben wir jetzt schon mehrfach gehört. In den Klassen der Realschulen fanden sich neben den Schülerinnen und Schülern mit mittle rem Leistungsniveau immer auch jene, die es eigentlich auch auf das Gymnasium geschafft hätten, sowie jene, die gerade so der Empfehlung für die Hauptschule entkommen waren.
Zurückgehende Schülerzahlen und ein verändertes Schulwahl verhalten sorgen hier seit mehr als einem Jahrzehnt für wei tere Veränderungen. Dies nehmen wir wahr, und dies nehmen wir ernst. Darum geben wir den Realschulen mit dem heute im Entwurf vorliegenden Gesetz das Rüstzeug, das sie brau chen, um diesen neuen Herausforderungen besser begegnen zu können.
Der Kultusminister hat bereits alle maßgeblichen Rahmenda ten dieses Veränderungsprozesses genannt. Ich muss daher an dieser Stelle nicht noch einmal auf alles eingehen.
Des Abgeordneten...
... Wacker? – Bitte.
Lieber Herr Kollege Wacker,
zuerst dazu, was mir am Herzen liegt: Ich habe 27 Jahre lang an einer Schule unterrichtet, die eine Verbundschule – Haupt- und Realschule – war. Deswegen dürfen Sie es mir abnehmen, dass mir die Schule am Herzen liegt.
Ich kenne Herrn Korn, und ich weiß, welche Positionen er ver tritt. Ich teile sie in dem Umfang, wie Sie es jetzt vorgelesen haben, nicht.
Ich würde gern fortfahren. – Wichtig ist mir, doch noch ein mal Folgendes herauszustreichen: Wenn die Menschen in 50 Jahren darauf zurückblicken, welche Veränderungen die So zialdemokraten und die Grünen in dieser Regierungszeit an gestoßen haben,
dann wird ihnen doch vor allem eines ins Auge stechen: Wir waren es, die der ewigen Aussortiererei der schwarz-gelben Vorgängerregierung ein Ende bereitet haben,
sei es das Sortieren in behinderte und nicht behinderte Kin der, sei es das Sortieren in schwächere und stärkere Schüler,
verbunden mit der jeweils passenden Stigmatisierung.
Wir sind diejenigen, die mit Fürsorge auf die Kinder schau en, sie nicht in Schablonen pressen, sondern dort abholen, wo sie stehen. Oder, wie es Kultusminister Andreas Stoch einmal formuliert hat: „Wir lassen kein Kind zurück.“
Wir werden es sein, die alles daransetzen, neben der Säule des Gymnasiums in unserem Bildungssystem eine zweite, eine in tegrative Säule zu etablieren. In dieser Säule finden sich die Gemeinschaftsschulen, und hier findet sich auch die weiter entwickelte Realschule.
Um die neuen Anforderungen erfüllen zu können, geben wir den Lehrerinnen und Lehrern an den Realschulen einiges an die Hand: Die Zahl der Poolstunden wird im kommenden Schuljahr auf sechs anwachsen. Sie erinnern sich sicher noch, wie viele es 2011 waren.
Die Zahl der Poolstunden wächst in den nächsten Jahren noch weiter auf,
bis im Schuljahr 2018/2019 die Realschulen schließlich zehn Poolstunden haben werden – wie die anderen Schularten auch.
Jetzt wissen Sie, warum mein erster Satz dieser Rede stimmt: Uns liegen die Realschulen am Herzen.
Vor allem aber werden die Lehrerinnen und Lehrer ab dem kommenden Schuljahr mit zusätzlichen Fortbildungsmitteln auf die veränderten Lehr- und Lernbedingungen in heteroge nen Gruppen vorbereitet. Damit nimmt die Schulentwicklung weiter Fahrt auf.
Seit Kultusminister Stoch im vergangenen November die Eck punkte zu diesem Gesetz verkündet hat, wissen die Schulen, wohin die Reise geht.
