Bernhard Lasotta

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Vielen Dank. – Herr Prä sident, werte Kolleginnen und Kollegen! Als ich das letzte Mal eine Erklärung zum Abstimmungsverhalten abgegeben hatte, hat das zu Verwicklungen mit der FDP/DVP geführt. Damals ging es um Erlenbach. Das war im Zusammenhang mit der Wahlkreisreform. So schlimm wird es heute nicht.
Ich möchte mein Abstimmungsverhalten begründen, weil ich in der Tat nicht mit den Grünen in einen Topf geworfen wer den will.
Ich habe nicht aus den Gründen, wegen derer die Grünen ge gen dieses Gesetz gestimmt haben, nicht zugestimmt, sondern aus anderen Gründen. Ich halte die Argumentation, die Sie von den Grünen gebracht haben, auch für relativ populistisch,
weil weiterhin der Grundsatz aufrechterhalten bleibt: höhere Diäten für die Aktiven und dafür Einschnitte bei der Alters versorgung. Das war hier im Parlament Konsens.
Ich habe schon dem ersten Schritt der Parlamentsreform nicht zugestimmt, weil ich glaube, dass die Unvereinbarkeit des Mandats mit bestimmten Berufen für dieses Parlament nicht richtig ist. Ich glaube auch, dass die Begründung mit dem Vollzeitparlament, die auch in der heutigen Debatte von vie len Rednern angeführt wurde, nicht die richtige ist. Das Par lament von Baden-Württemberg hat davon gelebt, dass viele Abgeordnete weiterhin in ihren Berufen tätig waren. Ich selbst
bin als angestellter Arzt in einer Teilzeitbeschäftigung weiter hin am Klinikum in Heilbronn tätig.
Ab einem gewissen Zeitpunkt, wenn eine gewisse Diätenhö he erreicht ist und auch die Begründung dieses Parlaments im mer wieder die ist, dass wir ein Vollzeitparlament brauchen, glaube ich, dass sich die Zusammensetzung dieses Hohen Hauses ändern wird, weil bestimmte Leute dann gar nicht mehr bereit sind, sich für eine Kandidatur als Abgeordneter zur Verfügung zu stellen.
Ich halte das für einen Fehler. Ich glaube, dass das Parlament davon gelebt hat, dass die Menschen ihre Abgeordnetentätig keit und ihre normale berufliche Tätigkeit miteinander ver knüpft haben, dass viel Sachverstand und tägliche Erfahrung aus dem Beruf mit in die Parlamentsarbeit eingebracht wur de. Ich glaube, dass dies zukünftig schwieriger werden wird, zumal die Begründung mit dem Vollzeitparlament immer im Vordergrund steht.
Deshalb halte ich das, was das Parlament hier gemacht hat, für einen historischen Fehler, und deswegen habe ich dage gen gestimmt.
Verehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns bereits in der ersten Lesung mit dem Gesetzentwurf beschäftigt. Notwendig wird die Novellierung, weil in vielen Rettungsdienstbezirken die Hilfsfristen nicht eingehalten werden und wir im Bereich der notärztlichen Versorgung Handlungsbedarf haben. Wir betrachten den Rettungsdienst als einen zentralen Punkt in der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung Baden-Württembergs, weil wir eine veränderte Landschaft im Bereich der niedergelassenen Ärzte haben und eine veränderte Landschaft im Bereich der Krankenhausstruktur haben, da nicht mehr überall die Angebote gemacht werden können wie bisher, weil durch die Fallpauschale auch die Finanzierung an den Krankenhäusern anders geworden ist, weil dadurch enger gerechnet werden muss und weniger Ärztinnen und Ärzte zur Verfügung stehen, um notärztliche Tätigkeiten auszuüben. In diesem Moment muss die Politik reagieren.
Ich glaube, dass das mit dem jetzigen Entwurf für ein Gesetz zur Änderung des Rettungsdienstgesetzes sehr verantwortungsbewusst gemacht wurde. Über diese Thematik wurde im Ausschuss sowie im Parlament sehr verantwortungsbewusst
diskutiert. Wir ändern ein paar zentrale Punkte, die wichtig sind, um den Bürgern die Sicherheit zu geben, dass in BadenWürttemberg auch zukünftig eine gute notärztliche Versorgung vorhanden ist.
Diese Versorgung ist schon heute gut, besser als in anderen Bundesländern. Auch die Rettungsketten funktionieren besser. Wenn Sie in Baden-Württemberg einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall bekommen, ist die Wahrscheinlichkeit, dies zu überstehen und wieder gesund zu werden, größer als in anderen Bundesländern. Dennoch ist Handlungsbedarf gegeben, um auch für die Zukunft die notärztliche Versorgung absichern zu können.
Dafür werden ein paar zentrale Punkte geändert. Auf der einen Seite werden die Bereichsausschüsse, die dafür verantwortlich sind, die Notarztstandorte festzulegen, die Krankenhäuser mit der notärztlichen Versorgung zu beauftragen und die Strukturen bereichsübergreifend zu bestimmen, gestärkt, und zwar auch in ihrer Verantwortung und in den rechtlichen Möglichkeiten. Sie können zukünftig per Verwaltungsakt über die Landratsämter entsprechende Anweisungen geben.
Die zweite große Veränderung ist, dass es Finanzierungssicherheit für die mit der notärztlichen Versorgung beauftragten Krankenhäuser gibt. Ihnen werden Aus-, Fort- und Weiterbildung der Notärzte sowie die Qualifizierung des Rettungsdienstpersonals über die Krankenkassen finanziert. Das ist eine ganz wichtige Forderung auch der Träger, die wir damit umsetzen konnten.
Ich glaube, dass damit zentrale Instrumente geschaffen werden. Auch zukünftig kann das, was der Landtag von BadenWürttemberg beschlossen hat, nämlich die doppelte Hilfsfrist – auf der einen Seite der Rettungsdienst, auf der anderen Seite die Notärzte –, wonach in 95 % der Fälle der Notarzt binnen 15 Minuten am Einsatzort sein soll, aufrechterhalten werden. Damit ist ein wichtiges Kernelement der gesundheitlichen Versorgung unserer Bevölkerung sichergestellt. Es wird auch auf die Zukunft ausgerichtet, und damit wird eine bessere Qualität der notärztlichen Versorgung erreicht.
Der Landtag hat durch verschiedene parlamentarische Initiativen dazu beigetragen, dieses Rettungsdienstgesetz so zu verändern, wie es uns heute als Entwurf vorliegt. Ich möchte unserer Sozialministerin Dr. Stolz und insbesondere auch unserem Staatssekretär Hillebrand herzlich danken, dass diese Anregungen aufgenommen wurden. Sie wurden ernsthaft und schnell in die Tat umgesetzt. Damit geben wir wiederum ein klares Bekenntnis für die Hilfsfristen in Baden-Württemberg ab. Wir haben auch gegenläufigen Bestrebungen standgehalten: Viele kommunale Vertreter oder Landräte haben gesagt: „Um die Problematik zu lösen, verlängern wir einfach die Hilfsfristen auf 20 Minuten, anstatt bei 15 Minuten zu bleiben.“ Ich glaube, das wäre Augenwischerei gewesen.
Zu Recht geben wir unserem Rettungsdienst und unserem notärztlichen System eine hohe Qualität vor. Wir schaffen es mit der Änderung des Rettungsdienstgesetzes, dies jetzt auch mit klaren rechtlichen Kompetenzen für die Bereichsausschüsse und mit klaren finanziellen Regelungen zu unterfüttern. Damit geben wir, glaube ich, aus diesem Parlament heraus einen
ganz wichtigen Impuls, dass die notärztliche und die rettungsdienstliche Versorgung in unserem gesamten Land BadenWürttemberg auch in Zukunft gesichert sind. Ich bedanke mich herzlich dafür, dass dies in großer Einigkeit aufgenommen wurde.
Einigen Änderungsanträgen konnten wir nicht zustimmen. Sie kamen insbesondere von den Grünen, Frau Mielich. Das Begehren in Bezug auf das Rettungsfax konnten wir allerdings aufnehmen. Das war sicherlich eine gute Anregung.
In Ihrem Änderungsantrag, der uns heute vorliegt, fordern Sie die Installation eines Ärztlichen Leiters Rettungsdienst. Ich glaube, dass wir mit den Leitenden Notärzten schon bisher Strukturen haben, die eigentlich genau diese Qualitätskriterien abdecken. Da möchten wir keine neue Bürokratieebene einziehen. Deswegen werden wir diesen Änderungsantrag ablehnen.
Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, eines der wichtigsten Themen in der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung ist gerade unter einer Veränderung von Bedingungen – indem sich Krankenhäuser umstrukturieren, indem nicht mehr überall alles angeboten wird, indem wir auch im ländlichen Bereich weniger niedergelassene Ärzte haben und auch in Zukunft Probleme bekommen werden, jeden Kassenarztsitz im ländlichen Bereich zu besetzen – die notärztliche Versorgung, dass nämlich dann, wenn ein Unfall passiert, wenn eine schwere Erkrankung ausbricht, die behandelt werden muss, ein Notarzt in einer adäquaten Zeitspanne bei den Betroffenen ist.
Insofern ist diese Novelle, durch die das Rettungsdienstgesetz weiterentwickelt wird, ein Gesetz für unsere Bevölkerung. Normalerweise machen wir Gesetze, in denen wir sehr stark abwägen, wer was trägt, wer belastet und wer nicht belastet wird, und bei denen wir versuchen, einen entsprechenden Kompromiss zu finden. Ich glaube, bei diesem Gesetz ist ganz klar: Im Mittelpunkt steht der Bürger.
