Josef Frey
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Last Statements
Herr Minister, Sie haben vorhin dankenswerterweise die große Anzahl von Anträgen, die Sie
über die verschiedenen Ämter auszahlen durften, dargestellt; auch die Summe haben Sie genannt. Im Vergleich zu den Vor jahren: Wie hat sich denn in etwa die Auszahlungssumme ent wickelt? War das eher weniger oder eher mehr? Hat es des wegen mehr oder weniger Arbeit gegeben, was die Gesamt summe der Anträge und die Auszahlungshöhe betrifft?
Ich danke meinem Vorredner für die übrigen drei Minuten, die er mir geschenkt hat.
Aber der europapolitische Bericht der Landesregierung ver dient, denke ich, auch eine Würdigung, weil er auf eindrück liche Weise das Engagement unserer Landesregierung auf den verschiedenen Politikfeldern und im Bereich der Instrumen te der Europäischen Union darstellt. Diese Instrumente und Politikfelder haben nämlich alle das eine Ziel: gleiche Lebens bedingungen in den 28 Mitgliedsstaaten zu erzielen. Dazu ge hören z. B. die Alpenraumstrategie, die Donauraumstrategie, aber besonders auch die Strukturfonds. All diese Maßnahmen basieren auf den gemeinsamen Werten Solidarität und Gerech tigkeit, die wir im Jahr 2009 mit dem Vertrag von Lissabon gemeinsam unterzeichnet haben. Oder sollte man vielleicht besser sagen: hatten? Denn bei der Flüchtlingsfrage scheinen genau diese Werte von vielen Mitgliedsstaaten vergessen zu werden.
Die Europäische Union befindet sich in einer Krise, weil sie angesichts des Zustroms von Flüchtlingen in die EU nicht in der Lage ist, gemeinsam gerecht und solidarisch zu handeln. Der Rückfall in nationale Abschottung greift um sich. So kon statiert auch der Minister in seinem Bericht, dass die Maßnah men zur Lösung der Flüchtlingskrise auf EU-Ebene bislang nicht zufriedenstellend sind. Vor allem das Problem mit dem Instrumentenkasten der Kommission bei Nichteinhaltung der geltenden Regeln sowie die Möglichkeiten zur Bekämpfung der Fluchtursachen werden von der Landesregierung benannt.
Aber besonders die Dublin-Regelungen waren schon früher in höchstem Maß weder solidarisch noch gerecht. Die Euro päische Union hat Griechenland und Italien mit den Flücht lingen viel zu lange alleingelassen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Dublin-Regelun gen sind auf der ganzen Linie gescheitert. Ungarn, Polen und Österreich scheinen Solidarität und Gerechtigkeit neu definie ren zu wollen, indem sie zwar die Vorzüge der Kohäsions fonds als solidarischen Akt gern nutzen,
aber auf der anderen Seite die Belastungen der Migrationsbe wegungen egozentrisch auf die europäischen Nachbarn ab wälzen wollen.
So kann die EU keine Zukunft haben. Auch unsere Bundes regierung handelt da nicht ganz konsequent solidarisch. Denn Deutschland wird durch seine Waffenlieferungen in den Na hen Osten die Fluchtursachen nicht bekämpfen. Wir müssen diese Lieferungen sofort stoppen.
Deutschland und alle anderen EU-Mitgliedsstaaten müssen endlich ihren Verpflichtungen nachkommen, genügend Mit tel für das UNHCR und das World Food Programme zur Ver fügung zu stellen. Damit bekämpft man Fluchtursachen und ermöglicht eine schnelle Rückkehr der vielen Kriegsflüchtlin ge in ihre Heimat nach dem Ende der Kriege in Nahost.
Mit der rechtzeitigen Überweisung der zugesagten Mittel im letzten Jahr wäre die Zahl der Flüchtlinge nicht so hoch ge wesen, wie sie heute ist. Die Zusagen der Geberkonferenz in der letzten Woche in London sind ein richtiger Ansatzpunkt. Die Bundesregierung hat dafür 2,3 Milliarden € für die nächs ten drei Jahre zugesichert. Das Geld muss aber nun weiterge geben werden und darf nicht bei unseren Banken liegen blei ben.
Was den Umgang mit Flüchtlingen angeht, die vor Krieg und Verfolgung fliehen und Zuflucht und eine Perspektive in der Europäischen Union suchen, ist die Gretchenfrage an jeden einzelnen Mitgliedsstaat, auch an jeden einzelnen Politiker und jede einzelne Politikerin: Wie hältst du es nun mit der Ge rechtigkeit und der Solidarität in Europa?
Kanzlerin Merkel ist da eindeutig mit christlich-europäischen Werten unterwegs – allerdings in ihrer Partei recht einsam. Kollege Wolf und die baden-württembergische CDU dagegen weichen der Gretchenfrage aus.
Das Gretchen sagt zu Faust in Marthens Garten:
Nun sag, wie hast du’s mit der Religion? Du bist ein herz lich guter Mann, allein ich glaub, du hältst nicht viel da von.
Steht das C innerhalb des Parteinamens CDU eigentlich noch für christliche Nächstenliebe, oder haben Sie sich längst da von verabschiedet?
Ohne Gerechtigkeit und Solidarität wird die Europäische Uni on keinen Bestand haben. Die Wahrung der Einheit der Euro päischen Union stellt damit die größte Herausforderung für uns alle dar. Ich bin der festen Überzeugung, dass unsere ge meinsamen Interessen in der Europäischen Union sehr viel stärker sind als all das, was uns trennt. Solidarität, Gerechtig keit und Verantwortung heißt das Gebot der Stunde.
Die Freizügigkeit für Waren, Dienstleistungen, Personen und Kapital ist ein Integrationsmotor der EU gewesen und ist es
noch. Sie hat Europa und seine Menschen zusammenwachsen lassen. Die offenen Binnengrenzen haben handfeste Vorteile für Gesellschaft und Wirtschaft. Was wäre unser exportstar kes Land Baden-Württemberg ohne den Europäischen Bin nenmarkt? Was wären wir Baden-Württemberger ohne die Freizügigkeit an den Grenzen zu unseren Nachbarn mit allen Projekten der grenzüberschreitenden und interregionalen Zu sammenarbeit?
Wir brauchen eine verantwortungsvolle europäische Strate gie, die auf Gerechtigkeit und Solidarität beruht. Wir brau chen eine effektive Steuerung der Flüchtlingskrise. Die Erst aufnahmezentren in Griechenland und Italien, die immer noch fehlen, müssen eingerichtet werden.
Es bedarf der raschen Verabschiedung des am 15. Dezember vorgelegten Legislativpakets Außengrenzen. Wir brauchen ei ne schnelle und grundlegende Revision der Dublin-Regelun gen. Wir brauchen einen verbindlichen Notfallmechanismus zur gerechten Verteilung der Flüchtlinge auf alle Mitglieds staaten.
Wir brauchen die Umsetzung des EU-Türkei-Aktionsplans von Kanzlerin Merkel, weil es ohne die Türkei keine Lösung für die EU und die Flüchtlinge geben wird. Wir müssen mehr legale Zugangsregeln zur Arbeitsaufnahme in der Europäi schen Union suchen. Wir müssen Fluchtursachen stärker be kämpfen. Wir müssen humanitären Hilfszusagen der EU und der Mitgliedsstaaten jetzt wirklich nachkommen.
Wir müssen Flüchtlinge – auch in der Nähe ihrer Heimat – menschenwürdig unterbringen, wie Baden-Württemberg das auch im Nordirak macht und das anderen Bundesländern vor macht. Denn eine gerechte und solidarische Europäische Uni on muss diese Herausforderungen mit einer gemeinsamen, ge rechten und verantwortungsvollen Politik angehen. Das Land Baden-Württemberg lebt täglich an seinen Außengrenzen und mit seinem internationalen Engagement vor, wie das funktio nieren kann.
Ich hoffe, dass dies die Regierungschefs heute und morgen in Brüssel ebenfalls erreichen. Wir wünschen Frau Merkel da bei viel Erfolg.
Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Kol leginnen und Kollegen! Herzlichen Dank an die Landesregie rung für den Bericht und ihr darin sichtbar werdendes Enga gement für den Zusammenhalt in der Europäischen Union. Auch Dank an die Kollegen aller Fraktionen dafür, dass wir mit dem gemeinsamen Entschließungsantrag heute noch ein mal deutlich machen, dass uns die Sparkassen und Volksban ken besonders am Herzen liegen und von unserer Seite auch einen besonderen Schutz haben.
