Boris Palmer

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Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich rechne mit dem Zwischenruf „Gott sei Dank!“, wenn ich Ihnen jetzt sage, dass dies meine letzte Rede in diesem Parlament
und damit auch die letzte Rede zum Thema Stuttgart 21 ist.
Meine Damen und Herren, ich möchte es heute dabei belassen, Ihnen einige Fragen zu stellen; denn ich weiß, dass ich weder Sie von der SPD-Fraktion noch Sie von den Regierungsfraktionen überzeugen kann. Sie halten unverbesserlich an Stuttgart 21 fest. Aber vielleicht nehmen Sie zumindest einige Fragen in die bevorstehende Entscheidung mit.
Ganz aktuell und neu aus den Antworten der Landesregierung: Wie kann es sein, dass die Wirtschaftlichkeitsberechnung, die Ihr Minister Tiefensee im letzten Herbst noch als völlig ungenügend und als „Grobzahlen“ charakterisiert hat, jetzt in unveränderter Form – so die Auskunft der Landesregierung – vollständig vom Bundesverkehrsministerium akzeptiert wird? Wenn es damals Grobzahlen waren, frage ich, was zwischenzeitlich passiert ist, sodass jetzt plötzlich alles in Ordnung ist.
Ein Zweites: Die Landesregierung beruft sich darauf, dass die Wirtschaftlichkeitsberechnung ein Betriebsgeheimnis der Deutschen Bahn sei, und weigert sich deswegen, sie vor dem Parlament offenzulegen. Wie kann dies sein bei einem Projekt, bei dem die Deutsche Bahn höchstens 10 % der Gesamtkosten durch Eigenmittel finanziert? 90 % der Investitionen werden durch Steuermittel direkt beglichen, und die Bahn beruft sich auf ein angebliches Betriebsgeheimnis! Wo bleibt das Parlament, wenn wir die Fakten nur über die Presse und nie hier durch die Regierung zu Gesicht bekommen?
Drittens, meine Damen und Herren: Wie kann es sein, dass der Bundesverkehrsminister mir in diesen Tagen einen Brief schreibt, in dem er feststellt, die Alternative zur Modernisierung des Kopfbahnhofs sei nie ausreichend geprüft worden, sie würde zu prüfen sein, wenn die Landesregierung und die Bahn – weil es nicht ein Projekt des Bundes, sondern ein Projekt dieser Beteiligten Stadt, Bahn und Land sei – eine solche Prüfung wollten, anderenfalls werde sie nicht erfolgen? Wie kann es sein, dass bei einer solch wichtigen Infrastrukturinvestition Alternativen nicht sinnvoll geprüft werden?
Einige generelle Fragen – nicht aktuell, sondern generell – zu diesem Projekt: Ich habe bis heute nicht verstanden, warum Stuttgart 21 von einem Verkehrsprojekt zu einem religiösen Projekt wurde, warum dieses Projekt zu einer Glaubensfrage mutiert ist, bei dem mit Erfindungen operiert wird und Argumente keine Rolle mehr spielen,
bei dem behauptet wird, dass hier eine Schicksalsentscheidung für das Land anstehe – eine Schicksalsentscheidung für das Land kann die Frage der Untertunnelung des Bahnhofs sicher nicht sein –, bei dem frei erfunden wird, unser Land werde vom Hochgeschwindigkeitsverkehr abgehängt, wenn wir nicht endlich unseren Bahnhof vergraben würden, bei dem behauptet wird, Kopfbahnhöfe würden von Fernverkehrszügen nicht mehr angefahren, obwohl Frankfurt, München und Leipzig auch Kopfbahnhöfe haben und obwohl der TGV ab 10. Juni regelmäßig nach Stuttgart fahren wird, und zwar in den Kopfbahnhof, und das ohne einen Zeitverlust.
Herr Kollege Noll, der Unterschied zu Stuttgart 21 beträgt zwei Minuten Fahrzeit, mehr nicht! Zwei Minuten, und Sie leiten davon eine Schicksalsfrage ab!
Wie kann es sein, dass ein Projekt, das dem Land in seiner Gänze schadet und bestenfalls in Stuttgart Flächen freimacht, von Ihnen als „Baden-Württemberg 21“ bezeichnet wird, nur um zu verdecken, wie wenig es dem Land nützt? Wie kann all dies sein? Ich verstehe es nicht.
Frau Berroth, es spielt eine Rolle, ob die Menschen im Land verstehen, was die Politik tut.
Ich bin auch ein Mensch in diesem Land, selbst wenn Sie es vielleicht gar nicht so wahrnehmen wollen.
Wie kann es sein, dass Fakten in dieser Diskussion so wenig berücksichtigt werden? Wie kann es sein, dass Zeitgewinne behauptet werden, die nicht existieren? Warum muss ich in jeder Debatte erneut erläutern, dass die Fahrzeit von Stuttgart nach Tübingen schon jetzt bei 42 Minuten liegt
und in Zukunft auch bei 42 Minuten liegen wird, während Sie jedes Mal behaupten, durch den Tunnelbahnhof entstünde bei dieser Strecke ein Fahrzeitgewinn von 20 Minuten?
Wie kann es sein, dass immer wieder Fahrzeitgewinne für Strecken in die ganze Welt behauptet werden, obwohl diese fast ausschließlich der Neubaustrecke zuzurechnen sind? Während durch die Neubaustrecke ein Fahrzeitgewinn von 25 Minuten entsteht, bringt der Verzicht auf die Wende im Kopfbahnhof nur fünf Minuten Fahrzeitgewinn. Wie kann es sein, dass bei allen Diskussionen dieses Faktum unterdrückt wird?
Herr Kollege, Sie sollten es einfach noch einmal auf sich wirken lassen. Ich glaube nicht, dass Sie das alles schon untersucht haben.
Wie kann es sein, dass ein Gefälligkeitsgutachten eines Stuttgarter Universitätsprofessors – der im Text auch schreibt, warum er so gefällig ist –, das dem Tunnelbahnhof eine Leis tungsfähigkeit attestiert, die über der des Kopfbahnhofs liegt – während bei realistischer Betrachtung das Gegenteil der Fall ist –, wo manipuliert wird, wo Abfahrtszeiten falsch kalkuliert werden, wo so getan wird, als brauchte man keinen Fahrplan, als könnten die Züge gleichmäßig über die ganze Stunde verteilt werden, wo systematisch Bedingungen zugunsten des Tunnelbahnhofs manipuliert werden, nicht hinterfragt wird?
Wie kann es sein, dass die Kosten für den Kopfbahnhof sys tematisch schlechtgerechnet werden? Wie kann es sein, dass 150 Weichen im Abstellbahnhof – der gar nicht mehr gebraucht würde, wenn man das Alternativkonzept realisierte – in ein elektronisches Stellwerk mit Hochgeschwindigkeitsstandard integriert werden sollen, nur um die Kosten des neuen Stellwerks in der Berechnung der Bahn von 85 Millionen auf 370 Millionen € nach oben zu treiben? Das ist eine Verfünffachung der realen Kosten durch Manipulation und Erfindung! Wie kann es sein, dass Sie dies alles nicht interessiert und Sie dies alles unbesehen glauben?
Wie kann es sein, dass Ihnen völlig gleichgültig ist, was dieses Projekt für den Bahnverkehr im Land bewirkt? Wie kann es sein, dass Sie gleichzeitig bereit sind, voll ausgelastete Züge – jeder zwölfte Zug, der zwischen Tübingen und Stuttgart verkehrt, wird wegfallen – im Juni beim kleinen Fahrplanwechsel wegfallen zu lassen? Wie kann es sein, dass Sie mit der Begründung, Sie hätten nicht die 15 Millionen €, um diese voll ausgelasteten Züge zu erhalten, bereit sind, voll ausgelas tete Züge zu streichen, während Sie gleichzeitig alle zwei Wochen 150 Millionen € zusätzlich für Stuttgart 21 zur Verfügung stellen?
Wie kann es sein, dass Sie das tun und gleichzeitig behaupten, Stuttgart 21 schade dem Bahnverkehr im Land nicht – obwohl doch das Geld auf diese Art und Weise vergraben wird?