Ganz kurz noch: Die 1 300 Lehrer, die Sie, Herr Wacker, ein gestellt haben – Sie haben das vorhin genannt –, haben Sie in der mittelfristigen Finanzplanung nicht finanziert.
Wir haben dieses Geld in den Haushalt einstellen und diese 1 300 Lehrerstellen finanzieren müssen.
Noch ein Wort zu den nicht versetzten Realschülern: Zu Ihrer Regierungszeit waren es 6,5 %. Da frage ich Sie: Wo war Ih re Unterstützung?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem vorliegenden Ge setzentwurf führen wir unseren Weg in Richtung Chancenge rechtigkeit konsequent fort. Wir nehmen die Herausforderun gen einer sich im steten Wandel befindenden Gesellschaft an.
Nicht nur Willy Brandt wusste, dass jede Zeit eigene Antwor ten will und man auf ihrer Höhe zu sein hat, wenn Gutes be wirkt werden soll.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr ge ehrten Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn meiner Rede möchte ich Ihnen heute gern ein Gedicht vorlesen, das der Bil dungsausschuss auf seiner Reise nach Südtirol im Juni hören durfte:
Auf der Schaukel sitzt ein Kind. Es kann nicht gehen, es kann nicht stehen. Es ist lahm und blind. Es sitzt zum ersten Mal auf der Schaukel. „Aber es hat doch gar nichts davon“, sagen die Leute, „das arme Kind ist lahm und blind!“ „Warum soll es nicht trotzdem schaukeln?“, fragt die Schwester. Und das Kind schaukelt und lacht und ruft ganz aufgeregt: „Ich spüre den Wind! Ich spüre den Wind!“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute werden wir das Ge setz zur Inklusion an Schulen in Baden-Württemberg beschlie ßen. Mit dem heutigen Tag erlangen alle Kinder mit sonder pädagogischem Förderbedarf in diesem Land das Recht auf inklusive Beschulung an einer Regelschule. Mit anderen Wor ten: Mit dem heutigen Tag gehört die Sonderschulpflicht in diesem Land der Geschichte an.
Was bei uns viele Jahrzehnte gebraucht hat und nur durch den Druck der UN-Behindertenrechtskonvention auf den Weg kam, ist in anderen Ländern längst Realität; Kollege Poreski hat darauf hingewiesen. In Italien gibt es beispielsweise be reits seit rund 40 Jahren keine Sonderschulpflicht mehr. Dass und vor allem wie das funktioniert, davon konnte sich der Bil dungsausschuss bei seiner Reise nach Südtirol überzeugen.
An dieser Stelle möchte ich die von der Opposition initiierte – beinahe möchte ich sagen: inszenierte –
öffentliche Anhörung ansprechen.
Am Ende, als es an die Abstimmung zum Gesetz ging, haben Sie nicht etwa gegen dieses Gesetz gestimmt, sondern Sie ha ben sich enthalten.
Auch dies machte mir – zumindest bis gestern Abend – Hoff nung für die Zukunft. Es hatte den Anschein, wir wären uns darin einig,
dass es nicht ohne Inklusion gehen kann.
Es kann nicht oft genug betont werden: Inklusion ist eine Auf gabe für alle Schularten, auch wenn Vertreter des Beamten bunds immer wieder die Möglichkeit einer zieldifferenten Be schulung am Gymnasium infrage stellten.
Erst jüngst brachte eine Studie der Bertelsmann Stiftung zu tage, dass die Zufriedenheit jener Eltern, deren Kinder eine inklusive Schule besuchen, höher ist als die jener Eltern, de ren Kinder eine Regelschule besuchen.
Das betrifft sowohl Leistungsaspekte als auch Aspekte der Persönlichkeitsentwicklung der Kinder.
