Manfred Hollenbach

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Last Statements

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zwei Aufgaben haben wir als Abgeordnete nach un serer Landesverfassung: erstens Gesetze zu beschließen und zweitens die Verwaltung zu kontrollieren. Um den zweiten Punkt geht es heute, in der letzten Sitzung dieser Legislatur periode. Wir sollen die Verwaltung überwachen. Da sind un sere Mittel als Abgeordnete doch beschränkt. Ein Glück, dass uns kompetente Partner zur Seite stehen, die uns fachlich be raten und, Herr Munding, parteineutral die Dinge beurteilen und bewerten.
Aber der Rechnungshof ist auch ein kritischer Begleiter un serer Arbeit. Wir sind sehr dankbar für die Arbeit des Rech nungshofs, denn wir wären andernfalls reichlich hilflos, um diesen Verfassungsauftrag, die vollziehende Gewalt zu über wachen, auszuführen. Ja, wir wären ein im Nebel stochernder zahnloser Tiger.
Deshalb danken wir Ihnen, Herr Präsident Munding, dem Rechnungshof, Ihren Stellvertretern und allen Ihren Mitarbei terinnen und Mitarbeitern für diese wertvolle, für uns unver zichtbare Arbeit.
Sie geben der Verwaltung – das haben Sie auch heute wieder bewiesen – weit über Ihren Prüfungsauftrag hinausgehende wertvolle Hinweise. Sie regen Verbesserungen an, fordern Einsparungen, mahnen und machen mit Ihren Beratenden Äu ßerungen Vorschläge, die mittel- und langfristig ein wirt schaftlicheres und effizienteres Arbeiten in der Verwaltung er möglichen. Für diese Beratenden Äußerungen ein besonderes Dankeschön und gleichzeitig eine kleine Entschuldigung: Auch wenn nicht alle Anregungen, die Sie geben, auf frucht baren Boden fallen, Anlass für Diskussionen und zum Nach denken sind sie immer.
Ich möchte nun nicht all die 20 Empfehlungen und Prüfun gen, die Sie in der Denkschrift 2015 aufgelistet haben, noch mals ansprechen. Einige haben Sie hier erwähnt. Aber ich möchte zwei in Erinnerung rufen, die Sie soeben nicht genannt haben.
Erstens: Sie haben darauf hingewiesen, dass es eine gesetzli che Verpflichtung gibt, bei neuen Gesetzen eine Abschätzung der Folgekosten vorzunehmen. Ich bin überzeugt, wenn die se Kostenabschätzungen gewissenhaft gemacht worden wä ren, dann hätten wir manche Gesetze in dieser Legislaturpe riode nicht verabschieden dürfen. Sie haben, Herr Munding, auch einige Beispiele genannt: das Personalvertretungsgesetz, das Bildungszeitgesetz, den Nationalpark Schwarzwald – al les Gesetze, die Kosten nach sich ziehen, die wir wahrschein lich nicht so bewertet haben; zumindest nicht diejenigen, die diese Gesetze beschlossen haben. Auch gestern haben wir wie der so etwas erlebt, nämlich beim Gesetz über einen Bürger beauftragten. Dieses Gesetz wurde im Eilverfahren durchge winkt, aber was es in langer Frist kosten wird, das wurde ganz bestimmt nicht in die Überlegungen einbezogen.
Diese Bemerkung war mir sehr wichtig. Ich denke, diese be schlossenen Gesetze, die Kosten verursachen, werden künfti ge Haushalte belasten, und sie werden eines Tages vielleicht auch Altlasten der jetzigen Legislatur sein.
Eine weitere Bemerkung im Prüfungsbericht möchte ich noch ansprechen. Das ist die Untersuchung der Beauftragung von Beratungsleistungen durch das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur. Da wurden klare Verstöße gegen den Sparsam keitsgrundsatz festgestellt.
Ihre Zeit bekomme ich angerechnet. – Nein, Sie haben Gel der nicht abgerufen, weil Sie nicht rechtzeitig geplant haben, und haben dadurch dem Land Schaden zugefügt.
Der Rechnungshof – das kann ich Ihnen zitieren – schreibt hier: Das Ministerium hat Aufträge erteilt, sich nicht auf sei ne Kernaufgaben konzentriert, und er hat gebeten und aufge fordert, externen Sachverstand nicht mehr einzukaufen, son dern den eigenen Sachverstand walten zu lassen.
So gibt es noch eine ganze Menge von Anmerkungen, wo und wie gespart werden könnte und wie der Haushalt konsolidiert werden könnte.
Wir haben vor fünf Jahren, als die Regierung antrat, die bis jetzt dieses Land regiert, laute Aufschreie gehört, in welch schlimmer und desolater Finanzsituation sich das Land Ba den-Württemberg befinde. Von Erb- und Altlasten, von struk turellen Defiziten wurde gesprochen, und kraftvoll und laut hals wurde eine Konsolidierung des Haushalts angekündigt. Doch was ist geschehen? Nichts! Im Gegenteil: Es wurden laufend neue Verpflichtungen übernommen, Personal auf- statt abgebaut
und neue Kosten produziert. Von Sparen keine Spur!
Der Rechnungshof schreibt in seiner Denkschrift zu diesen Konsolidierungskonzepten, die immer wieder angekündigt wurden:
Die bisherigen Konsolidierungserfolge hat die Landesre gierung überwiegend durch Kürzungen im kommunalen Finanzausgleich und durch finanzwirtschaftliche Effekte wie überdurchschnittliche Steuereinnahmen und ein his torisch niedriges Zinsniveau erreicht.
Also: durch Einsparungen bei den Kommunen, durch mehr Steuereinnahmen, aber nicht durch Sparen.
Was mich aber noch mehr irritiert und sogar schockt, ist die Tatsache, dass das Ministerium keinerlei Einsicht zeigt. Man schreibt lediglich, man habe mit dem Bund verhandelt, um an mehr Geld zu kommen. Natürlich ist es notwendig, dass man mit dem Bund verhandelt. Herr Munding, Sie haben auch auf die Verhandlungen wegen des Länderfinanzausgleichs hinge wiesen und erwähnt, dass sich zwar die Länder schon auf ein Konzept geeinigt haben, aber der dritte und wichtigste Part ner noch außen vor ist. Man erwartet nämlich 9 Millionen € vom Bund.
9 Milliarden €, Entschuldigung. – Dass diese Mittel gewährt werden, mag ich doch sehr bezweifeln.
Meine Damen und Herren, die Denkschrift 2015 ist die letz te Denkschrift in dieser Legislaturperiode. Deshalb noch ein kurzer Rückblick auf diese fünf Jahre. Es waren wirtschaft lich und für die öffentlichen Haushalte die besten Jahre,
die ich in den fünf Jahrzehnten, in denen ich öffentliche Haus halte beobachtet habe, erlebt habe.