Wie kann es sein, dass Sie bereit sind, einen totalen Investitionsstopp, selbst für den kleinsten Bahnhof in Oberschwaben, zu akzeptieren? Es wird keine neue Förderung mehr vorgenommen, und zwar nur deshalb, weil das gesamte Geld hier in Stuttgart verbuddelt werden muss.
Entschuldigung, Herr Kollege Drexler, ich habe das schriftlich: Bis zum Jahr 2010 wird kein einziger neuer Haltepunkt gefördert,
wird nicht einem einzigen neuen Antrag stattgegeben.
Das Geld wird in Stuttgart benötigt. Es gibt keine andere Begründung hierfür als die, dass das Geld zur Seite gelegt werden muss.
Wie kann es sein, dass Sie bereit sind, durch diesen Tunnelbahnhof, der nur acht Gleisen Platz bietet, auf Dauer einen unterirdischen Engpass zu schaffen, der keinen Integralen Taktfahrplan erlaubt und der gerade verhindert, dass wir gute Verbindungen in das ganze Land hinein erhalten – und nicht nur einige schnelle Verbindungen in wenige Orte?
Meine Damen und Herren, wie kann es in Baden-Württemberg, in Schwaben und in Baden, sein, dass Geld keine Rolle mehr spielt? Ein Professor der Universität Tübingen hat heute die Zustände an den Universitäten im Land treffend beschrieben: Sie sparen Stellen, sie kürzen, sie streichen, die Gebäude werden nicht saniert – es gibt allein in Tübingen einen Sanierungsrückstand von 400 Millionen € –, es knarzt und knirscht überall. Dabei müssten wir zusätzliche Studierendenplätze schaffen, und das Geld hierfür ist nicht da; Sie stellen es nicht zur Verfügung.
Er fragt, wie es sein kann, dass lieber der Stuttgarter Kessel untertunnelt wird, als dass Universitäten finanziert würden.
Auch ich stelle Ihnen diese Frage: Wie kann es sein, dass Sie 1,5 Milliarden € an Landesmitteln aus verschiedenen Töpfen für dieses Projekt bereitstellen wollen, gleichzeitig aber nicht einmal das Geld dafür haben, auch nur das Notwendigste für die Zukunft, nämlich für unsere Universitäten, zu unternehmen?
Wie kann es sein, dass Sie die Kostenrisiken dieses Projekts systematisch ausklammern, obwohl doch jeder weiß, dass dann, wenn die Deutsche Bahn zur Hacke greift und Tunnel gräbt, Kostensteigerungen von 50 % völlig normal sind? Wie kann es sein, dass Sie überhaupt darüber diskutieren, dass die se Risiken vom Land übernommen werden?
Schließlich ist die Frage: Warum wird der Kopfbahnhof so sys tematisch schlechtgeredet? Warum wird alles, was für den Kopfbahnhof spricht, von vornherein ignoriert, und warum werden künstliche Argumente für den Tunnelbahnhof bis hin zu der Behauptung herbeigezogen, nur Dampfeisenbahnen könnten in diesen Kopfbahnhöfen verkehren? Hinzu kommen die Manipulationen an den Kosten- und Leistungsrechnungen, die ich Ihnen schon vorgetragen habe.
Wie kann es also sein, dass eine Entscheidung, von der Sie behaupten, sie sei für das Land von so schicksalhafter Bedeutung, getroffen wird, ohne die Fakten zu kennen, ohne die Argumente zu berücksichtigen, ohne ernsthaft zu prüfen, welches die bessere Alternative wäre, und ohne die Kosteneinsparungen zu berücksichtigen, die sich durch einen Kopfbahnhof ergäben?
Wie kann das alles sein, und wie konnte es dazu kommen, dass der Bundesverkehrsminister feststellt, die Alternativen seien nie geprüft worden – und das nach über zehn Jahren Planungszeit?
Ich habe für all diese Fragen keine Erklärung und kann sie Ihnen nicht beantworten. Vielleicht können Sie eine Antwort geben. Wenn Sie jedoch nur einen Wunsch eines nun scheidenden Parlamentariers mitnehmen wollen,
dann ist es dieser: Treffen Sie diese Entscheidung auf einer realistischen Grundlage. Gehen Sie zumindest jetzt noch einmal ernsthaft die Prüfung der Alternative, nämlich der Sanierung des Kopfbahnhofs, an.
Ohne Kenntnis der Alternative so viel Geld auszugeben halte ich für schlechterdings unverantwortlich.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vielen Dank für den Gnadenerweis.
Herr Minister, ich räume ein: Wenn es mir nicht gelungen ist, Sie zu verwirren, so ist es doch Ihnen gelungen, mich zu verwirren.
Denn ich werde nicht verstehen – dazu war ich wohl nicht lange genug in diesem Parlament –, wie es sein kann, dass ein Bundesverkehrsminister öffentlich überall erklärt, eine ihm vorliegende Wirtschaftlichkeitsberechnung weise eine Lücke von 1,4 Milliarden € aus, dann nichts an dieser Rechnung geändert wird und ein halbes Jahr später die Wirtschaftlichkeitsberechnung stimmt und die 1,4 Milliarden € weggewischt sind. Das verstehe ich nicht. Aber das liegt vielleicht an meiner Unprofessionalität. Da haben Sie mich verwirrt.
Was ich auch mitnehme – die versöhnlichen Worte zum Schluss –, ist, dass bei diesem Projekt mit Argumenten wohl wirklich nichts zu erreichen ist. Denn wenn einem entgegengehalten wird, dass der Stocherkahn auf dem Nesenbach, der Panamakanal und die Eisenbahninfrastruktur des 19. Jahrhunderts die wesentlichen und entscheidenden Gründe für das Vergraben des Bahnhofs sind,
macht mich das sprachlos. Mit Argumenten kann ich dem auch nichts entgegenhalten. Bitte verzeihen Sie mir das.
Wenn mein Beitrag aber versöhnlich sein soll, darf ich doch sagen: Trotz Ihrer Uneinsichtigkeit in die Richtigkeit meiner Argumente hat es mir immer Freude bereitet, mich mit Ihnen über diese Themen zu streiten.
Wenn ich zum Schluss einen Appell an Sie richten darf, Herr Kollege Drexler, lassen Sie mich wenigstens sagen: Dort, wo für dieses Projekt freie Landesmittel eingesetzt werden – das sind nicht die GVFG-Mittel und nicht die BSchwAG-Mittel, sondern andere Mittel – –
Es sind Mittel aus Steuermehreinnahmen, zweimal 150 Millionen €, soeben reserviert.
Aber es ist Landesgeld. Das können Sie doch nicht bestreiten.
Wenn Sie zeigen können, dass es Ihnen gelingt, die Universitäten fit zu machen, die Sanierungen voranzubringen, die erforderlichen Studienplätze zu schaffen, die Kinderbetreuungsaufgaben zu lösen, den Haushalt zu sanieren, und Ihnen dann noch Geld für Ihr Wunschprojekt bleibt, dann werde ich das als Tübinger Oberbürgermeister ertragen. Aber wenn Sie das nicht schaffen, dann – verzeihen Sie mir – muss ich auch aus Tübingen Zwischenrufe tätigen.
Alles Gute diesem Haus!
Herr Kollege Bullinger, wie groß sind nach Ihrer Auffassung die Chancen, dass in der der deutschen EU-Ratspräsidentschaft verbleibenden Zeit von etwa fünf Wochen all die Probleme, die Sie gerade angesprochen haben, noch gelöst werden können?
Frau Ministerin, mit Ihrer Erlaubnis eine Frage zu einer reinen Landeskompetenz: Ist es richtig, dass derzeit noch Unklarheit darüber besteht, ob für die Genehmigung von Ausnahmen vom Fahrverbot die unteren Immissionsschutzbehörden, das heißt die Landratsämter, oder die unteren Verkehrsbehörden, das heißt im Zweifelsfall die Bürgermeisterämter, zuständig sind? Können Sie verstehen, dass es den Tübinger Landrat und den Oberbürgermeis ter von Tübingen etwas betrüblich stimmt, wenn jemand, der beim Landrat keine Ausnahmegenehmigung erhält, dann zum Oberbürgermeister geht und ihn fragt, ob dieser vielleicht eine Ausnahmegenehmigung erteilen kann, und wir beide nicht wissen, wer eigentlich zuständig ist?