Die Studie zeigt jedoch auch, dass Zweifel und Vorurteile ge genüber Inklusion dann groß sind, wenn man Inklusion nicht oder nur vom Hörensagen kennt. Das heißt, wer Inklusion nicht erlebt hat, der ist skeptisch und hegt Zweifel daran, dass dieses Modell gelingen kann. Daher rate ich den Vertretern des Philologenverbands dringend, sich dieser Aufgabe zu stel len und sich nicht weiter zu verschließen. Wer einmal erlebt
hat, wie befruchtend Inklusion für Lernende wie für Lehren de sein kann, für den führt kein Weg mehr zurück.
Nach dem heutigen Tag werden wir einen großen Schritt nach vorn gegangen sein. Inklusion wird nicht mehr grundsätzlich infrage gestellt. Es geht lediglich darum, wie sie am besten organisiert werden kann. Wenn der Fokus künftig allein auf dieser Frage liegt, dann stehen wir am Anfang einer neuen Entwicklung, einer neuen Haltung gegenüber Menschen mit Behinderungen.
Die Rückläufe aus der Anhörungsphase bestätigen uns in die ser Einschätzung. Alle gehörten Verbände begrüßen diesen ersten rechtlich verbindlichen Schritt in ein inklusives Schul system. Wo noch Nachbesserung in der Ausgestaltung not wendig ist, werden wir dem nachkommen. So zeigte sich in einigen Gesprächen, dass die Regelungen, die hinsichtlich der Privatschulen getroffen werden müssen, noch nicht zufrieden stellend ausgestaltet sind. Wir sind bereits dabei, uns diesen Bereich nochmals genauer anzusehen und entsprechende Er gänzungen vorzunehmen. Unserem Entschließungsantrag dür fen Sie daher nachher gern zustimmen.
Noch ein Wort zu der von der Opposition präferierten Form der Außenklasse. Sicher ist die Außenklasse ein Weg der In tegration, die Inklusion anbahnen, Begegnungen ermöglichen, Hürden wegräumen kann. Wir werden diese Form auch wei terhin ermöglichen, aber sie ist keine Inklusion. Wenn behin derte Kinder ein eigenes Klassenzimmer in der allgemeinen Schule haben, werden sie Teil der Schule. Aber erst wenn sie selbstverständlich Teil einer Klassengemeinschaft sind, kön nen wir von Inklusion reden.
Richard von Weizsäcker sagte einmal:
Was im Vorhinein nicht ausgegrenzt wird, muss hinterher auch nicht eingegliedert werden.
Abschließend danke ich auch heute noch einmal ausdrücklich unserem Kultusminister Andreas Stoch dafür, mit welch in nerer Überzeugung er sich hinter die Ausgestaltung dieses Ge setzes gemacht hat, dass er sich die Zeit genommen hat, die er brauchte, um einen Gesetzestext vorzulegen, der beispiel haft ist, und sich nicht von den Rufen der Opposition drängen ließ.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was wir wollen, ist ein Ge setz, das hilft, dieses Land noch ein wenig lebenswerter zu machen, als es ohnehin schon ist. Wir wünschen uns, dass die ses Gesetz dabei hilft, Schranken in den Köpfen einzureißen, das Denken und die Herzen weit zu machen. Ich erinnere mich an die Zeit, als ich Kind war. Damals sah man im Alltag kaum Menschen mit Behinderungen. Sie waren mehr oder weniger weggesperrt und damit unsichtbar. Dass dies nicht mehr so ist, dafür bin ich dankbar.
Nun machen wir uns daran, diesen besonderen Menschen wei terhin den Weg in die Mitte unserer Gesellschaft, in unsere Schulen zu bahnen, damit jedes Kind, jede Schülerin und je der Schüler schaukeln und lachen und den Wind spüren kann.
Vielen Dank.
Meine Damen und Herren von der Opposition, die SPD-Fraktion wird heute sämtliche Ihrer 25 Anträge ablehnen.