Gestern erklärte der Finanzminister:
Baden-Württemberg geht es so gut wie nie zuvor.
Ja, richtig. Und:
Das Land ist bei uns
nämlich bei der jetzigen Regierung –
in besten Händen.
Den ersten Teil dieser Aussage kann ich unterstreichen –
uns geht es wirklich sehr gut –, aber die Schlussfolgerung ist für mich eine andere.
Ich sage nämlich: Dem Land geht es trotz dieser Regierung gut.
Denn die Situation wird nicht von Sparen und klugem Han deln bestimmt, sondern wird durch die hohen Steuereinnah men bestimmt. Das ist das Verdienst der Wirtschaft und der Menschen, die in diesem Land täglich zur Arbeit gehen, un seren Wohlstand erarbeiten und Einnahmen für das Land ab liefern. An zwei Zahlen möchte ich das verdeutlichen: Die Steuereinnahmen dieses Landes lagen 2010 bei 24,8 Milliar den € und 2014 bei 31,8 Milliarden € –
im Jahr 2014 waren es 7 Milliarden € mehr als 2010.
Ich höre den Zwischenruf „Brutto!“. Natürlich weiß ich,
dass Aufwendungen für den kommunalen Finanzausgleich ab gehen
und dass ein Teil auch an den Länderfinanzausgleich abgeht.
Aber es standen mindestens 4 Milliarden € netto mehr zur Ver fügung, und trotzdem haben Sie einen Haushalt nur durch Schuldenaufnahme ausgleichen können. Und das wird als sparsame Wirtschaftsführung bezeichnet?
Wenn man für Sparen Noten verteilen könnte und dürfte –
ich weiß, Grün-Rot will keine Noten; Sie wollen auch in der Schule keine Noten –,
müsste man die Note „Sechs“, „ungenügend“, geben.
Ja, weil wir nie so viele Steuern eingenommen haben.
Entschuldigung, Herr Drexler, die Zahlen habe ich schon parat:
Im Jahr 2014 waren es Steuereinnahmen in Höhe von 31 Mil liarden €, und jetzt sind es sogar 33 Milliarden €. Das ist ei ne andere Zeit als damals.
Auf jeden Fall haben Sie nicht gespart; das wäre aber notwen dig gewesen.
Meine Damen und Herren, wenn bezogen auf das Wort Haus haltskonsolidierung bei Ihnen nur Fehlanzeige zu verzeich nen ist, dann kann man wirklich nur sagen: In den vergange nen fünf Jahren wurde keine solide Arbeit geleistet.
Meine Damen und Herren, ich sehe, dass meine Redezeit zu Ende ist.
Für viele Kolleginnen und Kollegen – neben mir auch für ei nige andere – geht nun die Zeit hier im Landtag zu Ende. Man geht natürlich mit ganz bestimmten Gedanken von dannen. Ich kann nur sagen: Ich habe trotz des Gefühls, man hätte so manches anders oder auch besser machen können, doch auch einige beruhigende Erkenntnisse gewonnen. Die erste ist: Ich bin sehr glücklich, dass wir seit 70 Jahren in einem Land le ben dürfen, in dem sich eine stabile und lebendige Demokra tie entwickelt hat. Ich hoffe, dass dies am 13. März auch von vielen, vielen Wählerinnen und Wählern so gesehen und be stätigt wird.
Ich freue mich aber besonders, dass die Wirtschaft in unserem Land – dank der fleißigen und unternehmerisch mutigen und kreativen Menschen – wirklich Arbeitsplätze und Steuern für unser Land hervorbringt, dass Bauern, Gärtner und Weingärt ner gesunde Lebensmittel in ausreichender Menge produzie ren und zudem unsere Landschaft pflegen. Mich beruhigt, dass es in unserem Land unzählig viele Menschen gibt, die sich eh renamtlich betätigen, und dass die kommunale Selbstverwal tung stark und selbstbewusst ist.
Es beruhigt mich etwas – dies zum Schluss –, was auch Herr Präsident Munding angesprochen hat, nämlich dass wir eine sehr gute öffentliche Verwaltung haben, wobei ich da die Po lizei, die Justiz und auch den Rechnungshof einbeziehe. Mit
bestens ausgebildeten, fachlich qualifizierten, motivierten und loyalen Mitarbeitern können wir eine gute Verwaltung dar stellen. Das stabilisiert unseren Staat. Diese Verwaltung ist ei ne tragende Säule unseres Staatswesens.
Dies und den Rechtsstaat zu erhalten, meine Damen und Her ren, ist mein Wunsch. Denn die Erkenntnis von Bismarck gilt für mich auch heute noch; sie hat mir die letzten fünf Jahre das Leben hier auch einigermaßen erträglich gemacht.
Diese Erkenntnis lautet nämlich:
Mit schlechten Gesetzen und guten Beamten lässt sich im mer noch regieren. Bei schlechten Beamten aber helfen uns die besten Gesetze nichts.
Ich hoffe, wir behalten uns unsere guten Beamten. In diesem Sinn wünsche ich uns allen eine gute Zukunft.
Herr Präsident, ich hoffe, dass meine Frage zu dem Thema passt.
Frau Ministerin, Sie haben erklärt, warum Sie die Verlänge rung des Vertrags von Herrn Petras von Ihrem Haus aus initi iert haben, obwohl Herr Petras das gar nicht wünschte, wie er in der Presse sagte. Es geht ja gar nicht um die Frage, ob man verlängert oder nicht – diese Frage hat Frau Kurtz nicht ge stellt –, sondern es geht um das Verfahren. Sie haben erklärt, bei solchen Personalentscheidungen sei es nicht opportun, den betreffenden Punkt auf die Tagesordnung zu setzen.
Nun habe ich erfahren, dass die jetzige Landesregierung sehr viel für Offenheit plädiert und alles offen machen möchte. Wie passt es zusammen, dass Sie dem Verwaltungsrat eine so wich tige Entscheidung abverlangen, ohne diesen Punkt auf die Ta gesordnung gesetzt zu haben, während sonst immer Vorschrif ten gemacht werden, die Sie mit zu verantworten haben, wo nach alles öffentlich zu machen ist? Ich verweise auf die Ge meindeordnung. Als langjähriger Bürgermeister höre ich fast jeden Tag: „Es ist unerträglich, welche Vorschriften man in
den letzten Wochen in die Gemeindeordnung geschrieben hat, um Gemeinderatsarbeit so genannt öffentlich und transparent zu machen, obwohl das die Arbeit erschwert oder fast unmög lich macht.“ Wie passt dieses Verhalten von Ihnen in der Sa che „Verlängerung Vertrag Petras“ mit den sonstigen Thesen zusammen, die hier im Haus immer wieder verkündet wer den?