Es wird alles dafür getan, die notärztliche Versorgung zu verbessern und auch zu finanzieren, um sie eben nicht, wie in vergangenen Zeiten, einfach abzuwälzen und zu sagen: „Ihr solltet es machen und seid verantwortlich.“ Die Bereichsausschüsse waren rechtlich auch nicht so ausgestattet, dass sie tatsächlich die Durchschlagsfähigkeit hatten, zu sagen: „Wir setzen das z. B. auch gegen den Willen unserer Krankenkasse durch, weil wir es für notwendig halten.“ Dem stand eben oft das Wirtschaftlichkeitsgebot als Bremse entgegen.
Diese ganzen Punkte sind weg. Insofern ist der Bereichsausschuss kein zahnloser Tiger mehr, sondern er wird so ausgestattet, dass er jetzt Entscheidungen treffen und sie nötigenfalls per Verwaltungsakt zusammen mit dem Landratsamt, mit der Stadtverwaltung in den großen Städten durchsetzen kann, damit die entsprechenden Notarztgestellungen gemacht werden können. Ich glaube, das ist der wichtigste Vorteil, den wir bei diesem Gesetz erkennen können. Es ist auch notwendig, weil wir diese Finanzierung nicht allein den Krankenkassen und den niedergelassenen Ärzten überlassen können.
Wir haben durch die Fallpauschalen an den Krankenhäusern eine ganz anders strukturierte Kliniklandschaft als früher. Wir haben eine Kliniklandschaft, in der nicht mehr alles angeboten wird und bei der wir vor allem vor dem Punkt stehen, dass wir einen Ärztemangel haben und qualifizierte Ärztekolleginnen und -kollegen, die in diesem Bereich arbeiten – ich bin selbst Anästhesist an einer Klinik –, finden und werben müssen, auch für den notärztlichen Dienst.
Durch die Klarstellung, dass die Krankenkassen dies finanzieren müssen, ist gewährleistet, dass auch Fort- und Weiterbildungskosten getragen werden. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, weil dies auch lange Zusatzausbildungen sind, die teuer sind. Für das Rettungsdienstpersonal ist eine entsprechende Verpflichtung zur Fort- und Weiterbildung gegeben. Auch dies muss über die Krankenkassen finanziert werden, und auch die Kosten der Bereichsausschüsse müssen getragen werden. Damit können uns die Krankenhäuser nicht zum Vorwurf machen, wir würden ihnen Aufgaben übertragen, die sie nicht erfüllen könnten. Vielmehr haben wir in diesem Gesetz auch klare Finanzierungsgrundlagen geschaffen.
Darüber hinaus ist es, glaube ich, wichtig, auch in Zukunft über die Qualitätsfragen zu diskutieren, auch hier im Landtag oder von Landesseite her. Wir haben im Vergleich mit anderen Bundesländern zwar die beste Hilfsfrist, aber in 80 % der Rettungsdienstbezirke werden die Hilfsfristen nicht eingehalten. Auch durch Initiativen aus dem Parlament, etwa einen Antrag von uns, der im Februar 2009 eingebracht und schließlich behandelt wurde,
sowie – das möchte ich auch einmal betonen – durch den Einsatz unseres Staatssekretärs Hillebrand, der sich da in wirklich vorbildlicher Weise engagiert hat,
weil er aus seiner Heimat die Probleme des Rettungsdienstes selbst kennt, ist es uns gelungen, vor Ort ein anderes Denken zu erreichen. Ich höre keine Klagen der Landräte mehr, die sagen: „Hebt doch einfach die Hilfsfrist von 15 Minuten in
90 % der Fälle auf. Dann sind wir die Probleme los.“ Wir wollen vielmehr, dass das, was der Landtag als Gesetzgeber vorgegeben hat – z. B. hohe Qualitätsstandards, eine doppelte Hilfsfrist –, auch umgesetzt wird. Insofern ist die Weiterentwicklung des Rettungsdienstgesetzes eine Qualitätsmaßnahme und eine Sicherstellung der Finanzierung. Die CDU-Landtagsfraktion bekundet klipp und klar, dass sie an der notärztlichen Hilfsfrist nicht rütteln will. Wir wollen ganz im Gegenteil mit den Maßnahmen, die durch das Gesetz beschlossen werden sollen, dazu beitragen, die entsprechenden Möglichkeiten zu verbessern.
Weitere Qualitätskriterien, die eingeführt werden, sind durch die Frau Ministerin genannt worden: Organisatorischer Leiter Rettungsdienst, Integrierte Leitstellen. Dies sind, glaube ich, alles wichtige Punkte. Wir sollten uns aber auch über die inhaltlichen Qualitätskriterien Gedanken machen und darüber, wie wir insgesamt die Rettungsketten organisieren. Was bringt dem Patienten ein schneller notärztlicher Dienst, wenn er dann an der Pforte des Krankenhauses in die Warteschlange eingereiht wird? Wenn man nicht schnell genug in den Ablauf einer medizinischen Versorgung kommt, dann bringt einem allein ein top ausgestattetes notärztliches System auch nichts.
Insofern müssen wir, glaube ich, mit den Notärzten, den Verbänden, den Rettungsdiensten verstärkt inhaltliche Qualitätskriterien definieren. Vor allem müssen wir die Rettungsketten noch einmal aufeinander abstimmen und überlegen, ob man für die Beurteilung der Qualität vielleicht auch andere Kriterien heranzieht als allein die Einhaltung der Hilfsfrist von 15 Minuten. Ich glaube, da sind auch andere Aspekte wichtig, etwa die Frage: Wird mit einer Therapie schon vor Ort begonnen oder erst dann, wenn der Patient in dem entsprechenden Krankenhaus eingetroffen ist?
Hier gibt es ganz viele Fragen, die vielleicht sogar noch wichtiger sind als allein die Einhaltung der Hilfsfrist von 15 Minuten. Aber die Hilfsfrist von 15 Minuten ist uns wichtig, um auch der Bevölkerung zu dokumentieren: Wir wollen, dass eine qualitativ hervorragende, schnelle und flächendeckende notärztliche Versorgung in Baden-Württemberg vorhanden ist. Deswegen wird die CDU-Landtagsfraktion dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Überschrift der Aktuellen Debatte, die die FDP/DVP beantragt hat, heißt: „Endlich Rechtssicherheit durch Patientenverfügungen – Konsequenzen für die Menschen im Land“. Aus dem Beitrag des Kollegen Wetzel haben wir relativ wenig erfahren können, welche Konsequenzen dies jetzt für die Menschen in unserem Land hat. Herr Kollege Noll wird in der zweiten Runde dazu reden.
Worum geht es den Menschen in unserem Land? Zum einen wollen sie, wenn sie in der Situation sind, dass eine Erkrankung eingetreten ist, die unweigerlich zum Sterben führt, dass keine lebensverlängernden Maßnahmen, kein Leiden im Sterbeprozess stattfindet. Sie wollen Sicherheit, sie wollen Würde, sie wollen eine Schmerzfreiheit, ein Nehmen von Angst in einem Sterbeprozess.
Ändert sich jetzt durch die beschlossene Regelung im Bundestag irgendetwas oder nicht? Ich möchte durchaus ein paar kritische Anmerkungen zu diesem Thema machen. Ich glau
be, dass die Debatte im Bundestag eine sehr gute Debatte war. Der Fraktionszwang war auch aufgehoben.
Nach meiner Meinung sind aber ein paar Zielrichtungen in dem jetzigen Gesetz vorhanden, die keinen allgemeinen Konsens in unserem Land darstellen.
Den Grundsatz, dass eine Patientenverfügung sinnvoll ist und damit auch zu regeln ist, was in der letzten Phase des Lebens passiert, halte ich für richtig. Er wird schon jetzt bei den Ärzten und in den Kliniken angewandt.
Im Übrigen, Herr Wetzel, besteht Rechtssicherheit durch die höchstrichterliche Rechtsprechung. Auch der Eindruck, den Sie vermittelt haben – die Ärzte hätten sich nicht daran gehalten –, trifft nicht zu. Ich kann Ihnen das aus der täglichen Praxis berichten. Ich bin ja noch zu 50 % in der Anästhesie und der Intensivmedizin beschäftigt. Selbstverständlich wird das Recht des Patienten, über das zu bestimmen, was noch gemacht werden soll, eingehalten.
An dem Gesetzentwurf, den der Bundestag beschlossen hat, ist aber sehr kritisch zu beurteilen, dass es keine Reichweitenbegrenzung mehr gibt. Der Patient kann über die Situation hinaus, dass eine Erkrankung unweigerlich zum Tod führt und damit auch lebensverlängernde und Leiden bringende Maßnahmen abgestellt werden können, festlegen, dass für alle anderen Erkrankungen auch geregelt wird, welche ärztliche Therapie er haben will.
Ich glaube, das ist ein falsches gesellschaftliches Signal. Da unterscheiden wir von der Union uns auch von der FDP, weil wir sagen: Wir wollen nicht ein gesellschaftliches Denken, bei dem praktisch nur „Barbie und Kent“ letztlich der Maßstab der Dinge sind. Wir haben in Bezug auf die Pränataldiagnostik eine ähnliche Diskussion auch am Anfang des Lebens. Vielmehr wollen wir, dass auch andere Rechtsgrundsätze – ethisches Handeln, christliches Handeln – in unserem Rechtssystem Beachtung finden.
Ich glaube, dass das auch mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Wir haben auch eine gewisse Schutzpflicht vor Festlegungen, die getroffen werden. Es gibt natürlich das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, aber es gibt kein allgemeines Verfügungsrecht über das eigene Leben.
Deswegen hat der Staat auch eine Schutzaufgabe, indem eben nicht der Eindruck vermittelt wird: Jetzt kann jeder festlegen, welche ärztliche Therapie noch stattfindet. Ist denn jemand, der an Demenz erkrankt ist oder im Wachkoma liegt, schon im Sterbeprozess? Die Kirchen und die Ärzte haben an diesem Gesetz deutliche Kritik geäußert. Sie haben auch deutlich gesagt, dass darin das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen vor den Lebensschutz insgesamt tritt. Damit ist meines Erachtens eine falsche Zielsetzung und Gewichtung des Gesetzes gegeben.
