Claus Schmiedel

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Last Statements

Herr Präsident, ich würde ja gerne das Gleiche tun. Sie haben auch Recht. Es macht eigentlich kaum noch Sinn; denn die Regierungszeit läuft ab. Eine Besserung in der Entwicklungszusammenarbeit ist nicht zu erkennen. Das Dokument zeigt – –
Es tut mir Leid, aber ich kann das ja nicht schönreden.
Es zeigt den beispiellosen Niedergang einer einstmals vorbildlichen Entwicklungszusammenarbeit.
Aber da, wie gesagt, Ihre Regierungszeit zu Ende geht, möchte ich Folgendes sagen.
Ich will ganz kurz in elf Punkten sagen, wie es mit der Entwicklungspolitik in Baden-Württemberg nach der Landtagswahl weitergeht. Das zeigt gleichzeitig die Defizite der jetzigen Landesregierung.
Erstens: Wir werden nach der Landtagswahl die Ansätze für die Entwicklungszusammenarbeit im Landeshaushalt wieder deutlich erhöhen, damit überhaupt neue Ansätze möglich sind
und nicht sozusagen nur Altes abgewickelt wird.
Zweitens: Wir werden die Entwicklungshilfe im Land Baden-Württemberg auch über Lotteriespiele stärken.
Drittens: Wir werden Public Private Partnership zwischen baden-württembergischen Unternehmen und Partnern in der Dritten Welt stärker fördern; denn wir sehen darin einen hervorragenden Ansatz, den die Bundesregierung praktiziert und den es im Land Baden-Württemberg zu stärken gilt.
Wir werden viertens die Eine-Welt-Politik als Querschnittsaufgabe der Landesregierung präzisieren und insbesondere auch im Bereich des interkulturellen und internationalen Dialogs verstärken.
Fünftens werden wir den Aufbau eines landesweiten Netzwerks der entwicklungspolitischen Gruppen in BadenWürttemberg unterstützen und damit die ehrenamtliche Arbeit aufwerten sowie das Engagement und den Dialog der Bürger in Baden-Württemberg fördern.
Sechstens werden wir einen Eine-Welt-Beirat einrichten,
der insbesondere den Dialog zwischen den unterschiedlichen Gruppen und Verbänden fördert, die ansonsten wenig miteinander sprechen.
Siebtens werden wir lokale Informations- und Bildungsarbeit stärker unterstützen.
Achtens wollen wir die Transferstelle für die Lokale Agenda 21 unter Einbeziehung der Eine-Welt-Politik ausbauen.
Neuntens werden wir Eine-Welt-Begegnungen für die baden-württembergische Jugend als Teil der baden-württembergischen Bildungsarbeit unterstützen.
Zehntens werden wir ein Programm „Eine Mark für die Dritte Welt“ auflegen: 50 Pfennig vom Land werden ergänzt um 50 Pfennig von der Kommune.
Elftens werden wir Städte- und Gemeindepartnerschaften mit Entwicklungsländern wieder beleben, ausbauen und qualifizieren.
Dies, meine Damen und Herren, geht weit über das hinaus, dass wir nur sagten, wir wollten im Land Baden-Württemberg mehr Geld einsetzen, was auch dringend notwendig ist. Wir brauchen aber auch neue qualitative Ansätze. Die Entwicklungszusammenarbeit in Baden-Württemberg ist nur ein Stiefkind im Wirtschaftsministerium. In diesem Politikfeld ist kein Engagement der Führung des Hauses vorhanden. Wir werden das korrigieren und hoffen dann auf die tatkräftige Unterstützung auch der Opposition im Landtag.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Vorberatung in den Ausschüssen hat zweifelsfrei ergeben, dass der vorgelegte Gesetzentwurf ein Zeugnis der regionalpolitischen Unfähigkeit dieser Koalition ist.
Ich komme gleich zu Ihren Ausführungen. Sie gingen hart an der Wahrheit vorbei, Herr Kollege.
Sie haben sich spät geeinigt, und Sie haben sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt. Das Einzige, wozu Sie sich aufraffen konnten, ist eine leichte Anhebung der Planungskompetenz. Was Sie tunlichst vermieden haben, das ist die notwendige politische Aufwertung der Regionen in Baden-Württemberg. Deshalb bleibt nur die Feststellung: Baden-Württemberg bleibt auch regionalpolitisch unter seinen Möglichkeiten.
Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie haben die Chance vertan, die Zukunft der Regionen in Baden-Württemberg zu diskutieren
im Zusammenhang mit einer wirklichen Verwaltungsreform, einer Reform, die Verwaltungsabläufe strafft, die Verantwortung nach unten verlagert und die überflüssige Bürokratie abbaut. Sie haben es nicht geschafft, sich aus den Fesseln überkommener Verwaltungsstrukturen zu befreien, weil Sie sich nicht an die Pfründen Ihrer Parteifreunde in den Regierungspräsidien und Landratsämtern herangetraut haben.
Dies führt zu solch absurden Konstruktionen, dass Sie einerseits die Planungskompetenz der Regionen, zum Beispiel bei der Frage großflächiger Einzelhandelsangebote, ausweiten, andererseits die Genehmigung solcher großflächiger Einzelhandelsangebote bei den Regierungspräsidien belassen und jetzt noch eines oben draufsetzen, indem Sie sagen: Der Regionalverband kann ja dann gegen das Regierungspräsidium klagen. Der Staat klagt gegen sich selber – eine absurde Konstruktion, nur weil Sie nicht zu durchgreifenden Reformen in der Lage sind.
Meine Damen und Herren, Sie haben eine Chance vertan, die Zukunft der Regionen in Baden-Württemberg zu diskutieren als Räume, die ihren Zusammenhalt dadurch haben, dass sie die Lebenszusammenhänge der Menschen reflektieren, als Räume und Regionen, in denen Menschen arbeiten, in denen sie wohnen und in denen sie ihre Freizeit verbringen. Unter diesem Blickwinkel ist der Zuschnitt der Regionen in Baden-Württemberg natürlich alles andere als optimal. Wie kann man gleichzeitig eine Fortschreibung des Landesentwicklungsplans vorlegen, die eine „europäische Metropolregion“ definiert, die neben der Region Stuttgart natürlich Tübingen und Reutlingen einbezieht, es aber gleichzeitig bei dem Zuschnitt altherkömmlicher Art belassen, nur weil Sie nicht in der Lage sind, die Fesseln eines Regierungspräsidiums zu sprengen?
Meine Damen und Herren, Sie haben die wichtigste Aufgabe verpasst, nämlich in die Regionen in Baden-Württemberg demokratische Strukturen einzuziehen.
Sie haben es versäumt, Regionalverbände, Regionalversammlungen durch Direktwahl zu legitimieren und dadurch demokratische Willensbildungsprozesse in den Regionen anzustoßen, nicht nur begrenzt auf die Parteien, sondern ausgeweitet auf alle gesellschaftlichen Gruppierungen in den Regionen, wie wir das erfreulicherweise in der Region Stuttgart mittlerweile erleben. Sie belassen es zudem bei einem undemokratischen Quorum von zwei Dritteln, das für die Übernahme zusätzlicher Aufgaben regionaler Art erforderlich ist.
Meine Damen und Herren, das, was wir gehört haben, das Hohelied auf die Zweckverbände durch den Kollegen Fleischer, zeigt Ihr wahres Denken. Sie sind nicht an demokratischen Strukturen interessiert, Sie sind nicht an politischer Aufwertung und an demokratischer Willensbildung in den Regionen interessiert, sondern Sie wollen es bei den alten Strukturen belassen.
Das, was Sie zu der Rolle des SPD-Oberbürgermeisters von Freiburg gesagt haben, Herr Kollege Fleischer,
entspricht in keiner Weise der Wahrheit. Wir haben uns in der Zwischenzeit vergewissert. Was Sie im Ausschuss über
das Abstimmungsverhalten des Kollegen Böhme in Freiburg gesagt haben, ist schlicht falsch, frei erfunden und falsch behauptet.
Meine Damen und Herren, zusammenfassend: Es ist schon bedauerlich, dass Sie sich durch die Argumente der SPD nicht haben beeindrucken lassen.