Europa beginnt für uns Baden-Württemberger direkt vor der Haustür. Baden-Württemberg engagiert sich in der grenzüber schreitenden Zusammenarbeit wie nie zuvor. Ob entlang des Rheins, der Donau oder der Alpen – das Land nimmt seine Verantwortung für ein Zusammenwachsen der europäischen Gemeinschaft wahr. Wir schlagen dort Brücken zwischen Staaten, Sprachen und Kulturen, wo Rechtspopulisten natio nale Grenzen ziehen wollen.
Dabei zeigt z. B. unsere grenzüberschreitende Kooperation in den Bereichen Wissenschaft, innovative Wirtschaft und For schung, dass dieses Engagement ein Erfolg ohne Grenzen ist. „Erfolg ohne Grenzen“ heißt auch ein Ausbildungsprojekt, bei dem allein 150 Ausbildungsverträge abgeschlossen wurden und in diesem Jahr wahrscheinlich noch einmal 60 neue hin zukommen werden. Dies stärkt die Wirtschaft, den europäi schen Zusammenhalt und das Vertrauen in eine Europäische Union, die für Zukunftsfähigkeit und Weltoffenheit steht.
Die bisherigen Erfolge zeigen: Grün-Rot ist ein Garant dafür, dass sich das Land mit seiner kleinen Außenpolitik für das Projekt Europäische Union und seine Bürgerinnen und Bür ger engagiert. Wir gehen sogar noch einen Schritt weiter. Denn dank Ministerpräsident Kretschmann und Umweltminister Untersteller haben wir in diesem Jahr das „Memorandum of Understanding“ zum Klimawandel mit Kalifornien abge schlossen, das sowohl in Paris als auch in Lyon für große Auf merksamkeit sorgte und breite Unterstützung fand. Mit ihrem persönlichen Einsatz haben der Umweltminister und der Mi nisterpräsident eine beispielhafte Vorreiterrolle eingenommen und gezeigt, dass wir in Baden-Württemberg nicht nur über Länder-, sondern sogar über Kontinentalgrenzen hinweg Ver antwortung übernehmen.
Dies ist ebenfalls ein Erfolg ohne Grenzen und hat dazu bei getragen, dass in Paris ein so ambitioniertes Klimaabkommen unterzeichnet wurde, wie es die wenigsten zu hoffen wagten.
Wir in Baden-Württemberg können eben nicht nur kleinen Grenzverkehr, sondern auch große Außenpolitik.
Baden-Württemberg übernimmt hier Verantwortung. Wenn wir über die Grenzen Baden-Württembergs blicken, sehen wir in vielen Regionen wie in unserem Partnerland Burundi Krieg, Hunger, Armut, und wir sehen Menschen, die davor aus ihrer Heimat fliehen müssen bzw. vertrieben werden. Einige davon kommen auch zu uns nach Baden-Württemberg, wo sie sich einordnen und nicht unterordnen – wie Herr Wolf das heute Morgen gemeint hat – sollen. Auch hier dürfen wir keine Grenzen zwischen Menschen, Sprachen und Kulturen ziehen, sondern müssen wir Außengrenzen abbauen, genauso wie Grenzen nach innen abbauen.
Wie groß ist denn der zu befürchtende Schaden für uns alle, wenn Rechtspopulisten nun auch noch Grenzen innerhalb un seres Landes ziehen wollen, Grenzen zwischen der Herkunft und Bildung von Schutzsuchenden, Grenzen zwischen den Religionen, Grenzen zwischen Flüchtlingen erster und zwei ter Klasse? Dies sind Schubladen, in denen braune Kapitel un serer Vergangenheit liegen, nicht aber Erfolgsrezepte für ein weltoffenes und zukunftsfähiges Baden-Württemberg.
Der Blick nach Frankreich zeigt, wie verstört eine Gesell schaft reagiert, wenn Abschottung beschrien wird, statt Will kommenskultur und Integration zu leben. Die Rechtspopulis ten haben das beste Stimmergebnis ihrer Geschichte erzielt. Nur durch eine Solidaritätsaktion der Sozialisten und der Grü nen im zweiten Wahlgang konnte eine Regierungsmehrheit des Front National in den Regionen verhindert werden. Wenn aber Herr Sarkozy in den rechtspopulistischen Abgesang un serer Wertegesellschaft mit einstimmt, stärkt er nur deren
Stimmen. Wer weiter nach rechts rückt, vergrößert nur das rechte Spektrum und schwächt die gesellschaftliche und po litische Mitte.
Das sollten wir uns auch für Baden-Württemberg merken.
Natürlich handelt es sich bei der Bewältigung der Flüchtlings frage um eine der größten Herausforderungen für Politik, Staat und Gesellschaft. Genauso wahr ist aber: Wer hier nur Gren zen zieht, spaltet unser Land und unsere Gesellschaft. Denn nur wenn wir Brücken zwischen Menschen und Kulturen schlagen, können diese für ein friedliches Miteinander zusam menfinden. Dies gilt in Baden-Württemberg, Europa, aber auch sonst in der Welt.
Damit dies gelingt, setzt sich dieses Land eben nicht nur bei seiner Außenpolitik für das Miteinander ein, sondern gemein sam mit unserer starken Zivilgesellschaft und offenen Bürger gesellschaft auch bei uns in Baden-Württemberg. Wir BadenWürttemberger haben den großen Vorteil, dass Europa bei uns eben schon vor der Haustür beginnt. Wir sollten daher nicht auf der Schwelle stehen bleiben, sondern den Weg der euro päischen Integration vorangehen.
Ich danke Ihnen.
Sehr geehrte Präsidentin, sehr ge ehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir in zehn Jahren in die Jahre 2015/2016 zurückblicken, dann werden wir die heu tigen Flüchtlingsbewegungen als eine der größten Herausfor derungen für die EU,
aber auch eine der größten Migrationsbewegungen nach dem Zweiten Weltkrieg beurteilen. Damals waren 12 Millionen Menschen unterwegs, und wir wissen nicht, wie viele in die sen Jahren 2015 und 2016 zu uns kommen werden.
Aber eines ist sicher: Diese Flüchtlingsbewegungen sind der Lackmustest für die Europäische Union, für deren Werte und die Bewertung, ob die Europäische Union diese Migrations bewegungen gut handelt und damit auch als Projekt einer Uni on überlebt.
Deshalb ist es wichtig, dass die Kommission Vorschläge un terbreitet – wie schon im Mai und auch jetzt wieder –, damit sie ihre Handlungsfähigkeit zeigt. Denn die Europäische Uni on braucht endlich eine gemeinsame Flüchtlingspolitik, sonst steht aus meiner Sicht das Projekt „Europäische Union“ in frage.
In der heute zur Beratung vorliegenden Mitteilung erscheinen mir einzelne Maßnahmen sehr sinnvoll. Sie müssen aber nun wirklich zügig umgesetzt werden, z. B. das Maßnahmenpaket zur legalen Migration einschließlich der Überarbeitung der Blue Card, der Vorschlag für ein strukturiertes Neuansied lungskonzept und die Aktualisierung der Strategie zur Be kämpfung des Menschenhandels.
Wir vermissen darin jedoch völlig die Bekämpfung der Flucht ursachen. Die EU muss nun endlich ihre Mittel für Entwick lungszusammenarbeit für die Länder in Asien und Afrika auf die ursprünglich einmal festgesetzten 0,7 % des Bruttonatio naleinkommens festlegen. Wir können die Länder dort nicht alleinlassen, sondern müssen alles auf den Prüfstand stellen, was im Augenblick dorthin fließt, aber auch unsere Investiti onen in den Ländern in Afrika und Asien deutlich erhöhen.
Die Kommunikation muss zwischen den Ländern der EU, aber auch der Balkanstaaten verbessert und institutionalisiert wer den, und es bedarf auch der Unterstützung des UNHCR, be sonders in Griechenland, um einen menschenwürdigen Um gang und die Registrierung der dort ankommenden Flüchtlin ge zu sichern. Wir brauchen einen gerechten, verbindlichen Verteilungsschlüssel der Flüchtlinge für alle EU-Mitglieds staaten je nach Bevölkerungsgröße, aber auch nach der Wirt schaftskraft.
Die Dublin-Regelungen müssen sofort novelliert werden und nicht erst im nächsten Jahr. Es ist doch offenkundig, dass das Dublin-System völlig versagt hat und sogar zu der Situation beigetragen hat, in der wir heute stecken.
Aber solange wir die Dublin-Verordnung noch praktizieren müssen, gilt für uns auch, dass die Zusammenführung von un terstützungsbedürftigen Personen wie Kindern, Geschwistern, Eltern möglich sein muss. Dies steht nämlich ebenfalls in der Dublin-Verordnung. Da geht es nicht nur um Abschottung und Abschiebung, wie das oft suggeriert wird. Familien mit Kin dern stehen für uns unter besonderem Schutz.