Niemand will das Selbstbestimmungsrecht und die Selbstbestimmung des Einzelnen einschränken.
Aber Sie müssen dieses Recht ausgewogen gestalten. Viele Menschen können sich aufgrund der Komplexität der Materie über bestimmte Dinge nicht ausreichend informieren. Wenn in einer Patientenverfügung irgendetwas festgelegt wird und nach 20 Jahren andere medizinische Standards gelten,
diese Patientenverfügung dann aber weiterhin Rechtssicherheit behält, kommen Sie in ein komplexes Verfahren hinein, in dem Sie nach wie vor die aktuelle Lebenssituation beurteilen müssen. Insofern ist durch das Gesetz überhaupt nichts gewonnen. Vielmehr müssen Sie nach wie vor den einzelnen Patienten zusammen mit den Angehörigen unter Berücksichtigung der allgemeinen Lebenssituation beurteilen und dann als Arzt abwägen, welche Therapie Sie treffen oder unterlassen. Insofern ist keine Rechtssicherheit gewonnen, und es ist in meinen Augen eine falsche Zielrichtung gegeben, indem die Bedeutung des Lebensschutzes gesenkt und die des Selbstbestimmungsrechts erhöht wurde.
In der zweiten Runde nenne ich noch ein paar Beispiele aus der aktuellen Praxis.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist bezeichnend, dass hauptsächlich juris tisch und weniger praktisch über dieses Thema diskutiert wird; denn in der Praxis treten ganz andere Problemkonstellationen
auf als bei einer theoretischen Diskussion im Parlament. Genauso bezeichnend ist es, dass Sie sich mit dem Argument meiner Kritik, dass es keine Reichweitenbeschränkung gibt, sondern auch die Möglichkeit einer Festlegung für ärztliche Therapien für Erkrankungen, die nicht unweigerlich zum Tode führen, überhaupt nicht auseinandergesetzt haben. Das ist mein Hauptkritikpunkt.
Ich sage nicht, dass insgesamt alles schlecht ist, und ich habe auch betont, dass eine Patientenverfügung für die letzte Lebensphase bei einer Erkrankung, die unweigerlich zum Tode führt, selbstverständlich richtig und sinnvoll ist und auch schon bisher anerkannt wird. Was machen Sie aber mit jemandem, der mit 20 Jahren in einer Patientenverfügung schreibt: „Wenn ich einen Autounfall oder einen Motorradunfall habe und eventuell eine Schädigung des Gehirns oder des Rückenmarks auftritt, möchte ich keine ärztliche Therapie haben“? Sie geraten in ethische Probleme, tatsächlich die aktuelle Lebenssituation beurteilen zu können, wenn Sie 20 Jahre später eine solche Patientenverfügung in der Hand haben, da die Ehefrau oder irgendjemand anders sie vorbeibringt.
Deswegen ist mit dem jetzigen Gesetz nicht alles gelöst. Die Diskussionen werden weitergehen. Sterben ist eben nicht normierbar.
Zu Recht haben die Kirchen, die evangelische Kirche und die Deutsche Bischofskonferenz, an dem Gesetz Kritik geübt und gesagt, dass ihnen die Ausgewogenheit zwischen Lebensschutz und Selbstbestimmungsrecht hinsichtlich der Frage, die ich eben beschrieben habe, fehlt und ein gesellschaftliches Signal – dass jeder alles für sich regeln kann und damit die Probleme gelöst werden – entstehen könnte, wenn man nicht ausgewogen darüber diskutiert. Nein, weiterhin muss eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben stattfinden, und selbstverständlich muss auch die aktuelle Lebenssituation beurteilt werden. Ich halte dies auch unter christlichen Aspekten und unter ethischen Aspekten, die in unsere Behandlungstherapien eingeflossen sind, für wichtig.
Es ist eine Illusion, zu glauben, das Sterben vor allem gesetzlich regeln zu können.
Insbesondere die Ärzte, die Bundesärztekammer, sprechen von einer Pseudoregelung. Ausgerechnet das Gesetz, das am meisten kritisiert wurde, ist jetzt letzten Endes beschlossen worden.
Ein Fehler, den ich noch herausstellen möchte, ist, dass es keine ärztliche Beratungspflicht gibt. Sie haben heute dargestellt, dass es toll sei, dass es da keine Pflicht gibt.
Ich glaube aber, in diesen Fragen, die sehr komplex sind, ist es wichtig, sich auch Rat zu suchen. Man kann jedem Menschen, der überlegt, ob er eine Vorsorgevollmacht oder eine Patientenverfügung ausfüllt, eigentlich nur raten, mit seinem
Hausarzt oder mit einem Arzt, den er gut kennt, zu sprechen,
um die entsprechenden Regelungen treffen zu können. Ich halte diesen Entwurf in diesem Punkt für schlecht, im Gegensatz zu den anderen Gesetzentwürfen, die im Deutschen Bundestag beraten wurden, in denen diese Beratungspflicht enthalten war. Ich glaube, dies hätte ein Stück weit mehr Sicherheit gegeben.
Zum anderen muss man auch klar betonen, dass kein öffentlicher Druck auf und keine Pflicht für diejenigen entstehen darf, die in einer solchen Situation sind,
ihren pflegenden Angehörigen nicht zur Last fallen zu wollen. Wenn eine öffentliche Diskussion unter dem Gesichtspunkt geführt würde, dass man am Lebensende alles regeln könne, dürfen die Schwächsten und Ärmsten nicht Leidtragende sein, indem sie in einen öffentlichen Druck geraten, das ab einem gewissen Zeitpunkt entsprechend regeln zu müssen.
Deswegen müssen auch die kritischen Worte, die von den Kirchen, von den Ärzten, von der Hospizbewegung, von der „Aktion Lebensrecht für Alle“ und anderen genannt wurden, mit in diese Debatte einfließen. Ich habe heute diese Kritikpunkte nur vorgebracht, damit nicht der Eindruck entsteht, jetzt wäre Rechtsicherheit da, jetzt wäre für die Menschen alles in Ordnung, und damit wären die Probleme gelöst.
Was muss man den Menschen raten? Informieren Sie sich ausführlich! Dies ist ganz entscheidend. Es gibt eine hervorragende Broschüre der katholischen und der evangelischen Kirche über die Patientenverfügung, in der die Probleme abgewogen werden. Ich kann auch als Arzt und als Katholik nur raten: Treffen Sie keine Festlegung über die Bereiche hinaus, die unweigerlich zum Tod führen! Ich glaube, dass der Einzelne da überfordert ist. Ich selbst würde mir nicht zutrauen, für die anderen Lebenssituationen irgendeine Entscheidung zu treffen, weil ich überhaupt nicht weiß, in welcher Situation wir mit unseren medizinischen Möglichkeiten in 20 Jahren sind.
Ich glaube, dass es viel wichtiger ist, die Kliniken nicht weiter unter einen Ökonomisierungsdruck zu setzen, sondern diejenigen, die dann die Entscheidungen tatsächlich treffen, auch so auszustatten, dass mit den Patienten, mit den Angehörigen, mit den Betreuern Gespräche geführt werden können, um dann die tatsächliche individuelle Lebenssituation ermitteln zu können. Dies ist viel wichtiger als jede gesetzliche Festlegung.
Noch einmal: Sterben ist nicht normierbar.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Mielich, danke für den Antrag, den Sie bereits im Jahr 2008 geschrieben haben. Zwischenzeitlich hat sich im Bereich der Krankenhauslandschaft viel getan.
Aber – in der Tat wurde der Antrag zu einem Zeitpunkt gestellt, zu dem es große Probleme in den Kliniken gab – die Probleme sind auch nicht kleiner geworden. Selbst durch die Maßnahmen, die jetzt eingeleitet wurden, sind unsere Kliniken nicht nur in Baden-Württemberg, sondern in allen Bundesländern in einer Situation, in der sie wirklich an der Kante arbeiten. Die Zitrone ist ausgepresst; wir sind mittlerweile bei den ätherischen Ölen der Schale.
Das kann niemanden zufriedenstellen, wenn es um die Versorgung der Patienten in unserem Bundesland geht.
Ich sehe das – wir haben ja heute Morgen die Diskussion um den Hausarzt gehabt – weniger als ein Problem der Parteien, sondern vielmehr als ein Problem des Föderalismus. Wie viel kann der Bund zentralistisch an Gesundheitspolitik gestalten,
und wie viel Mitspracherecht haben wir noch in unserem föderalen System? Deswegen bin ich froh, Frau Mielich, dass Sie sich klar zu der dualen Finanzierung bekennen: die Betriebskosten über den Bund, aber die Investitionskosten über die Länder.
Ich glaube, da ist uns im vergangenen Jahr ein großer Erfolg gelungen, auch der Landesregierung von Baden-Württemberg, indem nämlich das, was geplant war – noch einen Solidarbeitrag zu erbringen, das Budget noch um 1 % zu kürzen –, aufgefangen und auf null abgesenkt wurde
und in diesem 3,4-Milliarden-€-Programm zusätzliches Geld für die Pflege an die Krankenhäuser in Deutschland gegeben wurde. Ich glaube, das war ein wichtiges Signal.
Hier hat sich der Föderalismus durchgesetzt im Gegensatz zu dem, was Sie zu Recht kritisieren, nämlich den Gesundheitsfonds, der zentralistisch und sozialistisch ist und von staatlicher Gleichmacherei geprägt ist.