Es ist fatal, dass Sie nicht auf die Gewerkschaften hören.
Es ist unverständlich, dass Sie die Wünsche der Wirtschaft in den Wind schlagen. Und es ist unverzeihlich, dass Sie auch die kommunalen Landesverbände verprellen. Sie handeln nach dem Motto: Wir gegen alle. Aber Gott sei Dank finden demnächst Landtagswahlen statt, und danach ist ein neuer Anlauf mit einer neuen Regierung möglich.
Herr Staatssekretär, könnten Sie vielleicht noch vor der Wahl bekannt geben, welche Regionalverbände Sie aufzulösen gedenken, oder wollen Sie das als geheime Kommandosache bis über den Wahltag retten?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die größte Herausforderung für die Wohnungspolitik in den nächsten Jahren ist die Sanierung und Stabilisierung der Sozialwohnungsquartiere aus den Sechzigerund Siebzigerjahren. Dem trägt auch die Neuorientierung der Wohnbauförderung des Bundes Rechnung, indem sie Neubau und die Unterstützung des Bestandes gleich gewichtet.
Jeder weiß, dass es sich dabei nicht nur um bauliche Maßnahmen handelt. Das Projekt „Soziale Stadt“, von der Bundesregierung initiiert und jetzt noch einmal deutlich aufgestockt, hat ja einen integrativen Ansatz, der bauliche Maßnahmen mit anderen Maßnahmen verbindet. Eine wichtige Voraussetzung für die soziale Stabilisierung dieser Quartiere ist eine ausgewogene soziale Bewohnerstruktur.
Diesem Ziel wirkt nun die Fehlbelegungsabgabe eindeutig entgegen, weil man damit ausgerechnet diejenigen, die man unter diesem Aspekt in den Quartieren halten will, vertreibt. Deshalb überwiegen heute die negativen Auswirkungen der Fehlbelegungsabgabe.
Die Versuche, jetzt mit diesem Gesetz diese Fehlsteuerung zu reduzieren, sind eigentlich in Ordnung. Sie lösen aber am Ende nicht das Problem.
Sie haben vor allem auch negative Nebenwirkungen. Eine dieser negativen Nebenwirkungen ist, dass ich ja begründen muss, weshalb ich jetzt einzelne Gebäude oder einzelne Wohnungen ausnehme. Dazu muss ich das Umfeld stigmatisieren. Ich muss Kategorien besserer und schlechterer Qualität von Sozialwohnungen schaffen.
Das Zweite: Das Gesetz ermöglicht natürlich jedem Bewohner oder jeder Mieterinitiative, einen Antrag zu stellen. Dieser kann nicht einfach angenommen oder abgelehnt werden. Das heißt, es wird ganz zwangsläufig zu einem Anwachsen der Bürokratie bei gleichzeitigem Rückgang der Einnahmen kommen. Die Regierung selber rechnet nur noch mit 15 Millionen DM Einnahmen gegenüber 29 Millionen DM. Wenn man diesen den wachsenden bürokratischen Aufwand gegenüberstellt und gleichzeitig diese Negativwirkung der Stigmatisierung berücksichtigt, wobei der Begriff der Fehlabgabe immer noch unterstellt, dass jemand fehl am Platz ist, dann muss man wie wir zu der Überzeugung kommen, dass nach einer angemessenen Übergangsfrist das Gesetz in Baden-Württemberg auslaufen sollte.
Es ist nach dem Bundesrecht möglich, Herr Kollege Fleischer, landeseinheitlich auszusteigen.
Sie wissen, dass die neuen Bundesländer von der Fehlbelegungsabgabe überhaupt nicht Gebrauch gemacht haben. Sie wissen, dass Schleswig-Holstein einen solchen Beschluss gefasst hat und dass es möglich ist, landeseinheitlich auszusteigen. Die Fehlbelegungsabgabe in die Souveränität der Kommune zu geben, was wir auch befürwortet hätten, ist nicht möglich. Deshalb, wie gesagt, schlagen wir vor, nach einer angemessenen Übergangsfrist auszusteigen.
Es ist natürlich sinnvoll, wenn man sagt, dass auch Familien mit höheren Einkommen in den Sozialwohnungen bleiben sollen, dann die Frage zu beantworten: Warum soll denn die öffentliche Hand die Sanierung, die Aufwertung dieser Wohnungen weiter finanzieren? Deshalb kommen wir zu dem Ergebnis, dass es sinnvoll ist, diese Wohnungen dann an diesen Personenkreis auch zu verkaufen.
Wir lehnen uns da an das an, was die Bundesregierung in ihrer Wohnungsbauförderung als Ziel vorgibt, nämlich die Förderung von Veräußerungen aus dem Bestand an Mieter zur Selbstnutzung. Dies wollen wir fördern. Die Förderung der Privatisierung an irgendjemanden lehnen wir ab. Das ist überflüssig und unnötig. Wenn eine Wohnungsbaugesellschaft privatisiert, dann soll sie das ohne öffentliche Förderung machen. Öffentliche Förderung ist dann angesagt, wenn wir eine ausgewogene Mieter- und Bewohnerstruktur wollen. Dazu gehört auch, dass es ein ausgewogenes Verhältnis von Mietern und Eigentümern in diesen Quartieren gibt. Eigentümer heißt aber, dass dieser auch dort wohnt und nicht der Eigentümer irgendeine Wohnung gekauft hat und der Mieter Mieter bleibt.
Deshalb empfehlen wir Ihnen, unserem Antrag zuzustimmen, denn nur dann erfüllt die Förderung des Landes die Anrechenbarkeit auf den Eigenbeitrag des Landes bei der Inanspruchnahme von Bundesförderung. Das ist auch in sich vernünftig begründet.
Nur keine Panik!
Eine Frage muss noch ganz klar beantwortet werden, nämlich die Frage nach der Rechtmäßigkeit des Ausstiegs aus der Fehlbelegungsabgabe. Die Formulierung, die der Herr Staatssekretär gewählt hat, ist die richtige. Das Land bestimmt das Erhebungsgebiet. Das Land kann natürlich bestimmen, dass es null Erhebungsgebiete gibt. Das Gesetz verlangt eine landeseinheitliche Regelung. Andere Länder verzichten bereits auf die Erhebung oder haben beschlossen, nach einem bestimmten Zeitraum auszusteigen.
Deshalb, liebe Kollegen von der CDU und der FDP/DVP: Verstecken Sie sich nicht hinter einer angeblichen Nichtgesetzmäßigkeit, sondern sagen Sie Ja oder Nein, ob Sie die Fehlbelegungsabgabe weiter erheben wollen.
Sie haben jetzt die Chance zu einer klaren Aussage, nach einem Übergangszeitraum aus der Fehlbelegungsabgabe auszusteigen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nicht nur in Baden-Württemberg wird über die Weiterentwicklung und Ausgestaltung der Regionen nachgedacht und heute im Landtag darüber debattiert, nein, in der gesamten Bundesrepublik und in ganz Europa wird – nicht spektakulär, aber doch sehr intensiv – darüber nachgedacht, wie das Verhältnis von zentralen Städten mit ihrem Umland geregelt werden kann und wie die sich daraus ergebenden neuen Lebenszusammenhänge vernünftig gestaltet werden können. Die Menschen leben heute nicht mehr nur in Städten und auch nicht nur in Landkreisen, sondern sie wohnen in einer Stadt, arbeiten in einer anderen, verbringen ihre Freizeit in einer dritten und besuchen eine kulturelle Veranstaltung woanders. Diese Zusammenhänge zwischen Arbeiten, Wohnen, Freizeit und Erholung finden in der Region statt. Übrigens, auch 80 % der Verbindungen im Internet finden innerhalb einer Region statt.
Daraus ergibt sich eine Menge von Fragestellungen, die nur noch regional zu lösen sind, Fragen, die nur noch regional zu beantworten sind, zum Beispiel Sicherstellung der Mobilität – das ist ganz sicher keine Frage, die von einer Stadt beantwortet werden kann, auch nicht von einem Landkreis, sondern nur regional – oder eine Siedlungsentwicklung, die Raum für Natur, Erholung und Freizeit lässt, oder Gewerbegebiete, die überörtlich orientiert als Alternative zu den vereinigten Hüttenwerken hinter jedem Dorf angeboten sind, um nur einige Beispiele zu nennen.