Herr Präsident, sehr ver ehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum wiederholten Mal beraten wir in kurzer Zeit über die Än derung der Gemeindeordnung. Zum dritten Mal innerhalb we niger Monate legt uns die Landesregierung einen Gesetzent wurf zur Änderung dieses nun 60 Jahre alten bedeutenden und wichtigen kommunalpolitischen Gesetzes vor.
Inhaltlich gibt es sehr wenig dazu zu sagen, aber man fragt sich natürlich: Warum wird so ein wichtiges Gesetz scheib chenweise geändert? Dieses Gesetz ist nämlich wichtig. Es wird jetzt genau 60 Jahre alt. Im Jahr 1955 wurden hier im Landtag die Kommunalverfassungsgesetze beraten und ver abschiedet, am 1. April 1956 sind sie in Kraft getreten. Immer wieder wurde daran etwas verändert, aber noch nie in kurzer Zeit scheibchenweise so vieles.
Man fragt sich da natürlich: Warum ist das so? Man könnte zu derselben Begründung kommen wie vorhin Kollege Throm: Man ist sich nicht ganz einig, was man nun ändert. Denn ei nige dieser Änderungen sind der Einführung der Doppik ge schuldet. Das war ja auch in der Vergangenheit immer wieder umstritten. Ich kann mich gut daran erinnern, dass einige Kan
didaten von Grün und Rot vor der Landtagswahl 2011 durchs Land gezogen sind und gesagt haben: „Wir werden das schon ändern. Wir lassen das nicht so stehen.“
Im Koalitionsvertrag steht ja auch die Passage – ich habe ihn deshalb mitgebracht –:
Wir werden ein Wahlrecht zwischen den beiden Systemen Kameralistik und Doppik einführen.
Jetzt geht die Amtszeit zu Ende, aber dieses Versprechen ha ben Sie nicht eingehalten.
Ich kann nur sagen: Es ist gut so. Es ist ganz vernünftig, dass Sie dieses Wahlrecht nicht einführen. Aber jetzt ändern Sie die Gemeindeordnung, um den Anforderungen der Einfüh rung der Doppik gerecht zu werden.
Ich habe es ja gesagt. Ich bin der Meinung, es ist richtig, dass Sie die Änderung nicht vornehmen. Aber Sie haben den Leuten etwas versprochen, was Sie nicht halten, und die wer den natürlich auch enttäuscht sein, dass Sie wieder einmal ein Versprechen nicht gehalten haben.
Ansonsten kann man zu diesem Gesetz nur sagen: Es sind Be griffsdefinitionen, Begriffserläuterungen dabei. Etwas verste he ich nicht ganz. Es erschließt sich mir nicht, weshalb man bei § 87 Absatz 1 noch hinzufügt, wie man innere Darlehen umwandelt. Da hätte man es bei der jetzigen Rechtslage auch belassen können; aber das schadet niemandem.
Ich denke, man kann der Änderung der Gemeindeordnung und auch des Gesetzes, nach dem die Kommunen für die Unter bringung der Notariate Entschädigungen bekommen, zustim men. Es gibt kein Problem. Wir stimmen zu.
Frau Präsidentin, verehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch nach wiederholter Beratung dieses Gesetzentwurfs bzw. des Anliegens der FDP/DVP-Fraktion, die Gemeindeordnung zu ändern und dort in die §§ 77 und 102 die Worte „Spekulative Finanzgeschäfte sind verboten“ aufzunehmen, und auch nach intensiven Beratungen in unserer Fraktion sind wir nicht zu der Überzeugung gekommen, dass wir diesem Gesetzentwurf zustimmen.
Die Gründe haben wir hier wiederholt vorgetragen. Wir tei len die Auffassung von Städtetag, Landkreistag und Gemein detag, dass die bisherigen Formulierungen in der Gemeinde ordnung, nämlich sparsam und wirtschaftlich zu agieren, bei Finanzgeschäften ausreichen und das beinhalten, was der Ge setzentwurf der FDP/DVP beabsichtigt.
Wir sind heute sogar in noch stärkerem Maß davon überzeugt, dass der Satz „Spekulative Finanzgeschäfte sind verboten“ nicht in ein Gesetz gehört. Denn dann müsste man wirklich anfangen, konkret darüber nachzudenken: Was sind Spekula tionsgeschäfte? Letztendlich ist jedes Geldgeschäft, ob es ei ne Geldanlage zu einem bestimmten Zins ist oder eine Kre ditaufnahme mit der Verpflichtung, Zinsen zu zahlen, immer ein Spekulationsgeschäft.
Wer lange genug dabei ist, weiß: Es gab Zeiten, in denen man für einen Kredit 6, 7 oder 8 % Zinsen zahlen musste. Als der Zinssatz schließlich auf 4 % heruntergegangen ist, haben vie le Darlehensnehmer langfristige Verträge abgeschlossen. Im Nachhinein hat sich das als ein Fehlgeschäft herausgestellt. Denn heute bekommen sie Kredite zu einem Zinssatz von 2 % oder sogar zu einem noch günstigeren Zinssatz. Also: Was ist Spekulation?
Insofern: Diese Oberbegriffe „wirtschaftlich“, „sparsam“ und letztendlich auch „gewissenhaft“ gelten. Ich bin auch über zeugt, dass die Verantwortlichen in den Städten und Gemein den gewissenhaft gehandelt haben und handeln. Die wenigen, die da wirklich ihren Wunsch nach Spekulation ausleben woll ten und damit auf die Nase gefallen sind, wie man volkstüm lich sagt, müssen eben in Gottes Namen damit leben.
Deshalb sind wir der Meinung, dass die jetzige Gesetzesrege lung ausreicht.
Notwendig aber ist, Herr Innenminister, dass der sogenannte Derivateerlass, die Verwaltungsvorschrift, wie mit Derivaten umzugehen ist, dringend neu formuliert werden muss. Denn es gibt seit 1998, seit dieser Erlass erstmals veröffentlicht wur de, neue Begriffe, neue Finanzgeschäfte, und diese müssen in diesem Derivateerlass auch geregelt werden.