Herr Schmiedel, regen Sie sich doch nicht künstlich auf. Ich habe doch gerade eben gesagt, dass das ein Problem weniger der Parteien, sondern des Machtverhältnisses zwischen Bund und Ländern ist. Der Bund hat diese Gesundheitspolitik komplett an sich gezogen.
Natürlich sind das auch wir.
Ich kann doch auch einmal meine eigene Partei im Bund kritisieren. Akzeptieren Sie das einfach, weil ich das für wichtig halte.
Jetzt akzeptieren Sie das einfach, weil ich hier als Landespolitiker stehe und das Beste für die Menschen haben will.
Aber die Argumentation Ihrer Partei im vergangenen Jahr war gefährlich, als nämlich das Bundesgesundheitsministerium, bekanntermaßen SPD-geführt, gesagt hat: Wir haben noch genügend Wirtschaftlichkeitsreserven in den Krankenhäusern, und deswegen fordern wir diesen einprozentigen Solidarbeitrag, der heruntergezont wurde.
Diese Argumentation ist in der Tat falsch gewesen. Zum Glück hat es die Proteste auf der Straße gegeben. Die Ärzte und die Pflegekräfte sind nach Berlin gezogen und haben da für eine öffentliche Stimmung gesorgt, die wichtig war, um die Zukunftsfähigkeit unserer baden-württembergischen Krankenhauslandschaft zu sichern.
Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, in diesem Machtverhältnis auch weiterhin deutlich zu machen, dass es Unterschiede in den Bundesländern gibt, nicht wie beim Gesundheitsfonds, bei dem es jetzt in Deutschland für jede Leistung genau die gleiche Summe gibt. Wir konnten auch erreichen, dass kein bundeseinheitlicher Basisfallwert festgelegt wurde, sondern dass wir da einen Korridor haben, in dem auch die spezifischen Länderinteressen berücksichtigt werden können, weil wir natürlich eine andere Struktur als ein Stadtstaat wie Hamburg oder Berlin haben und eben einen ländlichen Raum haben, der auch versorgt werden muss.
Deswegen muss es auch zukünftig die starke Stellung des Landes in den Investitionskostenförderungen geben, um eben diese Strukturen auch abbilden zu können, und zwar gerade im ländlichen Raum oder mit dem, was man dann zentralisiert.
Deswegen haben wir, Frau Mielich, auch bewusst im Jahr 2007 in die Änderung des Landeskrankenhausgesetzes hineingeschrieben, dass wir eine zukünftige Investitionskostenförderung nicht mehr rein an der Bettenzahl orientieren wollen, sondern dass wir andere Kriterien ansetzen wollen.
Sie haben zu Recht gesagt, dass es wichtig ist, bestimmte Bereiche, die hoch spezialisiert sind, zu zentralisieren, und andere Bereiche, die in der Fläche vorgehalten werden müssen, dann auch mit kleineren Einheiten zu versorgen.
Wir sehen die Problematik, die durch die Minderfinanzierung an den Krankenhäusern und durch den vorhandenen Ärzte- und Pflegemangel entstanden ist. Das wird momentan in der Öffentlichkeit zu Recht groß herausgestellt. Wenn sich ein Krankenhaus mit einer internistischen Abteilung einfach von der Krankenversorgung abmeldet, weil es dort keine Ärzte mehr gibt, dann müssen wir entsprechend gegensteuern.
Wir sehen auch die Problematik, die z. B. im Bereich der notärztlichen Versorgung, die ja im Wesentlichen auf die Klinik ärzte zurückgreift, entstanden ist. Wir erfüllen gerade noch in neun von 38 Rettungsdienstbezirken die gesetzlichen Pflichten: 15 Minuten für die notärztliche Versorgung. Das macht eigentlich deutlich – wir haben ein paar Anträge dazu geschrieben und auch im Sozialausschuss beraten und haben auch das Sozialministerium gebeten, in der Versorgung hart
durchzugreifen und dafür zu sorgen, dass die Kliniken genügend Ärzte in diesem Bereich haben –, wie sich die Versorgung in den vergangenen Jahren entwickelt hat.
Mir ist ganz wichtig, zu betonen: Das Land Baden-Württemberg stellt jährlich 300 Millionen € Investitionskostenhilfen für die Kliniken zur Verfügung, und zwar kontinuierlich. Das ist also nicht einmal mehr und einmal etwas weniger. In allen Rankings, die es gibt, schneidet Baden-Württemberg bei den Investitionskosten im Bereich der Krankenhausfinanzierung am besten ab.
Das sollten wir in den nächsten Jahren auch erhalten. Das ist wichtig für die Versorgung der Bevölkerung mit einer hochwertigen, qualifizierten Medizin, und das ist insbesondere notwendig für eine Versorgung im ländlichen Raum. Deswegen wird das Land BadenWürttemberg hier auch in Zukunft seiner Verantwortung gerecht werden und die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen.
Herr Kollege, wenn Sie sagen, der Zusammenhang wäre eindeutig, können Sie begründen, wie Sie darauf kommen? Sie kommen ja auch nicht auf die Idee, zu sagen: Wenn die Zahl der Storchennester auf den Häusern in Baden-Württemberg abnimmt, sinkt die Kinderzahl.
Beide Aussagen stimmen: Sowohl die Zahl der Storchennester auf den Dächern als auch die Kinderzahl nehmen in BadenWürttemberg ab, aber die Kausalität ist nicht bewiesen. Wenn Sie versuchen, hier in Analogie zu juristischen Schlussfolgerungen einen Zusammenhang zu konstruieren, dann halte ich das für ziemlich daneben. Das müssten Sie uns begründen. Können Sie das denn?
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob es daran lag, dass Herr Kretschmann heute erkrankt ist, dass eigentlich nur ganz wenig zu den Beschlussteilen Ihres Antrags gesprochen wurde, sondern Themen aufgegriffen wurden, die wir im Rahmen der Verwaltungsreform schon behandelt haben. Ich möchte mich deswegen wirklich sehr eng an Ihren Antrag halten und etwas zu den beiden Ziffern im Beschlussteil sagen, zu denen Sie fast gar nichts gesagt haben, Herr Lehmann.
Das Thema „Jugendhilfeausschüsse in den Kreisen“ halte ich für relativ unproblematisch, weil es sich kein Stadt- und kein Landkreis leisten können wird, dieses wichtige Planungsinstrument nicht weiterhin beizubehalten.
Auch die Frage des Beschlussrechts ist gar nicht entscheidend, weil letzten Endes sowieso der Kreistag über die Finanzen entscheidet und es sich in diesen Bereichen eher um einen empfehlenden Charakter handelt, sodass wir da, glaube ich, überhaupt nicht weit auseinanderliegen. Jeder Stadt- und Landkreis wird dieses Planungsinstrument und damit auch die Zweigliedrigkeit aufrechterhalten, auch bei den gestiegenen Aufgabenzuweisungen, die zu den Landkreisen gekommen sind. Auch bei dem starken öffentlichen Druck, der bei allen Themen entsteht, wenn es um Kinder- und Jugendfragen geht, wäre jeder Oberbürgermeister und Landrat wirklich schlecht beraten, wenn er das nicht machen würde.
In der ersten Ziffer des Beschlussteils Ihres Antrags geht es um die Frage, ob der Landesjugendhilfeausschuss auf Landesebene weiterhin aufrechterhalten bleiben soll und der Kommunalverband für Jugend und Soziales seine Stellung behält. Da gehen wir völlig d’accord. Da können wir völlige Einigkeit signalisieren und sagen: Da soll es eigentlich auch keine Veränderung geben.
Der zweite Punkt, den Sie überhaupt nicht angesprochen haben, der mir aber sehr wichtig erscheint, ist die Frage, wie zukünftig die Aufsicht über die Kindertageseinrichtungen stattfinden soll. Sie sprechen in Ihrem Antrag davon, dass der Kommunalverband für Jugend und Soziales weiterhin die Aufsicht haben soll. Es gibt einen Kabinettsbeschluss vom November des vergangenen Jahres, gemäß dem die Aufsicht auf die Stadt- und Landkreise übertragen werden soll. Insbesondere die Kirchen haben hier Bedenken angemeldet, weil sie sagen, wenn die Planungs-, Finanzierungs- und Aufsichtsverantwortungen in einer Hand lägen, würde es eine Schwächung des Gleichgewichts und eine Verschiebung der Gewichtungen geben und würden Standards abgebaut. Ich glaube, das ist die momentan wirklich interessante Diskussion, die auch noch zur Entscheidung ansteht und bei der wir auch als Parlament noch etwas verändern können.
Dabei geht es auch um die Frage, ob es eine Selbstaufsicht der Stadt- und Landkreise gibt, die selbst kommunale Einrichtungen betreiben, aber gleichzeitig auch die Betriebsgenehmigungen für ihre und andere Kindertageseinrichtungen ausstellen.
Ich glaube, die Bedenken der Kirchen, die in diesem Zusammenhang geäußert wurden, sind ernst zu nehmen. Für mich ist aber gar nicht so entscheidend, ob der Kommunalverband für Jugend und Soziales die Aufsicht über diese Einrichtungen hat oder die Stadt- und Landkreise selbst, sondern für mich ist die entscheidende Frage, welche Standards überhaupt definiert und festgelegt werden, wie die Aufsicht geschieht und wie auch die Rechtsaufsicht vollzogen wird, wenn gegen die se Standards verstoßen wurde.
Ich glaube, dass wir hier auch eine zunehmende Bedeutung im Rahmen der Landespolitik sehen müssen, weil wir durch gesetzgeberische Maßnahmen – Änderung des Kindergartengesetzes – und durch die Neuregelungen, die sich bei den Investitionskostenzuschüssen und den Betriebskostenzuschüssen für die entsprechenden Einrichtungen ergeben werden, für die Betreuung unter Dreijähriger auch ein stärkeres Planungsrecht mit ausüben müssen.