Aus Deutschland darf es im Rahmen des Dublin-Systems auch keine Überstellung in andere Mitgliedsstaaten geben, wo sys temische Mängel im Asylverfahren existieren.
Humanität und Einhaltung der Genfer Flüchtlingskonvention lassen sich nicht mit großen Gefängnissen an Grenzen errei chen. Wenn Menschen – so steht es in der Genfer Flüchtlings konvention – vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Na tionalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Grup pe oder wegen ihrer politischen Überzeugung außerhalb ihres Heimatlands Schutz suchen, dann haben wir diese völker rechtlichen Vereinbarungen einzuhalten und in unserem Land durchzusetzen. Das ist Völkerrecht, und da sollte Deutschland nicht hintanstehen. Afghanische Flüchtlinge in dieser Zeit in ihr Heimatland oder Christen in den Iran zurückzuschicken, das ist unmenschlich und widerspricht dieser Genfer Flücht lingskonvention und ist deswegen aus unserer Sicht abzuleh nen.
Das BAMF hat nicht nur hier, sondern auch noch an anderer Stelle Hausaufgaben zu machen. Es hat immer noch nicht die schon vor einem Jahr von Ministerpräsident Kretschmann an gemahnten zusätzlichen Mitarbeiter eingestellt. Ich halte das für unerträglich.
300 000 unbearbeitete Asylanträge sind ein Skandal für eine deutsche Verwaltung.
Beschämend ist auch, wie sich einige Staaten bei der Kürzung von Beiträgen für das Welternährungsprogramm hervortun. Deutschland und Belgien haben bis heute nicht einmal die Hälfte der Summe eingebracht, die 2015 hierfür investiert wurde. Ich denke, wir sollten den Flüchtlingslagern in Jorda nien, im Libanon und in der Türkei eine Erstversorgung er möglichen und hierfür Gelder zur Verfügung stellen und nicht Gelder für dieses Programm kürzen. Hier braucht es Solida rität von allen Europäern, auch von Deutschland.
Wie wollen denn die CDU/CSU-Hardliner nun in den soge nannten Transitzonen das Grundrecht auf Asyl
oder die Genfer Flüchtlingskonvention einhalten? Wir warten bis heute auf das Konzept von de Maizière und von Seehofer. Aber bis heute Fehlanzeige für ein konkretes Konzept.
Das Recht auf politisches Asyl ist ein Grundrecht und ein Wert an sich, und deswegen ist es für uns nicht einschränkbar oder begrenzbar.
Die baden-württembergische Wirtschaft hat längst, Herr Zim mermann, die Chance erkannt, die in der Migration liegt. Sie müssen einmal zu Mercedes und ebm-papst gehen. Die wis sen, was sie an der Zuwanderung bei uns haben.
Wir betreiben hier eine differenzierte Flüchtlingspolitik, bei der wir alle Tasten einer Klaviatur spielen und nicht nur die zwei, die Sie spielen, Herr Reinhart, mit Abschottung und Ab schiebung.
Wir betreiben hier in Baden-Württemberg eine humanitäre Flüchtlingsversorgung, und wir haben vollstes Vertrauen, dass unsere Landesregierung hier ihre Aufgabe erfüllt.
Die Europäische Union muss nun hier nachziehen.
Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, sehr verehrte Kol leginnen und Kollegen! Herr Reinhart, wer die Wirklichkeit so definiert, dass nur schwarz und weiß möglich sind, der trifft falsche Entscheidungen in der Politik. Das war gerade ein Bei trag zu Schwarz-Weiß-Denken. Wenn Sie nämlich Lettland und Griechenland miteinander vergleichen, vergleichen Sie Äpfel mit Birnen
und kommen zu falschen Ergebnissen in Ihrer Analyse und damit auch zu falschen Therapievorschlägen.
Sie haben doch festgestellt, dass, als Frau Merkel endlich ei ne Lösung und ein Einvernehmen mit allen hatte, die verba len Torpedos aus den eigenen Reihen der CDU kamen. Es wurde versucht, hier Lösungen zu verhindern. Letztendlich haben wir es Herrn Renzi und Herrn Hollande zu verdanken, dass sie mit Frau Merkel zusammengestanden sind und eine Lösung, einen Kompromiss gefunden haben, für den es zwar berechtigte Kritik geben kann, aber in dieser schwierigen Si tuation war wahrscheinlich nichts anderes möglich. Dass dann aus Ihren eigenen Reihen Torpedos kommen, um diese Lö sung zu konterkarieren, das fällt auf Sie und auf Ihre Koaliti on zurück.
Ich denke, wir sollten heute Morgen erleichtert sein, dass das griechische Parlament gestern diese Entscheidung getroffen hat, auch wenn, wie gesagt, Bedenken gerechtfertigt sind. Nun
muss morgen auch der Bundestag zustimmen und in einem zweiten Schritt das Verhandlungsergebnis anerkennen.
Mittlerweile wissen alle, glaube ich, dass es nicht um ein Land geht, das 2 % der Wirtschaftskraft der gesamten Eurozone aus macht, sondern es geht um die Zukunft eines gemeinsamen Friedensprojekts, nämlich der Europäischen Union, und es geht um die Verhinderung einer humanitären Katastrophe in Griechenland.
Dieses Projekt Europäische Union hat viele positive Entwick lungen in Europa gebracht, die sozial und wirtschaftlich be achtlich sind. Mit dem Vertrag von Lissabon haben wir uns Grundwerte gegeben wie z. B. Antidiskriminierung und Soli darität; andererseits haben wir aber auch Verträge geschlos sen, an die sich alle halten müssen. Da haben Sie natürlich recht.
Auf dieser Basis wurde nun am 13. Juli versucht, einen Kom promiss zu finden. Dies ist ein klares Zeichen dafür, dass der europäische Integrationsprozess nicht umkehrbar ist. Aber der 13. Juli 2015 stellt auch den Beginn eines langen Prozesses dar. Wir haben diese Krise längst nicht überwunden.
Wer in der internationalen Zusammenarbeit tätig ist, weiß, wie schwer es ist, Kompromisse zu finden, und wie leicht es ist, diese Kompromisse wieder zu Fall zu bringen. Deshalb spie len auch die Begleittöne bei diesen Verhandlungen, besonders die Begleittöne danach, eine wichtige Rolle. Ich halte es wirk lich für eine unerträgliche Entgleisung, wenn Ihr Fast-Spit zenkandidat für die Landtagswahl in Baden-Württemberg den Griechen als „nervig“ bezeichnet. „Der Grieche nervt“, so Thomas Strobl.
Das lässt jeden Respekt gegenüber den Griechen vermissen. Was sollen denn die 70 000 Griechen, die in Baden-Württem berg leben, denken und fühlen, wenn sie hier so diskriminiert werden?
Und wenn der konservative Abgeordnete der EVP im Euro paparlament alle Abgeordneten, die während der sachlich und ruhig vorgetragenen Rede von Herrn Tsipras im Europaparla ment applaudieren, als Extremisten Europas beschimpft,
dann zeigt das doch ganz deutlich: Es geht gar nicht darum, eine Lösung für Europa oder für Griechenland zu finden, son dern es geht darum, den „Grexit“ herbeizureden, herbeizufüh ren. Da sind wir weit weg von unseren Werten wie Solidari tät und Nichtdiskriminierung, die wir alle gemeinsam 2009 in Lissabon unterschrieben haben. Diese Art der Verhandlungs führung der Bundesregierung kann man kritisieren. Dies be stätigt auch, dass man hier an die Grenzen dessen gegangen ist, was Solidarität und Nichtdiskriminierung betrifft. Aber mit unseren europäischen Werten sollten wir nicht spielen, weil wir sie nämlich bei solchen Spielen verlieren können.
Warum führt die verfehlte Rettungspolitik nun zu sozialen Un ruhen, wie Sie sie heute Nacht vielleicht im Fernsehen gese
hen haben? Weil bei den Menschen in Griechenland von dem Geld, das wir ihnen geschickt haben, nichts angekommen ist. Nur etwa ein Zehntel der bereitgestellten Summe ging in den Staatshaushalt. 90 % dienten dazu, Zinsen zu zahlen, Altschul den abzulösen, die griechischen Banken zu rekapitalisieren,
die durch den Schuldenschnitt einen Großteil ihres Eigenka pitals verloren hatten.
Das zeigt, dass Ihre reine Austeritätspolitik, Herr Pröfrock, versagt hat.
Wir brauchen in Griechenland Wachstum und Investitionen und keine Fortsetzung dieser Austeritätspolitik.