Aber – das möchte ich hinzufügen – man muss auch aufpas sen, dass man den Bogen nicht überspannt und die Grenzen nicht zu eng zieht. Denn letztendlich müssen Kommunen und vor allem Stadtwerke und Verkehrsunternehmen noch hand lungsfähig bleiben. Es gibt gerade in der Energieversorgung bzw. in der Verkehrswirtschaft die Notwendigkeit, längerfris tige Verträge abzuschließen, sich längerfristig einen Preis zum Einkauf von Energie oder von Rohstoffen zu sichern. Das sind letzten Endes auch Derivate. Es muss natürlich nach wie vor möglich sein, längerfristige Verträge – auch mit gewissen Schwankungen – zuzulassen. Wir hoffen, Herr Minister, dass dies in der nun bald kommenden Verwaltungsvorschrift De rivate enthalten ist. Das ist meines Erachtens ausreichend, und eine Ergänzung der Gemeindeordnung ist aus diesem Grund nicht erforderlich.
Wir werden deshalb den Gesetzentwurf der FDP/DVP ableh nen.
Danke schön.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bausparkassen sind eine sehr stabile Institution und kommen nicht gleich ins Wanken, wenn Sie, Herr Innenminister, nach dem Aufruf des Tagesord nungspunkts ein paar Minuten zu spät kommen.
Die Bausparkassen sind in einem Land, das sich „Land der Häuslebauer“ nennt, ein sehr wichtiger, ja unverzichtbarer Wirtschaftspartner. Viel privates Wohnungs- und Hauseigen tum wäre wahrscheinlich nicht zustande gekommen – insbe sondere in der Zeit des Aufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg –, wenn es die Bausparkassen nicht gegeben hätte. Das Mo dell der Bausparkasse – eine gewisse Zeit sparen und dann mit einem gesicherten Zinssatz Kredite bekommen – ist ein Erfolgsmodell, das ganz besonders in Baden-Württemberg se gensreich gewirkt hat. Es spricht für sich, dass der Sitz von großen Bausparkassen in Baden-Württemberg liegt. Auch die öffentlich-rechtlichen Bausparkassen, getragen von den Spar kassen, spielen da eine große und bedeutende Rolle.
Seit Jahrzehnten hat sich am Modell der Bausparkasse nichts Wesentliches geändert. Aber die großen Veränderungen, die in der internationalen Finanzwirtschaft in den letzten Jahren eingetreten sind, mit der Niedrigzinspolitik, die ja von den Re gierungen schon etwas gesteuert und gewollt ist, bringen die Bausparkassen in gewisse Probleme und fordern eine Neu ausrichtung.
Wenn nun die LBS Baden-Württemberg Kontakt zu einem Partner in einem Nachbarland aufnimmt, um neue wirtschaft liche Konzepte zu entwickeln, dann ist das sehr lobenswert und muss meines Erachtens von allen Seiten unterstützt wer den.
Wir hier im Landtag von Baden-Württemberg haben nicht die Aufgabe, über die Frage der Wirtschaftlichkeit und über Fra gen der Risiken in diesem Bereich zu diskutieren. Wir müs sen die Rechtsgrundlage schaffen, damit eine Fusion, ein Zu sammengehen dieser beiden Bausparkassen so, wie sie es sich vorstellen, möglich wird. Der Herr Innenminister hat dazu ei niges ausgeführt.
Wenn wir im gesamten Finanz- und Kreditwesen einen öffent lich-rechtlichen Partner erhalten wollen, dann müssen wir eben auch handeln, wenn die Institute – in diesem Fall die bei den Bausparkassen – etwas verändern wollen, indem wir die Rechtsgrundlagen schaffen. Zu den Rechtsgrundlagen gehört zum einen der Staatsvertrag, der notwendig ist, wenn eine öf fentlich-rechtliche Aufgabe in mehreren Ländern verwirklicht werden soll, und zum anderen das Sparkassengesetz, das bis her die Rechtsgrundlage darstellt.
Wir sind der Meinung: Das ist richtig, und das kann man nur unterstützen. Verantwortlich – das hat der Minister auch an geführt – sind die Gremien der beiden Bausparkassen, sind
die Gremien der Sparkassen, die Sparkassenverbände. Wie wir hören, sind die Verhandlungen schon sehr weit gediehen, sodass man davon ausgehen kann, dass sie zu einem Erfolg geführt werden.
Deshalb, meine Damen und Herren, denke ich, haben wir die Aufgabe, dies zu unterstützen und zu begleiten. Wir können eigentlich auch schon aus heutiger Sicht feststellen: Dieses neue Institut wird wohl die größte Landesbausparkasse Deutschlands sein, wenn dieses Institut zustande kommt.
Risiken sind mit jedem Geschäft verbunden. Das ist logisch. Die Risiken müssen die Verantwortlichen abklären und be werten. Ein kleiner Verlust ist für uns natürlich dabei: Das Wort „Baden-Württemberg“ wird dann nicht mehr hinter ei ner öffentlich-rechtlichen Bausparkasse stehen. Aber „Süd west“ klingt ja auch nicht schlecht.
In diesem Sinn werden wir die Fusion positiv begleiten. Ich hoffe, dieses Haus insgesamt unterstützt diese Idee einer Fu sion von Bausparkassen, damit das Modell Bausparkasse bei uns eine Zukunft hat.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Professor Goll, ich bin kein Juraprofessor und kein Jurist, der so detailliert, wie Sie es können, die Unterschiede zwischen Wirtschaftsrecht, Ge meinderecht und BGB tiefschürfend herausarbeiten kann, und ich bin auch nicht der Meinung, dass mit diesem Gesetzent wurf, den Sie heute vorlegen, in das kommunale Selbstver waltungsrecht eingegriffen wird.
Ihr Anliegen ist, wie Sie soeben dargelegt haben, die Kom munen, Städte, Gemeinden und Landkreise, bei Finanzge schäften vor Schaden zu schützen. Diesem Anliegen kann man ohne Weiteres folgen, und ich denke, das ist unser aller An liegen. Aber die Frage ist eben, ob mit dieser Gesetzesände rung, nämlich mit dem Zusatz „Spekulationsgeschäfte sind verboten“, diesem Anliegen so Rechnung getragen wird bzw. getragen werden kann, wie Sie es gern hätten. Denn es ist mei nes Erachtens schon jetzt – Sie haben dem nicht widerspro chen – verboten, Spekulationsgeschäfte zu machen. Es ist nicht explizit so formuliert, aber die §§ 77, 78 und 102 der Gemeindeordnung sowie die Gemeindehaushaltsverordnung enthalten Formulierungen, die zu diesem Schluss führen. Des halb, meine ich, ist das Anliegen berechtigt. Aus diesem Grund aber eine Gesetzesänderung zu formulieren, ist für mich nicht nachvollziehbar.