Wir wollen natürlich auch eine gleichmäßige Entwicklung in allen Landesteilen haben, nicht nur bei einem Ausbau der Betreuung für unter Dreijährige in kommunalen Einrichtungen, sondern eben auch bei freien Trägern, Betriebskindergärten und Tagesmüttern, bei der ganzen Bandbreite von Einrichtungen, die wir haben.
Deswegen müssen wir uns schon überlegen, wie wir die entsprechenden Mindeststandards definieren und zukünftig die Aufsicht durchsetzen werden.
Wir haben in der Vergangenheit auch Probleme in der Steuerung durch die Kommunen gehabt. Ich erinnere an die gemeindeübergreifenden Einrichtungen, deren Finanzierung klar durch den Landesgesetzgeber vorgegeben war, wobei sich jedoch einzelne Kommunen geweigert haben, gemeindeübergreifende Einrichtungen nach unseren gesetzlichen Vorgaben und den Richtlinien zu finanzieren. Deswegen brauchen wir meines Erachtens vom Landesgesetzgeber her entsprechende Standards, die vorgegeben werden müssen.
Ich glaube nicht, dass das zu neuer Bürokratie führt. Wir hatten seitens des Landes schon einmal die Richtlinien abgeschafft, der KVJS hat sie dann aber 1 : 1 übernommen und teilweise noch draufgesattelt. Ich würde in vielen Bereichen sogar ein Stück weit Bürokratieabbau sehen.
Ich bin gleich fertig.
Ich kann Ihnen ein Beispiel aus meinem eigenen Wahlkreis nennen, in dem eine Betriebsgenehmigung für eine Einrichtung sehr schwer zu bekommen war. Das ist eine Kleinkindereinrichtung mit zehn Plätzen. 18 Kinder haben sich die Plätze in dieser Halbtagseinrichtung geteilt. Einige Kinder sind montags, mittwochs und freitags in die Einrichtung gegangen, andere Kinder dienstags und donnerstags. Der Kommunalverband für Jugend und Soziales hat gesagt: „Wir haben Probleme mit dieser Betriebsgenehmigung. Es sind zu viele Kinder auf den zehn Plätzen. Die Kinder werden verwirrt, wenn sie immer mit zu vielen Kindern in Kontakt kommen würden. Wir sagen: maximal zwölf oder 14 Kinder.“
Das ist natürlich ein totaler Blödsinn. Wie sollen wir durch solche wirklich überzogenen Standards letzten Endes einen Ausbau auch flexibler Einrichtungen hinbekommen?
In der Abwägung dieser Fragen komme ich zu der Überzeugung, dass wir eine stärkere Steuerung durch das Land bei der Festlegung der Standards und vor allem auch eine Rechtsaufsicht durch unsere Ministerien brauchen, die bei einem Versagen bei der Selbstregelung der kommunalen Aufsicht durchgreift. Damit könnten wir stärker landespolitische Akzente im Ausbau der Kinderbetreuung setzen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Herr Kollege Dr. Noll, sind Sie auch der Auffassung, dass wir als Landesgesetzgeber, wenn wir Mindeststandards festlegen würden, natürlich alle Einrichtungen im Blick hätten, also nicht nur die kommunalen Einrichtungen für die Betreuung der Kinder unter drei Jahren, sondern auch die freien Einrichtungen, die kirchlichen Einrichtungen, den Bereich der Tagesmütter, die Betriebskindergärten, also die gesamte Bandbreite der Einrichtungen, und dass das vielleicht auch notwendig wäre, um dem teilweise überzogenen Blick der Kommunen ein Stück weit etwas entgegenzusetzen, damit sich auch wirklich schnell eine Bandbreite von Kinderbetreuungsangeboten entwickeln kann?
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich über die Ankündigung sowohl der SPD-Fraktion als auch der Fraktion GRÜNE, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen. Ich glaube, dass wir in vielen Punkten gar nicht weit auseinanderliegen. Ich finde es gut, dass wir Ihren Antrag zum „Global Marshall Plan“ noch einmal im Ausschuss diskutieren können, weil wir, glaube ich, bei den Zielen gar keine Dissense haben. Da sind wir uns wirklich einig. Auch das klare Bekenntnis unseres Landes und der CDU-Fraktion zu den Millenniumszielen gilt uneingeschränkt. Die Umsetzungswege innerhalb des „Global Marshall Plans“ sind noch diskussionswürdig. Deswegen freue ich mich, dass wir über den Antrag nicht formell abstimmen, sondern in eine vertiefte Diskussion einsteigen können.
Die Thematik der Entwicklungshilfe ist zuerst – das haben auch meine beiden Vorredner betont – eine bundespolitische Aufgabe. Die Zielsetzung, 0,7 % des Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungshilfe zur Verfügung zu stellen, die Stabilisierung der Unterstützung im Rahmen der weltweiten Bemühungen, Armut zu bekämpfen, liegen in der bundespolitischen Zuständigkeit. Aber natürlich hat auch das Land Baden-Würt temberg eine Verpflichtung in diesem Gesamtkontext. BadenWürttemberg hat traditionell ein hohes Engagement aus dem Bereich der Kirchen, aus dem Bereich der Bürgerschaft, von Nichtregierungsorganisationen. Dieses große Engagement unserer Bürgerschaft, unserer Kirchen wird auch durch landespolitische Maßnahmen begleitet.
Die Antwort auf die Große Anfrage unserer Fraktion, die aufzeigt, was in den vergangenen zehn Jahren an Entwicklungszusammenarbeit im Land Baden-Württemberg geleistet wurde, was durch das Land in koordinierender Funktion gebündelt wurde, was auch an eigenen Geldmitteln zur Verfügung gestellt wurde, ist, glaube ich, eine gute Bilanz.
Man darf das auch nicht alles schlechtreden, Frau Splett. Natürlich ist auch im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit die Haushaltskonsolidierung nicht spurlos vorbeigegangen.
Dennoch haben wir große entwicklungspolitische Ansätze aufrechterhalten können und werden das auch weiterhin in vielen Bereichen tun.
Ich möchte nicht auf alle Bereiche unserer Großen Anfrage eingehen. Aber ich glaube, es ist erwähnenswert, dass wir in der Vergangenheit im Bereich der kirchlichen Initiativen Hunderte von Millionen Euro aus Baden-Württemberg für die Arbeit vor Ort, auch für die Missionsarbeit, zur Verfügung gestellt haben, dass unsere bürgerschaftlichen Initiativen in über 1 000 Nichtregierungsorganisationen organisiert sind, dass beispielsweise 200 der bundesweit 800 Weltläden bei uns in Baden-Württemberg sind und hier ein traditionell hohes Engagement vorhanden ist, dass es landauf, landab kommunale Initiativen gibt, die insbesondere durch die Lokale Agenda 21 Schwung erhalten haben, dass auf der Ebene der Wirtschaft und durch die Unterstützung der Industrie- und Handelskammern viele Projekte und Verbindungen aufgebaut werden konnten, dass kommunale Partnerschaften, kirchliche Partnerschaften, Schulpartnerschaften, Partnerschaften zwischen den Universitäten entstanden sind. Das ist, glaube ich, eine gute Bilanz, auf der man auch weiterhin aufbauen kann.
Natürlich können nicht alle Haushaltsansätze wie in der Vergangenheit gehalten werden. Aber wir haben ja keinen Stillstand erlebt. Vielmehr haben wir auch neue Initiativen und Entwicklungen gezeigt im Bereich der Stiftung EntwicklungsZusammenarbeit, die eine wichtige Funktion als Ansprechpartner und Servicestelle für alle, die im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit tätig sind, ausübt und die – auch durch eine Aufstockung des Stiftungskapitals und durch Spenden und Zuwendungen – eine sehr gute Arbeit vor allem auch bei der Koordinierung, im Aufbau von Netzwerken und in der Bildungsarbeit für unsere bürgerschaftlichen Gruppen insbesondere im Bereich des fairen Handels leistet.
Wir haben den Bereich der Landesstiftung mit einer neuen Förderlinie von 1,7 Millionen € pro Jahr, durch die Projekte in der Entwicklungszusammenarbeit gefördert werden. Es gibt weitere Linien, etwa im Bereich der Umweltentwicklung und im Bereich des nachhaltigen Lernens. Das sind alles Initiativen, die in Ergänzung dessen, was über die Ministerien in der Vergangenheit abgewickelt wurde, entstanden sind. Das lässt sich sehen. Baden-Württemberg hat mit der SEZ bundesweit die größte Stiftung im Bereich der Entwicklungszusammen
arbeit. Diese leistet wirklich eine hervorragende Arbeit, die wir auch in Zukunft stärken und weiter ausbauen möchten.
Bei den Ministerien haben wir weiterhin Ansätze im namhaften Bereich, nämlich Millionenbeträge, insbesondere im Wissenschaftsbereich für die Zusammenarbeit zwischen den Universitäten oder im Bereich des Kultusministeriums für das Internationale Institut für Berufsbildung in Mannheim, das eine hervorragende Arbeit bei der beruflichen Qualifizierung leistet. Zudem nenne ich die Zusammenarbeit mit InWEnt in Mannheim, die Freistellung von Lehrkräften, internationale Schulpartnerschaften. Das alles sind Ansätze, die in der Landespolitik auch weiterhin als Schwerpunkte gesehen werden. Es sind auch die Kernbereiche in der Arbeit, in denen wir das Know-how haben und gut sind, bei denen wir traditionell eine vernünftige Entwicklung hatten und die wir auch in Zukunft entsprechend halten wollen. Es gibt Projekte auch in Kombination mit Bundesmitteln und mit Europamitteln; auch das ist in der Beantwortung der Großen Anfrage alles nachzulesen.