Die häufig gestellte Frage, was die deutsche Griechenlandhil fe die Deutschen gekostet hat, ist relativ einfach zu beantwor ten: bisher nichts. Deutschland hat bisher nur Bürgschaften in Höhe von 54 Milliarden € gewährt.
Teuer wird es aber erst, wenn wir Griechenland fallen lassen und die Kredite nicht mehr bedient werden können. Bis dahin verdient der Bundesfinanzminister sogar noch daran.
Seit 2010 steckte er in seinen Haushalt 360 Millionen € an Zinszahlungen aus Athen. Deutsche Konzerne wie Siemens oder HOCHTIEF haben über Jahre gute Geschäfte mit den günstigen Krediten gemacht.
Das hat in Deutschland viele Arbeitsplätze geschaffen und er halten. Bloß blieb die Wertschöpfung in Griechenland dabei überschaubar.
Die von Schäuble zu verantwortende Austeritätspolitik hat nun ihr Übriges dazu getan. Deshalb muss auch Deutschland in der Europäischen Union Verantwortung für diese Situation übernehmen.
Eine langfristige Lösung muss deshalb drei Punkte beinhal ten: Es müssen erstens ernsthafte Reformen auch im Verwal tungsaufbau
hören Sie zu, dann lernen Sie noch etwas –,
zweitens ein Investitionsprogramm und drittens eine Erleich terung des griechischen Schuldendienstes in Angriff genom men werden.
Der IWF hat richtig erkannt, dass Zins- und Tilgungszahlun gen gestreckt oder erlassen werden müssen. Aber auch Athen muss seine Schuldentragfähigkeit erhöhen. Maßnahmen zur Erhöhung der Schuldentragfähigkeit müssen beim Militär haushalt, aber auch bei den Superreichen in Griechenland an setzen. Die griechische Regierung muss im Zuge einer Um schuldung ihre Vermögenden besteuern und Steuerbetrüger auch zur Kasse bitten.
Wir Grünen sind in dieser Woche in Griechenland gewesen und haben auch mit dem Antikorruptionsminister gesprochen. Wären Sie vor Ort gewesen, wären Sie vielleicht besser infor miert.
Europas größter Solarpark, „Helios“, wurde auf Eis gelegt, weil die Krise da war. Die Investitionen, die dringend nötig sind, müssen nun sofort in Gang gesetzt werden. Als wir letz tes Jahr – es wurde schon erwähnt – mit dem Europaausschuss eine Solarfirma besuchten, wurde deutlich, dass hier wenig Good Governance von der Vorgängerregierung festzustellen war, weil die Förderungen und die Rahmenbedingungen der Solarkraft über mehrere Monate rückwirkend verändert wur den, sodass die Solarbranche dann dort am Boden lag.
Wir brauchen gerade diese Investitionen, damit das Land wie der zu Wertschöpfungskreisläufen kommt, die vor Ort Wert schöpfung bringen.
Ich halte auch den Vorschlag des Sachverständigenrats, einen Schuldentilgungsfonds einzurichten, weiterhin für angebracht und diskutierenswert. Wenn die Eurozone die Pläne zu einer Fiskalunion weiterentwickelt, besteht auch hier ein weiteres Potenzial, um die Schuldentragfähigkeit aller Euroländer zu verbessern. Es sollen nämlich alle Euroländer von niedrigen Zinsen profitieren und nicht nur Deutschland.
Lassen Sie uns jene Politik verstärken, die verlässlich und be rechenbar die humanitäre und wirtschaftliche Situation in Griechenland verbessern hilft. Lassen Sie uns diese Krise aber auch nutzen, um den europäischen Einigungsprozess auf ei ne konstruktive Bahn zu lenken – ohne Torpedos von rechts außen.
Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, sehr verehrte Kol leginnen und Kollegen! Herr Reinhart, wenn Sie in Ihren Rei hen wirklich überzeugte Europäer sind, dann müssen Sie aber auch zu einer Diskussionskultur zurückkehren, die der Lösung der Probleme dient. Sie dürfen auch nicht immer nur die ein zelnen Punkte eines Pakets herausnehmen, sondern müssen das Gesamtpaket als solches betrachten. Teilaspekte und Schwarz-Weiß-Denken führen uns da nicht weiter.
Das ist höchstens Teil von Polemik, die der Problemlösung nicht dient.
Wenn Sie z. B. auf das Realeinkommen der privaten Haushal te blicken: Das ging im Schnitt um ein Drittel zurück. Die Ar beitslosenquote verdreifachte sich von 8,9 auf 27 %.
Das sind Punkte, die Sie nicht unbeachtet lassen können. Des wegen noch einmal unser Appell, hier Investitionen zu för
dern. Arbeiten Sie mit an dem gemeinsamen Integrationspro zess Europas, und lassen Sie Griechenland nicht fallen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Herzlichen Dank an die Landesregierung für diese ausführliche Stellungnahme zu dem Antrag der Fraktion GRÜNE. Sie macht dreierlei deut lich: Es gibt ein vielseitiges Angebot an Prävention im gan zen Land; es gibt eine ganz bemerkenswerte geschichtliche Entwicklung von Prävention in den letzten Jahren mit den Maßnahmen, die wir daraus ableiten, und hier – auch das zeigt die Stellungnahme – sind weitere Schritte notwendig.
Die Aufzählung der vielen Angebote füllt bereits sechs der 17 Seiten dieser Stellungnahme. Das zeigt die Vielfalt und das große Engagement im Bereich Prävention im Land BadenWürttemberg auf. Gleichzeitig wird aber auch die Problema tik dieses bunten Blumenstraußes von Präventionsarbeit deut lich: Wer weiß heute noch genau, wo es welche Angebote wann gibt?
Der bundesweit praktizierte und erfolgreich evaluierte Prä ventionsansatz HaLT der Villa Schöpflin in Lörrach fehlt z. B. in der Aufzählung. Dieses Projekt wird in über 170 deutschen Städten umgesetzt. Wenn z. B in Ravensburg, Mannheim, Ludwigsburg oder Lörrach ein Minderjähriger mit Alkohol vergiftung ins Krankenhaus eingeliefert wird, dann wird dort vom Krankenhaus die Rufbereitschaft von HaLT in der jewei ligen Stadt informiert und schon im Krankenhaus der Erst kontakt zwischen dem Betroffenen, den Eltern und der Sucht hilfe, der Suchtberatung hergestellt. Das Ergebnis dort ist ganz konkret: zurückgehende Einweisungszahlen bei Minderjähri gen aufgrund von Alkoholmissbrauch.
Wer nimmt nach vielen Kriterien bei den vielen Angeboten denn eine wirkungsorientierte Qualitätskontrolle für all diese Programme, die die Landesregierung in ihrer Stellungnahme aufzählt, vor? Denn wir wissen: Prävention bringt der Gesell schaft und dem Einzelnen nur dann etwas, wenn sie auch bei den Menschen ankommt und eine Wirkung erzielt. Diese Fra gen bleiben in der jetzigen Situation häufig dem Zufall über lassen, und wären sie zu beantworten, hätten wir einen weite ren Paradigmenwechsel, wie er schon auf Seite 7 der Stellung nahme der Landesregierung beschrieben wird.
Doch leider brauchen diese Paradigmenwechsel häufig äuße re Anlässe, wie z. B. der schreckliche Amoklauf von Winnen den einer gewesen ist. Denn vor allem durch diesen bedauer lichen Vorfall und durch die parallel laufenden wissenschaft lichen Diskussionen orientierte sich die Prävention grundle gend um. Stand noch in den Siebzigerjahren bis in die Neun
zigerjahre oft die defizitorientierte Prävention mit Program men nach dem Prinzip der Abschreckung von unerwünschtem Verhalten im Vordergrund, wandelte sich in den letzten Jah ren die Prävention und rückte zunehmend die Frage ins Zen trum: Welche Fähigkeiten und Eigenschaften erhalten die Menschen gesund?
Wir wissen eigentlich seit der Jahrhundertwende, dass eine Prävention, die ihren Fokus auf die Ressourcen der Menschen legt, diese viel besser erreicht und viel bessere Wirkungen er zielt. Wenn wir alle rechtzeitig damit anfangen und dabei mit einem umfassenden Präventionsbegriff arbeiten, läuft es noch besser. Abgrenzungsleistungen zwischen Berufsdisziplinen oder Ministerien sind hier überflüssig. Es ist mittlerweile auch erwiesen, dass eine gleichberechtigte Kombination von ver haltens- und verhältnispräventiven Maßnahmen die Wirksam keit von Präventionsmaßnahmen erhöht. Das heißt, wir müs sen die gesundheitsfördernden Verhältnisse verbessern – z. B. ein gutes Klima in den Schulen schaffen –, gleichzeitig aber auch die individuellen Schutzfaktoren der Kinder und Jugend lichen stärken.