Denn wir empfinden diese als ein nicht ernst gemeintes An gebot. Wer am Vorabend der Plenarsitzung 25 Anträge ein reicht, die fundamentale Änderungen begehren und deren An nahme finanzielle Auswirkungen auf den Landeshaushalt hät te, aber keinen einzigen Deckungsvorschlag beifügt
sowie keine fundierte rechtliche Bewertung zulässt, dem ist Effekthascherei wichtiger als seriöse Politik.
Das heutige Thema hätte das Gegenteil verdient. Wir halten die schiere Masse von 25 Anträgen – die sich inhaltlich in Tei len doppeln und manchmal sogar auch widersprechen – für reinen Aktionismus
und sehen darin ein Sinnbild für den Zustand der Opposition.
Es ist der klägliche Versuch, sich mit populistischen und wohl feilen Forderungen zu schmücken, um von der eigenen Kon zeptionslosigkeit abzulenken.
Aber so einfach werde ich es Ihnen nicht machen. Vielmehr möchte ich in der zweiten Runde die Gelegenheit nutzen, den einen oder anderen Antrag im Lichte der Vergangenheit zu be leuchten. So möchte ich beispielsweise das heutige Oppositi onsgehabe mit der Zeit Ihrer eigenen Regierungsverantwor tung vergleichen. Grundlage meiner Vergleiche bilden jeweils die aktuellen Anträge und die Schulversuchsverordnung aus dem Jahr 2010, die der damalige Ministerrat als Basis einer inklusiven Schulgesetzgebung vorgegeben hatte.
Heute fordert die CDU „gleichwertige Lernbedingungen mit hoher Qualität“. 2010 hieß es: Es
kann im besonders begründeten Ausnahmefall... im Rah men der insgesamt zur Verfügung stehenden Lehrerwo chenstunden die Bildung einer zusätzlichen Klasse geneh migt werden.
2010 war von „gleichwertigen Rahmenbedingungen“ keine Rede; nicht einmal der Klassenteiler wurde automatisch aus gelöst.
Zweites Beispiel: Heute fordern CDU und FDP/DVP „gleich berechtigte Teilhabe der Privatschulen und eine angemessene finanzielle Ausstattung“. 2010 hieß dies recht unverbindlich:
Privatschulen können grundsätzlich an der Erprobung... teilnehmen.
Keine Rede von aktiver Einbindung.
Zum Thema Finanzierung hieß es seinerzeit auf Seite 11 der Verordnung wörtlich – bitte genau zuhören, Herr Wolf –: Es
muss sichergestellt sein, dass die private allgemeine Schule keinen Zuschuss erhält. Der Träger der privaten allgemeinen Schule hat eine entsprechende Verzichtser klärung gegenüber dem Staatlichen Schulamt abzugeben.
Kein Zuschuss, Verzichtserklärung – das bedeutete bei Ihnen vor fünf Jahren „auskömmliche Ausstattung der Privatschu len“.
Drittes Beispiel:
Heute fordert die CDU das Tandemprinzip an der allgemei nen Schule und eine stabile Unterrichtsversorgung an sonder pädagogischen Bildungs- und Beratungszentren. Im Schul versuch – das betraf immerhin den Bereich von fünf Staatli chen Schulämtern – haben Sie Sonderpädagogen aus den SBBZ abgezogen, und Sie haben keine zusätzlichen Lehrer eingestellt, auch nicht bei Ihrer berühmten Bildungsoffensi ve.
Diese wenigen Beispiele veranschaulichen die Art der Oppo sition, Stimmung gegen ein Gesetz zu machen, das schulrecht liche und finanzielle Zugeständnisse weit über die bisherigen Schulversuchsbestimmungen hinaus macht und die Kommu nen eng einbindet. Immer dann, wenn es um ernsthafte poli tische Verantwortung geht, ducken Sie sich weg.