Angesichts dieser regionalpolitischen Herausforderungen, meine Damen und Herren, müssen wir leider die Antwort der Landesregierung, die spät kommt, als unzureichend beurteilen.
Ich will das an ein paar Beispielen aufzeigen. Wir haben im Verband Region Stuttgart die direkte Wahl der Regionalversammlung. Das bedeutet nicht nur ein Mehr an Demokratie, sondern bedeutet auch, dass sich die Parteien ein regionalpolitisches Programm geben müssen. Das heißt, man muss sich zwingen, aus dem üblichen Korsett entweder eines Stadtverbands oder eines Kreisverbands herauszuschlüpfen und zu sagen: Jetzt denke ich regional und gebe eine regionalpolitische Antwort. Das Ergebnis eines solchen Ansatzes in der Region Stuttgart ist, dass es nicht auf Parteien begrenzt bleibt. Übrigens war die Wirtschaft in Form der Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart ein Vorläufer. Auch die Handwerkskammer Region Stuttgart hat sich regional organisiert. Auch die Umweltverbände, auch die Kirchen, auch die Gewerkschaften gehen solchen regionalen Strukturen hinterher und sind dann wichtige Ansprechpartner und Mitgestalter bei regionalpolitischen Entscheidungen. All dies kann nicht stattfinden, wenn es dabei bleibt, dass die Regionalversammlung in den Regionalverbänden delegiert bleibt. Es bleiben delegierte Regionalpolitiker, die ihre Entscheidungen natürlich herkunftsorientiert zu treffen haben. Es bleibt Stückwerk. Deshalb werden wir in der weiteren Beratung einen Änderungsvorschlag einbringen, in allen Regionalverbänden wie im Verband Region Stuttgart die Direktwahl der Regionalversammlung einzuführen.
Zweiter Punkt: Regionalverbände sollen in regionalbedeutsamen Angelegenheiten auch Mitglied von Gesellschaften werden können und damit auch Kosten übernehmen können. Die Hürde, die dafür vorgeschlagen wird, ist eine Zweidrittelmehrheit, und das ist eine enorm hohe Hürde. Sie ermöglicht eben nicht die erwünschte Flexibilität und auch nicht die erwünschte Klarheit. Sie gibt im Übrigen bei Zweidrittelmehrheiten auch kleinen Gruppen ein außerordentlich starkes Gewicht, nämlich als Zünglein an der Waage. Deshalb können wir überhaupt nicht einsehen, weshalb es entgegen allen demokratischen Gepflogenheiten dabei bleiben soll, dass hier nur mit einer Zweidrittelmehrheit eine solche Entscheidung getroffen werden kann, und schlagen vor, dass man das mit der üblichen Mehrheit der Mitglieder beschließt. Damit sind schnellere Entscheidungen möglich; damit sind auch klarere Entscheidungen möglich.
Damit gibt es auch keine ganz spannenden, knappen Situationen – einmal hü und einmal hott –, auf die man sich am Ende nicht verlassen kann.
Ein dritter Punkt: Es wird gesagt: „Wir stärken die Regionalverbände, aber wir schaffen keine dritte oder vierte Ebene.“ Fakt ist natürlich, dass diese Stärkung zu allem anderen hinzukommt und dass das alles andere als eine Vereinfachung oder gar ein Abbau von Verwaltungsbürokratie ist.
Ein Beispiel: Wenn gebietsscharf ausgewiesen wird, wenn über die Zulässigkeit von großflächigem Einzelhandel im
Regionalplan mit entschieden wird und wenn es am Ende bei der Entscheidung des Regierungspräsidiums bleibt, führt das zu folgendem Prozess: Über einen Standort wird natürlich, wie gehabt, in der Kommune entschieden. Bei den kleineren Kommunen wird das Landratsamt damit befasst. Dann befasst sich die Region Stuttgart damit. Der Entscheidungsträger ist das Regierungspräsidium. Im Konfliktfall zwischen regionalpolitischen und kommunalpolitischen Vorstellungen orientiert sich die Kommune natürlich an dem potenziellen Entscheidungsträger Regierungspräsidium. Womöglich bekommt sie auch Recht. Damit schaffen wir als eine zusätzliche, neue Hürde die Möglichkeit, dass die Region jetzt auch gegen das Regierungspräsidium klagen kann.
Wir halten das für eine im Grunde genommen absurde Konstruktion, die nur aus der Not heraus geboren ist, weil man sich ideologisch daran klammert, einer Region keine Verwaltungskompetenz zu geben. Deshalb werden wir im Gang der weiteren Beratungen vorschlagen, endlich zu einem Abbau von Bürokratie zu kommen, zu schnelleren Entscheidungen und klareren Entscheidungsprozessen zu kommen – und auch zu klareren Verantwortlichkeiten –, indem wir alle raumordnerischen Zuständigkeiten von den Regierungspräsidien auf die Regionalverbände übertragen.
Wir hätten damit den Vorteil, dass wir endlich über die Stufe eines reinen Planungsverbands hinauskämen, dass wir Planung und Entscheidung auf einer Ebene bündeln könnten und dass wir im Übrigen auch für Demokratie und Transparenz bei Entscheidungen sorgen könnten, weil auf regionaler Ebene die Beschlussfassung im Planungsausschuss oder in der Regionalversammlung – im Gegensatz zu Entscheidungen des Regierungspräsidiums – öffentlich ist und auch kontrovers diskutiert werden kann. Damit hätten wir eine Fülle von Vorzügen gegenüber einer Beibehaltung der alten, hemmenden, langwierigen, zögerlichen und in sich widersprüchlichen bürokratischen Abläufe.
Lassen Sie mich noch etwas zum Thema Zweckverband sagen: Sie haben das für den Bereich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, wie ich glaube, vernünftig und nachvollziehbar ausgeführt. Niemand würde auf die Idee kommen, Zweckverbände für grenzüberschreitende Zusammenarbeit nicht zulassen zu wollen. Aber Zweckverbände als ein Schlupfloch, als eine Alternative für Regionalverbände vorzusehen, halten wir für gestriges Denken,
das sich an Entscheidungsabläufen orientiert, die in den Regionen von den Honoratioren getroffen werden,
von hochmögenden Landräten, vom Bürgermeistersprengel. Als Staffage dürfen in den Zweckverbänden dann auch noch ein paar Kreisräte und Stadträte herumsitzen. Das alles ist kein Beitrag zur politischen Stärkung von Regionen.
Dies ist vielmehr ein Beitrag, alte bürokratische Abläufe – eine Hand wäscht die andere, man tut sich nicht weh – zu festigen. So war es bei den Regionalverbänden immer schon ein bisschen angelegt.
Das ist aber keine starke regionalpolitische Antwort.
Deshalb freuen wir uns, meine Damen und Herren, auf die weitere Debatte im Ausschuss. Wir werden Sie mit unseren weiterführenden Vorstellungen konfrontieren. Wir wissen auch, dass es dazu im Regierungslager ganz unterschiedliche Meinungen gibt, dass die CDU sich schon immer mit dem Thema Regionen sehr schwer tut, zum Teil so etwas wie eine innere Opposition gegen das Thema „Stärkung der Regionen“ hat.
Wir wissen, dass Ihr Koalitionspartner gern ein bisschen weiter springen würde, sich aber nicht durchsetzen kann.
Das wird eine interessante Debatte.
Im Übrigen müssen wir diese Debatte auch noch etwas anreichern. Wenn wir sagen, wir wollen die Regionen stärken, dann müssen es natürlich auch Regionen sein, die zueinander gehören.
Es ist doch ein innerer logischer Widerspruch, zum Beispiel im Landesentwicklungsplan von einer europäischen Metropolregion zu reden, zu der Tübingen und Reutlingen gehören, es dann aber beim alten Zuschnitt zu belassen, nur weil man sich scheut, über die Grenzen der Regierungspräsidien hinauszudenken, oder den Bodensee in der Mitte zu teilen, anstatt eine Bodenseeregion zu machen.