Wir haben bereits 2012 – Sie haben darauf hingewiesen – in tensiv darüber beraten, und schon damals war Ihr Gesetzent wurf, der wieder wörtlich übernommen worden ist, was die Spekulationsgeschäfte betrifft, nicht zielführend. Jeder, der einen Vertrag abschließt, ein Rechtsgeschäft macht, muss prü fen, ob die Rechtsgrundlage gegeben ist, und der Partner wird versuchen, ihn zu überzeugen, dass dieses Rechtsgeschäft rechtsgültig ist, denn sonst kommt es nicht zu diesem.
Ich bin überzeugt, dass selbst mit der Formulierung, die Sie jetzt vorschlagen, immer wieder Ideen geboren werden bei den Menschen, die solche Geschäfte machen, die jemanden zu der Überzeugung bringen: Dieses Geschäft ist so in Ord nung. Ich erinnere mich sehr gut an die Diskussion, als CrossBorder-Leasing durch das Land geisterte. Ich war selbst Mit glied einer Verbandsversammlung, als man darüber entschied. Da haben juristische, finanzpolitische Experten oder Finanzi ers überzeugend dargelegt, dass es gute Geschäfte seien. So kann man es bei anderen Dingen auch tun.
Deshalb meine ich: Wir sollten dem alten Grundsatz treu blei ben, in einem Gesetz die Grundzüge zu formulieren und die Ausformungen jenen zu überlassen, die dieses Gesetz anwen den. Das tun – davon bin ich überzeugt – in den Gemeinden Baden-Württembergs die meisten.
In Ihrer Anfrage, die Sie zu den Fremdwährungskrediten ge stellt haben, kommt dies deutlich zum Ausdruck. Zehn, 15, maximal 19 Kommunen haben in den letzten zehn Jahren Kre dite in Fremdwährung – meist in Schweizer Franken – aufge nommen. Das ist bei 1 108 Gemeinden wirklich ein beschei dener Anteil. Diejenigen, die dies gemacht haben, waren im mer der festen Überzeugung, sie machten ein gutes Geschäft.
Ich kenne auch Leute, die vor Jahren, als man bei uns einen Zinssatz von 6, 7, 8 % bezahlt hat, andere belächelt haben, da sie in der Schweiz Kredite für etwa 4 % bekommen haben. Damals haben sie durch die Währungsparität auch Spekulati
onsgewinne gemacht. Es muss also schon demjenigen über lassen bleiben, der die Entscheidung trifft.
Ich denke deshalb, dass es keines Gesetzes bedarf, um die Ge meinden zu schonen. Da kommt mir der Satz von Montesqui eu, der hier auch von Ihnen, Herr Professor Dr. Goll, schon wiederholt zitiert worden ist, in den Sinn:
Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.
Da Montesquieu ein sehr kluger Mann war, habe ich ein wei teres Zitat von ihm gefunden:
Fast nie kommt der Mensch aus Vernunft zur Vernunft.
Schwäbisch ausgedrückt heißt dies: Durch Schaden wird man klug. Ich glaube, alle die, die durch Schaden klug geworden sind, werden sich künftig überlegen, ob sie riskante Geschäf te machen.
Aus diesem Grund denke ich, dass die Kommunen schon ver standen haben, was Sie vorhaben. Sie sind aber der Überzeu gung, auch ohne Gesetzesänderung gute Kommunal- und Fi nanzpolitik machen zu können.
Danke schön.
Herr Minister, Sie haben wiederholt den Derivateerlass aus dem Jahr 1998 angespro chen. Sie haben im Juni 2012 dem Finanz- und Wirtschafts ausschuss zugesagt, dass dieser Erlass demnächst neu verfasst
wird. Ist denn damit zu rechnen, dass dies in Kürze oder dem nächst geschieht, oder ist da noch ein größerer Zeitrahmen zu erwarten?
Herr Präsident, sehr ver ehrte Damen und Herren! Wer in den vergangenen Jahren die Reden und Debatten in diesem Hohen Haus, auch die Reden von Regierungsmitgliedern, verfolgt hat, der hörte oft sehr Widersprüchliches – so auch heute.
Immer wieder wurde hier der Eindruck vermittelt, unser Land befände sich in einem schlechten Zustand.
Sogar von einem desolaten Zustand wurde immer wieder ge sprochen – Herr Schmiedel, auch von Ihnen. Die Worte „Alt last“ und „Erblast“ wurden genannt.
Hören Sie doch einmal zu. – Dieselben Personen haben dann an anderer Stelle und zu anderer Zeit unser Ländle gelobt und erklärt, es sei überall spitze und stehe an vorderster Stelle.
Widersprüchliches – das ist Tatsache.
Genauso ist es mit der Kommunalpolitik. Immer wieder – so auch heute Morgen – wurde die Kommunalpolitik gelobt, wur de hervorgehoben, was für erfolgreiche Gemeinden wir hier hätten, welche Qualität unsere Bürgermeister hätten – Letzte
res wurde heute Morgen erwähnt, als es um die Altersgrenze dieses Berufsstands ging.
Doch, das stimmt. Das ist richtig so. Das kann ich nur un terstreichen. Auch die vielen Menschen, die sich ehrenamt lich im Gemeinderat, in den Vereinen engagieren, all dies ist als ein wichtiger Baustein unseres demokratischen Gemein wesens immer wieder lobend erwähnt worden.
Doch dieser Gesetzentwurf, den uns der Herr Innenminister soeben sehr temperamentvoll und mit großen Schlagworten vorgestellt hat, ist für mich genau das Gegenteil. Wir sehen hier genau diesen Widerspruch. Schlagworte wie „Mehr De mokratie“, „Mehr Transparenz“, „Mehr Rechte für Minder heiten“, „Bessere Integration“, das alles ist lobenswert und richtig,
aber in Wirklichkeit ist das, was dieses Gesetz beinhaltet, ein Misstrauensvotum gegenüber den Gemeinden und Bürger meistern.
Sie bringen explizit zum Ausdruck, dass Sie den frei und de mokratisch gewählten Gemeinderäten nicht zutrauen, ihre ur eigensten Angelegenheiten selbst zu regeln.
Denn was für einen Sinn macht es, wenn in einem Gesetz die Frist für die Einladung zu Gemeinderatssitzungen – ich möch te fast sagen: stundengenau – festgelegt wird?
Ist es die Angelegenheit des Gesetzgebers, hier zu regeln und in ein Gesetz zu schreiben, wo und wie Beratungsunterlagen eingesehen werden können? Auch das soeben so lobend und laut erklärte Recht, Fraktionen bilden zu können, wird in ein Gesetz geschrieben. Das sind doch Selbstverständlichkeiten, die seit Jahren praktiziert werden.
Wenn es nicht von meiner Redezeit abgeht, dann ja.
Dann bitte zum Schluss, wenn ich mit meinen Ausführungen fertig bin.