Das war damals bei der Ausgestaltung der Schulversuchsbe dingungen so, und es zeigt sich heute mit der Flut von Anträ gen, die beliebig noch mehr fordern. So fordern Sie einen Om budsmann, Elternlotsen in Stadt- und Landkreisen, eine wis senschaftliche Evaluation. Das hätten Sie selbst machen kön nen! Warum haben Sie es denn nicht gemacht?
Ihre Anträge atmen den Geist einer Pseudoinklusion. Wir kön nen und werden ihnen nicht zustimmen.
Ich möchte Sie daher abschließend noch einmal zur Vernunft aufrufen und möchte Ihnen anbieten, diesen historischen Mo ment mit uns zu teilen und die Abschaffung der Sonderschul pflicht als breiten gesellschaftlichen Konsens in die Schulge schichte Baden-Württembergs einfließen zu lassen.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr ge ehrten Kolleginnen und Kollegen! Dies ist nicht die erste Schulgesetzänderung, die diese Landesregierung vollzieht, und doch ist der heutige Tag ein ganz besonderer. Mit der heu te stattfindenden Einbringung des Gesetzentwurfs wird die Sonderschulpflicht in Baden-Württemberg schon bald der Ge schichte angehören. Mädchen und Jungen in unserem Bun desland werden die allgemeine Schule besuchen dürfen, auch wenn sie einen Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bil dungsangebot haben. Sie werden nicht mehr länger aussor tiert, wenn sie dies nicht wollen. Wenn sie oder ihre Eltern sich doch für die bisherige Form entscheiden und auch künf tig lieber die Sonderschule besuchen wollen, dann wird auch das möglich sein.
Die schulische Inklusion ist ein sehr wichtiger Bestandteil des Aktionsplans zur Inklusion; diesen hat unsere Sozialministe rin Katrin Altpeter bereits in der vergangenen Woche vorge stellt.
An dieser Stelle und gleich zu Beginn möchte ich all jenen danken, die mit ganzer Kraft und Überzeugung für dieses Ge setz gearbeitet haben – beinahe hätte ich gesagt: gekämpft ha ben –, zuvorderst unserem Kultusminister Andreas Stoch und dem SPD-Landesvorsitzenden und Finanz- und Wirtschafts minister Nils Schmid, der ehemaligen Stabsstelle im Kultus ministerium, namentlich Norbert Zeller und Daniel HagerMann. Norbert Zeller war Inklusion ein Leben lang ein Her zensanliegen, persönlich und beruflich. Ein Dank geht auch an Sönke Asmussen, Referatsleiter Sonderschulen, und an den Chefjuristen des Kultusministeriums, Felix Ebert. Ganz be sonders danke ich dem Behindertenbeauftragten des Landes, Gerd Weimer, der für den Inklusionsgedanken geradezu brennt. Danken möchte ich auch den Mitstreitern im Staatli chen Schulamt Tübingen und den Sonderschulen in meinem Umfeld für ihre konstruktive Begleitung in den vergangenen Jahren. Last, but not least danke ich schließlich unserem Ko alitionspartner für die zielführende Zusammenarbeit.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Gesetz ist ein Mei lenstein in der Schulgeschichte unseres Bundeslands, und es macht mich stolz, dass ich als Mitglied einer Regierungsfrak tion daran mitwirken durfte. Es ist ein Meilenstein, auch weil
damit mehr verbunden ist als die bloße Änderung des Schul gesetzes. Es ist ein Signal, das weit über den Bildungsbereich hinausgeht. Denn Inklusion ist eine Aufgabe für alle. Inklusi on bedeutet, Berührungsängste abzubauen, alte Denkschab lonen abzulegen, sich für Neues zu öffnen.
Das novellierte Schulgesetz ist nicht der Endpunkt einer äu ßerst komplexen und in Teilen kontroversen Debatte über die Herausforderungen und Ansprüche an ein inklusives Schul system. Es ist ein notwendiger erster rechtlicher Schritt, der nun mit Leben erfüllt werden will.