Herr Minister, wären Sie bereit, das Lob für die Regierung in Sachsen zurückzunehmen, wenn Sie die Tatsache berücksichtigen, dass dort Überschüsse erzielt werden, indem man das Geld baden-württembergischer Steuerzahler aus dem Finanzausgleich heranzieht?
Herr Minister, was ist ausgewogen daran, wenn auf der Bahnstrecke mit der höchsten Fahrgastnachfrage, der besten Auslastung und dem geringsten Zuschussbedarf, der Strecke Tübingen–Stuttgart, mit 9 % der Zugleistung der stärkste Einschnitt erfolgt?
Und wie kommentieren Sie das mir vorliegende Schreiben des Landrats des Landkreises Tübingen, gemeinsam verfasst mit dem Landrat des Landkreises Reutlingen – beide sind nicht Angehörige meiner Partei –, die das Streichen besonders der Züge im Berufsverkehr als – Zitat – „verantwortungslos“ bezeichnen?
Herr Minister, weil Sie so freundlich angeboten haben, wenn man lange genug zugehört hat, zu erklären, worum es eigentlich geht, und nachdem der Kollege Föll es mir nicht verdeutlichen konnte, wollte ich Sie jetzt noch einmal fragen, ob Sie mir erstens erklären können, was „Must-carry“ eigentlich auf Deutsch bedeutet, ob es dafür auch ein deutsches Wort gibt, und zweitens was das im Unterschied zu Masthühnchen bedeutet.
Herr Staatssekretär, wären Sie aufgrund Ihrer offenbar großen Sympathie für Biogasanlagen bereit, der Gemeinde Ofterdingen einen Besuch abzustatten, in welcher sich eine Anlage mit einer Leistung von 250 Kilowatt befindet, die 300 m von einem soeben erschlossenen Neubaugebiet entfernt ist, wo sich der Bürgermeister jedoch weigert, die vorhandene Abwärme in dieses Neubaugebiet zu leiten, sodass die Abwärme durch Wärmeabgabe in die Luft unmittelbar ins Klima gelangen muss? Wären Sie bereit, den Herrn Bürgermeister von der Sinnhaftigkeit der Wärmeabgabe in Gebäude zu überzeugen?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Zahlen liegen auf dem Tisch. Jedes Jahr stirbt in Deutschland eine Kleinstadt von der Größe Stockachs am Bodensee im Straßenverkehr. Eine weitere Kleinstadt – –
Frau Kollegin, eine weitere Kleinstadt – nehmen wir einen anderen Landesteil – von der Größe Tauberbischofsheims wird schwer verletzt, und eine Mittelstadt
von der Größe Waiblingens erleidet schwere, aber nicht schwerste Verletzungen im Verkehr.
Meine Damen und Herren, das muss uns allen Anlass sein, zu fragen, wie wir von dieser Situation wegkommen. In
Skandinavien ist die „Vision zero – null Verkehrstote“ das Leitmotiv der Verkehrspolitik. Dem sollten wir uns – denke ich – anschließen. Jeder Verkehrstote ist einer zu viel.
Meine Damen und Herren, wie können wir das erreichen? Ich glaube, das, was wir heute gehört haben, reicht dafür nicht aus. Herr Kollege Haller, wenn Sie die Statistik betrachten, stellen Sie fest, dass Straßenschäden zu einem sehr, sehr marginalen Anteil schuld an den Verkehrstoten sind.
Das heißt, mit Reparaturen der Landesstraßen kommen wir diesem Problem nicht bei.
Sie haben es gesagt: Es sind zu sehr, sehr großen Teilen Probleme, die wir Menschen uns nicht abgewöhnen können: Alkoholkonsum, zu schnelles Fahren, zu wenig Abstand. Das sind die Hauptursachen für die schweren Verkehrsunfälle. Wenn wir dagegen vorgehen wollen und es offensichtlich nicht so ist, dass der kleine Prozentsatz, der daran schuld ist, selbst zur Räson kommt, dann denke ich, dass wir um ordnungsrechtliche Maßnahmen nicht herumkommen.
Es hat mich sehr gefreut, Herr Kollege Bullinger, dass auch Sie der Auffassung sind, dass der Bußgeldkatalog viel schärfer gefasst werden muss, als es bisher der Fall ist; wobei ich sage: Das sollte nicht nur für die allerschwersten Delikte gelten, vielmehr müssen wir hier auf breiter Front eine höhere Abschreckungswirkung durch höhere Strafgebühren erzielen. Nur dann ist meiner Auffassung nach zu erwarten, dass hier eine positive Veränderung eintritt. Erster Punkt.
Herr Kollege Bullinger, wer das Leben anderer gefährdet, wird nicht abgezockt, sondern durch eine höhere Strafe zur Vernunft gebracht.
Zweiter Punkt: Wenn es um hohe Geschwindigkeiten geht und wir uns noch daran erinnern, dass es einen DaimlerTestfahrer gab – jedenfalls glauben das die Staatsanwälte –, der mit Tempo 250 auf der Autobahn fuhr und jemanden von der Straße abgebracht und dadurch ums Leben gebracht hat, dann glaube ich schon, dass wir endlich wieder die Frage stellen müssen, warum Deutschland das einzige Land auf der Welt ist, in dem man so schnell fahren darf, wie man es zu können glaubt.
Ich behaupte, dass 130 Kilometer pro Stunde auf der Autobahn völlig ausreichend sind. Es gibt dadurch einen gleichmäßigeren Verkehrsfluss, die Leistungsfähigkeit der Autobahn steigt, und es gibt nicht den, der mit Tempo 200 von hinten mit Blinklicht und Lichthupe anrauschen kann, weil
seine Geschwindigkeit von vornherein auf 130 Kilometer pro Stunde begrenzt wird.
Meine Damen und Herren, dass Sie diese Forderung immer noch nicht aufgegriffen haben, dass Sie immer noch für freie Fahrt für freie Bürger auf Autobahnen plädieren, egal wie viele Menschen dabei ums Leben kommen, ist für mich völlig unverständlich.
Herr Kollege Zimmermann, Sie können 160 Kilometer pro Stunde mit dem Schnellzug ab Kirchheim fahren; wenn Sie rechtzeitig einsteigen, dann geht es. Aber bitte nicht mit dem Auto rasen.
Dritter Punkt: Noch immer ist es so, dass wir sehr viele Verkehrsunfälle innerorts haben. Etwa die Hälfte der Verkehrsunfälle finden innerhalb geschlossener Ortschaften statt. Da nützt ein Tempolimit auf der Autobahn natürlich nichts. Mann muss aber sehen, wie schwierig es auch heute noch ist, Tempo 30 in Ortschaften durchzusetzen: Die Stadt Reutlingen hat jahrelang, weil die konservativen Fraktionen, die FDP und die CDU, sich dem verweigert haben, verhindert, dass auf dem Vorbehaltsnetz außerhalb der Bundesstraßen Tempo 30 eingeführt wurde. Jetzt ist es endlich geschafft, und siehe da, die Unfallzahlen sind sofort deutlich zurückgegangen. Diese Maßnahme hat Menschenleben gerettet, hat Kindern das Leben gerettet. Ihre Fraktionen in den Gemeinderäten haben sich immer wieder dagegengestellt.
Meine Damen und Herren, ich begreife bis heute nicht, warum es verboten ist, in Ortsdurchfahrten, wenn es auch nur eine Kreisstraße ist, Tempo 30 einzuführen. Ortschaften mit 500 Einwohnern, in denen alle 500 Einwohner der Meinung sind, dass auf ihrer Ortsdurchfahrt Tempo 30 gelten soll, wird dies verboten, weil es sich um eine Kreisstraße handelt. Die Beispiele dafür kennen Sie.