Meine Damen und Herren, wenn es für das Zusammenleben in einer Gemeinde wichtig ist, zu regeln, dass die Fraktionen auch das Recht haben, im Amtsblatt zu publizieren,
dann frage ich mich wirklich: Ist das Aufgabe des Gesetzge bers, des Landtags von Baden-Württemberg,
oder können das nicht die Gemeinden in eigener Verantwor tung selbst regeln?
Sie müssen mir nicht erzählen, wie Kommunalpolitik geht. Wir haben schon immer die Möglichkeit gehabt, in Geschäfts ordnungen, in Satzungen das zu regeln, was wir in den Städ ten und Gemeinden für notwendig halten.
Auch der Anspruch, Erstattung für Betreuungsaufwendungen zu erhalten, steht schon heute in vielen kommunalen Satzun gen. Dazu bedarf es keines Gesetzes.
Man kann natürlich schon der Meinung sein, dass aus einer Bürgerversammlung nun eine Einwohnerversammlung wer den soll.
Das wurde bisher schon so praktiziert. Ich habe noch nie ei ne Versammlung, die als Bürgerversammlung tituliert war, er lebt, bei der jemand an der Tür steht und fragt, ob der Eintre tende Bürger oder Einwohner ist.
Das sind also Selbstverständlichkeiten, die vor Ort geregelt werden können.
Wenn man nun die Quoren senken möchte, dann ist das durch aus ein berechtigtes Anliegen. Dem haben wir auch zuge stimmt. Wir haben aber damals einem Paket zugestimmt, das aufgeschnürt und mit vielen neuen Themen belastet wurde.
Deshalb halte ich es durchaus für berechtigt, wenn z. B. die kommunalen Landesverbände wie der Gemeindetag, die sich alle sehr explizit, detailliert und qualifiziert zu diesem Gesetz
entwurf geäußert haben, große Bedenken vorbringen, wenn der Negativkatalog in § 21 Absatz 2 in der Weise geändert werden soll, dass die Bauleitplanung einem Bürgerentscheid unterworfen werden kann.
Meine Damen und Herren, man muss sich schon im Klaren sein, dass damit jede Satzungsänderung, jede Bebauungs planänderung, jede Bebauungsplanneuaufstellung einem Bür gerentscheid unterzogen werden kann. Ich verweise auf die Situation, dass wir heute in vielen Gemeinden die dringende Notwendigkeit haben, zusätzliche Wohngebiete auszuweisen, und frage mich, ob wir diesem Anspruch noch gerecht wer den können.
Unser Fraktionsvorsitzender hat die Fraktionen auf diese Pro blematik hingewiesen; ich denke, man sollte sich diesbezüg lich wirklich noch einmal genau kundig machen.
Ja, ich komme zum Schluss. Leider ist die Redezeit zu kurz für das, was dazu alles gesagt werden kann.
Ich kann nur sagen: Ich bin sehr gespannt, wie die Regierung und die Fraktionen mit den Stellungnahmen der kommunalen Landesverbände umgehen werden, die sich, wie gesagt, sehr qualifiziert zu diesem Gesetzentwurf geäußert haben.
Wir, die CDU-Fraktion, werden dieses Gesetzeswerk sicher lich mit vielen Anträgen begleiten. Wir können gespannt sein, wie die kommunalen Landesverbände diese Regierung, die sich ja immer wieder des Anhörens lobt, dann beurteilen wer den.
In diesem Sinn: Gute Beratungen!
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob es auch Ihnen so geht: Hin und wie der geht einem der Satz durch den Kopf: Das wundert mich aber.
Mich hat es einmal gewundert – vor vielen, vielen Jahren –, als ich hier an der Staatlichen Verwaltungsschule Stuttgart war und erfuhr, wofür wir in Deutschland direkt oder indirekt und versteckt Steuern zahlen müssen. Kollege Dr. Bullinger hat ja schon einen Blick in die Historie geworfen und darauf hinge wiesen. Mich hat schon damals erstaunt und verwundert, mit welchem Ideenreichtum und welcher Kreativität die Regie renden jedweder Art – ob das Monarchen waren, Stände oder parlamentarische Gremien,
demokratische und parlamentarische Gremien – Wege fanden, den Menschen über Steuern das Geld aus der Tasche zu zie hen.
Die Sektsteuer wurde schon genannt. Weitere Beispiele sind die Glühbirnen- und die Streichholzsteuer. Es gibt weitere Beispiele; man könnte hier eine unendlich lange Liste anfüh ren. Selbst allgemeine Vergnügungen wurden und werden be steuert.
Ich habe aber auch damals schon erfahren und gelernt, dass derjenige, dem die Steuer zusteht, das Recht hat, auf den Ein zug der Steuer zu verzichten, sofern es sich nicht um eine Pflichtsteuer handelt. Denn so etwas gibt es im deutschen Steuerrecht auch.
Die Jagdsteuer – sie ist die einzige den Landkreisen zustehen de Steuer – wird bei uns in Baden-Württemberg auf der Grundlage einer Gesetzesermächtigung – nämlich § 10 Ab satz 2 des Kommunalabgabengesetzes – und einer von den Kreistagen bzw. den Gemeinderäten der Stadtkreise zu be schließenden Satzung erhoben. Ich betone: Die Steuer kann erhoben werden.
Deshalb wundere ich mich jetzt wieder, dass ausgerechnet die FDP/DVP, die ja immer möglichst allen die freie Entschei dung lassen will – was ich durchaus verstehe und nachvoll ziehen kann –, nun den Gemeinde- und Kreisräten diese freie Entscheidung nehmen will.
Diese Jagdsteuer war – wie wohl alle Steuern – nie sehr be liebt, aber vor Jahrzehnten doch mehr oder weniger akzep tiert. Die Ausübung der Jagd konnte ja zu manchen Zeiten und an manchen Orten auch lukrativ und einträglich sein. Doch in Zeiten – Herr Kollege Dr. Bullinger, Sie hatten darauf hinge wiesen – wie heute, in denen z. B. ein neues Jagdrecht die Jagd mehr belastet und erschwert, ist eine solche Steuer si cher nicht mehr zeitgemäß.
Aus diesem Grund ist die Erhebung der Steuer auf die Jagdausübung im Grundsatz überholt. Da gebe ich Ihnen völ lig recht. In der Sache kann man dem Ansinnen der FDP/DVP zustimmen, aber im Verfahren nicht. Der Landtag sollte sich doch nicht zum Oberlehrer aufspielen. Er sollte es vielmehr den Stadt- und Landkreisen überlassen, in freier Entscheidung darüber zu befinden, ob man eine Jagdsteuer erhebt oder nicht.