Es sollte jedoch nicht der Eindruck entstehen, dass wir erst am Anfang stehen würden. Nicht nur in den Modellregionen, sondern im ganzen Land kommen Schulleitungen und mit ih nen die Lehrerinnen und Lehrer schon seit Langem den Wün schen nach inklusiven Bildungsangeboten nach. Sie suchen pragmatische, unbürokratische Lösungen und sind gleichsam Pioniere der Inklusion.
Durch das heute eingebrachte Gesetz wird dieses Tun nun gleichsam legalisiert und bekommt einen verbindlichen Rah men, der einen größeren Handlungsspielraum ermöglicht.
Wie kontrovers die Debatte bisweilen geführt wurde, zeigen die Positionen an beiden Enden des Inklusionsgedankens. Da steht auf der einen Seite der Philologenverband, der eine ziel differente Beschulung am Gymnasium generell infrage stellt. Demgegenüber positioniert sich beispielsweise die Elternini tiative „Gemeinsam leben – Gemeinsam lernen“ mit ihrer Ma ximalforderung nach einer vollständigen Abschaffung des Sonderschulwesens. Doch wer mit Extremen hantiert, erweist dem Inklusionsgedanken einen Bärendienst. Niemals werden wir alle Kinder über einen Kamm scheren können.
Inklusion ist eine Aufgabe für alle Schularten. Wir möchten, dass sich alle Schulen von dieser gesellschaftspolitischen Fra ge angesprochen fühlen und nicht nur wenige Schwerpunkt schulen die alleinige Verantwortung übernehmen.
Ich kann es nachvollziehen, wenn für viele Schulen und Schulträger der Respekt vor dieser Aufgabe enorm ist. Den noch möchte ich sie alle ermutigen, sich mit Inklusion zu be schäftigen, vor allem die Schulleitungen sowie die Lehrerin nen und Lehrer.
Letztere sind jene, die den Inklusionsgedanken Tag für Tag umsetzen und leben. Ich verspreche ihnen: Wir lassen sie mit dieser großen Aufgabe nicht allein.
Ich bin sicher, dass durch die Reform der Lehrerbildung die Akzeptanz und das Selbstverständnis gegenüber diesem The ma wachsen werden. Die Erfahrungen an meiner eigenen Schule bestärken mich darin. Als vor einigen Jahren die ers ten Kinder mit Inklusionsbedarf bei uns anklopften, standen meine Kolleginnen und Kollegen dieser Aufgabe noch mit großem Respekt und eher skeptisch gegenüber. Gemeinsam mit der Förderschule und dem Staatlichen Schulamt haben wir dann aber nach Lösungen gesucht, wie Inklusion gelingen kann. An Assistenten und Sonderpädagogen im Unterricht mussten sich die Lehrerinnen und Lehrer erst gewöhnen. Sie stellten dann aber den Mehrwert für alle Kinder fest. Heute sind die Lehrerinnen und Lehrer – nicht nur an meiner Schu le, sondern an vielen Schulen – davon überzeugt, dass es nur diesen Schritt in die Zukunft, den Schritt in ein inklusives Schulwesen geben kann.
Die Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf sind keine Last für die Klassen, sie sind eine Bereicherung.
Spätestens seit dem von der letzten Landesregierung einge führten Schulversuch zur Inklusion wissen wir, dass es Inklu sion nicht zum Nulltarif geben kann. Insofern bin ich der CDU für den Schulversuch beinahe dankbar. Er hat unmissverständ lich vor Augen geführt, dass der Wunsch nach Inklusion mehr Personal und mittelfristig auch mehr Sach- und Investitions mittel erfordert.
Den Inklusionsgedanken, der seitens der CDU-geführten Lan desregierung vorherrschte, kann ich jedoch nur in Ansätzen nachvollziehen. Für uns ist es keine Frage, dass die Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf zum Klassenteiler zählen. Wir sehen auch die Notwendigkeit, zusätzliche Lehr kräfte einzustellen. Es wurde schon gesagt – wir haben es von Minister Stoch gehört –, dass wir in diesem Jahr bereits 200 Stellen schaffen und auch im nächsten Jahr und fortlaufend weitere Sonderpädagogen einstellen.