Ihre Antwort wird den regionalpolitischen Herausforderungen nicht gerecht. Aber wir werden Sie mit zukunftweisenden Antworten konfrontieren. Wir hoffen natürlich, dass Sie sich mindestens in dem einen oder anderen Punkt noch bewegen und nicht in Fundamentalopposition zu einer regionalpolitischen Offensive verharren.
Ich möchte noch, meine Damen und Herren, Herr Präsident, auf zwei Themen eingehen.
Das eine ist das Thema Direktwahl, das jetzt mehrfach angesprochen wurde. Zunächst einmal, damit da keine Geschichtsfälschung stehen bleibt, Herr Kollege Hofer: Die Direktwahl im Verband Region Stuttgart hat nicht der Ministerpräsident aus irgendeinem Hut gezaubert, sondern sie wurde gegen den massiven Widerstand der CDU durchgesetzt, und zwar von zwei Partnern – von der SPD und dem Stuttgarter Oberbürgermeister Rommel.
Es war Ihr Kollege, Herr List, nämlich Herr Rommel, der dieses Argument in der Diskussion stark hervorgehoben hat: Nur durch die Direktwahl steigt die Bedeutung des Regionalparlaments
und gewinnen die Parteien regionalpolitische Strukturen. Das hat sich ja auch bewahrheitet. Es ist so.
Gern.
Ergebnis der Arbeitsgruppen? Bei diesen Arbeitsgruppen, die Sie meinen, reden Sie von regionalpolitischen Akteuren und meinen Landräte, Oberbürgermeister und, und, und. Sie schließen von vornherein zum Beispiel Parteien aus. Parteien waren an der Willensbildung dieser Arbeitsgruppen nicht beteiligt.
Ich rede hingegen vom demokratischen Entscheidungsprozess hier in diesem Haus und in der damaligen großen Koalition. Mein damaliger Wahlkreiskollege Lang hat mir noch jede Wette angeboten, dass die Direktwahl keine Mehrheit in der CDU-Fraktion finden werde und dass das Gesetz entweder ohne Direktwahl komme oder gar nicht. Das zeigt: Es gab massive Widerstände. Weshalb ist denn diese Option der Direktwahl für die Regionalverbände jetzt nicht vorgesehen?
Weil Sie tatsächlich keine politische Aufwertung der Regionen in diesem Land wollen.
Damit werden Sie auch den regionalpolitischen Herausforderungen nicht gerecht. Sie bleiben auf der Ebene der Planungsverbände technokratisch. Die Begründung des Gesetzentwurfs durch den Staatssekretär erfolgte genau auf dieser Ebene. Das war die Ebene eines Sachbearbeiters, eines Oberregierungsrats, der die Gesetzestechnik vorträgt,
umfasste aber keine politische Vision und keine politischen Inhalte und Gestaltungspotenziale für eine Regionalpolitik. Dies müssen wir in den Ausschussberatungen korrigieren.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wenn es den Petitionsausschuss nicht gäbe, müsste man ihn erfinden.
Denn er ist häufig für Bürgerinnen und Bürger die letzte Chance und die letzte Rettung, wenn sie mit ihren Anliegen nicht weiterkommen. Natürlich dürfen wir nicht Gesetze missachten; aber wir können helfen, dass man in einem konkreten Fall gesetzliche Bestimmungen und Verordnungen so interpretiert, dass die Entscheidung dem Sinn des Gesetzes entspricht.
Häufig kann man das am besten vor Ort machen, wenn man eine Sache in Augenschein nimmt. Ich denke an ein Beispiel aus einem Schwarzwaldtal. Dort wurde ein Neubau nicht genehmigt, weil der Waldabstand nicht eingehalten würde. Beim Augenschein sah man aber, dass es sich bei dem beantragten Neubau um das Ende einer fast endlosen Kette von Gebäuden handeln würde, die alle schon ewig dort stehen,
und dass der Waldabstand dort überhaupt keine Rolle mehr spielt. Wenn alle diese Gebäude Bestandsschutz genießen, fragt sich der Bauherr, weshalb muss die Verordnung dann ausgerechnet bei seinem Gebäude durchschlagen? Es ist gelungen, einen Kompromiss zu finden; jetzt wird dort ein Gebäude errichtet.
Manchmal gelingt es auch, widerstrebende Interessen verschiedener Gruppen, beispielsweise die von Kletterern und von Naturschützern im Donautal, unter einen Hut zu bringen. Da wurde eine Kletterkonzeption entwickelt, hinter
der jetzt beide Gruppen stehen und die sogar vom Gericht bestätigt wurde.
Ich glaube, im Petitionsausschuss herrscht ein gutes Klima. Wir betrachten im Petitionsausschuss den Einzelfall und sehen uns nicht als Regierungsfraktion oder als Oppositionsfraktion. Das ist auch gut so; denn nur so können wir den Aufgaben des Petitionsausschusses gerecht werden.
Es gibt aber einen Bereich – von ihm wurde jetzt schon mehrfach gesprochen –, bei dem diese gute Regel im Petitionsausschuss, wie wir feststellen, nicht beachtet wird. Das betrifft den großen Bereich der Petitionen von Ausländern und Bürgerkriegsflüchtlingen. Ich muss schon feststellen, dass es nicht in Ordnung war, dass uns die Regierung über lange Monate hinweg stereotyp erklärt hat, es gebe keinen rechtlichen Spielraum in den einzelnen Fällen, die von Handwerkern an uns herangetragen wurden, sei es aus dem Baubereich, sei es aus dem Landschaftsbau oder sei es aus dem Gärtnerbereich, es gebe keinen Spielraum, den Arbeitgebern, den Handwerkern entgegenzukommen.
Wir bedauern, dass die CDU-Fraktion in solchen Fällen immer stereotyp en bloc die Hand gehoben und die Regierungslinie abgestützt hat, ohne auf den einzelnen Fall zu schauen. Erst im Laufe von Monaten gab es langsam Schritt für Schritt eine Bewegung, und dann hat die Regierung selber, ohne dass sich das Bundesrecht geändert hätte, durch neue Verordnungen Wege gewiesen, wie man den Betroffenen doch helfen kann. Dies wäre nicht möglich – das ist auch unsere Erwartung an die Zukunft –, wenn man sich nicht wirklich von dem Grundgedanken, den Einzelfall zu betrachten, leiten ließe und wenn man sozusagen eine ausländerrechtliche Position einer Fraktion oder einer Regierung zur strikten Richtschnur seines Handelns machen würde.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch einen zweiten Problemkreis ansprechen. Der Herr Innenminister hat vorhin sehr bewegt zwei Fälle vorgetragen, bei denen es um Opfer von deutschen Straftätern ging. Das waren schlimme Fälle, bei denen Frauen missbraucht, gefoltert oder getötet wurden. Wir haben in dieser Legislaturperiode leider erlebt, dass die Mehrheit im Petitionsausschuss bei Bürgerkriegsflüchtlingen, die ähnliche Schicksale durchlitten haben, und bei Folteropfern diesen einzelnen Fällen nicht gerecht wurde, sondern stereotyp darauf verwiesen hat, dass eine Behandlung der Folteropfer, die dringend notwendig ist, auch im Kosovo und auch in Bosnien möglich sei, obwohl alle Sachverständigen sagen, dass sich das nur Reiche oder Superreiche leisten könnten. Ich hoffe, dass der Ansatz, den der Bund jetzt verfolgt, auch in Baden-Württemberg dafür sorgt, dass wir künftig in diesen einzelnen Schicksalsfällen der Folteropfer genauer hinschauen und versuchen, wirklich dem Einzelfall gerecht zu werden.
Von diesem Bereich abgesehen, glaube ich aber, dass wir insgesamt eine kollegiale Arbeit leisten – das wird auch durch die Vor-Ort-Termine bestätigt, die ja stets durch Vertreter der Regierungsfraktionen und der Oppositionsfraktionen besetzt sind –, dass wir uns am Einzelfall orientieren, dass wir uns als Anwalt der Bürgerinnen und Bürger verstehen, dass wir auch Konflikte mit Regierungsvertre
tern nicht scheuen und dass wir deshalb jeden nur ermutigen können, wenn er berechtigten Zweifel daran hat, dass eine Entscheidung gerecht ist, sich vertrauensvoll an den Petitionsausschuss zu wenden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Bürokratiekostenbelastung ist tatsächlich ein wichtiges Thema. Deshalb ist es schade, wenn dieses Thema hier auf Stammtischniveau abgehandelt wird.