Mit „stark.stärker.WIR.“, aber auch mit den nun implemen tierten Ansätzen der Präventionsmaßnahmen nach dem Run den Tisch „Lebenswerter öffentlicher Raum“ von unserem Mi nisterpräsidenten zeigt das Land, dass es die neuesten wissen schaftlichen Erkenntnisse in sein politisches Handeln mit ein bezieht. Die enge Zusammenarbeit aller Ministerien ist hier für unerlässlich.
Politik und Gesellschaft müssen heute ihre Anstrengungen auf einen umfassenden Präventionsansatz konzentrieren und dür fen nicht wie früher mit dem erhobenen Zeigefinger durch die Welt laufen.
Wir freuen uns, dass die Landesregierung in den Ziffern 7 und 8 ihrer Stellungnahme den Handlungsbedarf für eine bessere Koordination und Qualitätssicherung in diesem Handlungs feld anerkennt. Sie macht auch deutlich, dass Prävention min destens kostendeckend ist. Es gibt Studien, die sogar einen Faktor 4 für Prävention errechnen. Das heißt, jeder Euro, den Sie heute in eine wirksame Prävention einsetzen, erspart 4 € Folgekosten. Für die betriebliche Gesundheitsförderung – das kann man in dieser Stellungnahme auch nachlesen – errech net die Landesregierung sogar einen Faktor von 16. Also, un sere grün-rote Landesregierung weiß: Prävention rechnet sich.
Um die Effizienz noch mehr zu steigern, ist eine vernetzte Zu sammenarbeit aller beteiligten Verwaltungsstellen, aber auch aller Kooperationspartner in der Zivilgesellschaft und in den Verbänden notwendig. Dies gelingt in einzelnen Fällen auf kommunaler Ebene schon ganz gut. Mit dem Präventionskon zept „Lebenswerter öffentlicher Raum“ unseres Ministerprä sidenten befähigen wir ab diesem Jahr mit Haushaltsmitteln weitere Kommunen dazu, und auf Landesebene können wir uns an den funktionierenden interdisziplinären kommunalen Präventionsansätzen ein gutes Beispiel nehmen und dieses ko ordinierte Sucht-, Kriminalitäts- und Gewaltpräventionsmo dell auf die Landesebene übertragen. Das, was lokal auf der untersten Ebene klappt, könnte auch auf der oberen, auf Lan desebene, funktionieren.
Ein Landespräventionsrat könnte hier sicherlich eine zentra le Rolle spielen. Er hätte z. B. die Aufgabe, das Land, aber auch die kommunalen Gremien zu unterstützen; er könnte Konzepte entwickeln; er könnte die Sicherung und Verbesse rung von Qualität in Sucht-, Kriminalitäts- und Gewaltprä vention vorantreiben, und er könnte einen Wissenstransfer zwischen den verschiedenen Disziplinen herstellen. Er könn te auch mit Institutionen der Sucht-, Kriminalitäts- und Ge waltprävention auf Landes- und Bundesebene kooperieren. Auf Bundesebene wird ja gerade ein Bundespräventionsge setz entwickelt.
Wir sollten im Rahmen der anstehenden Gesetzesvorhaben auf Bundes- und Landesebene tatsächlich ernsthaft prüfen, ei nen Landespräventionsrat einzusetzen, in den aus meiner Sicht natürlich auch zivilgesellschaftliche Akteure mit ihrem Knowhow einbezogen werden müssen.
Wir danken der Landesregierung für diese qualitativ gute und umfassende Stellungnahme und sind sicher, dass wir in unse ren gemeinsamen Anstrengungen in dieser wichtigen Ange legenheit nicht nachlassen werden.
Ich danke Ihnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, mei ne Damen und Herren! Lassen Sie mich noch die zwei Faux pas von Herrn Throm richtigstellen.
Nichts ist so gut, als dass man es nicht verbessern könnte, Herr Throm. Wir folgen hier der Devise „Stillstand ist Rückschritt“. Wir sind ganz nah an der Bevölkerung und versuchen, die bes ten Lösungen zu finden, auch in Sachen Prävention. Wenn Sie jetzt den Eindruck erwecken wollen, wir würden hier etwas im Papierkorb oder in der Schublade verschwinden lassen, dann zeigt dies, wie ernst es Ihnen um dieses Thema wirklich ist.
Zum Zweiten weise ich darauf hin, dass ein Bundespräventi onsgesetz auf dem Weg ist. Ich weiß nicht, wie groß Ihr Ver trauen in Ihre Bundestagsfraktion ist. Jedenfalls erwarten wir, dass dieses Bundespräventionsgesetz auf den Weg gebracht wird. Dann werden wir hier unsere Maßnahmen danach aus richten können.
Ich entsinne mich an die großen Vorbehalte zwischen Sozial arbeit und Polizei in den Achtzigerjahren. Die beiden Seiten scheuten einander wie der Teufel das Weihwasser, und es gab hier riesige Gräben. Das hat sich in den letzten etwa 35 Jah ren deutlich verbessert. Heute sieht man: Wenn man mit den verschiedenen Disziplinen zusammenarbeitet, dann kann man auch gute Wirkungen erzielen.
Herr Throm, wir wollen – vielleicht im Gegensatz zu Ihnen – nicht im Jahr 1980 stehen bleiben, sondern wir wollen uns weiterentwickeln und das Beste für unser Land hier suchen.
Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, sehr geehrte Kol leginnen und Kollegen! Herzlichen Dank an dieser Stelle auch an das Präsidium, dass es für die heutige Sitzung diesen Eu ropablock so gut organisiert hat, und auch noch ein Hinweis auf den Freitag, an dem der Höhepunkt hier stattfinden wird
mit Frey und mit den anderen Kolleginnen und Kollegen hier im Plenum, und zwar mit dem Europatag.
Ich denke, wenn man jetzt bei der Beratung dieses Europabe richts auch in die Zukunft schauen möchte, muss man fest stellen, dass Baden-Württemberg Europa mitgestaltet und ei ne wesentliche Rolle in der Europäischen Union spielt. Das macht dieser Bericht deutlich.
Es gibt immerhin noch einige EU-Kritiker, die finden, dass die elf Millionen Einwohner hier in Baden-Württemberg ge genüber den 500 Millionen Menschen, die in Gesamteuropa leben, nur eine kleine Macht sind und deswegen die Auswir kungen unserer Politik, die wir hier in diesem Landtag ma chen, auf die EU gar nicht zu spüren wären. Aber die Debat ten zeigen einige Auswirkungen. Es wurden schon einige The men angesprochen. Ich werde ebenfalls einige ansprechen.
Baden-Württemberg spielt auf der europäischen Bühne eine relevante Rolle. Wir gestalten Europa aktiv mit. Einige von uns waren vor 14 Tagen in Barcelona beim Baden-Württem berg-Tag, wo die Resonanz der katalanischen Bevölkerung, insbesondere der dort lebenden Jugendlichen, enorm war. Wenn Sie dann in die Augen von jungen Erwachsenen blicken, die in ihrer Region keine Perspektive vor Augen haben, weil dort 50 % und mehr Jugendarbeitslosigkeit herrscht, dann ist Baden-Württemberg als Partnerregion von Katalonien gefor dert, unsere europäische Verantwortung zu tragen und Solida rität zu zeigen.
Es zeichnen sich dort zwei Bahnen ab. Die eine ist, dass die großen baden-württembergischen Firmen in Spanien gern die duale Ausbildung anbieten und versuchen, dort auch das bei uns bewährte System zu übernehmen. Der andere Weg ist, dass wir hier bei uns in den Berufsschulen, in den Ausbil dungsstellen, Katalanen aufnehmen, die dann bei uns eine Ausbildung absolvieren, die sie sowohl bei uns als auch in Spanien verwenden können. Wenn am 13. Juli mittlerweile die dritte Gruppe katalanischer Auszubildender in der Kauf männischen Schule in Lörrach ihre Ausbildung beginnt, dann ist das ein Zeichen, dass Europa hier konkret mit seiner Soli darität umgesetzt wird und Baden-Württemberg hier auf eu ropäischer Bühne eine wirksame Rolle spielt.
Vom Kollegen Reinhart wurde schon die Investitionsoffensi ve von Herrn Juncker angesprochen. Mittlerweile haben sich einige Ausschüsse im Bundesrat der Haltung der Landesre gierung im Bundesrat und der Haltung des Landtags ange schlossen, dass die Mittelumschichtung von Horizon 2020 und „Connecting Europe Facility“ in Höhe von 6 Milliarden € der falsche Weg ist. Diese Mittel fehlen uns in diesen Töpfen. Die brauchen wir in Baden-Württemberg, in Deutschland. Deswe gen freuen wir uns, dass die Ausschüsse im Europaparlament dieses starke Drängen aus Deutschland, auch aus diesem Landtag, wahrgenommen haben. Auch hier spielen BadenWürttemberg und dieser Landtag eine wichtige Rolle in der europäischen Politik, und dies wird offenbar auch wahrge nommen.