Meine Damen und Herren, wie wäre es mit einer Gesetzesinitiative, den Ortschaften zu gestatten, wenigstens auf Kreisstraßen Tempo 30 einzuführen? Warum muss durch kleine Ortschaften mit Tempo 50 gerast werden? Eine solche Gesetzesänderung hätte etwas mit mehr Sicherheit zu tun.
Deswegen, meine Damen und Herren, finde ich das Thema wichtig. Es freut mich, dass die FDP/DVP das Thema auf die Tagesordnung gebracht hat. Die Auskünfte der Landesregierung enthalten umfangreiches Datenmaterial. Aber es ist nicht damit getan, dass die Landesregierung stolz darauf hinweist, dass sie Trucker-Treffs unterstützt und dies als Präventionsmaßnahme betrachtet; vielmehr müssen ernsthafte politische Anstrengungen zur Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr folgen. Wir warten auf Ihre Antwort.
Herr Staatssekretär, könnten Sie sich vorstellen, bei dem begleiteten Fahren ab 17 in Baden-Württemberg eventuell dadurch einen weiteren Versuchscharakter zu erreichen, dass Sie besonders sicherheitsorientierte Rahmenbedingungen z. B. in Bezug auf die Qualifikation der Begleitperson, auf das Verbot von Alkoholkonsum oder hinsichtlich anderer Voraussetzungen für die Erlaubnis zum begleiteten Fahren setzen und dadurch einen Erkenntnisgewinn schaffen, der über das hinausgeht, was in den anderen Bundesländern bisher erreicht werden konnte?
Herr Staatssekretär, sind nach Ihrer Auffassung Gesetze, die das Land Baden beschlossen hat, in ihrer Wirkung noch heute spürbar, oder sind sie irrelevant?
Herr Staatssekretär, halten Sie die FAZ für eine vertrauenswürdige Quelle im Hinblick auf die Wirkung dieses Gesetzes auf einzelne Kunstwerke?
Herr Staatssekretär, in welchem Verhältnis stehen die Ausführungen, die Sie soeben über die Informationspolitik der Bundesregierung gegenüber dem Land Baden-Württemberg, also der Mitteilung durch die Presse über den Inhalt dieses Fünfjahresplans, gemacht haben, zu den Aussagen des früheren Ministers für Umwelt und Verkehr Ulrich Müller, der sich bei der Aufstellung des Zukunftsinvestitionsprogramms hier im Haus ausführlich, laut und stark darüber beschwert hat, dass er vom damaligen Bundesverkehrsminister nur aus der Presse und über das Internet über ein ähnliches Programm informiert worden sei?
Herr Staatssekretär, in welchem Verhältnis steht Ihre Aussage, aus planungsrechtlichen Gründen sei der Stadttunnel Freiburg derzeit nicht realisierbar, zu der Tatsache, dass im Kinzigtal in einem Abschnitt der B 33 ein Projekt des Weiteren Bedarfs mit Planungsrecht – das also den gleichen Status genießt wie der Stadttunnel Freiburg – in den Fünfjahresplan aufgenommen werden konnte?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als dieses Hohe Haus vor drei Wochen zum letzten Mal zusammenkam, konnte man die Reden des Abg. Drexler und von Ministerpräsident Oettinger an diesem Plenartag in drei Aussagen zusammenfassen:
Erstens: Die Finanzierung von Stuttgart 21 steht. Zweitens: Das Gemälde von Hans Baldung Grien gehört zweifelsfrei dem Haus Baden. Und drittens, Herr Drexler: Boris Palmer wird niemals Oberbürgermeister in Tübingen.
Seitdem hat sich einiges verändert. Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Wendlingen–Ulm sind nicht untrennbar miteinander verknüpft. In der Tat sind es unterschiedliche Projekte mit unterschiedlichen Verantwortlichkeiten. Die Neubaustrecke lässt sich durchaus allein, unabhängig von Stuttgart 21, realisieren.
Kurze Aufenthalte, Herr Kollege Theurer, sind heute selbstverständlich auch in Kopfbahnhöfen möglich. Im Hauptbahnhof Frankfurt wird vorgemacht, wie das geht.
Stuttgart 21 ist ein Konzept, das besonders die Anbindung des Flughafens und der Messe zum Ziel hat. Das Projekt soll die Möglichkeit eröffnen, die frei werdenden Gleisflächen wirtschaftlich und stadtgestalterisch zu nutzen.
Mir ist wichtig, dass wir an die milliardenschweren Projekte strenge Maßstäbe anlegen. Herr Ministerpräsident Oettinger möchte, dass der Bund rund eine halbe Milliarde Euro in das städtebauliche Projekt Stuttgart 21 investiert. Aber es wird bei der Realisierung von Stuttgart 21 entscheidend auf die Bereitschaft Baden-Württembergs und seiner Partner ankommen, die wesentlichen Finanzlasten und -risiken zu tragen.
Jetzt liegt die Wirtschaftlichkeitsrechnung vor. Sie weist eine Finanzlücke von 1,5 Milliarden € aus. Die Positionen, über die diese Lücke geschlossen werden soll, müssen noch einmal auf den Prüfstand. Wir sind es dem Steuerzahler schuldig, da genau hinzuschauen. Jeder Häuslebauer fängt doch auch erst an zu bauen, wenn die Finanzierung steht und die Risiken beherrschbar sind.
Die Bahn hat eine Risikoposition von 1 Milliarde € aufgemacht. Wir könnten Probleme mit den Tunneln bekommen.
Ich erinnere z. B. an die Kostensteigerung bei der Strecke Ingolstadt–Nürnberg. Dort mussten teilweise im Gebirge Brücken gebaut werden, weil der Grund nicht getragen hat.
Sie haben es getan. Ob das gut war, steht auf einem anderen Blatt.
Das alles hat zu einer Verdoppelung der Kosten geführt. Land und Bahn rechnen in ihr Finanzierungskonzept für Stuttgart 21 einen Zuschuss in Höhe von 250 Millionen € aus Brüssel ein. Angesichts des schmalen EU-Budgets und der Vielzahl von Projekten der Länder wird es schwierig, diesen Zuschuss tatsächlich zu bekommen. Wir werden die Fördermittel konzentrieren müssen.
Die Argumentation, die Sanierung des Kopfbahnhofs sei genauso teuer wie der Neubau von 55 km Tunnelstrecken im Stuttgarter Talkessel, habe ich vernommen – auch wenn ich ihr momentan nicht folgen kann. Aber ich bin sicher, dass die Berechnungen von Bund und Bahn plausibel sind, und die gehen von deutlich weniger Geld aus.
Meine Damen und Herren, der Ruhe im Saal entnehme ich, dass Sie gemerkt haben: Hier hat nicht der Abgeordnete Boris Palmer gesprochen.
Auch nicht der Oberbürgermeister von Tübingen.
Vielmehr sind das, was ich Ihnen soeben vorgetragen habe, ausschließlich Aussagen des Bundesverkehrsministers Tiefensee vom 22. Oktober – über die Nachrichtenagentur AP –
und vom 2. November dieses Jahres.
Meine Damen und Herren, wenn ich in diesem Haus in der Vergangenheit gesagt habe, dieses Projekt beinhalte ein Risiko von 1,5 Milliarden €, haben Sie mich als Schwarzmaler, als Kassandra, als was auch immer bezeichnet.
Ich bin gespannt, wie die SPD heute die Position des Bundesverkehrsministers bewertet – ich hoffe: positiv. Er hat nämlich recht, und zwar in jedem einzelnen Punkt.
Er hat völlig recht: Uns fehlen 1,5 Milliarden €. Ich bin gespannt, wie die Landesregierung angesichts dessen, dass eine Lücke von 1,5 Milliarden € zu schließen ist, ihr Ziel der Nettonullverschuldung erreichen will. Ich warte auf Ihre Aussagen.