Ich nehme Sie, Herr Schuhmacher, dabei ausdrücklich aus, weil ich glaube, dass man sich mit Ihnen noch auf einer sachlichen Ebene verständigen kann.
Was wird denn im Betriebsverfassungsgesetz neu geregelt? Ist es nicht längst überfällig, dass die Gruppenunterschiede
zwischen Arbeitern und Angestellten aufgehoben werden, was Wahlprozeduren und Sonderregelungen betrifft?
Ist das nicht längst eine notwendige Anpassung an den betrieblichen Alltag?
Ist es nicht längst überfällig, dass man bei der Freistellung nicht nur zwischen Ganztagsfreistellung und keiner Freistellung wählen kann, sondern dass es auch die Möglichkeit einer Halbtagsfreistellung gibt? –
Ich höre nichts mehr von Ihnen, dann sind Sie also einverstanden.
Sie haben darauf hingewiesen, dass es zu einem Mehraufwand führt, wenn es mehr Betriebsräte gibt. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat ausgerechnet, dass ein nicht freigestellter Betriebsrat im Durchschnitt 70 % seiner Arbeitszeit für Betriebsratsangelegenheiten aufwendet. Ich frage Sie, ob es nicht sinnvoll ist, den Versuch zu unternehmen, diese Betriebsratsarbeit auf mehr Schultern zu verteilen, damit die betriebliche Arbeit nicht so sehr beeinflusst ist.
Sie bauen einen Popanz auf, anstatt sich mit den Einzelheiten zu beschäftigen.
Das gilt auch für das Teilzeit- und Befristungsgesetz. Sie reden immer nur über die Teilzeit, aber nicht über den Befristungsteil. Sie reden nicht darüber, dass eine neue Regelung eingeführt wird, nach der Arbeitnehmer ab 58 Jahren ohne Begründung befristet eingestellt werden können, damit die älteren arbeitslosen Kollegen eine Chance haben. – Sie nicken. Warum machen Sie dann hier einen so vollständigen Verriss? Das ist doch nicht angemessen.
Ich frage mich wirklich, weshalb – – Sie haben ja auch gesagt: Es vergeht kein Plenartag, an dem Sie hier nicht sozusagen das Bonner Schreckgemälde an die Wand malen.
Wenn die Anfrage der CDU lautet: „Warum ist die badenwürttembergische Wirtschaftspolitik so prima?“, stellt sich der Herr Wirtschaftsminister hin und sagt – das ist ja famos –: „Wir haben Start-ups, und die wachsen. Die Selbstständigenquote steigt. Die Wirtschaft sprudelt und brummt.“
Wenn die Anfrage lautet: „Warum ist es in Berlin so trübsinnig?“, stellt er sich hin und sagt: „Die Start-ups verschwinden. Niemand stellt mehr ein. In die Schweiz wird umgesiedelt.“ Das nenne ich eine gespaltene Zunge, einer Schlange gleich.
Was steckt denn dahinter? Dahinter steckt: Sie haben es bis heute nicht verwunden, dass Sie im Bund abgewählt wurden. Das ist der Kern.
Sie halten das nicht aus. Deshalb verlagern Sie den Bundestag hierher.
Sie versuchen, Opposition zu sein, die die Lage madig redet, obwohl der Laden brummt, die Wirtschaft läuft, die Beschäftigung wächst. Die einzige Wachstumsbremse für die Unternehmen besteht noch darin,
qualifizierte Beschäftigte zu finden. Das ist die Wachstumsbremse.
Jetzt noch einmal zum Thema Bürokratie. Die Enquetekommission wurde eingesetzt, als die neue Bundesregierung in Berlin kaum im Amt war. Was hat man uns nicht alles erzählt – wo ist Frau Fauser?; sie ist weg –, welche bürokratischen Belastungen es gibt. Das ist natürlich ein Thema. Aber es ist über Jahrzehnte gewachsen. So zu tun, als sei die Bürokratie ein Ergebnis der letzten zwei Jahre, ist doch hanebüchen.
Wenn ich mir einmal anschaue, mit welcher Systematik im Land Baden-Württemberg und in Berlin gegen Bürokratie vorgegangen wird, dann muss ich sagen: Berlin ist erfolgreicher.
Warum? Wir haben hier im Wirtschaftsministerium einen Bürokratie-TÜV, wir haben im Innenministerium einen Bürokratie-TÜV, wir haben im Staatsministerium einen Bürokratie-TÜV.
Was haben Sie denn erreicht? Sie brauchen wahrscheinlich eine Arbeitsgruppe, die die Bürokratie-TÜVs koordiniert und die sozusagen installiert, wer was macht – neue Bürokratie.
In Berlin dagegen können sich Unternehmen anhand ganz konkreter Fälle, die sie für unsinnig halten, beschweren. Die Berliner Bürokratiestelle fragt: Worin bestehen die gesetzlichen Ursachen? Worin bestehen die Verordnungsursachen? Dem geht sie dann nach.
Wir waren nicht wenig überrascht, als der Vertreter dieser Bürokratiestelle in der Enquetekommission aufgetreten ist und die Beispiele aus Baden-Württemberg gebracht hat. Beispielsweise verlangt in Baden-Württemberg das Landesamt für Besoldung und Versorgung von den Zahnärzten ungleich mehr an Bürokratie als alle anderen für Besol
dung und Versorgung zuständigen Landesstellen in der Republik, bevor eine Regulierung an einem Gebiss vorgenommen werden kann.
Seien Sie also nicht so selbstgerecht, reden Sie seriös und ernsthaft darüber. Und vor allem: Bauen Sie gegen Berlin keinen Popanz auf.
Herr Minister, es gibt auch eine andere Art von Politik in der Opposition. Ich nenne einmal Herrn Brüderle. Er ist anders vorgegangen. Er hat gesagt, wie Sie auch – – Da haben Sie geklatscht. Gestern haben Sie „Männle gemacht“, wie schlimm die Steuerreform sei. Heute haben Sie gesagt: „Das ist ja fast wie die Petersberger Beschlüsse“, und alles hat geklatscht. Sie müssen sich einmal entscheiden, was Sie wollen. Herr Brüderle hat keine Fundamentalopposition betrieben, sondern gesagt: „Das ist von der Anlage her gut. Da helfe ich mit. Ich bringe noch ein paar eigene Vorstellungen ein.“
Dann hat man ein Paket geschnürt. Das ist konstruktive Opposition, die er betrieben hat.
Deshalb, Herr Minister, hat der Name Brüderle einen guten Klang im Kanzleramt.
Deshalb kommt er auch durch und erreicht etwas.
Die Landesregierung von Baden-Württemberg jedoch befindet sich in vielen Punkten in der Sackgasse, weil sie eine Fundamentalopposition betreibt, anstatt sich konstruktiv in die Gestaltung der Bundespolitik – auch als Opposition – einzumischen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Minister, Sie verabschieden sich aus dieser Legislaturperiode als Wohnungsbauminister so, wie Sie gestartet sind. Sie erinnern sich vielleicht an den Sommer 1996. Damals hatte der Bund angekündigt, die Wohnungsbaufördermittel abzusenken, und es folgte ein Hilfeschrei des Wohnungsbauministers in Baden-Württemberg: Jetzt muss das Land mehr für den Wohnungsbau tun. Wir müssen die gestrichenen Bundesmittel ersetzen, denn eine mittelfristig angelegte Wohnungsbaupolitik macht dies erforderlich.
Das war ein löblicher, ein mutiger Einsatz als Wohnungsbauminister. Als aber dann im Winter die Blaue Broschüre kam, hat sie diese Erwartungen nicht nur nicht erfüllt, sondern das glatte Gegenteil war der Fall. Sie haben die gestrichenen Bundesmittel nicht ersetzt. Sie haben nicht einmal den Landesanteil gehalten, sondern Sie haben das Wohnungsbauprogramm rasiert und die Förderung von 800 Millionen DM auf 400 Millionen DM abgesenkt.