Sie wissen, dass zu TTIP ein Zwischenbericht aussteht, der die bis zum 13. April eingegangenen 898 Änderungsvorschlä ge in irgendeiner Weise verarbeiten soll. Auch Sie wissen, dass sehr umstritten ist, was hier bisher bekannt geworden ist. Doch wenn ein Einmischen eines Bundeslands Sinn machen soll, dann muss die Einmischung jetzt erfolgen und nicht erst, wenn dieses Paket im Bundesrat zur Abstimmung steht. Jetzt müs sen wir uns melden und sagen, wie wir uns diese Freihandels abkommen vorstellen. Wir sehen, dass es auch in diesem Be reich Bewegung gibt. Das Eckpunktepapier unserer Landes regierung zeigt deutlich die roten Linien auf, aber auch die Möglichkeiten, wie freier und fairer Handel aussehen könn te.
Ich danke ausdrücklich unserer Landesregierung, dass sie sich hier für eine starke Region konkret einbringt, ich denke, auch beispielhaft in ganz Deutschland. Wir sind hier stark, nicht nur in Sachen Wirtschaft, sondern auch, wenn es um Werte und Demokratie geht. Denn besonders das umstrittene Streit schlichtungsverfahren zwischen Investor und Staat ist ein No-Go. Hierdurch würde privaten Unternehmen nämlich er möglicht, Staaten vor nicht öffentlichen Schiedsgerichten zu verklagen.
Wer also Rechtsstaatlichkeit und Judikative in unserer Demo kratie schwächen will, der kann nicht mit der Zustimmung dieses Hauses rechnen.
Mittlerweile spricht sich sogar Frau Malmström für eine Über arbeitung des Systems aus – wobei sie bis heute offenlässt, wie sie nun zu den Schiedsgerichten im Rahmen des TTIP steht. Solange hier Verhandlungen laufen, müssen wir uns im mer wieder zu Wort melden und die roten Linien aufzeigen.
Im Übrigen werden diese roten Linien nicht nur von uns, son dern auch vom Städtetag, vom Bundesverband der Mittelstän dischen Wirtschaft, vom Verband der Sensor- und Messtech nik, aber beispielsweise auch vom Diözesanrat RottenburgStuttgart aufgezeigt. Dahinter stelle ich mich und stellen wir uns ausdrücklich. Der Diözesanrat bat uns in einem Schrei ben beispielsweise, darauf hinzuwirken, dass es keine Klage möglichkeiten von Unternehmen gegen Staaten geben soll; er verwies zudem auf den Verbraucherschutz und betonte, dass die Bewahrung der Schöpfung gewährleistet sein müsse, die über den Interessen von Unternehmen stehe.
Weiter bringt er zum Ausdruck, dass die Menschen einen An spruch darauf haben, dass ihre Arbeit sowie die Befriedigung ihrer täglichen Bedürfnisse nicht dem freien Spiel eines unre gulierten Marktes anheimgegeben werden. Der Diözesanrat wünscht sich ein Fair-Trade-Abkommen mit einer nachhalti gen und gerechten Wirtschaft, die einen gerechten Welthan del anstrebt. Nur mit Transparenz ließe sich eine breite Zu stimmung der Menschen erreichen.
Diesen Forderungen können wir vollumfänglich zustimmen; dem ist nichts hinzuzufügen. Baden-Württemberg steht hin ter seinen Städten und Gemeinden, ebenso wie hinter seinen Wirtschaftsunternehmen und Verbänden; Baden-Württemberg steht für das Wohl seiner Bürgerinnen und Bürger ein. Damit spielt das Land Baden-Württemberg auf der europäischen Bühne eine relevante und wirkungsvolle Rolle. Wir gestalten Europa von Stuttgart aus mit.
Zum Schluss nun noch zu dem weniger erfreulichen Teil des Europaberichts: Burundi steht vor dem Chaos – diese Mel dung kann man auch heute wieder in der Presse lesen. In Af rika gibt es Beispiele, wie die Entwicklung besser voran schreiten kann; ich nenne etwa Botswana, Südafrika oder Na mibia. In Bezug auf Burundi machen wir uns jedoch große Sorgen um die dort lebenden Menschen. Wir stehen dabei in einer besonderen Verpflichtung, weil wir im Mai 2014 eine Partnerschaftsvereinbarung unterschrieben haben, mit der wir unsere Solidarität mit diesem afrikanischen Land bekundet haben.
Burundi steht vor wichtigen Wahlen. Die UN haben mehrfach ihrer großen Sorge Ausdruck verliehen, weil es dort zu ge walttätigen Auseinandersetzungen, zu Verhaftungen und in der Folge mittlerweile auch zu Flüchtlingsbewegungen in die Nachbarstaaten Ruanda und Kongo gekommen ist. Der Rat der Europäischen Union appelliert auch an die staatlichen Stellen in Burundi, friedliche und demokratische Wahlen zu gewährleisten.
Wir schließen uns dem heute vorgelegten interfraktionellen Entschließungsantrag an, darauf hinzuwirken, dass friedliche und demokratische Wahlen gewährleistet sind, und bitten die Landesregierung darum, alles in ihrer Macht Stehende zu tun und auch ihren Einfluss bei der Bundesregierung geltend zu machen, damit die Gewalt in Burundi ein Ende hat und dort demokratische Wahlen durchführbar sind.
Sie sehen: Wir übernehmen auch an dieser Stelle Verantwor tung für unsere Partner. Denn Partnerschaften dürfen nicht nur Schönwetterveranstaltungen sein; die wirkliche Qualität von Partnerschaften zeigt sich in Krisenzeiten. Wir stehen in einer solchen Krisenzeit, und deswegen müssen wir hier auch öf fentlich unsere Sorge bekunden.
Wir stehen zu unseren Partnern in Burundi, zu den dort leben den Menschen, und wir geben mit diesem Antrag auch ein Si gnal an die vielen Menschen, die sich in Baden-Württemberg ehrenamtlich für Demokratie und Menschenrechte in Afrika und insbesondere in Burundi einsetzen.
Ich danke Ihnen.
Ich meine, es muss hier Folgendes noch einmal festgestellt werden: Wenn die FDP/DVP hier auf tritt und sagt, wer TTIP jetzt nicht unterzeichne, der würde ei nen großen Fehler machen, und wir betrachteten das zu diffe renziert, dann muss ich Ihnen sagen, Herr Kollege von der FDP/DVP: Wenn Sie heute TTIP in der Form unterschreiben, wie Ihnen das Vertragswerk bekannt ist, dann verkaufen Sie nicht nur den Mittelstand in Baden-Württemberg,
sondern dann verkaufen Sie das Vorsorgeprinzip, den Mittel stand sowie unsere Demokratie.
Da ist ein afghanischer Teppich mehr wert als das, was Sie uns hier weismachen wollen, was sie uns hier verkaufen.
Das geht nicht.
Wenn Sie zudem noch die Zivilgesellschaft verunglimpfen, kritisieren, dass sich hier gesellschaftliche Gruppen wie Cam pact und andere engagieren, dann ist das auch ein gutes Bei spiel dafür, weshalb es gut ist, dass wir hier an der Regierung sind und nicht mehr Sie.
Wir unterstützen nämlich zivilgesellschaftliches Engagement und wertschätzen es. Das ist auch in Zukunft wichtig für uns, nämlich zivilgesellschaftliches Engagement wertschätzen, aufnehmen und anhören. Das ist Politik auf Augenhöhe.
Ich danke Ihnen.
Herr Minister, Sie haben vorhin einige Zahlen erwähnt. Ich meine, Sie haben die Zahlen für das Jahr 2014 genannt. Oder waren schon Zahlen für das Jahr 2015 dabei?
In der Presse war kürzlich zu lesen, es hätte sich dabei etwas verändert und die Zahlen würden sehr schwanken. Können Sie detailliertere Angaben zur Einreise nach Deutschland aus dem Kosovo für die ersten zehn Wochen dieses Jahres ma chen?
Frau Präsidentin, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Reinhart, ich bin sehr froh, dass wir uns in so vielen Fragen einig sind. Einig sind wir uns zum einen darin, dass es sicherlich besser ist, vier Mal im Jahr einen Europabericht zu bekommen statt nur einmal jährlich. Denn in diesem Bereich gibt es sehr viel Entwicklung.