Herr Dr. Bullinger, Sie hatten auch darauf hingewiesen – –
Bitte schön. Ja, bitte.
Ich bin deshalb gegen die se Gesetzesänderung, weil wir damit den Stadt- und Kreisrä ten die Freiheit nehmen, zu entscheiden, ob man die Steuer erheben will oder nicht.
Es sind ja nur noch fünf Landkreise, die diese Steuer erheben. Die Aufhebung der Steuersatzungen wurde damals durch ei ne Diskussion im Jahr 2008 ausgelöst. Damals haben die Jä ger beim Jägertag den damaligen Ministerpräsidenten Gün ther Oettinger massiv aufgefordert, die Jagdsteuer abzuschaf fen. Ich zitiere aus der „Stuttgarter Zeitung“ vom 21. April 2008:
Oettinger erklärte, es läge in der Verantwortung der ba den-württembergischen Landkreise, eine Jagdsteuer zu erheben oder nicht.
Dieser Aussage haben dann laut Zeitung die Vertreter der Landtagsfraktionen von SPD – Claus Schmiedel –, FDP/DVP – Heiderose Berroth – und Grünen – Reinhold Pix – zuge stimmt. Auch sie sind für die Abschaffung der Jagdsteuer.
Ich habe damals in meiner Funktion als Kreisrat im Kreis Lud wigsburg wenige Wochen später den Antrag gestellt, die Sat zung aufzuheben, und im Juli 2008 war im Kreis Ludwigs burg die Jagdsteuer abgeschafft.
Jetzt wundere ich mich nochmals: In vier von diesen fünf Landkreisen, die die Jagdsteuer noch erheben, sitzen FDPKreisräte. Warum beantragen die nicht die Aufhebung der Steuer? Dann wäre das Problem gelöst.
Fazit, meine Damen und Herren: Lassen Sie den Kreisräten die Freiheit, zu entscheiden, was sie machen. Denn ich bin immer noch der Überzeugung, es ist richtig, was die FDP/ DVP sonst tut: Die Freiheit steht über vielem anderen.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrte Damen und Herren! Ein Gemeinwesen wie ein Staat kann nur dann funktionieren, wenn es über eine klar gegliederte Verwaltungsstruktur ver fügt.
Besonders anspruchsvoll sind die Anforderungen an eine Ver waltung in einem Bundesstaat, wie wir ihn haben, einem de zentralisierten Staat, der, wie es im Grundgesetz steht, demo kratisch und sozial organisiert ist. Noch wichtiger ist, zu be denken, dass wir in unserem Land nicht nur die staatlichen Verwaltungsebenen haben, sondern eine ausgeprägte und star ke kommunale Selbstverwaltung. Das Zusammenspiel dieser verschiedenen Ebenen ist wichtigste Voraussetzung für ein gut funktionierendes Staatswesen.
Ich denke, trotz mancher Kritik, die an Verwaltungstätigkei ten geübt wird, sind wir in Baden-Württemberg bestens auf
gestellt. Unsere Verwaltung funktioniert, unsere Verwaltung ist leistungsfähig, und sie ermöglicht ein gutes Zusammenle ben zwischen privater und öffentlicher Gesellschaft. Einer der Gründe, weshalb dies so ist, ist darin zu suchen, dass wir seit Jahren und Jahrzehnten ständig die Verwaltungsstrukturen an die entsprechenden Bedürfnisse angepasst haben. Ich darf nur einmal an die große Verwaltungs- und Gebietsreform der Jah re 1970 bis 1975 oder an die Verwaltungsreformen 1994 und 2004 erinnern.
Ja, natürlich.
Ich habe zugestimmt.
Wir wollen uns hier nicht in Formalien verlieren, meine Damen und Herren. Denn wer sich nur mit Formalien befasst, führt auch eine Verwaltung schlecht.
Ich halte es natürlich schon für etwas bemerkenswert, wenn in einer so wichtigen Frage, bei der es um Verwaltungsstruk turen in diesem Land geht, der zuständige Innenminister nicht anwesend ist. Das ist eine Missachtung dieses Parlaments.
Aber wir sind dankbar, dass wir trotz solcher Verhaltenswei sen von Regierungsmitgliedern eine gut funktionierende Ver waltung haben. Das haben wir gut ausgebildeten und verläss lichen Beamtinnen und Beamten sowie sonstigen Beschäftig ten zu verdanken. Weil dies so ist, funktioniert unser Ländle ja auch.
Ich denke, das hat viele Gründe, nämlich die laufende Anpas sung der Bedürfnisse, aber auch die Tatsache, dass wir dezen tral organisiert sind, weil die Mitarbeiterinnen und Mitarbei ter der Verwaltungen ortsnah tätig und ortskundig sind, Bür gernähe praktizieren können und weil die Strukturen stimmen.
Trotz dieser positiven Aussage hören wir immer wieder Dis kussionsbeiträge, man müsse etwas verändern. Dies führt zu Irritationen und schadet auch der Verlässlichkeit. So hat z. B. die SPD vor einigen Jahren beschlossen, man wolle die 35 Landkreise und die Regierungspräsidien auflösen und dafür zirka acht Regionalkreise einrichten.
Zwar hat sie das noch in ihrem Regierungsprogramm vor der Wahl 2011 niedergeschrieben, aber im Koalitionsvertrag wur de dazu wenig oder nichts gesagt. Gestrichen aber sind diese Überlegungen zumindest offiziell und formal nicht. Bei einer Versammlung des Landkreistags im Jahr 2012 wurde vom da maligen Präsidenten des Landkreistags ganz konkret diese Frage aufgeworfen. Ministerpräsident Kretschmann – einige der hier Anwesenden konnten dies miterleben – hat dann sehr vage gesagt, in dieser Legislaturperiode sei nicht daran ge dacht, und in einem Halbsatz angefügt, aber danach könne sich ja einiges ändern.
Konkreter wurde dann der Innenminister. Er könnte es ja hö ren, aber ich kann ihn wörtlich zitieren. Wir, die CDU-Frak tion, haben im Jahr 2012 einen Antrag gestellt. In der Stel lungnahme dazu schreibt der Innenminister – ich zitiere –:
Es sei vernünftig, ein so umfassendes Vorhaben
nämlich die Auflösung dieser Verwaltungsebene vorzuneh men –
mit der erforderlichen Regierungserfahrung allenfalls in einer zweiten Legislaturperiode anzugehen.
Die Wählerinnen und Wähler werden es sicher verhindern, dass diese zweite Legislaturperiode kommt, und somit dafür
sorgen, dass das Thema Regionalkreise tatsächlich ad acta ge legt werden kann.
Er kommt dann im Frühjahr stärker.