Seien Sie ruhig, Herr Fleischer. Sie haben das alles unterstützt.
Im Sommer dieses Jahres kam von Ihnen ein ähnlicher Hilfeschrei. Sie haben gesagt: Jetzt haben wir den Untersuchungsbericht der Kommission.
Das erfordert eine Wende in der Wohnungsbaupolitik in Baden-Württemberg. Die ist auch gut begründet, denn – auch die Drucksache der Landesregierung weist dies nach – wir bräuchten mittelfristig 50 000 Wohnungen im Land Baden-Württemberg, um den Bedarf sicherzustellen. Bei einer Eigentumsquote von 50 % bedeutet das 25 000 Mietwohnungen, aber in diesem Jahr sind es noch 18 000, im nächsten Jahr noch weniger. Das heißt, wir marschieren in eine Fehlentwicklung hinein.
Das haben Sie erkannt und haben mehr gefordert. Jetzt legen Sie erneut die Blaue Broschüre vor, und wir stellen wieder fest: Es bleibt ohne Ergebnis. Herr Minister, es tut mir Leid, aber Sie sind der erfolgloseste Wohnungsbauminister des Landes Baden-Württemberg.
Das Schlimme dabei ist: Sie laufen regelmäßig bei Ihrem Koalitionspartner CDU mit Ihren Forderungen auf.
Dieser macht sich über Minister Döring noch geradezu lustig. Es ist doch ein unglaublicher Vorgang, wenn der Finanzminister des Landes Baden-Württemberg, Herr Stratthaus, bei der Landestagung des Deutschen Mieterbunds in Ludwigsburg auftritt und am Rednerpult erklärt, er sei völlig überrascht und finde das eigentlich auch unerträglich wenig, wenn das Wirtschaftsministerium gerade noch 200 Mietwohnungen subventioniert.
Das sagt der Finanzminister des Landes Baden-Württemberg.
Das war im letzten Jahr, Herr Kollege. Da waren es 200 Wohnungen.
Bei Ihrer Großen Anfrage, Herr Kurz, gehen Sie eigentlich auch nicht anders vor. Erst geben Sie ihm überhaupt keine Mittel an die Hand, um seinen Forderungen nachzukommen, und dann stellen Sie besorgt Große Anfragen und äußern: Können wir denn eigentlich so weiter kürzen? Müssten wir nicht mehr tun? Müssen wir Schwerpunkte bilden? Und, und, und. So. Und weil Sie in der Wohnungspolitik des Landes Baden-Württemberg versagen, bauen Sie jetzt einen bundespolitischen Popanz auf. Mit dem möchte ich mich jetzt beschäftigen.
Das erste Argument von Ihnen – auch in Ihren Zwischenrufen – ist permanent: Der Bund kürzt ja. Also können wir gar nicht anders als kürzen. Das ist die Bankrotterklärung für eine eigenständige Wohnungspolitik in Baden-Württemberg.
Wohnungspolitik, Herr Kollege, ist Ländersache. Der Bund gibt nach Artikel 104 a Abs. 4 des Grundgesetzes ergänzende Hilfen. Das ist auch verständlich. Wir haben einen völlig unterschiedlichen Wohnungsmarkt in der Republik. Wir haben Leerstände im Osten. Wir haben einen relativ ausgeglichenen Markt in Baden-Württemberg, und wir haben Probleme in den Ballungsräumen und in den großen Städten.
Also brauchen wir eigenständige Antworten der Landesregierungen. Aber was hören wir? Der Bund kürzt, also müssen wir auch kürzen, also können wir nichts mehr tun. Der Bund soll erhöhen, damit wir auch erhöhen können. Vor der Regierungszeit von Herrn Döring war es selbstverständlich,
dass das Land Baden-Württemberg nicht nur kofinanziert hat, sondern eine eigenständige Politik betrieben hat und ein Mehrfaches von dem, was der Bund gegeben hat, in den Wohnungsbau investiert hat. Deshalb kann man sich nicht hinter dem Bund verstecken, sondern muss eine eigene Antwort in Baden-Württemberg finden.
Als Zweites kommt jetzt die Anfrage zu den angeblichen Investitionshemmnissen. Da muss man auch einmal ein bisschen hineingehen. Das fängt ja schon toll an mit der Frage: Muss das denn jetzt überhaupt sein? Muss zu diesem Zeitpunkt eine Mietrechtsreform sein? So kann ja wohl nur jemand fragen, der sich in 16 Jahren Kohl-Regierung daran gewöhnt hat, dass Stillstand der Zustand der Politik ist.
Denn wenn man zurückgeht zu dem, was der Ausgang dieser Mietrechtsreform ist, dann geht das ins Jahr 1974. Da hat der Deutsche Bundestag die Bundesregierung beauftragt, eine Mietrechtsreform vorzunehmen, und zwar mit guten Gründen: Weil das Mietrecht in der Formulierung antiquiert und kaum verständlich war,
weil es durch verschiedene Zusätze in verschiedenen Gesetzen ergänzt war und weil es durch Rechtsprechung weiterentwickelt war. Deshalb war es für Mieter wie für Vermieter kaum noch nachvollziehbar und wenig praktikabel.
Dies hat der Bundestag 1974 beschlossen. Wir haben es in der sozial-liberalen Koalition nicht geschafft. Das ist wegen zentraler Interessengegensätze mit der FDP nicht zustande gekommen. Sie haben es auch nicht geschafft. Sie haben 1990 eine Expertenkommission eingesetzt. Sie hat Ergebnisse geliefert, die Sie aber nicht umgesetzt haben.
Dann gab es eine Bund-Länder-Kommission. 1996 hat sie ihre Ergebnisse abgeliefert. Die haben Sie auch nicht umgesetzt. Damals waren Sie an der Bundesregierung beteiligt, wir in der Mehrheit der A-Länder auf Länderseite. Was jetzt passiert, ist, dass gemäß der Koalitionsvereinbarung von Rot-Grün auf der Basis dieser Bund-LänderKommission eine Mietrechtsreform stattfindet. Das ist eine völlig vernünftige Angelegenheit und überwindet endlich den Stillstand in einem weiteren Bereich der Politik in der Bundesrepublik.
Und jetzt sagen Sie, das alles sei sehr einseitig.
Fangen wir jetzt einmal an mit diesen unterschiedlichen Kündigungsfristen. Für die Vermieter ändert sich überhaupt nichts. Für die Vermieter bleibt alles gleich.
Die werden überhaupt nicht schlechter gestellt. Was aber geändert wird, ist, dass man erkennt,
dass die Dynamik der Wirtschaft, die jetzt – begünstigt durch unsere Bundesregierung – aufbricht, auch ein Mehr an Mobilität von den Arbeitnehmern verlangt. Deshalb wird die Kündigungsfrist für diese reduziert. Das stellt den Vermieter nicht schlechter. Was Sie unterstellen, ist, dass es ein gleiches Gegenüber von Vermieter und Mieter gäbe. Das ist aber beim Mietrecht noch nie der Fall gewesen. Denn zwar waren die Fristen früher gleich, aber der Vermieter brauchte eine Begründung, und zwar eine sehr gute Begründung, um einem Mieter kündigen zu können,
und der Mieter brauchte die nie.
Die unterschiedliche Interessenlage wurde schon immer berücksichtigt, auch bei gleichen Fristen. Wenn man das nun bei diesem Bedürfnis nach zunehmender Mobilität macht und das dann in das neue Mietrecht aufnimmt, dann ist das nur sinnvoll.
Die Antwort der Regierung gibt ja übrigens gar kein Investitionshemmnis her. Die Große Anfrage ist mindestens halb
positiv und halb negativ beantwortet, zum Beispiel beim Thema, auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaften gleich zu behandeln wie Familien,
oder beim qualifizierten Mietspiegel, der endlich die notwendige Rechtssicherheit gibt, weil er die Gerichte bindet und weil er diesen Mietspiegel auch etwas aus dem Hinterzimmer herausholt, aus dem er häufig im Sinne von Geben und Nehmen zwischen Haus und Grund und dem Mieterbund formuliert wurde und deshalb auch nicht so verlässlich war. Jetzt wird das eine verlässliche Richtschnur, und das wird natürlich helfen, Streitigkeiten vor Gericht zu vermeiden.