Aber natürlich brauchen wir in diesen Zeiten auch eine stärkere Positionierung, einen gewissen Druck – „Druck“ ist vielleicht das falsche Wort; vielleicht trifft es das Wort „Selbstverpflichtung“ besser – der Weltgemeinschaft aufgrund der Armutsentwicklung, aufgrund der Schere zwischen armen und reichen Ländern, die sich derzeit noch stärker öffnet, und auch aufgrund der dadurch bedingten Wanderungsbewegungen, die man nur dadurch nachhaltig bekämpfen kann, dass man in den Entwicklungsländern eine Entwicklung unterstützt, die zu mehr Frieden, Stabilität, Abbau von Armut und dem Aufbau besserer gesundheitlicher und sozialer Strukturen führt. Erst dann hat man seine Verpflichtungen auch wirklich ernst genommen.
Deswegen schlagen wir mit unserem Initiativantrag, den wir gemeinsam mit den Kollegen der FDP/DVP erarbeitet haben, vor, dass wir Schwerpunkte bilden und uns zum einen noch einmal klar zu den Millenniumszielen in der Entwicklungszusammenarbeit bekennen, gleichzeitig aber auch die Entwicklung landespolitischer Richtlinien im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit einfordern. Wir glauben, dass dies im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie des Landes BadenWürttemberg geschehen sollte, weil das Thema Entwicklungszusammenarbeit sich besonders für diesen Gedanken eignet und hier eine herausragende Stellung einnehmen sollte.
Zudem wollen wir, dass die entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit dem afrikanischen Staat Burundi ausgebaut und verstärkt wird. Hier gibt es eine gewisse Tradition; es gab bereits Ansätze seit Ende der Achtziger- und Beginn der Neunzigerjahre, als auch eine Erklärung dieses Parlaments ausgesprochen wurde, verstärkt in entsprechende Beziehungen eintreten zu wollen. Diese Initiativen sind dann aufgrund des Bürgerkriegs in diesem afrikanischen Staat eingeschlafen. Sie wurden dennoch durch das Engagement der Kirchen, vieler bürgerschaftlicher Gruppen sowie Unternehmen in Teilen aufrechterhalten, die vor Ort Unterstützung und Hilfe gegeben haben.
Nachdem sich die politischen Verhältnisse in Burundi einigermaßen stabilisiert haben und sich abzeichnet, dass entspre
chende demokratische Strukturen weiter gefestigt und ausgebaut werden können, wollen wir hier wieder einen Schwerpunkt der Arbeit setzen und versuchen, die Finanzmittel, die wir über die Stiftung Entwicklungs-Zusammenarbeit und über die einzelnen Ressorts im Landeshaushalt haben, etwas zu bündeln, um so ein klares Bekenntnis nicht nur zu einer Entwicklungszusammenarbeit abzugeben, wie sie in der Vergangenheit erfolgt war – nämlich so, dass das Land Baden-Würt temberg einen entsprechenden Mehrwert daraus beziehen konnte und sich auch wirtschaftliche Strukturen aufbauen und festigen ließen –, sondern so, dass wir durch dieses Engagement für Burundi auch klarmachen, dass wir eine humanitäre Verpflichtung im Bereich der Entwicklungshilfe haben. Diese ist zugegebenermaßen eine Freiwilligkeitsleistung; sie würde unserem Landtag jedoch gut anstehen.
Insofern freue ich mich, dass wir von Ihrer Seite Unterstützung zu unserem Initiativantrag bekommen. Ich glaube, dass wir gemeinsam als Parlament ein Zeichen dafür setzen und ein klares Bekenntnis dazu abgeben können, dass die Entwicklungszusammenarbeit auch weiterhin einen hohen Stellenwert haben wird.
Vielen Dank und noch eine gute Zeit.
So viel Zeit muss sein.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit diesem Gesetzentwurf setzen wir eine EU-Richtlinie in Landesrecht um. Darüber wurde im Sozialausschuss und in der ersten Lesung einvernehmlich diskutiert. Die Dienstleistungserbringer werden den gleichen Rechten und Pflichten unterstellt wie hiesige Berufsangehörige.
Die CDU-Landtagsfraktion stimmt diesem Gesetzentwurf zu.
Herzlichen Dank.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beschäftigen uns mit dem Bericht der Landesregierung zur Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern in den Jahren 2001 bis 2005 und den stattgehabten Aktivitäten.
Zunächst möchte ich der Landesregierung und allen Partnern, die an der Erstellung des Berichts und an den Aktivitäten in der Entwicklungszusammenarbeit beteiligt sind, herzlich für ihr Engagement danken. Es ist für die CDU-Landtagsfraktion wichtig, das Engagement dieser Akteure herauszustellen, und es ist für uns wichtig, durch diesen Einsatz den Blickwinkel unserer Gesellschaft für andere zu öffnen. Unserem Land geht es – trotz aller Probleme, die diskutiert werden – vergleichsweise gut; deswegen haben wir auch Verpflichtungen gegenüber anderen.
In den Zielen sind wir uns einig: Wir wollen die Armut in der Welt und deren Ursachen nachhaltig bekämpfen. Wir wollen diejenigen unterstützen, die für nachhaltige Verbesserungen der Lebensbedingungen in Entwicklungs- und Schwellenländern eintreten, und wir wollen die Entwicklungshilfe und -zusammenarbeit als eine Querschnittsaufgabe der Politik und Gesellschaft verstehen, vor der niemand seine Augen verschließen darf.
Eigentlich ist das Thema Entwicklungshilfe eine Bundesaufgabe. Hier laufen auch die großen Linien und die entscheidenden Impulse für eine Steuerung der Aktivitäten, auch mit entsprechenden Geldmitteln. Die Länder begreifen die Entwicklungszusammenarbeit jedoch traditionell mit einem Beitrag zu einer wichtigen Freiwilligkeitsleistung, die darüber hinaus die Aktivitäten unterschiedlichster Akteure erfasst.
Wir haben traditionell einen hohen Anteil bürgerschaftlichen Engagements. Viele bürgerschaftliche Gruppen, engagiert in den Kirchen, den Kommunen, Schulen und Universitäten, aus der Wissenschaft und der Wirtschaft, Medienschaffende, Nichtregierungsorganisationen und viele andere ehrenamtlich Engagierte tragen zur Hilfe und Bewusstseinsbildung für die Belange der Entwicklungsländer bei.
Die Stiftung Entwicklungs-Zusammenarbeit Baden-Württemberg, deren Stiftungskapital unlängst durch uns, den Haushaltsgesetzgeber, aufgestockt werden konnte, steuert und koordiniert viele Aktivitäten. Die SEZ trägt darüber hinaus zu wichtigen Bildungsoffensiven, der Öffentlichkeitsarbeit und stetigem Abrufen von Beiträgen Spendenwilliger bei.
Der DEAB bildet die Plattform der Nichtregierungsorganisationen und vereint Information, Fortbildung und Unterstützung für seine Gruppen, die ein hohes Maß an ehrenamtlichem Engagement und Mitwirkungsbereitschaft zeigen.
Längst ist auch die Landesstiftung zu einem unverzichtbaren Partner geworden, indem wichtige Projekte seit dem Jahr 2003 gefördert und unterstützt werden.
Somit haben wir neben den Aktivitäten der Landesregierung ein breites Spektrum an Engagierten aus unserem Land, die bereichernde und wertvolle Arbeit leisten. Herzlichen Dank auch an dieser Stelle vonseiten der CDU-Landtagsfraktion für diese Hilfen, die oft nur für Gotteslohn geleistet werden.
Es ist unmöglich, auf alle Aktivitäten der Landesregierung, die in dem Bericht genannt wurden, einzugehen. Seit 1962 hat das Land Baden-Württemberg rund 500 Millionen € für die Entwicklungszusammenarbeit aufgebracht. Die Zusammenarbeit fand im technischen, wissenschaftlichen und informationellen Bereich statt und hat immer wieder Schwerpunkte in der Wissensvermittlung und der Bildungsarbeit gelegt. Das Land Baden-Württemberg wandte im Jahr 2005 57 € pro Einwohner für die Entwicklungszusammenarbeit auf; dies ist ein überdurchschnittlicher Wert im Ländervergleich.
Besondere Themen, die wichtig sind und die ich herausstellen möchte, weil sie sehr nachhaltige Ansätze verwirklichen, sind der Umwelt- und Ressourcenschutz, die allgemeine und berufliche Bildung sowie die zahlreichen Förderungen durch die Privatwirtschaft.
Wir können allerdings auch nicht verschweigen, dass das Land durch die notwendigen Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung seine Förderungen in den vergangenen Jahren konzentriert hat und einige wichtige Programme auch auslaufen werden.
Der Dialog hat jedoch dazu geführt, dass die Notwendigkeit des Engagements nicht angezweifelt wird und es durch die sichtbaren Erfolge durch positive wirtschaftspolitische Ansätze eine steigende Bereitschaft der Wirtschaft gibt, sich über
durchschnittlich zu engagieren. Der Dialog um die Fragen der Migration führt zudem zu einer intensiven Beschäftigung mit der Situation in den Herkunftsländern und zu Bemühungen um die Verbesserung der Lebensbedingungen vor Ort.
Die Verknüpfung entwicklungspolitischer Ansätze mit außenwirtschaftlichen Aktivitäten ist ein Erfolgsmodell aus BadenWürttemberg und zeigt, dass über diesen Ansatz sehr langfris tige, aber dadurch auch dauerhaft stabile Fortschritte erzielt werden können.
Das Wirtschaftsministerium betreut noch wichtige Langzeitprojekte in Chile, Brasilien, Peru, Malawi und Vietnam. Es bestehen zahlreiche Kontakte zu den Institutionen in den Entwicklungsländern, die auch weiter gepflegt werden.
Im Wissenschaftsbereich werden zahlreiche Hochschul- und Forschungspartnerschaften unterstützt sowie die Studierenden aus dem Ausland betreut.