Herr Kollege Bullinger, können Sie uns bitte Auskunft darüber geben, ob die FDP/ DVP-Landtagsfraktion die Auffassung des Kollegen Theurer teilt, wonach es notwendig ist, die Anteile des Landes am Flughafen und an der Messe zu verkaufen und damit etwa 700 Millionen € zu erlösen
oder mehr –, um die Finanzierungslücke, die er ja offenbar auf mindestens 700 Millionen € schätzt, zu schließen. Ist das die Auffassung der FDP/DVP-Fraktion?
Herr Minister, wenn der bisher in der Wirtschaftlichkeitsrechnung eingestellte Betrag von 250 Millionen € durch die EU nicht in dieser Höhe geleistet wird, wer übernimmt dann den Differenzbetrag zwischen der tatsächlich geleisteten Summe und den veranschlagten 250 Millionen €?
Zweite Frage: Wenn diese Wirtschaftlichkeitsrechnung, wie es jetzt in der Presse nachzulesen ist, mit einem Risiko von 1 Milliarde € versehen wird: Bis zu welchem Betrag hat die Landesregierung Zusagen gemacht, dieses Tunnelrisiko zu übernehmen, oder beabsichtigt sie, solche Zusagen zu machen?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich begrüße ausdrücklich, dass der Minister sehr sachliche Ausführungen gemacht hat,
und möchte mich jetzt auf diese Ausführungen beziehen.
Herr Minister, offiziell steht nun fest: Das Land Baden-Württemberg, die Region und die Stadt sollen für Stuttgart 21 einen Finanzierungsanteil von 884 Millionen € erbringen, 250 Millionen € EU-Mittel sind unsicher, 340 Millionen € Mehrerlöse aus dem Bahnverkehr können nicht garantiert werden und sind daher auch unsicher, und die Vorfinanzierungszusage des Landes, die unter Erwin Teufel noch 1 Milliarde DM lautete, ist mittlerweile mit einem Umtauschkurs von 1 : 1 in 1 Milliarde € umgewandelt worden.
Das ergibt in der Summe 2,4 Milliarden € Mittel aus Baden-Württemberg für dieses Eisenbahnprojekt, das eine Bundesaufgabe darstellt. Das heißt, zusätzlich zum Länderfinanzausgleich schieben wir 2,4 Milliarden € aus BadenWürttemberg weg in andere Kassen. Das müssen Sie sich schon einmal klarmachen und uns erklären.
Wir haben es unterlassen, genau diese Summe – 2,4 Milliarden € – zur Finanzierung einer Landesaufgabe zu verwenden, nämlich für die Sanierung unserer Universitäten. Wäre es nicht besser, 2,4 Milliarden € aus unseren Kassen in die Sanierung unserer Universitäten zu investieren, statt eine Aufgabe zu übernehmen, für die allein der Bund zuständig ist?
Bei 2,4 Milliarden € Landesbelastung ist leider noch nicht Schluss. Es geht um 640 Millionen € Grundstückserlöse, die die Stadt Stuttgart übernimmt. Diese Grundstücke werden bisher nur von öffentlichen Unternehmen gekauft – Landesbank etc. –; das heißt, auch dieser Betrag kommt aus unseren Kassen.
Außerdem – und das ist neu; das liegt erst heute auf dem Tisch und ist, Herr Minister, erst am Montagabend bekannt geworden, und zwar durch ein Gespräch mit der Bahn in Frankfurt; auch Sie wissen das – liegt jetzt die Forderung, ein Risiko von 1 Milliarde € beim Tunnel abzufedern, auf dem Tisch.
Nun kann man sagen, es gebe ein Gutachten, nach dem das Risiko nur bei 300 Millionen € liege, Herr Minister. Ist das der gleiche Gutachter, der die Kunstschätze aus Baden begutachtet hat? Ich weiß es nicht. Aber ich kann Ihnen sagen, dass es Erfahrungswerte mit solchen Tunnelprojekten gibt. Ich nenne sie Ihnen: Ingolstadt–Nürnberg: beim Baubeginn 2,0 Milliarden €, bei Bauvollendung 3,6 Milliarden €, also 80 % Kostensteigerung; Frankfurt (Main)–Köln: beim Baubeginn 4,0 Milliarden €, bei Bauvollendung 6,0 Milliarden €, also 50 % Kostensteigerung; Berlin Hauptbahnhof trotz Abspeckung: beim Baubeginn 500 Millionen €, bei Bauvollendung 700 Millionen €, also 40 % Kostensteigerung; Lötschbergtunnel in der Schweiz – errichtet durch die erfahrensten Tunnelbauer der Welt –: 34 % Kostensteigerung von Baubeginn bis heute; Neue Alpentransversale in
der Schweiz: beim Baubeginn 16 Milliarden Franken, nach der aktuellen Kostenschätzung 24 Milliarden Franken.
Engelbergtunnel: beim Baubeginn 800 Millionen DM, nach Realisierung 1,3 Milliarden DM, also 50 % Kostensteigerung. Weitere Kosten entstehen, weil dieser Tunnel nicht wasserdicht zu bekommen ist.
Diese Erfahrungswerte sollten Sie eines lehren: Wenn Sie hier Zusagen zur Risikoübernahme machen, wird das Land das alles bezahlen müssen. Es geht nicht um Schwarzmalerei. Die Erfahrungswerte bei Tunnelprojekten dieser Größenordnung und bei der Geologie, die wir hier vorfinden – mit Anhydrit, mit quellfähigem Material, mit wasserführenden Schichten im Gipskeuper –, sagen uns – –
Entschuldigung, Herr Dr. Noll, diese Milliarde ist keine Schwarzmalerei, sondern diese Milliarde wird uns im Landeshaushalt voll durchschlagen!
Jetzt verlange ich von Ihnen nur eines – was wir stattdessen machen sollten, sage ich Ihnen gleich –: Wenn Sie hier, wie vor drei Monaten geschehen, hinstehen und von den Volkshochschulen verlangen, auf einen Betrag von 1,1 Millionen € zu verzichten, wenn Sie bei den Aidshilfen und bei den Sozialinitiativen streichen –
und das alles mit dem Argument, Sie müssten den Haushalt sanieren;
das steht immer wieder in den Haushaltsentwürfen drin; mal sehen, wann es wieder kommt – –
Sie tun das alles und sagen: Die Sozialinitiativen müssen mit Beträgen zwischen 50 000 und 100 000 € bluten, um unseren Landeshaushalt zu sanieren. Glauben Sie, dass Sie das durchstehen, wenn Sie gleichzeitig im Land erklären, dass Sie das Risiko übernehmen und Milliarden für eine Bundesaufgabe ausgeben? Die Haushaltssanierung in Baden-Württemberg wird an dem Tag beendet, an dem Sie für Stuttgart 21, für das Vergraben des Bahnhofs Milliardenzusagen machen.
Deswegen kann ich nur an Sie appellieren: Werden Sie schwäbisch! Werden Sie seriös! Gehen Sie endlich auf die Zahlen ein!
Diskutieren Sie sie nicht weg! Legen Sie die Zahlen auf den Tisch!
Mit Erlaubnis des Präsidenten noch eine kurze Bemerkung zu den Alternativen: Es ist von mir verlangt worden, diese Alternativen zu liefern. Eigentlich ist das Aufgabe der Bahn und der Regierung, aber seit zehn Jahren tun wir nichts anderes.
Was sind die Alternativen?
Eine Alternative wäre, den Kopfbahnhof zu sanieren und zwei zusätzliche Gleise nach Bad Cannstatt zu legen. Weitere neue Gleise sind nicht notwendig, Herr Kollege Drexler. Zwei zusätzliche Gleise nach Bad Cannstatt und die Sanierung des Kopfbahnhofs kosten 800 Millionen €. Dies ist flexibel umsetzbar. Es wird komplett vom Bund bezahlt.
Sofort. – Es ist finanziert, weil es aus Erhaltungsmitteln kommt. Diese Mittel stehen abrufbar zur Verfügung.
Natürlich. Der Bund kann uns hier gar nicht alleine lassen. Der Verkehrsminister selbst sagt, diese Variante sei billiger als alle Stuttgart-21-Versionen.