Dann kommt diese Geschichte mit der Deckelung auf 20 %. Sie stimmen mir sicher zu, wenn ich sage, dass diese Deckelung in der Praxis kaum eine Rolle spielen wird; denn bei einem insgesamt ausgeglichenen Wohnungsmarkt ist es wenig realistisch, 30 % durchzusetzen. Allerdings müssen wir Vorsorge treffen, weil durch Ihre Wohnungspolitik die Knappheit in den Ballungsräumen und großen Städten des Landes zunimmt und sich die Marktsituation dort zulasten der Mieter verschlechtert. Wir wollen keine 30-%-Sprünge – da haben Sie völlig Recht –, und deshalb steht das auch da drin.
Jetzt die Sache mit der Steuer. Dass Sie noch den Mut haben, die früheren steuerlichen Regelungen hier zu verteidigen und zu sagen, man hätte alles so lassen sollen, wie es war, ist schon ziemlich frech. Sie erinnern sich vielleicht daran, dass Ihre Steuerbefreiungstatbestände dazu geführt haben, dass es zum Volkssport geworden war, dass insbesondere Millionäre und Superreiche nach Schlupflöchern gesucht haben, um nicht einmal mehr eine müde Mark Steuern zahlen zu müssen.
Sie erinnern sich daran, dass das Steueraufkommen im Zuständigkeitsbereich der Finanzämter, in denen es eine Häufung von Millioneneinkommen gab und die deshalb in der Regel früher immer 300, 400, 500 Millionen DM Einkommensteuer eingenommen haben, nicht nur auf null gegangen ist, sondern dass die Finanzämter sogar zurückzahlen mussten. Das heißt, die Groschen der Arbeitnehmer mussten dafür verwendet werden, um Millionären Steuern zurückzuerstatten.
Dies – dass nur noch die Verluste wichtig waren und nicht mehr die Investitionen, weil überhaupt niemand danach gefragt hat, ob sich die Investition irgendwann rechnet, sondern nur wichtig war, dass man hohe Verlustzuweisungen bekommen hat – hat auch dazu geführt, dass man beispielsweise in den östlichen Ländern Luxuswohnungen gebaut hat, für die es überhaupt keine Nachfrage gibt und die heute als Leerstand in der Gegend rumstehen.
Sie haben einen wichtigen Marktfaktor, nämlich die Nachfrage- und die Gewinnorientierung, außer Kraft gesetzt, und deshalb ist es völlig richtig, dass das geändert wurde.
Ich gebe zu, dass § 2 b des Einkommensteuergesetzes, weil es so viel Änderungsbedarf gab, tatsächlich missverständlich war und hätte so verstanden werden können, dass auch Anfangsverluste, wie sie im Wohnungsbau unvermeidlich sind, unter diesen Spekulationsparagraphen fallen. Aber Sie wissen wie ich, dass es mittlerweile einen Ministererlass gibt, der dies richtig stellt und der klar macht: Wenn einer investiert, um wenigstens mittel- und langfristig Gewinne zu erzielen, dann hat er überhaupt keine Probleme mit der Verrechnung von Verlusten aus dieser Investition mit anderen Einkommen.
Jetzt zum Schluss, Herr Präsident:
Investitionshemmend sind nicht die notwendigen Reformen in Berlin, sondern investitionshemmend sind solche Diskussionen, wie Sie sie führen. Wenn Sie heute noch behaupten, die Investitionsumlage werde von 11 auf 9 % reduziert, obwohl die längst wieder auf 11 % steht und die Regierung mehrfach erklärt hat, dass sie bei 11 % sinnvoll ist, dann erweisen sich Ihre Diskussion und Ihre Propaganda natürlich bei denjenigen, die es glauben, als ein Investitionshemmnis.
Deshalb kann ich Sie nur auffordern: Gehen Sie sachlich mit dem Thema um! Tragen Sie dazu bei, dass die Wahrheit diskutiert wird
und dass man nicht einen Popanz aufbaut! Vor allem: Lösen Sie Ihre Aufgaben im Land Baden-Württemberg. Denn eines steht fest – –
Ich bin am Ende, Herr Präsident.
Weil er neu gewählt wurde: Der neu gewählte Vorsitzende des Verbands der Bauindustrie Nordbaden, Thomas Schleicher, hat Folgendes gesagt – ich zitiere wörtlich –: „Der Wohnungsbau ist tot, weil es keine öffentlichen Förderprogramme für privates Wohnungseigentum gibt.“
Also: Tun Sie was im Land Baden-Württemberg, und bauen Sie keinen bundespolitischen Popanz auf!
Herr Kollege Hofer, könnten Sie zunächst einmal bitte zur Kenntnis nehmen, dass diese 450 Millionen DM, die jetzt auf 370 Millionen DM abgesenkt worden sind, nicht für die gesamte Republik gelten, sondern nur für die alten Bundesländer? Würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass das Weniger von 15 Millionen DM in der Wohnbauförderung kompensiert wird durch 7 Millionen DM mehr im Programm „Soziale Stadt“ und 15 Millionen DM mehr in der Städtebauförderung, was insgesamt 7 Millionen DM mehr – das ist auch nicht gerade übermäßig viel – vom Bund für das Land Baden-Württemberg ausmacht? Stimmen Sie mir zu, dass es deshalb ein Schwarzer-Peter-Spiel ist, das Sie hier betreiben, vor allem wenn Sie einmal ins Verhältnis setzen, was Bayern, unser großer Nachbar im Osten, und NRW, unser großes Vorbild im Westen, mit ihrer Landeswohnbauförderung machen?
Nein, ich habe nur eine Frage. Ich will zunächst einmal damit beginnen: Wir stimmen ja überein, dass 116 Millionen DM für die nächsten Jahre zu wenig sind und dass man mittelfristig ein höheres Niveau braucht.
Meine Frage, Herr Wirtschaftsminister, lautet: War es denn notwendig, auf diesen absoluten Tiefpunkt zu fahren, weil das ja auch bedeutet, dass viele Unternehmen in der Bauwirtschaft in Baden-Württemberg in die Pleite getrieben wurden? Wäre es nicht sinnvoller gewesen, vorher die Bremse zu ziehen und sich von oben diesem Niveau anzunähern, anstatt von unten wieder nach oben zu starten?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Landtag von Baden-Württemberg setzt wie jedes Parlament dann eine Enquete ein, wenn es Missstände gibt, Versäumnisse oder mindestens Handlungsbedarf, um es einmal so zu formulieren.
Wenn es nichts Derartiges gäbe und man trotzdem eine Enquete einsetzte, dann müsste man ja annehmen, dass es ein Schaulaufen, eine Selbstbeschäftigung und die Verschwendung von Steuergeldern ist.
Da Ihr Koalitionspartner wesentlicher Antreiber dieser Enquete zum Ende der Legislaturperiode war, können wir daraus nur den Schluss ziehen, dass mindestens Ihr Koalitionspartner wesentlichen Handlungsbedarf sieht. So hat sich das ja auch angehört. Das steht in auffälligem Kontrast zu dem Selbstlob, mit dem der Herr Döring sich heute wieder einmal beweihräuchert hat.
Jetzt gehe ich einmal auf eine Ihrer Zahlen ein.
Herr Döring, ich habe Ihnen doch auch zugehört. Jetzt hören Sie doch zu, wenn Sie schon da unten sitzen.
Sie sagen: „Wir haben die höchste Selbstständigenquote, die es jemals gab“, und klopfen sich auf die Schulter. Das haben Sie vorhin gesagt.
Die amtliche Statistik in Baden-Württemberg weist nach, dass es natürlich noch einen positiven Saldo zwischen Gewerbeanmeldungen und Gewerbeabmeldungen gibt,
dass aber diese Differenz in Ihrer Amtszeit immer geringer geworden ist. Positiv ist der Saldo seit 1985, aber in Ihrer Amtszeit hat die Differenz permanent nachgelassen.
Das Gesamtergebnis einer Untersuchung des Mannheimer Instituts für Mittelstandsforschung – das ist doch nicht ein von uns festgestelltes Ergebnis, deshalb gab es doch die Enquete – ist, dass das Land Baden-Württemberg mitnichten noch das Mittelstandsland ist, sondern im Verhältnis zu anderen Ländern heruntergefallen ist.