Ohne den Schulterschluss mit der kommunalen Seite kann In klusion jedoch nicht gelingen, kann ein Inklusionsgesetz nicht verabschiedet werden. Einmal mehr ist es unserem Kultusmi nister gelungen, hier eine gemeinsame Grundlage zu erarbei ten. Nach der regionalen Schulentwicklung und der Ganztags schule nun die Inklusion. Andreas Stoch hat dies mit den kom munalen Landesverbänden in nur wenigen Monaten geschafft – allerdings in harten Verhandlungen.
Bis zu 100 Millionen € stellt das Land den Kommunen für die kommenden Jahre zunächst als Ersatzleistung in Aussicht. Für den Fall, dass die Praxis zeigen sollte, dass diese Mittel nicht ausreichen, ist ein weiterer Zuschlag bereits vereinbart. Für den Schulbau gilt Konnexität. Für die übrigen Felder wie Schülerbeförderung oder Eingliederungshilfe gilt die Zusage des Landes, dass bei einer Abweichung um mehr als 10 % ge genüber den Ansätzen nachverhandelt werden kann.
An die Adresse der Schulträger sei gerichtet: Nicht an jeder Schule müssen bauliche Voraussetzungen für Inklusion ge schaffen werden. Begleitung und gegebenenfalls Assistenz werden wir den Schulen jedoch nach Bedarf an die Hand ge ben, damit Inklusion gelingen kann.
Noch kann niemand genau sagen, wie sich die Inklusion im Land entwickeln wird. Diese Entwicklung ist maßgeblich mit der Nachfrage seitens der Eltern nach inklusiven Schulange boten verknüpft. Im Schnitt zeigen die Modellregionen, dass die Nachfrage bei 28 % aller Kinder mit sonderpädagogi schem Förderbedarf gegeben ist. Die Zukunft wird zeigen, ob dieser Wert der Realität entspricht.
Angesichts dieser Unsicherheit ist es klug, die weitere Ent wicklung zu evaluieren und 2018, 2019 Bilanz über die erfor derlichen Nachbesserungen zu ziehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließend will ich Ihnen verraten, dass es ein CDU-Abgeordneter war, der mir mit zwei Sätzen aus der Seele sprach.
Hubert Hüppe, der ehemalige Beauftragte der Bundesregie rung für Menschen mit Behinderungen, stellte unmissver ständlich fest:
Wer Inklusion will, sucht Wege. Wer sie nicht will, sucht Begründungen.
Ich würde mir sehr wünschen, dass Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, sich ein Herz fassen und in der zweiten Lesung mit uns für das Gesetz stimmen.
Die Welt bleibt nicht stehen; sie dreht sich weiter. All die Mäd chen und Jungen mit Behinderungen gehören in die Mitte die ser Gesellschaft, nicht an ihren Rand.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr ge ehrten Kolleginnen und Kollegen! Seit die CDU hier im Land vor nunmehr fast vier Jahren die Oppositionsbänke beziehen musste, hat sie die Realschule für sich entdeckt. Seither lässt sie keine Gelegenheit aus, die Arbeit an den Realschulen zu loben – das darf sie – und lauthals nach mehr Unterstützung für diese Schulart zu schreien – so auch mit ihrem Antrag vom Januar 2014, über den wir uns heute austauschen dürfen.
Wenn man bedenkt, dass die CDU vor unserem Regierungs antritt 2011 genügend Zeit gehabt hätte, die Realschule zu stärken, wie sie es von uns nun fordert, kommt man schon ins Grübeln. Während sie ihrem Lieblingskind Gymnasium gan ze zehn Poolstunden angedeihen ließ, gab es keine einzige für die Realschulen. Das hat sich erst mit dieser Legislaturperio de und der Übernahme der Regierungsverantwortung durch uns geändert.