Sie ist leistungsfähiger, weil der Integrale Taktfahrplan dann realisiert werden kann.
Sie hat in dieser Hinsicht verkehrstechnische Vorteile – mit einer Ausnahme: Beim Flughafen und bei der Messe wird es schlechter. Aber alles andere wird besser.
Wie fahre ich dann weiter, Herr Kollege Drexler? Das will ich als Zwischenfrage betrachten.
Sehr gerne.
Herr Kollege Bachmann, die Landesregierung fordert vom Bund ungefähr 800 km neuen Straßenbaus. Sind Sie da auch wegen des Flächenverbrauchs dagegen? Ich bitte Sie!
Die Vorteile des Kopfbahnhofs, Herr Kollege Drexler: Wie wird es weitergeführt? Sechsgleisig bis Bad Cannstatt. Von dort gibt es zwei Varianten. Die sollen bitte schön endlich einmal vernünftig geprüft werden.
Nein, sind sie nicht.
Nein, der Bundesverkehrsminister selbst – er gehört Ihrer Partei an – sagt, diese Varianten müssten endlich solide geprüft werden.
Nein, sind sie nicht, weil keine Zahlen vorliegen, die belastbar sind. Ich verlange, dass das endlich gemacht wird. Die eine Variante heißt Aufstieg Mettingen. Und dann streiten wir zwei uns um Gemüsefelder, wobei ich sagen muss: Davon verstehe ich mehr als Sie, Herr Kollege.
Die andere Variante ist die: auf der vorhandenen Strecke ohne Abriss von Gebäuden. Dieser ist nicht notwendig.
Nein, viergleisig. Sie brauchen keine neuen Gleise. Es bleibt alles im Bestand durch Ausbau, durch neue Technik, durch Gegenverkehrsbetrieb der Gleise, durch zusätzliche Weichen – derzeit werden sie abgebaut; dann muss man sie wieder einbauen. Durch diese Investition – sie ist eben nicht gerechnet; die gibt es nicht einmal planerisch – kann man bis nach Wendlingen kommen. In der Tat, dann beträgt die Kantenfahrzeit zwischen den beiden Knoten 45 Minuten, aber mit solidem Puffer. Das heißt, wir haben dann eine pünktlichere und eine finanzierbare Bahn, weil die Gesamtkosten dieser Maßnahme nicht über 1,5 Milliarden € liegen werden. Gegenüber dem Tunnelbaurisiko würden 2 bis 2,5 Milliarden € eingespart. Das ist meine Alternative, Herr Drexler.
Deshalb fordere ich nichts anderes als erstens: Zahlen auf den Tisch.
Zweitens: Die Alternative Kopfbahnhof solide prüfen. Und drittens: Keine Alles-oder-nichts-Strategie.
Sie können nicht einerseits sagen, das Wohl des Landes hänge von der Neubaustrecke ab, und andererseits, wenn Ihr Lieblingsprojekt Stuttgart 21 nicht kommt, beleidigt sein und sagen: „Dann machen wir gar nichts.“ Werden Sie endlich verantwortlich im Umgang mit unserem Haushalt und dem Eisenbahnverkehr in Baden-Württemberg!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst herzlichen Dank, Herr Scheuermann, für die Glückwünsche. Ich kann mich heute kaum vor Glückwünschen retten.
Ich hoffe, dass das nicht als Wunsch, mich loszuwerden, gemeint ist, sondern ehrlich. Sicher kann man nicht sein. Bei manchen auf der anderen Seite kann man da nicht sicher sein.
Herr Kollege Haller, was mich an Ihnen und Ihrem munteren Auftritt freut, ist, dass man offensichtlich auch nach acht Jahren Amtszeit als Oberbürgermeister noch gute Reden halten kann. Das ist mir auch eine Ermutigung.
Und noch bessere sogar. Das ist ganz wunderbar.
Zur Sache: Herr Scheuermann, Sie haben mich für meine in diesem Sommer durchgeführte Reise durch Baden-Württemberg kritisiert
Kampagne; meinetwegen –, bei der ich davor gewarnt habe, was eintreten kann, wenn die Kürzungen des Bundes in Kürzungen der Verkehrsleistungen umgesetzt werden. Ich habe immer gesagt, es handle sich um ein Szenario, von dem ich möchte, dass es nicht eintritt.
Das ist überall nachlesbar, Herr Kollege Fleischmann. Ich habe gesagt, mit drei Maßnahmen könnten diese Kürzungen verhindert werden,
nämlich erstens indem man mit der Deutschen Bahn AG hart verhandelt und einen Preisnachlass einfordert, weil die Bahn uns ausnimmt wie eine Weihnachtsgans und über 100 Millionen € Jahresgewinn aus unseren Zuschüssen erwirtschaftet, zweitens indem man bei Stuttgart 21 ein Stoppsignal setzt und dann eben Mittel frei hat, die man nicht vergraben muss,
und drittens indem man beim GVFG Umschichtungen von der Straße zur Schiene vornimmt. Das war mein Gegenfinanzierungsvorschlag. Damit wollte ich die Streichungen verhindern. Sie haben jetzt einen anderen Weg gewählt. Ich sage Ihnen ganz offen: Es freut mich
Herr Kollege Fleischmann –,
dass Sie es geschafft haben, von 70 Millionen € Kürzungsvolumen des Bundes – da hat Schwarz-Rot wirklich den Klimaschutz und den Verkehr in Baden-Württemberg böse attackiert – auf 14 Millionen € Streichungsvolumen bei den Bahnen herunterzukommen. Das finde ich hervorragend. Dafür meinen Respekt. Das ist eine Leistung.
Allerdings gibt es Wermutstropfen. Der erste Wermutstropfen – da sind wir uns einig, Herr Kollege Scheuermann – ist, dass der Busverkehr mit 25 Millionen € bluten muss. Bei der von mir vorgeschlagenen Lösung wäre das vermeidbar gewesen. Man hätte den Busverkehr nicht so schröpfen müssen. Ich sage auch: Das können Sie nicht dauerhaft so machen. Im Hinblick auf den ländlichen Raum ist das eine Übergangslösung. Man kann diese Förderung einmal für zwei Jahre einstellen, aber man kann die Förderung des Busverkehrs nicht dauerhaft auf null kürzen. Das heißt, Sie brauchen strukturell eine andere Lösung.
Zum Zweiten haben Sie den Vorschlag, den ich gemacht habe – ob Sie das so oder so getan hätten, weiß ich nicht –, nämlich die Umschichtung von der Straße zur Schiene, durchgeführt. Allen Respekt, das hätte ich Ihnen nicht zugetraut. Denn in den letzten Jahren, als wir das beantragt haben, haben Sie das stets für unmöglich erklärt. Jetzt geht es. Ich breche nicht in Triumphgeheul aus, sondern stelle nur fest: Dieser Vorschlag ist von Ihnen realisiert worden. Auch das freut mich, weil es der Umwelt und dem Schienenverkehr in Baden-Württemberg nützt.
Leider ist nicht realisiert worden, dass Sie endlich bei der Bahn Druck machen. Das ist für mich der größte Wermutstropfen. Ich meine, dass Sie, um Stuttgart 21 zu erhalten, leider bereit sind, sich von der Bahn schon wieder über den Tisch ziehen zu lassen. Darauf will ich den Rest meiner Redezeit verwenden.
Was ist geschehen? Von Ihnen hat es merkwürdigerweise niemand angesprochen. Vielleicht ist es Ihnen nicht aufgefallen, aber Tatsache ist: Sie streichen der Bahn 13 Millionen € Zuschüsse, und dafür darf die Bahn Verkehrsleistungen im Wert von 18 Millionen € einstellen. Das ist ein Faktor von 1,42.