So weit, so gut. Die SPD hat in der Zwischenzeit aber – das ist das Positive an diesem Tagesordnungspunkt – aus der Ver waltungs- und Regierungserfahrung wohl die Erkenntnis ge wonnen, dass man auf die Regionalkreise doch verzichten kann. So stand kürzlich – das war im März – in einer Presse mitteilung:
Nun legte SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel im Ge spräch mit dem Deutschlandradio das Konzept
nämlich Regionalkreise –
endgültig beiseite.
Gratulation, Herr Schmiedel, dass Sie zu dieser Erkenntnis gekommen sind!
Da wir aber nicht immer sicher sein können, dass Pressemit teilungen der Realität und der Wahrheit entsprechen, haben wir jetzt den Antrag gestellt, hier im Parlament klar und deut lich zu sagen: Wie steht es denn nun mit den Überlegungen, das Konzept der Regionalkreise ad acta zu legen?
Zu unserem Antrag wurde nun heute Morgen ein Änderungs antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion GRÜNE vorge legt, der im Prinzip unsere Aussage wiederholt, aber die Sa che auch etwas diffus gestaltet. Danach soll der Landtag näm lich feststellen, dass sich die Verwaltungsstruktur des Landes im Grundsatz bewährt hat. Es sei aber auch erforderlich, die staatlichen Strukturen immer wieder einmal zu überprüfen. Man betont: die staatlichen Strukturen. Der letzte Satz in die sem Änderungsantrag von Grünen und SPD schließlich lau tet:
Eine Veränderung des derzeitigen dreistufigen Verwal tungsaufbaus steht dabei nicht an.
Natürlich: Der Aufbau der staatlichen Verwaltung ist dreistu fig. Die kommunale Seite lässt man außen vor.
Wir haben deshalb jetzt noch einen Änderungsantrag zu dem Änderungsantrag von Grünen und SPD gestellt, der genau den Satz enthält, mit dem Herr Fraktionsvorsitzender Schmiedel zitiert wird. Er sagte nämlich: „Die Zukunft liegt nicht in Re gionalkreisen.“ Wir sind der Meinung, dass der Änderungs antrag von Grünen und SPD um diesen Satz ergänzt werden muss, und beantragen dies mit unserem Änderungsantrag.
Wir bitten darum, dass darüber zuerst abgestimmt wird. Dann können wir, Herr Schmiedel und meine Damen und Herren von den Grünen, eine gemeinsame Erklärung abgeben, dass wir mit unserer Verwaltung zufrieden sind. Wir werden damit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein Kompliment aus sprechen und haben alle Planungssicherheit.
Ich bitte deshalb, zunächst unseren Änderungsantrag zur Ab stimmung zu bringen, und bitte Sie alle, diesem Änderungs antrag zuzustimmen.
Herr Minister, Sie haben jetzt – um eine Redewendung eines vorherigen Beitrags zu verwenden – sehr wortreich erklärt, was Landschaftserhal tungsverbände tun können und tun sollen. Ich habe etwas ver misst, nämlich die Frage: Wie wird das alles finanziert?
Zweitens: Wer trägt die Kosten? Sie haben von einer Dritte lung gesprochen: die Landwirtschaft, die Naturschutzverbän de und die Kommunen. Sind das die drei Finanziers dieser Maßnahmen, die durch die Verbände erfüllt werden, oder gibt es noch Finanziers von weiterer Seite?
Die letzte Frage, die ich stellen möchte: Welche Veränderun gen in der Landschaftspflege und im Naturschutz hat es denn durch die Einrichtung dieser Verbände gegeben? Mir ist – ich glaube schon, Einblick zu haben – bekannt, dass Naturschutz von den Kommunen oder auch durch andere Organisations strukturen in unserem Land schon vor dem Jahr 2011 inten siv betrieben wurde. Was wird von dem damals betriebenen Naturschutz übertragen, was ist hinzugekommen, und wer zahlt was? Das würde mich noch interessieren.
Herr Minister, auch wenn es eine Befragung ist, erlaube ich mir doch eine Anmerkung zu Ihren soeben gemachten Ausführungen. Sie vermitteln den Eindruck, dass nur dort, wo Landschaftserhaltungsverbände existieren, die Landwirte auch eine qualifizierte Beratung be kommen. Dem möchte ich entschieden widersprechen. Die Landwirte haben bisher schon mit Beratung von verschiede nen Stellen die Landschaft hervorragend gepflegt. Das gelingt auch ohne diese Verbände.
Meine vorhin gestellte Frage nach der Finanzierung haben Sie nicht beantwortet. Sie haben lediglich gesagt, 1,5 Stellen wer den vom Land zur Verfügung gestellt. Das heißt, bei 30 Ver bänden sind es 45 Stellen. Je eine Stelle kommt vom Verband. Da kommen noch einmal 30 dazu.
Eine halbe. Das habe ich dann falsch verstanden. – Und dann gibt es noch eine weitere Stelle, die auch vom Land kommt aus irgendeiner anderen Finanzierungsebene.
Summa summarum werden etwa 100 Leute beschäftigt – und das sage ich jetzt in Anführungszeichen und mit Ausrufezei chen –, nur um Bürokratie zu betreiben, um zu organisieren und zu beraten. Die wirkliche Arbeit, nämlich die Pflege in den Streuobstwiesen, in den Steillagen usw., müssen andere leisten.
Meine Frage ist: Wer finanziert das? Gibt es da Landesmittel, oder müssen das die Kommunen bzw. die drei Säulen, diese Verbände, finanzieren?
Das ist meine konkrete Frage.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Innenminister, um es vor ab zu sagen: Große Diskussionen und Dissense wird es bei diesem Gesetzentwurf wohl nicht geben, der ja auch nicht ge
rade Spannung verspricht. Wenn man liest: „Gesetz zur Än derung des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes und ande rer Gesetze“, kommt nur wenig Spannung auf, vielmehr kom men jedoch Gedanken an Bürokratie, an Verwaltung und an Verwaltungskosten auf. Das sind jedoch Themen, die nicht geeignet sind, viel Beifall herauszufordern.
Trotzdem – da sind wir uns einig – brauchen wir in einem Staat, in dem so viel vorgeschrieben ist und in dem es viele Genehmigungen und andere Rechtsverfahren gibt, Gesetze und andere Regeln zu Verfahrensabläufen. Diese müssen gut und überschaubar sein und vor allem auch verständlich sein.
Ob all das, was in solchen Gesetzen steht, immer auch ver ständlich ist, mag ich manchmal bezweifeln. Beispielsweise steht im Vorblatt des Gesetzentwurfs unter „Wesentlicher In halt“:
Verfahrensbeschleunigende, verallgemeinerungsfähige Regelungen... werden... angepasst.