Im Kultusbereich werden Bildungsaktivitäten koordiniert, Schulpartnerschaften unterstützt und Lehrkräfte für die Arbeit freigestellt.
Insbesondere die Investitionen der Unternehmen aus unserem Land, denen Hilfestellung gegeben wird, helfen nicht nur vor Ort, sondern zahlen sich nachhaltig aus und werden von uns auch als Außenwirtschaftsförderung verstanden.
Zu dieser nachhaltigen Entwicklung gehört auch, dass wir uns entsprechend dem Aktionsplan der UN 2005 bis 2015 an dem Thema „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“ beteiligen. Die Verknüpfung entwicklungs- und umweltpolitischer Themen ist hierbei genauso zu nennen wie die Implementierung der entwicklungspolitischen Inhalte in die Bildungspläne.
Weitere Beispiele finden sich in dem ausführlichen Bericht.
Die CDU-Landtagsfraktion hat zu den bisherigen Schwerpunkten der Entwicklungszusammenarbeit und deren künftiger Ausrichtung eine Große Anfrage an die Landesregierung gestellt, die über diesen Bericht der Landesregierung hinausgehende Fragestellungen aufwirft. Hierbei soll insbesondere auch die künftige Ausrichtung und die Koordination der Anstrengungen aus unserem Land thematisiert werden.
Ich denke, dass wir über die heutige Debatte hinaus dann eine Datengrundlage haben werden, die es uns erlaubt, weitere Bewertungen vorzunehmen.
Ich danke allen an der Entwicklungszusammenarbeit Interessierten nochmals für ihr Engagement.
Verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich bin den Grünen sehr dankbar für diesen Antrag zum Kinderschutz und zum Aufbau von Frühwarnsystemen. Dies ist in der Tat ein wichtiger Punkt, der auch über alle Parteigrenzen hinweg einer weiteren Vertiefung bedarf.
Es gibt nichts Schrecklicheres als Gewalt gegen Kinder: Missbrauch, Vernachlässigung, psychische und physische Gewalt. Ich sage das hier nicht nur als Vertreter der CDU-Landtagsfraktion, sondern auch als Familienvater und Arzt. Es gehört zu den schrecklichsten Momenten, die man erfahren muss, wenn man in der Öffentlichkeit – oder in seinem Beruf – misshandelte, getötete oder missbrauchte Kinder sehen muss bzw. sie untersuchen muss, insbesondere wenn man selbst kleine Kinder hat und dann natürlich immer auch den Vergleich zu den schönen Zeiten in der eigenen Familie zieht.
Misshandlungen von Kindern finden zu 80 % bei Kindern unter sechs Jahren statt. Insofern muss in der Tat ein Hauptaugenmerk auf die frühe Phase der Familienbegleitung und Familienentwicklung gelegt werden. Von diesen 80 % misshandelter Kinder unter sechs Jahren sind etwa die Hälfte Säuglinge. Insbesondere in der frühen Phase der Früherkennung von Kindesmisshandlungen greifen anscheinend auch die staatlichen Mechanismen – über die Jugendhilfe und die vernetzten Strukturen, die in den vergangenen Jahren aufgebaut wurden – in vielen Fällen nur unzureichend.
Die polizeiliche Statistik erfasst im Endeffekt die schweren Fälle. Ich kann Ihnen aus der Klinik in Heilbronn berichten, in der ich arbeite. An der dortigen Kinderklinik wurden in einem Jahr fast 250 Fälle von Kindesmisshandlung und -missbrauch gezählt. Ein Großteil dieser Fälle kam mit anderen Diagnosen in die Klinik, weswegen man die Misshandlung oder den Missbrauch erst im Laufe des Klinikaufenthalts herausgefunden hatte. Das betrifft nicht nur Fälle, die dann in der Öffentlichkeit sehr spektakulär gehandelt werden, beispielsweise wenn ein totes Kind in einer Plastiktüte gefunden wurde oder wenn eine Mutter ihr Kind direkt nach der Geburt erstickt hat, weil sie mit der Situation nicht zurechtkam, sondern das betrifft alle gesellschaftlichen Gruppen und Situationen.
Wir haben das im Stadt- und Landkreis Heilbronn einmal untersucht. Die Verteilung der Fälle von Kindesmisshandlung entspricht ungefähr dem Aufbau der Bevölkerung – die Frage ist, ob man die Einteilung in Unter-, Mittel- und Oberschicht verwenden will; ich wende sie jetzt aber an, weil sie eine relativ leichte Erklärung erlaubt –: 25 % Unterschicht, 50 % Mittelschicht und 25 % Oberschicht. Darunter befindet sich also auch die überforderte Akademikerin, die ein Schreikind hat und dann in die Klinik kommt und sagt, ihr Kind sei vom Wickeltisch gefallen. Sie ist mit der Situation nicht zurechtgekommen, weil sie allein war, weil sie außerhalb einer Großfamilie gelebt hat, vielleicht aus anderen Strukturen zu gezogen ist und einfach niemanden hatte, mit dem sie sprechen konnte. Genauso befindet sich darunter aber auch die junge Mutter, die das vierte Kind vom vierten Mann bekommen hat und vor der Geburt erzählt hat, dass sie das Kind überhaupt nicht haben will, nach der Geburt dann aber gesagt hat, dass sie es doch mit nach Hause nimmt. In solchen Fällen, in denen eine psychische Spannung vorhanden ist, ist fast absehbar, dass schließlich etwas Schlimmes passiert. Wir an der Klinik haben aber oft nicht die Möglichkeit, effiziente Strukturen aufzubauen und einzurichten, mit denen diesen Familien Hilfestellung gegeben werden kann.
Deshalb brauchen wir einen erweiterten Ansatz über das hinaus, was dankenswerterweise auch in Baden-Württemberg geschehen ist; das will ich durchaus lobend anerkennen. Auch in der Stellungnahme zu dem vorliegenden Antrag ist aufgezeigt worden, was wir hinsichtlich der Vernetzung zwischen den Jugendämtern, den Familiengerichten, der Polizei und den Staatsanwaltschaften, den Kinderkliniken, den Kinderärzten und den Schulen geschaffen haben. Ich glaube, wir haben wirklich gute Systeme aufgebaut.
Wir brauchen aber weitere Ansätze, weil es auch um ein gesellschaftspolitisches Thema geht. Wir haben andere Familienstrukturen als früher, und wir haben auch ein anderes An
spruchsdenken. Früher wurde einer Frau in der Großfamilie weitergeholfen, wenn sie mit dem Kind nicht zurechtkam. Kinder machen oft keine großen Probleme, aber es gibt eben Probleme. 30 % aller Säuglinge haben z. B. Ernährungsprobleme oder bereiten Probleme mit dem Schreien. Eine Überforderung kann sich leicht einstellen. Den Frauen oder Männern wird aber oft keine unmittelbare Hilfe angeboten, die sie rund um die Uhr in Anspruch nehmen könnten.
In unserer Gesellschaft herrscht auch ein anderes Anspruchsdenken. Heute will jeder das perfekte Kind haben nach dem Motto „Es kann doch gar nicht sein, dass bei meinem Kind irgendeine Störung vorliegt“. Es ist auch eine Scham vorhanden, sich überhaupt an die Hilfestellen – an das Jugendamt, den Kinderarzt oder die Kinderklinik – zu wenden.
Deswegen sind für mich zwei Punkte, die in dem Antrag angesprochen wurden, Frau Lösch, von herausragender Bedeutung. Ein Punkt ist das Thema Kinderschutzambulanzen. Wir haben bereits in der 11. Legislaturperiode über die entsprechende Enquetekommission einen Landtagsbeschluss gefasst, in diese Richtung zu gehen. Mittlerweile gibt es auch einen Antrag und ein ausgearbeitetes Konzept.
Ich komme gleich zum Ende. – Es gibt ein ausgearbeitetes Konzept der Landesärztekammer, an den Kinderkliniken Kriseninterventionszentren und Beratungszentren einzurichten, die rund um die Uhr erreichbar sind, die mit den niedergelassenen Kinderärzten und mit den Einrichtungen der Jugendhilfe vernetzt sind.
Das zweite Thema, das mir wichtig ist, ist die aufsuchende Hebammenhilfe, über die wir Familien, in denen erkennbar Probleme vorhanden sind,
über ein halbes oder über ein ganzes Jahr Hebammen als Beraterinnen zur Seite stellen. Die Hebammen gehen in die Familien und fragen: Wie können wir euch weiterhelfen?
Ich halte diese beiden Punkte für wichtig. Da muss auch die Landesregierung meines Erachtens noch weitere Gespräche mit den kommunalen Landesverbänden und den Krankenkassen führen, damit wir diese Systeme implementieren können. Das ist wichtig zum Schutz der Familien und der Kinder in Baden-Württemberg.
Ich würde mich freuen, wenn der Landtag von Baden-Würt temberg dies über die Fraktionsgrenzen hinaus als einen wichtigen, gemeinsamen Arbeitsauftrag annehmen würde und hier gemeinsam mit der Landesregierung in den nächsten Jahren für Verbesserungen sorgen würde.
Ich danke Ihnen herzlich für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben ein schwieriges Thema zu beraten, zu dem wir die jetzige Aktuelle Debatte beantragt haben: „Vorrang für den Lebensschutz – Spätabtreibungen verantwortungsvoll regeln“. Worum geht es? Es geht darum, dass nach den Regelungen in § 218 StGB sogenannte Spätabtreibungen, also die Tötung des Kindes im Mutterleib nach der 22. Schwangerschaftswoche, möglich sind, wenn eine sogenannte mütterlich-soziale Indikation oder eine medizinische Indikation gestellt wird.