Laut Verkehrsvertrag ist zunächst über eine mengenneutrale Lösung zu verhandeln, das heißt, Sie hätten verhandeln müssen: Bahn, wir streichen 13 Millionen €, aber ihr fahrt trotzdem genauso viel wie bisher. Da hat Ihnen die Bahn offenbar gesagt: Das steht zwar so im Vertrag, aber wir machen es nicht. Dann haben Sie weiter verhandelt und haben fast bis zum Maximalwert – 1,5 ist nämlich laut Vertrag der Maximalwert – der Bahn Zugeständnisse gemacht bis zu einem Faktor von 1,42. Das heißt, Sie haben 5 Millionen € jährlich verschenkt – wohlgemerkt jährlich! –, und die Bahn macht zusätzliche Gewinne, indem sie Verkehrsleistungen einstellt. Man kann bis auf den einzelnen Euro nachrechnen, dass Sie damit massiv Geld verschenken.
Herr Scheuermann, Sie sind vom Kollegen Haller gelobt worden. Auch ich lobe Sie gerne. Sie sind ein ehrlicher und vernünftiger Politiker.
Immer schon gewesen. – Vor dem Verband der Omnibusunternehmer haben Sie gesagt, dass der Verkehrsvertrag für die Bahn so günstig ist, dass er ihr so hohe Zahlungen garantiert und dass er ihr jetzt erlaubt, auch noch daran zu verdienen, dass sie Züge streicht. Das sei ja zu verstehen, denn das sei eine Vorleistung auf Stuttgart 21. Sie haben es gesagt, ich wiederhole es nur. Da kann ich nur sagen: Das ist der Beweis dessen, was ich immer gesagt habe. Es beweist, dass Stuttgart 21 dem Verkehr im Land schadet,
dass der Rest des Landes darunter leiden muss, dass der Rest des Landes bluten muss, um Ihre Tunnelbegeisterung zu finanzieren. Das ist hochproblematisch. Denken Sie noch einmal darüber nach.
Eines will ich Ihnen noch mit auf den Weg geben: Es gibt im Land Baden-Württemberg 18 Verkehrsverträge: einen mit der DB, über den wir gerade geredet haben, und 17 mit anderen, teilweise Tochterunternehmen der DB.
Letzte Bemerkung, Herr Präsident.
In 17 Verkehrsverträgen ist geregelt, dass bei Abbestellungen von Verkehrsleistungen für 1 € weniger Zuschuss 1 € weniger Leistung erbracht werden muss. Nur ein einziger Vertrag enthält die Klausel, dass für 1 € weniger Zuschuss im Gegenwert von 1,50 € Leistung eingestellt werden darf. Das ist der Vertrag mit der Deutschen Bahn AG.
Warum sollten alle anderen Verkehrsunternehmen im Verhältnis 1 : 1 kürzen müssen, aber der Deutschen Bahn AG müssen für jeden Euro noch 42 Cent geschenkt werden? Wenn Sie darauf eine vernünftige Antwort geben, Herr Kollege Hauk, dann wären wir weiter.
Ich hoffe, dass es mit den Kürzungen im Land damit genug ist. Denn unter dem Gesichtspunkt der Herausforderungen des Klimawandels, der Klimakonferenz in Nairobi, worüber wir heute überall in den Zeitungen lesen, ist es absolut verheerend, dass wir beim Schienenverkehr, beim umweltfreundlichen Verkehr Eingriffe in die Verkehrsleistungen vornehmen. Ich bedauere das sehr. Man hätte sie ganz verhindern können, wenn Sie noch mehr auf unsere Vorschläge eingegangen wären.
Herr Staatssekretär, Sie haben die Gelegenheit zu einer ausführlichen Abrechnung mit meiner Arbeit genutzt. Ich darf Sie eines fragen: Würden Sie es an meiner Stelle als kleines, unbedeutendes Licht in der Opposition
als Erfolg betrachten, wenn Sie über Monate hinweg fordern würden und das dann tatsächlich eintritt, dass aus einer Kürzung von 70 Millionen € beim Schienenverkehr, die der Bund gegen alle Ziele des Umweltschutzes vornimmt, im Landesbereich eine Kürzung von 13 Millionen € wird, indem man beim Straßenbau Mittel streicht, indem man umschichtet und vermeidet, dass Verkehre eingestellt werden und Strecken stillgelegt werden? Wären Sie nicht, wenn Sie das forderten und die Regierung das am Ende machte, der Auffassung, dass das einen Erfolg Ihrer Politik bedeutet?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Werte Fans von Stuttgart 21, was spricht nach Ihrer Auffassung für das Projekt?
Erstens: Stuttgart 21 und die Neubaustrecke seien selbstverständlich eine untrennbare Einheit. Sie könnten durch nichts
auf der Welt getrennt werden. Kein Blatt Papier gehe zwischen diese beiden Projekte.
Ich halte es mit der Auffassung von Bundesverkehrsminister Tiefensee, der zwei getrennte Arbeitsgruppen eingesetzt und zur „Augsburger Allgemeinen Zeitung“ auf die Nachfrage „Ist es möglich, dass nur die Neubaustrecke realisiert wird und nicht der Tunnelbahnhof?“ geantwortet hat – zwei Buchstaben –: „Ja.“ Er hat recht.
Zweitens: Sie behaupten, ohne den Tunnelbahnhof würde Baden-Württemberg abgehängt. Das ist die große Sorge der Provinz: „Wir werden abgehängt.“ Der TGV kommt nächstes Jahr in drei Stunden und 40 Minuten nach Stuttgart. Sollten Sie es schaffen, Stuttgart 21 zu realisieren, wird er nicht drei Stunden und 40 Minuten, sondern drei Stunden und 38 Minuten benötigen, um in den Bahnhof einzufahren.
Glauben Sie, dass das irgendeinen Eindruck auf die Pariser macht?
Es spielt überhaupt keine Rolle, ob der Bahnhof fünf Minuten mehr oder weniger an Zeitaufwand bringt. Glauben Sie, auf der Strecke Paris–Bratislava spielen fünf Minuten eine Rolle? Die Frage, ob Baden-Württemberg ins europäische Schienennetz eingebunden ist, hängt ausschließlich von der Neubaustrecke ab und hat nichts mit der Frage zu tun, ob Sie den Kessel durchtunneln.
Drittens: Anbindung von Flughafen und Messe. Sie sollten immer dazusagen: Ihre wunderbare ICE-Anbindung des Flughafens begrenzt sich auf einen einzigen ICE pro Stunde. Ein Zug pro Stunde! Alles andere sind Regionalzüge.
24 Stunden fährt die Bahn leider nicht.
Die Regionalzüge sind wichtig, aber die hoch gepriesene ICE-Anbindung für das ganze Land ist ein Zug pro Stunde.
Was nützt es Ihnen, wenn Sie landen und der nächste ICE fährt erst in 50 Minuten? Dann fahren Sie doch mit der SBahn weiter und wie immer in 27 Minuten in die Stadt, Herr Dr. Noll. Diese Landesregierung ist noch nicht einmal in der Lage, das Geld aufzubringen, um den derzeit vorhan
denen schlechten 20/10-Minuten-Takt für die S-Bahn auf einen Zehn-Minuten-Takt zu verdichten.
Deshalb: Hören Sie doch auf, zu erzählen, wie bedeutsam dieses Projekt für den Flughafen und die Messe wäre.
Sie können mit einer Startbahnanbindung, wie sie auf Anfrage des Abg. Dr. Palmer von der Landesregierung als derzeit nicht finanzierbar dargestellt wurde, einer Zehn-Minuten-Vertaktung der S-Bahn und einer Durchbindung der Gäubahn zu einer ICE-Neubaustrecke nach München mit wesentlich weniger Finanzaufwand denselben Effekt für den Flughafen erzielen. Also auch das ist kein Argument.
Herr Dr. Noll, Sie reden von Ochsen, vom Dreschen, von Dampfzügen und behaupten, ich sei aus dem letzten Jahrhundert.
Niemand aus diesem Parlament kann aus diesem Jahrhundert sein. Dann wären wir nämlich höchstens sechs Jahre alt. Aber wenn Sie sich einmal klarmachen, dass Frankfurt, Zürich, München und Leipzig einen Kopfbahnhof haben, können Sie nicht im Ernst behaupten, dass all diese Städte vom Zugverkehr abgehängt werden, nur weil die Züge dort wenden.