Deshalb gibt es natürlich Handlungsbedarf.
Sie haben zum Ende der Enquete vielen dicken Papieren, zum Beispiel dem Mittelstandsbericht – es gibt noch „Handwerk 2000“, es gibt zwei Dutzend Untersuchungen und Empfehlungen –, ein weiteres dickes Papier hinzugefügt, von dem der Wirtschaftsminister heute selbst sagt, er sehe es als nette Anregung an, aber eigentlich ernst nehmen könne er das nicht. In Ihrer Koalition stimmt es nicht. Sie lassen sich gegenseitig aus. Die Enquete beschäftigt Bürokratien en masse, um ein so dickes Papier zu fabrizieren, und der Minister sagt, das sei alles nicht notwendig, er nehme das als nette Anmerkung, aber eigentlich mache das die Regierung schon alles selber. Das ist ein unglaublicher Vorgang, den Sie sich hier mit diesem Papier leisten.
Des Herrn Abg. Dr. Döring.
Also gut. Aber Sie dürfen das nicht auf meine Redezeit anrechnen.
Wohin die abgemeldeten Gewerbebetriebe gegangen sind, sage ich Ihnen nicht. Ich sage Ihnen etwas zu einer anderen Sache.
Dazu haben Sie selber genügend Statistiken. Ich habe nur noch eineinhalb Minuten Redezeit.
Sie nehmen für sich in Anspruch, dass Sie besonders existenzfördernd sind, und sagen, Ihr Vorgänger Herr Spöri habe nicht so viel ausgegeben. Wohl wahr. Sie erinnern sich an die Zeit: Da gab es eine der größten Konjunkturkrisen in der Republik, und es ging darum – und das war eine erklärte Zielsetzung der großen Koalition –, Betriebe zu stabilisieren. Dafür wurde viel Geld aufgewandt unter der richtigen Zielsetzung, einen Arbeitsplatz zu erhalten koste einen Bruchteil dessen, was die Schaffung eines neuen kostete. Weil wir stark produktionslastig sind, ist natürlich in dieser Zeit die Arbeitslosigkeit in Baden-Württemberg besonders angestiegen. Mit dem Ansteigen der Konjunktur geht sie erfahrungsgemäß besonders stark zurück. Das ist mitnichten Ihr Verdienst.
Sie haben eine Sache auch wieder angesprochen, und ich kann es wirklich nicht mehr hören. Sie sagten, die Steuerreform sei eine Belastung des Mittelstands. Jetzt zitiere ich einmal, was ein gewisser Herr Teufel aus Baden-Württemberg geschrieben hat – wörtlich –:
Ohne die Bundesregierung und Finanzminister Hans Eichel mit Lob zu überschütten und ohne Mängel zu verkennen: Was der Minister auf den Weg gebracht hat, ist die erste Steuerreform seit langem, die diesen Namen verdient.
Und weiter:
Die Belastungsdifferenz zugunsten von Kapitalgesellschaften und zum Nachteil von Personenunternehmen gibt es in der von Politik und Presse hervorgehobenen Schärfe nicht. Wägt man
wörtlich –
die Vor- und Nachteile gerade für den Mittelstand ab, so bleibt das Fazit: Respekt.
So Herr Teufel im Oktober. Sie haben vielleicht erkannt – Sie schweigen ganz betroffen, Sie trauen es ihm nicht zu –: Es war natürlich nicht Ihr Herr Teufel, sondern Herr Dieter Teufel, Präsident der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg. So viel zu dem, dass alle Mittelständler und alle Mittelstandsund Wirtschaftsvereinigungen gegen die Steuerreform seien. Diesem Mann der Wirtschaft glaube ich mehr als Ihrer parteipolitischen Propaganda, die Sie leider diesem Enquetebericht vorangestellt haben. Es hätte eine Chance gegeben – natürlich – mit dem Thema „Regionalisierung der Wirtschaftsförderung in Baden-Württemberg“, wenn Sie Strukturen hätten überwinden wollen, wie das bei der Kinderenquete und der Jugendenquete der Fall war. Damals hat man gesagt: Wir kommen in der politischen Diskussion nicht weiter, lasst uns eine Enquetekommission machen.
Ich respektiere das.
Es hätte sich tatsächlich gelohnt, Strukturhemmnisse zu überwinden. Sie haben sich in der ersten Abteilung darauf beschränkt, allgemeine Propaganda zu verbreiten – dafür hätte man keine Enquetekommission gebraucht –,
aber im konkreten Teil haben Sie die Empfehlungen so weit entschärft, dass Herr Döring heute sagen kann: „Ein nettes Papier; wir nehmen das als Anregung mit auf den Weg.“ Es ist eine Schande!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Eine der größten, wenn nicht die größte Herausforderung für die Wohnungspolitik und die Wohnungswirtschaft ist die Stabilisierung bedrohter und von Abwertung betroffener Wohnquartiere. Die Fehlbelegungsabgabe – darauf wurde jetzt schon mehrfach hingewiesen; ich muss das nicht noch einmal ausführen – hat dazu beigetragen, dass Familien weggezogen sind, die man eigentlich in diesen Quartieren wohnen lassen will. Der Begriff „Fehlbelegungsabgabe“ sagt ja schon aus: Du bist hier fehl am Platz, du bist in der falschen Wohnung; dich wollen wir nicht haben. Und die Politik im Zusammenhang mit der „Sozialen Stadt“ sagt genau umgekehrt: Wir brauchen dich, bleib in dem Quartier.
Jetzt kommt ein Versuch, beides unter einen Hut zu bringen. Ich glaube aber, Herr Winckler, das ist kein Kompromiss, sondern es ist – in Teilen jedenfalls – Murks. Zwar ist es richtig, die Einkommensgrenzen anzuheben und die Abgaben zu verringern. Aber dann ist die Frage konkret zu beantworten: Lohnt sich der bürokratische Aufwand noch, und lohnt die drohende Abschreckung? Denn wenn ich dann doch über diese Grenze komme, dann muss ich eben doch zahlen.
Auf diese Frage gibt der Gesetzentwurf die Antwort. Herr Minister, in der Ausschussberatung wird uns dann schon interessieren, wie Sie sich das praktisch vorstellen. Wenn so verfahren würde, wie es Herr Winckler gerade geschildert hat, wäre es so: Da gibt es in einem Block eine Familie, die sich mit Auszugsgedanken trägt. Irgendjemand oder die Familie selbst teilt das dem Wohnungsamt mit. Dann kommt irgendjemand und stellt fest: „Ja, die wollen wir da halten, weil die für die Stabilität im Gebäude wichtig sind“, und dann zahlen die nichts oder weniger, und die Familie darüber, vielleicht eine türkische, die vielleicht ein genauso hohes Familieneinkommen hat, muss mehr zahlen. Wer beantwortet eigentlich die Frage? Das Wohnungsamt? Oder gibt es da so eine Art Wohlfahrtsausschuss? Wir halten es für ungeheuer problematisch, diese Diskussion so zu führen, dass die Frage auf einzelne Familien hin zu beantworten ist. Das schafft zwangsläufig Unfrieden und Unmut.
Deshalb, verehrter Herr Kollege: Weil die Südwest-SPD, die SPD aus Baden-Württemberg, über enormen Einfluss verfügt, gibt es natürlich bereits eine bundesweite Diskussion über die Frage der Sinnhaftigkeit einer Fehlbelegungsabgabe in weiterer Zukunft. Es gibt mittlerweile auch gewichtige Verbündete in dieser Frage, die sagen: Wir können zwar jetzt versuchen, aus einem Murks ein bisschen weniger Murks zu machen und noch einmal eine bürokratische Volte drehen; wir könnten aber auch ernsthaft eine Diskussion beginnen und fragen: Wollen wir angesichts der Notwendigkeit, diese Quartiere aus den Sechziger- und Siebzigerjahren zu stabilisieren, wirklich auch weiterhin mit diesem Instrument arbeiten? Ich persönlich gehöre zu denen, die sagen: Wir müssen etwas tun, und zwar etwas Richtiges.