Einig sind wir uns zum anderen aber auch darin – ich finde Ihre kritischen Anmerkungen in diesem Punkt besonders be merkenswert –, dass die ehemalige Bundesregierung auch ein Stück weit Kritik dafür verdient, dass das EUZBLG trotz des eindeutigen Urteils des Bundesverfassungsgerichts, das die grüne Bundestagsfraktion herbeigeführt hat, bis heute nicht angepasst wurde. Ich denke, es ist höchste Zeit, dass wir hier die Rechte der Länder einfordern, damit wir auch das nötige Maß an Einfluss in Bezug auf europäische Themen bekom men, sodass der Vertrag von Lissabon auch in Baden-Würt temberg tatsächlich Anwendung findet.
Manchen von Ihnen in der Opposition würde ich auch vor schlagen, den Europabericht zu lesen, sobald er bei Ihnen ins Fach geflattert ist. Dies hätte nämlich einige Lügengeschich ten und Rohrkrepierer des gestrigen Tages zum Thema TTIP vermieden. Gleich am Anfang des Berichts können Sie nach lesen – ich wende mich dabei vor allem an die FDP/DVP –, dass die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen immer eine ganz klare, eindeutige Position zu TTIP vertreten haben, an der überhaupt nicht zu rütteln ist. Es trifft nicht zu, dass wir uns in irgendeiner Weise unklar oder gar wirtschafts schädigend verhalten würden.
Stattdessen hätten Sie in der Opposition insgesamt vielleicht besser die schlampige Umsetzung des Investitionspakets, das der Kollege Reinhart erwähnt hat, unter die Lupe nehmen sol len. Zum Glück ist die Projektliste der Bundesregierung für das Investitionspaket von Herrn Juncker mittlerweile im Pa pierkorb verschwunden. Nachdem es unsere Landesregierung nun selbst in die Hand genommen hat, die Projekte nach Brüs sel zu melden, die wir im Rahmen des Investitionspakets von Juncker als innovativ und zukunftweisend erachten, wird die Sache sicherlich besser klappen. Denn diese Landesregierung weiß, was innovativ ist.
Als die Investitionsoffensive im Dezember 2014 von Herrn Juncker medial sehr gut angekündigt wurde, dachten wir: Jetzt ist endlich das Ende der reinen, einseitigen Austeritätspolitik eingeläutet. Nachdem nun aber bekannt wurde, dass die In vestitionsoffensive die Krisenländer alleinlässt – weil diese nämlich gar keinen Zugriff auf den Kapitalmarkt haben –, ist klar, dass diese Länder dort nichts herausfischen können. Jun cker stärkt mit diesem Fonds im Grunde also die Starken, während Länder wie Griechenland, Zypern oder Spanien hin gegen große Mühe haben werden, sich an diesem Investiti
onspaket zu beteiligen, ja, es wird ihnen vollkommen unmög lich sein.
Der Kurs des Kaputtsparens gegenüber Griechenland wird da mit fortgesetzt. Dies zeigt eindrücklich die Summe von 360 Millionen € an Zinsen, die Griechenland allein in den Jahren 2010 bis 2014 an Deutschland gezahlt hat. 360 Millionen € Zinsen! Deutschland verdient in diesem Fall also nicht schlecht an der Krise. Hinzu kommt die Diskussion, die nun neu auf geflammt ist. Der Zeitpunkt hierfür ist aus meiner Sicht nicht günstig gewählt. Aber diese Diskussion poppt jetzt auf; es geht darum, dass seinerzeit 476 Millionen Reichsmark in Form ei ner Zwangsanleihe an das Dritte Reich ausgegeben werden mussten.
Meinem Gerechtigkeitsempfinden entspricht es nicht – – Ich bin gleich fertig; ich möchte diesen Satz nur noch zu Ende führen: Meinem Gerechtigkeitsempfinden entspricht es nicht, dass Kredite von Deutschland nicht zurückgezahlt werden. Wenn wir dies von Griechenland verlangen, können wir es auch von Deutschland verlangen.
Jetzt können wir gern zur Zwischenfrage kommen.
Herr Kößler, bitte.
Sie können einem Mann ohne Ta schen – –
Sie können einem nackten Mann nicht in die Taschen grei fen. Was ich gesagt habe, ist, dass wir mit der reinen Austeri tätspolitik nicht weiterkommen, sondern dass wir an dieser Krise auch verdienen. Dies wird gelegentlich auch von Herrn Schäuble geflissentlich unterschlagen.
Das muss auch Herr Schäuble zur Kenntnis nehmen, Herr Kößler. Es kann allerdings auch – das räume ich ein, Herr Kößler – keine bedingungslose Solidarität geben. Denn wenn Syriza Unterstützung für Zugeständnisse beim Sparkurs er wartet, dann sind sichtbare Erfolge auch bei der Korruptions bekämpfung in der Steuerpolitik nötig.
Das Konzept dafür hat die griechische Regierung vorgelegt, und ihren Willen dazu hat sie bekundet. Nun müssen wir ihr
auch Zeit geben. Die Reformbestrebungen dürfen jetzt nicht stranguliert werden, bevor sie eine Chance zur Umsetzung ha ben.
Wir müssen auch den griechischen Reedern, die ihre Steuern nachzahlen wollen, nun zumindest ein paar Wochen Zeit ge ben, diese Steuern nachzumelden, wie wir das bei den Steu erflüchtlingen in unserem Land auch machen.
Ich will, nachdem der Kollege die Redezeit überzogen hat, noch kurz zu den Flüchtlingen Stellung nehmen. Die gerech te Verteilung, Herr Reinhart, ist natürlich so eine Sache; denn für Deutschland würde sich nicht viel ändern. Es gibt mittler weile Berechnungen, die sagen, für Deutschland würde sich das um einige Tausend hin und her verschieben. Aber wenn man eine gerechte Verteilung nach Wirtschaftskraft, Fläche und Einwohnerzahl vornehmen würde, dann würde Deutsch land in dieser Hinsicht keine großen Schwankungen erleben, wenn gerecht verteilt würde.
Niemand verlässt ohne Not sein Heimatland. Deswegen un terstützen wir mit Reisen von Herrn Minister Friedrich und von Frau Ministerin Krebs in das Kosovo sowohl die Bekämp fung der Fluchtursachen im Kosovo als auch die menschen würdige Behandlung von Flüchtlingen in Baden-Württem berg. Wir sind schon im Rahmen der Donauraumstrategie und in der Gemischten Regierungskommission aktiv – das kön nen Sie im Bericht nachlesen –, aber wir bauen auch Brücken zwischen den Roma-Initiativen – Stichwort Grundschulen –, wir implementieren ein duales Ausbildungssystem in Rumä nien und betreuen benachteiligte Roma in Rumänien.
Bitte?
Ja, natürlich, mit 200 000 € in den nächsten beiden Jahren allein für Sinti und Roma. Ich denke, das ist ein guter Beitrag.
Die Frage, wie wir in Europa mit Minderheiten umgehen, ist ein zentraler Gradmesser für das Miteinander insgesamt in der EU. Wenn sich Baden-Württemberg also als Land für eine ver besserte Situation der Roma zwischen Schwarzwald und Schwarzem Meer einsetzt, trägt es in großem Maße auch zum Gelingen der gesamteuropäischen Integration bei.
Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin wirklich dankbar, dass wir heute diese Dis kussion führen, weil sie zwei wichtige Fazite zulässt.
Herr Kollege Reinhart, wenn Sie die 1 600 Seiten nicht lesen und letztlich dennoch die Risiken und Chancen genau kennen, dann beglückwünsche ich Sie. Wenn man so Politik macht und Chancen und Risiken abwägen kann, ohne Vorlagen ge lesen zu haben, dann ist das eine erstklassige Sache.
Das ist ein weiteres Zeichen dafür, dass wir im nächsten Jahr dieses Land weiter regieren müssen, weil Sie nämlich auf grund dieser Analysen Ihre Entscheidungen treffen.
Der zweite Punkt ist an die FDP/DVP gerichtet. Schiedsge richtsverfahren als Chancen für den Mittelstand zu begreifen, das finde ich – –
Das haben Sie vorhin gesagt. Sie haben gesagt, der badenwürttembergische Mittelstand brauche Schiedsgerichtsverfah ren, weil es unserem Land nur damit gut gehe.
Wenn Sie einmal hören, was der Verband von Herrn Reinhart, der jetzt nicht mehr anwesend ist, zu den Schiedsgerichtsver fahren sagt, dann ist die Sache völlig klar. Wir greifen mit sol chen Schiedsgerichtsverfahren die Demokratie an.