Aktuell bekommen die Realschulen 2,2, ab dem kommenden Schuljahr sogar sechs Poolstunden. Frau Boser hat gerade aus geführt, wie der Plan weiter aussieht.
Die von der CDU entfachte Diskussion kann man also unge niert als scheinheilig bezeichnen – heute Morgen haben wir über Sein und Schein schon ausführlich diskutiert –, auch vor dem Hintergrund, dass die CDU, Stand heute, kein abge stimmtes Konzept zur Weiterentwicklung der Bildungsland schaft präsentieren kann – ganz im Gegensatz zu uns.
Scheinheilig ist auch die Behauptung, dass sich die Realschu len erst seit dem Wegfall der Verbindlichkeit der Grundschul empfehlung mit Heterogenität auseinandersetzen müssten. Die Realschule war und ist seit jeher die Schulart mit der hetero gensten Schülerschaft. Dort finden sich sowohl Schülerinnen und Schüler mit Gymnasialempfehlung als auch jene, die es gerade einmal so geschafft haben, eine Empfehlung für die Realschule zu bekommen. So hat das achtjährige Gymnasi um der Realschule bis zu einem Drittel Schülerinnen und Schüler mit Gymnasialempfehlung beschert. Von 1995 bis 2010 sind die Schülerzahlen an den Werkrealschulen von 40 000 auf 23 000 zurückgegangen. In dieser Zeit werden sich manche dieser Schüler auch an den Realschulen gefunden ha ben.
Damit kein falsches Bild von der Entscheidungsfindung der Eltern entsteht, stelle ich noch eine weitere Angabe in den
Raum: Trotz des Wegfalls der Verbindlichkeit der Grundschul empfehlung halten sich rund 90 % der Eltern an die Grund schulempfehlung. Dies ist eine Quote, die sich in den nächs ten Jahren erfahrungsgemäß noch etwas nach oben einpen deln wird. Da bin ich sicher.
In diesem Zusammenhang lohnt sich auch ein Blick auf die Grundschulen im Land. Dort herrscht naturgemäß die größte Heterogenität, der die Lehrerinnen und Lehrer an vielen Schu len mit Wochenplanarbeit begegnen. Während ein oder zwei Stunden pro Schultag lernen die Kinder selbstorganisiert auf unterschiedlichem Niveau mit unterschiedlichen Aufgaben.
Ich vermute, Ihnen kommt das bekannt vor. Schade, dass die Kinder diese Lernform kaum an Realschulen oder Gymnasi en vorfinden, wohl aber an der Gemeinschaftsschule. Wenn sie dann in die fünfte Klasse des Gymnasiums oder der Real schule kommen, erklärt man ihnen stattdessen, dass sie jetzt richtig lernen und den Kinderkram vergessen sollen. Konti nuität sieht anders aus.
Was die Zunahme der Sitzenbleiberquote angeht, möchte ich Sie doch bitten, die Kirche im Dorf zu lassen. Seltsamerwei se haben rund 180 Realschulen gar keine Sitzenbleiber, wäh rend andere Realschulen nach altpraktiziertem Muster aussie ben. Es stimmt, dass sich die Zahl der Sitzenbleiber erhöht hat, jedoch nicht auf astronomische Höhen und ein Niveau, wie Sie die Menschen glauben machen wollen. Konkret re den wir von einer Zunahme der Sitzenbleiberquote von 0,7 auf 1,8 %.
Wir nehmen diese Zunahme gleichwohl sehr ernst und haben auch vor diesem Hintergrund unser Konzept zur Weiterent wicklung der Realschulen aufgesetzt. Dies wird selbstver ständlich von Fortbildungsmöglichkeiten für die Lehrerinnen und Lehrer begleitet sein, die schon jetzt an einer Realschule unterrichten.