Das ist doch ein Argument aus der Zeit, als man noch Lokomotiven umgespannt hat. Die Wendezeit im Stuttgarter Hauptbahnhof beträgt heute vier Minuten. Diese vier Minuten werden nicht für den Zug benötigt, sondern für das Einund Aussteigen der Passagiere. Schneller geht es nicht. Durch die Aufgabe des Kopfbahnhofs wird nichts gewonnen.
Das Umsteigen ist für Leute, die nicht gut zu Fuß sind, wesentlich besser, wenn man sich ebenerdig fortbewegen kann, als wenn man über hohe Umstiege herunter- und hinaufmuss.
Dann wird behauptet, der Regionalverkehr würde verbessert. Tatsache ist: Er wird langsamer und teurer. Der SBahn-Verkehr, der in der Region Stuttgart wesentlich mehr Potenzial hat als der Regionalverkehr, wird durch den Neubau der Haltestelle Mittnachtstraße auf allen Achsen der Linien S 1 bis S 6 um drei bis vier Minuten langsamer. Entsprechend weniger attraktiv wird er. Sie haben bis heute überhaupt keine Erklärung, wie Sie dann die Infrastruktur anpassen. Der 15-Minuten-Takt ist an vielen Stellen nämlich exakt auf diese Infrastruktur ausgelegt. Sie können entweder den 15-Minuten-Takt nicht mehr halten, oder Sie müssen massiv die Anschlüsse an den S-Bahn-Knotenpunk
ten verlängern. Das heißt, für die Mehrzahl der Fahrgäste wird der Verkehr langsamer und nicht schneller, und weil Sie das irgendwie finanzieren müssen, werden auch noch die Fahrpreise erhöht. Langsamer und teurer im Regionalverkehr, und dafür geben Sie Geld aus! Absurd!
Dann haben wir das Thema „Flächen in der Innenstadt“. Wenn Sie sich den Inneren Nordbahnhof anschauen, wenn Sie nur vor die Tür gehen und die riesigen leeren Flächen, auf denen nichts passiert, betrachten, dann werden Sie feststellen: 50 ha könnte Herr Föll sofort entwickeln. Wenn er sich nur endlich einmal daranmachen würde. Aber er macht seit zehn Jahren nichts, weil er immer darauf wartet, dass ihm irgendjemand einmal sagt, der Bahnhof werde vergraben. Deswegen kommt die Stadt nicht voran. Wenn Sie aber so lange warten, bis die Gleise wegkönnen, also bis 2016, 2017, dann ist die Messe schon gelesen. Denn Stuttgart wird noch 15 Jahre lang wachsen, und danach ist Schluss. Das heißt, wenn Herr Föll die Flächen endlich hat, dann braucht er sie nicht mehr. Jetzt muss er entwickeln und darf nicht ewig warten, bis Sie sich einmal entscheiden können, was mit dem Bahnhof passiert.
Halten wir also fest: Alles, was dafür spricht, sind die Nutzeneffekte der Neubaustrecke. Die bringt 24 Minuten Fahrzeitengewinn. Die bindet uns ein nach Europa. Das ist der große Vorteil für unser Schienennetz. Hier müssen wir Druck machen. Die Argumente für Stuttgart 21 sind samt und sonders belanglos oder falsch. Samt und sonders!
Deswegen fragt man sich schon, was Sie eigentlich treibt. Ich werde in der zweiten Runde versuchen, das zu analysieren.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn die FDP/DVP beginnt, Projekte mit ökologischen Gründen zu motivieren, ist das verdächtig. Da kann irgendetwas nicht stimmen. Wenn Sie auf die Umwelt zurückgreifen müssen, um etwas zu begründen, ist irgendetwas falsch.
Jetzt schauen wir uns das einmal an. Nur weil Herr Drexler sagt, die Fahrzeit von Tübingen nach Stuttgart sinke von einer Stunde und einer Minute auf 42 Minuten, und weil Sie diese Aussage wiederholen, stimmt das aber leider noch nicht. Die Fahrzeit mit Neigezügen beträgt laut Fahrplan – Abfahrt Tübingen: 9:02 Uhr, Ankunft Stuttgart: 9:43 Uhr – schon heute nur 41 Minuten. Also gibt es für Tübingen exakt 0 Minuten Fahrzeitgewinn durch Stuttgart 21. Sie kommen immer mit diesen falschen alten Argumenten.
Das zeigt genau, wie Sie vorgehen: Die von Ihnen genannte Fahrzeit von einer Stunde und einer Minute gibt es tatsächlich – das sind die langsamen Züge, die an jeder Milchkanne halten, zum Beispiel in Esslingen.
Aber mit diesen Zügen fährt gar kein Tübinger; wir haben nämlich schnelle, direkte Verbindungen nach Stuttgart. Wir müssen uns nicht in Esslingen aufhalten, um nach Stuttgart zu kommen.
Jetzt lassen wir diesen Klamauk einmal weg. Worin liegen die verkehrlichen Probleme dieses Bahnhofs?
Punkt 1: Wir haben bisher vier Gleise von Zuffenhausen in den Hauptbahnhof. In Zukunft sind es nur noch zwei. Dies ist der definierende Engpass Ihrer neuen Tunnellösung. Dieser Engpass ist schmäler als der des Kopfbahnhofs. Das ist unbestritten; da kommt niemand drum herum. Deswegen bauen Sie gerade nicht für die Zukunft, sonst müssten Sie die viergleisige Variante wählen.
Dafür haben Sie das Geld nicht; das würde nämlich 100 Millionen € mehr kosten.
Punkt 2: Durch diesen angeblich so tollen Durchgangsbahnhof wird die Durchfahrt nicht schneller als beim Kopfbahnhof. Sie müssen Tempo 30 fahren, weil der Talkessel zu schmal ist und weil die Weichenköpfe so nahe an den Bahnsteigen sind, dass man gar nicht schnell einfahren kann, weil die Winkel zu groß werden. Ein normaler Durchgangsbahnhof hat Tempo 80. Aber es ist an dieser Stelle so eng, dass Sie gar nicht wesentlich schneller als mit 30 Kilometer pro Stunde durchkommen. Für Tempo 30 braucht man aber wirklich keinen Durchgangsbahnhof.
Noch schlimmer: Die Gleise können nicht unabhängig voneinander betrieben werden. Weil die Weichenköpfe so nahe aneinandergerückt sind, muss ein einfahrender Zug, der auf ein Gleis neben einem anderen Zug fährt, erst zum Stehen gekommen sein, bevor der andere Zug losfahren kann, weil der sogenannte Durchrutschweg einen Trassenkonflikt erzeugt.
Das ist Ihnen zu kompliziert. Das wollen Sie nicht wissen.
Dieser Durchgangsbahnhof ist mit seiner gesamten technischen Anlage ein extremer Kompromiss hinsichtlich der Kosten, und er ist gerade nicht die zukunftsfähige Lösung, die wir brauchen. Es wird extreme Probleme im Betriebsablauf geben. Wenn Sie ihn tatsächlich bauen, wird Stuttgart den verspätungsanfälligsten Bahnhof in Deutschland haben.
Selbstverständlich.
Er liegt bei derzeit 31 Zügen pro Stunde im Kopfbahnhof. Baut man die zwei zusätzlichen Gleise Richtung Bad Cannstatt, liegt bei 38 Zügen im Rahmen eines Integralen Taktfahrplans noch nicht die Obergrenze. Sie können mit weiteren Überwerfungsbauwerken und Modernisierungsmaßnahmen
in die gleiche Größenordnung kommen und mehr Züge abwickeln. Doch entscheidend ist, Herr Kollege Drexler: Was da berechnet wird, ist die Leistungsfähigkeit unter einem bestimmten Betriebskonzept. Das Betriebskonzept für den Tunnelbahnhof lautet: Rund um die Stunde fahren Züge aus und ein – mit entsprechend schlechten Anschlüssen. Das Betriebskonzept für den Kopfbahnhof bei den 38 Zügen ist der Integrale Taktfahrplan – das heißt: kurze Umstiegszeiten.