Das wird beispielsweise daran deutlich, dass Philip Morris Uruguay verklagt, nur weil in Uruguay ein Nichtraucher schutzgesetz auf den Weg gebracht wird. Dabei verklagt Phi lip Morris den Staat wegen verloren gegangener Gewinne. Daran wird deutlich, was auf uns zukommen kann. Ähnliches gilt, wenn ein amerikanisches Unternehmen Kanada verklagt, weil es wegen eines Fracking-Moratoriums dort kein Gas för dern kann.
Das sind die Aussichten, denen wir uns gegenübersehen, wenn wir nicht frühzeitig unsere Demokratie verteidigen.
Bei Schiedsgerichtsverfahren zeigt sich genau das Phänomen, vor dem Montesquieu bereits 1748 gewarnt hat. Bei zwei Ver tretern von Wirtschaftsunternehmen und einem Schiedsrich ter entsteht nämlich die Situation, dass wechselnde Hüte auf gesetzt werden, sodass Legislative, Exekutive und Judikative in einem Saal sitzen. Diese sind aber nicht öffentlich bestellt, sondern werden privat eingerichtet.
Das betrachten Sie als Chance für den Mittelstand. Ich muss Ihnen sagen, es überfordert unsere Leute, wenn sie mit gro ßen Unternehmen an einem Tisch sitzen und mit diesen ver handeln, wobei die Richter nicht öffentlich bestellt worden sind, sondern im freien Feld Recht sprechen sollen.
Insofern haben Sie nichts dazugelernt. Ich will noch weiter gehen. Vielleicht sagt Ihnen der Chill-Effekt etwas. In Aust ralien beispielsweise ist ein Gesetzgebungsverfahren auf Eis gelegt worden, weil ein Tabakunternehmen gegen Neuseeland geklagt hat. Das zeigt, dass die Legislative auf Schiedsge richtsverfahren reagiert im Vorgriff auf eine mögliche Ent scheidung in einem anderen Land. So darf sich die Demokra tie aber nicht einschränken lassen. Diese Debatte hat gezeigt, welch gespaltenes Verhältnis Sie zur Demokratie haben.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit dem Landesglücksspielgesetz konnten wir im Jahr 2012 einen Meilenstein in Sachen Prävention im Glücks spielbereich setzen. Dank der grundsätzlichen Abstandsrege lung von 500 m sorgen wir mit Erfolg dafür, dass Spielhallen ausreichend weit von Kinder- und Jugendeinrichtungen ent fernt sind. Das Gesetz schützt nicht nur Kinder und Jugendli che, sondern auch Spieler, die in vielen Kommunen und Ge meinden des Landes allzu leicht in Glücksspieleinrichtungen hängen bleiben, weil die Dichte dieser Einrichtungen dort zu groß wurde.
Dabei wissen wir, dass gerade von Spielautomaten ein erhöh tes Suchtpotenzial ausgeht, wenn sie leicht und häufig verfüg bar sind. Die von uns eingebrachte Abstandsregelung, Herr Kößler, trägt also mit dem obligatorischen Sozialkonzept maß geblich zur Prävention bei.
Ich glaube, ich habe Sie vorhin nicht ganz richtig verstanden. Sie haben gesagt, das Gericht habe die Klagen hinsichtlich Mehrfachkonzession und Mindestabstand für die Spielhallen zwar zurückgewiesen, aber nicht inhaltlich geprüft. Das fin de ich schon ein bisschen abenteuerlich.
Der Staatsgerichtshof hat ganz eindeutig gesagt, diese Rege lungen im Glücksspieländerungsstaatsvertrag seien verfas sungsgemäß, und hat lediglich zwei Punkte beanstandet. Ei nen davon behandeln wir heute. An diese Frist – das haben Sie erläutert – gehen wir jetzt heran. Die Vorverlegung vom 28. Februar 2017 auf den 29. Februar 2016 wird heute vorge nommen. Einen Nutzen haben davon einerseits die unteren Verwaltungsbehörden und andererseits die Betreiber von Spielhallen, weil sie früher Bescheid wissen. Das Entschei dende ist aber – –
Ja, bitte.
Ja, wenn Sie wollen, bitte.
Natürlich. Das ist halt der Unter schied zu Schiedsgerichten, dass man hier eine öffentliche Klagemöglichkeit hat. Das ist im Rahmen der Demokratie möglich, und dieser Situation sehen wir mit Gelassenheit ent gegen. Diese Situation hätten wir bei Schiedsgerichtsklagen, wie sie beispielsweise in den Verhandlungen zu TTIP disku tiert werden, nicht.
Das Entscheidende ist aber, dass unser Landesglücksspielge setz nicht nur hier in Baden-Württemberg, sondern auch bun desweit für Maßstäbe gesorgt hat. Eine Sorge möchte ich Ih nen hier auch mitteilen, nämlich dass wir auf Bundesebene in dieser Hinsicht in eine Sackgasse laufen bzw. dass unser gu tes Gesetz unterlaufen wird. Denn dort hatte man im Jahr 2006 die Spielverordnung, die Regelungen zu Automaten in Gast stätten enthält, so novelliert, dass zwischen 2006 und 2010 insgesamt 12 240 Glücksspielkonzessionen erteilt wurden. Das ist ein Anstieg von 20,1 % innerhalb von vier Jahren. Doch nicht nur die Zahl der Konzessionen, sondern in der Konsequenz auch das pathologische Glücksspiel stiegen so stark an, dass sich die Anzahl der Selbsthilfegruppen für Spiel süchtige auf 206 fast verdoppelt hat.
Nachdem man sich im Bundesrat im Mai 2013 in dieser Sa che mehrheitlich für eine Verschärfung ausgesprochen hatte, wurde im Bundesgesetzblatt die Verordnung vom 4. Novem ber 2014 zur Änderung der Spielverordnung veröffentlicht. Darin ist nicht mehr von der ursprünglich vorgesehenen Re duzierung auf einen Spielautomaten pro Gaststätte, sondern von zwei Spielautomaten pro Gaststätte die Rede. Das heißt, wenn es so kommt, wie es auf Bundesebene geplant ist, müs sen wir befürchten, dass in Zukunft eine Verlagerung in Gast stätten stattfindet. Dem müssen wir entgegenwirken.
Selbst der Deutsche Städtetag hat sich im Mai 2013 für ein Verbot von Spielautomaten in Gaststätten eingesetzt. Hinter diese Forderung sollten wir uns eigentlich stellen.
Wir stimmen der Gesetzesänderung natürlich zu und wün schen uns, dass die Sperrdateiregelung noch in diesem Jahr fristgerecht der Legislative vorgelegt wird.
Ich danke Ihnen.
Bedeutet Junckers Investitionsof fensive für Europa ein Ende der Austeritätspolitik? Nötig wä re sie allemal, da das Investitionsniveau seit 2007 in der EU um 15 % gesunken ist, in Griechenland sogar um 64 %. Ein Paradigmenwechsel der EU könnte, nein müsste sich hier an bahnen.
Doch nur auf den ersten Blick ist es eine gute Investitionsof fensive. Die von der EU zur Verfügung gestellten 21 Milliar den € setzen sich aus 13 Milliarden € eines Fonds für Kredi te an die Mitgliedsstaaten und 8 Milliarden € aus Geldern be stehender Haushaltstitel zusammen. Diese 8 Milliarden € feh len nun in der Zukunft im Wissenschafts- und Verkehrsinfra strukturbereich. Das ist kein nachhaltiges Wirtschaften, wenn das gleiche Geld von der rechten Hosentasche in die linke Ho sentasche wandert.
Ob ein 15-facher Hebel dieses Geld durch die Mitgliedsstaa ten auf die gewünschten 315 Milliarden € erhöht, ist mehr als fraglich.
Die Mitgliedsstaaten wurden im vergangenen Jahr aufgefor dert, der Kommission innovative Projekte zu melden, die von hoher sozioökonomischer Rendite und europäischer Bedeu tung sind.
Die deutsche Bundesregierung hat daraufhin 58 Projekte an die Kommission gemeldet – an Bundestag und Bundesrat vor bei. Das ist eine Missachtung der Parlamente und zeigt, dass die Bundesregierung seit der Fiskalpakt-Schlappe vor dem Bundesverfassungsgericht im Jahr 2012 nichts verstanden hat und weiterhin die Parlamente in Europaangelegenheiten zu umgehen versucht.
Von diesen gemeldeten 58 Projekten befinden sich drei Auto bahnprojekte aus Baden-Württemberg auf der Liste. Die fin den Sie bereits allesamt auch im Bundesverkehrswegeplan. Sie sind aber umstritten oder noch nicht durchfinanziert.
Was zeigt uns das? Die Definition der Bundesregierung von innovativen Projekten mit hoher sozioökonomischer Rendite ist der Bau von Autobahnen.