Die Zahlen dieser Spätabtreibungen haben nach Auffassung der Beteiligten im Gesundheitswesen und auch vieler in der Politik zugenommen, weil die sogenannte embryopathische Indikation, also die Indikation einer Abtreibung aufgrund der Behinderung des Kindes, im neuen § 218 nicht mehr geregelt ist. Es wird vermutet, dass über die mütterlich-soziale Indikation vermehrt Abtreibungen auch ohne Fristenregelung nach der 22. Schwangerschaftswoche stattfinden. Spektakuläre Fälle sind bekannt geworden, in denen abgetriebene Kinder überlebt hatten: ein Kind im Jahr 1997 mit einem Downsyndrom – das Kind wurde quasi in die Ecke gelegt, hat aber, mit zusätzlichen Schädigungen, die eingetreten waren, trotzdem überlebt –; ein spektakulärer Fall aus dem Jahr 1999, wo ein Frauenarzt in einer Klinik ein spät abgetriebenes Kind mit einem Handtuch erstickt hat.
Wir sind als Gesetzgeber auch vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Überprüfung der gesetzlichen Regelungen des § 218 verpflichtet worden, die entsprechende Beobachtungspflicht und gegebenenfalls Nachbesserungspflicht zu überprüfen und zu diskutieren, welche Regelungen in Zukunft greifen sollen.
Von unserer Fraktion wird ein Nachbesserungsbedarf im Sinne des Lebensschutzes gesehen. Wir wollen, dass die derzeitige Praxis geändert wird, damit wir einen stärkeren Schutz für das Leben bekommen.
Um wie viele Fälle geht es in Deutschland? Wir haben in den vergangenen fünf Jahren zwischen 124 000 und 134 000 Abtreibungen pro Jahr in Deutschland gehabt; in Baden-Württemberg wurden zwischen 13 500 und 14 500 Kinder pro Jahr abgetrieben. Bei den sogenannten Spätabtreibungen, also nach der 22. Schwangerschaftswoche, wird in der Statistik die Zahl von ungefähr 200 genannt. Die Experten gehen von einer wesentlich höheren Zahl aus. Die Dunkelziffer dürfte ungefähr viermal so hoch sein. Es handelt sich da also schon um eine beträchtliche Zahl. Insgesamt gibt es in Deutschland über 3 000 Fälle einer medizinischen Indikation, und darunter dürften auch einige Spätabtreibungen fallen.
Wir als CDU im Bund haben in den vergangenen Jahren verschiedene Initiativen gestartet, die an den Mehrheitsverhältnissen gescheitert sind. Zum Glück ist jetzt ein entsprechender Prüfauftrag in die Koalitionsvereinbarung in Berlin aufgenommen worden, sodass darüber auch diskutiert werden muss. Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck hat sich am 16. November zur gesetzlichen Neuregelung geäußert – auch gegen innerparteiliche Widerstände. In der Tat sind die Punkte, die jetzt vorliegen und die vonseiten der CDU in Berlin in Gesetzentwürfe gebracht wurden, umstritten, weil sie im Sinne des Lebensschutzes sehr weitreichend sind.
Wir möchten eine Klarstellung des gesetzgeberischen Willens, dass nur bei einer Gefahr für das Leben oder einer Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung für die seelische Gesundheit der Schwangeren eine mütterlich-soziale Indikation gestellt werden kann, und schränken dadurch den § 218 ein. Eine alleinige Behinderung des Kindes soll zukünftig nicht ausreichen, um eine Abtreibung vornehmen zu lassen.
Es gibt hier eine deutliche Unterstützung aus dem Bereich der Ärztekammer und aus dem Bereich der Kirchen, die seit Langem, seit Jahren den Zustand, wie er momentan in Deutschland herrscht, beobachtet haben: Insbesondere aufgrund der bestehenden Regelung, dass bei der medizinischen Indikation vorher keine Beratung stattfinden muss, und weil das Arzthaftungsrecht so ist, dass in der Regel bei Feststellung eines Krankheitsbefundes sofort zu einer Abtreibung geraten wird, um keine Schadensersatzansprüche zu riskieren, findet in Deutschland eine hohe Zahl an Abtreibungen statt, die vermeidbar wären.
Ich möchte deswegen in der zweiten Runde nach dieser Einführung insbesondere auf die weiteren Forderungen ein
gehen, wie die Pränataldiagnostik zukünftig gestaltet werden soll und welche Beratungslösungen wir hier vorschlagen, die vor und nach einer Pränataldiagnostik verpflichtend sein sollen.
Wir möchten mit dieser Debatte hier im Land einen Beitrag dazu leisten, dass sich alle demokratischen Kräfte um mehr Lebensschutz in Deutschland bemühen. Ich glaube, dass wir einen deutlichen Nachbesserungsbedarf haben.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Wonnay und Frau Lösch, wenn Sie davon sprechen, dass wir das Thema hier im Rahmen einer Aktuellen Debatte diskutieren, und meinen, dass das nicht hierher gehöre, will ich Ihnen einfach entgegnen: Es geht eigentlich „nur“ um das Leben, „nur“ in Anführungszeichen. Über welche Themen sprechen wir denn sonst? Schauen Sie sich andere Tagesordnungspunkte von Plenarsitzungen im Landtag an. Ich halte es für wichtig, dass wir uns mit diesem Thema beschäftigen und dass sich vor allem auch die Parteien hier entsprechend positionieren. Ich glaube, Sie scheuen sich, hier eine klare Haltung Ihrer eigenen Fraktion zum Ausdruck zu bringen. Sie wiegeln ab und sagen im Endeffekt,
dass Sie außer der Beratung nichts ändern wollen. Aber das reicht im Endeffekt nicht, um das ungeborene Leben zu schützen. Sie lenken auch davon ab, dass Ihr Parteivorsitzender Beck gesagt hat: Wir müssen hier auch gegen innerparteiliche Widerstände entsprechende Regelungen finden.
Dazu brauchen wir eben die Unterstützung aus den Ländern. Sie müssen auf Ihre Parteien Einfluss nehmen, auch auf Ihre Fraktionen in Berlin,
damit wir mehr Schutz für das ungeborene Leben bekommen. Deswegen ist die Debatte, auch hier im Landtag von Baden-Württemberg, wichtig, weil wir unsere Erfahrungen aus der Handhabung in unserem Bundesland nach Berlin weitergeben können.
Wo liegen neben den gesetzlich notwendigen Regelungen weitere Punkte, die wir für wichtig erachten?
Wir haben keine Aufklärung vor einer entsprechenden Pränataldiagnostik, und wir haben gleichzeitig mit der Beratung meistens den Vorschlag, ein behindertes Kind abzutreiben. Wie läuft das in der Praxis ab? Die Eltern erwarten ein Kind. Die Frau geht in die Klinik, bekommt die Angebote, die entsprechenden Untersuchungsmöglichkeiten wahrzunehmen, und lässt sich untersuchen. Denn die Angebote werden auch wahrgenommen. Dann kommt das Ergebnis. Aufgrund der Rahmenbedingungen, die ich vorhin schon geschildert habe, und der Haftungsregelungen heißt es dann: Na ja, wir können das Kind auch wegmachen lassen.
Jetzt nenne ich Ihnen die Erfahrungen auch aus meiner eigenen medizinischen Tätigkeit. Ich habe in den vergangenen zwei Jahren zwei Frauen kennengelernt, die gesagt haben: „Nein, ich lasse das Kind nicht abtreiben; ich kann nicht dazwischen differenzieren, ob das behinderte Leben weniger wert ist als das nicht behinderte Leben.“ Beide Kinder sind gesund zur Welt gekommen.
Sie sehen, mit welcher Problematik diese ganze Geschichte verbunden ist: In einer Vielzahl von Fällen mündet die Pränataldiagnostik nämlich automatisch in eine Abtreibung.
Deswegen brauchen wir vor der Pränataldiagnostik eine entsprechende psychosoziale Beratung.
Wir brauchen – vor allem zu dem Zeitpunkt, zu dem den Eltern die entsprechenden Befunde mitgeteilt werden – eine entsprechende Beratung durch Ärzte und psychosoziale Dienste,
die den Eltern sagen, wie diese Befunde überhaupt zu bewerten sind.
Wir fordern darüber hinaus, dass die medizinische Indikation nicht von einem Einzelnen festgelegt wird, sondern von einem fachkundigen Kollegium,
das sich aus Frauenheilkundlern, Kinderheilkundlern, Psychologen und Vertretern aus dem Bereich der Humangenetik zusammensetzt, und wir wollen eine Bedenkzeit von drei Tagen beim Vorliegen einer medizinischen Indikation, bis dann auch tatsächlich eine Entscheidung getroffen wird, ob ein Leben abgetrieben wird oder nicht.
Wir glauben aber, dass auch eine Klarstellung im Bereich des § 218, wonach eine alleinige Behinderung des Kindes nicht für eine schwere Gefährdung des Lebens der Mutter ausreicht,
gesetzlich entsprechend verankert werden sollte, damit ein besserer Lebensschutz erreicht wird.
Meine Damen und Herren, wir dürfen behindertes nicht gegen nicht behindertes Leben ausspielen.
Wir müssen wegkommen von einer Defensivmedizin, die sich im Endeffekt nur an Schadenersatzregelungen orientiert und letzten Endes automatisch alle Elternpaare, denen der Befund ausgestellt wird, dass eine entsprechende Krankheit nachgewiesen ist, in eine Abtreibungsberatung hineintreibt.
Gern. Ich mache den Satz noch fertig, und dann können Sie sofort Ihre Frage stellen, Frau Kipfer.
Wir brauchen vor allem ein Qualitätsmanagement, in dem nachgewiesen wird, ob die gestellten Diagnosen dann, wenn Kinder abgetrieben werden, auch tatsächlich übereinstimmen. Wir haben in vielen Bereichen bei der medizinischen Indikation diese Datenbasis und dieses Qualitätsmanage